Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2017, Az. I ZR 110/16

I. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 2616

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:091117U[X.]110.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
IM
NAMEN
[X.]S
VOLKES
URTEIL
I [X.]/16
Verkündet am:
9. November 2017
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

form-strip II
Verordnung ([X.]) Nr.
207/2009 Art.
9 Abs.
1 Satz
2 Buchst.
b, Art.
97, Art.
99; [X.] ([X.]) 2015/2424 Art.
1 Nr.
11, Art.
1 Nr.
92; Verordnung ([X.]) Nr.
2017/1001 Art.
9 Abs. 2 Buchst. b, Art. 127
a)
Die Neufassung des Art. 127 Abs. 3 [X.], die -
anders als Art. 99 Abs. 3 Fall 2
[X.] -
nicht mehr die Einrede des Inhabers des älteren Rechts vorsieht, hat nichts daran geändert, dass ein älteres Recht der Inanspruchnahme aus der [X.] im Wege der Einrede entgegengesetzt werden kann. Dies folgt aus der Neu-fassung des Art. 9 Abs.
2 [X.], die durch die ausdrückliche Erwähnung des [X.] klarstellt, dass der Markeninhaber (weiterhin) sein Recht aus der [X.] nicht mit Erfolg gegen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens geltend machen kann, das Gegenstand eines älteren Rechts ist.
b)
Der [X.] regelt, wie im Wortlaut des Art. 9 Abs. 2 [X.] zum Aus-druck kommt, das zeitliche Rangverhältnis von Rechten. Einer tatsächlichen Be-nutzungsform kann mangels Rechtscharakters kein Vorrang im Sinne des Art. 9 Abs. 2 [X.] zukommen.
[X.], Urteil vom 9. November 2017 -
I [X.]/16 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-

Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 9.
November 2017 durch [X.]
Dr.
Büscher, die Richter Prof.
Dr.
Schaffert, Dr.
Kirchhoff, Prof.
Dr.
Koch und Feddersen

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 28. April 2016 wird auf Kosten der [X.] zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin und die Beklagte zu 1 stellen Sportartikel her. Die Beklagte zu 2 ist die in [X.] ansässige Tochtergesellschaft der [X.] zu 1, die die Produkte ihrer Muttergesellschaft über das [X.] vertreibt.
Die Klägerin ist Inhaberin folgender Marken:
-
Unions-Bildmarke Nr.
3517646, die am 3.
November 2003 angemeldet und am 26.
Januar 2006 für Schuhwaren eingetragen wurde und die [X.] beschrieben ist:
1
2
-
3
-
Die Marke besteht aus drei gleich großen und gleich breiten, parallel laufen-den Streifen, die auf [X.] angebracht sind; die Streifen sind auf der Oberseite des Schuhs auf der Fläche zwischen [X.] und Sohle an-gebracht:

-
[X.]-Positionsmarke Nr.
39950559, die am 14.
Dezember 1999 für "[X.] einschließlich Sport und Freizeitschuhe" eingetragen worden ist:

-
[X.]-Bildmarke Nr.
2094933, die am 19.
April 1995 für "Sport-
und Freizeit-schuhe" eingetragen worden ist:

-
[X.]-Bildmarke Nr. 944623, die am 18.
Mai 1976 für "Sport und Freizeitschu-he" eingetragen worden ist:

-
4
-
-
[X.]-Bildmarke Nr.
720836, die am 8.
Januar 1959 für "Schuhwaren" einge-tragen worden ist:

Die Beklagte zu 1 ist Inhaberin folgender Marken:
-
Unions-Bildmarke Nr.
3513694 mit einer Priorität
vom 31.
Oktober 2003, eingetragen am 7.
Januar 2009 für Waren der Klassen
18, 25 (u.a. [X.]) sowie der Klasse
28:

-
[X.]-Bildmarke Nr.
968937 mit einer Priorität vom 4.
November 1975, einge-tragen am 16.
März 1978 für Schuhwaren:

3
-
5
-
-
[X.]-Bildmarke Nr.
30660586 (sog. "kickback") mit einer Priorität vom 30.
September 2006, eingetragen am 7.
November 2006 für Waren der Klassen Nizza
18, 25 (u.a. Schuhwaren) und 28:

-
Wort-Bild-Marke Nr.
730270 mit einer Priorität vom 7.
Februar 1958, einge-tragen am 23.
Oktober 1959 für Waren der Klasse Nizza
25:

Die [X.] bewarben im Jahr 2013 in ihren Online-Stores folgende Laufschuhe des Typs "BioWeb":

4
-
6
-

Die Klägerin hält diese Verwendungsformen der Laufschuhe der [X.] für marken-
und wettbewerbswidrig. Sie stützt ihre Ansprüche in erster Linie auf ihre
Unionsmarke
([X.]
1), hilfsweise auf eine [X.] [X.]
-
7
-
zungsmarke (§
4 Nr.
2 [X.]), weiter hilfsweise auf ihre eingetragenen [X.]n Marken in der oben dargestellten Reihenfolge, auf eine notorisch bekannte Marke (§ 4 Nr. 3 [X.]) sowie auf Verstöße gegen das [X.] und die Grundsätze des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschut-zes.
Die Klägerin hat beantragt,
der [X.] unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verbieten, in der [X.] im geschäftlichen Verkehr Schuhe gemäß [X.] Abbildungen anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder zu den genannten Zwecken zu besitzen und/oder einzuführen und/oder auszuführen und/oder zu bewerben, die mit einer Streifen-Kennzeichnung gemäß den [X.] Abbildungen versehen sind
[es folgen die oben gezeigten Abbildungen der Schuhmodelle].
Die Klägerin hat ferner Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatzfest-stellung geltend gemacht.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage stattgegeben, nachdem die Klägerin ihre Annexanträge auf das Ge-biet der [X.] beschränkt hatte. Mit ihrer vom Senat zu-gelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt,
verfolgen die [X.] ihren auf Abweisung der Klage gerichteten Antrag weiter.

Entscheidungsgründe:
[X.] Das Berufungsgericht hat die geltend gemachten Ansprüche als [X.] angesehen und hierzu ausgeführt:
Die angegriffenen Verwendungsformen verletzten die Unionsmarke der Klägerin. Dieser komme eine Kennzeichnungskraft von besonders hoher Inten-6
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9
10
-
8
-
sität zu, so dass bei [X.] die geringe Zeichenähnlichkeit zwischen der [X.] und den angegriffenen Verwendungsformen ausreiche, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen. Entgegen der Ansicht des [X.]s folge eine normative Beschränkung des Schutzbereichs der [X.] nicht aus dem Umstand, dass die angegriffene Kennzeichnung eine rechtserhaltende Benutzung der prioritätsälteren Unionsmarke Nr. 3513694 der [X.] [X.]. Der Schutzbereich einer Marke sei weder nach der [X.] noch nach der zuvor geltenden Gemeinschaftsmarkenverordnung mit Blick auf prioritätsältere Marken Dritter zu bemessen. Nach der Regelung im früher geltenden Art. 99 Abs. 3 Fall
2 [X.] habe der Beklagte gegenüber der Inanspruchnahme aus einer Gemeinschaftsmarke einwenden können, dass die [X.] wegen eines älteren Rechts des [X.] für nichtig erklärt wer-den könne. Dass die Beklagte im Streitfall die Nichtigerklärung der [X.] erreichen könne, mache sie selbst nicht geltend. Nach neuer Rechtslage regele Art. 99 Abs. 3 [X.] nur noch den Einwand mangelnder ernsthafter Benutzung der [X.]. Der vom [X.] konstruierte Einwand habe keinen Ein-gang in die [X.] gefunden.
I[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
keinen Erfolg. Die Klage ist zulässig (dazu nachfolgend II
1). Das Berufungsge-richt hat die [X.] zu Recht wegen der Verletzung der Unionsmarke Nr. 3517646
als zur Unterlassung (dazu nachfolgend II
2) sowie zur Auskunft und zum Schadensersatz (dazu nachfolgend II
3) verpflichtet angesehen.
1. Die internationale Zuständigkeit [X.]r Gerichte, die auch unter der Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu [X.] ist (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 30. März 2006 -
I [X.], [X.]Z 167, 91 Rn. 20

Arzneimittelwerbung im [X.]; Urteil vom 19.
März 2015

I
ZR
94/13, [X.], 1129 Rn.
12 = [X.], 1326 -
Hotelbewertungs-portal), ergibt sich für die
im Inland ansässige Beklagte zu 1 aus Art. 97 Abs. 1 11
12
-
9
-
der Verordnung ([X.]) Nr. 207/2009 über die Gemeinschaftsmarke (nachfolgend: [X.])
und für die
in [X.] ansässige Beklagte zu 2 mit Blick auf den
in-ländischen Sitz der Klägerin
aus Art.
97 Abs. 2 [X.].
2. Die [X.] sind gem. Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b [X.]
sowie Art. 9 Abs. 2 Buchst. b [X.]
zur Unterlassung der angegriffenen Zeichenver-wendung verpflichtet.
a) Im Zeitpunkt der behaupteten Zuwiderhandlung
im Jahr 2013 galt Art.
9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b [X.], der
wie folgt
lautete:
Art. 9 [X.]
Rechte aus der Gemeinschaftsmarke
(1) Die Gemeinschaftsmarke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zu-stimmung im geschäftlichen Verkehr

b) ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des [X.] mit der Gemeinschaftsmarke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Gemeinschaftsmarke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistun-gen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass das Zeichen mit der Mar-.
Art. 99 Abs. 3 [X.] regelte den Einwand des Verfalls und der Nichtigkeit gegen die in Art. 96 Buchst. a
[X.] vorgesehene
Verletzungsklage:
Art. 99 [X.] Vermutung der Rechtsgültigkeit; Einreden

(3) Gegen Klagen gemäß Artikel [X.] ist der Einwand des Verfalls oder der Nichtigkeit der Gemeinschaftsmarke, der nicht im Wege der Widerklage erhoben wird, insoweit zulässig, als sich der Beklagte darauf beruft, dass die Gemeinschaftsmarke wegen mangelnder Benutzung für verfallen oder wegen eines älteren Rechts des [X.] für nichtig erklärt werden könnte.
Durch Art. 1 Nummer 11 der
am 23. März 2016 in Kraft getretenen
[X.] ([X.]) 2015/2424 vom 16.
Dezember 2015 zur Änderung der Verord-nung ([X.]) Nr. 207/2009 über die Gemeinschaftsmarke und der Verordnung ([X.]) [X.] zur Durchführung der Verordnung ([X.]) Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke und zur Aufhebung der Verordnung ([X.]) Nr. 2869/95 13
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-
über die an das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) zu entrichtenden Gebühren ([X.]. L 341 vom 24.12.2015, [X.]; nach-folgend: [X.] aF) ist an die Stelle des Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b [X.] die Vorschrift des Art. 9 Abs. 2 Buchst. b getreten, der folgenden Wortlaut hat:
Art. 9 [X.] Ausführungsform Rechte aus der Unionsmarke
(1) Mit der Eintragung einer Unionsmarke erwirbt ihr Inhaber ein
ausschließli-ches Recht an ihr.
(2) Der Inhaber dieser Unionsmarke hat unbeschadet der von Markeninhabern vor dem Zeitpunkt der Anmeldung oder dem [X.] der Unionsmarke er-worbenen Rechte das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benut-zen, wenn

b) das Zeichen mit der Unionsmarke identisch oder ihr ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch
oder ihnen ähnlich sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist, und für das Publikum die Gefahr einer Verwechslung besteht, die die Gefahr einschließt, dass das [X.] mit der Marke gedankl

Art.
99 Abs.
3 [X.] erhielt durch Art.
1 Nr.
92 der
Verordnung ([X.]) Nr.
2015/2424 folgende Fassung:
Art. 99
[X.] aF

(3) Gegen Klagen gemäß Artikel [X.] ist der Einwand des Verfalls der Unionsmarke, der nicht im Wege der Widerklage erhoben wird, in-soweit zulässig, als sich der Beklagte darauf beruft, dass die Unionsmarke we-gen mangelnder ernsthafter Benutzung zum Zeitpunkt der Verletzungsklage für verfallen erklärt werden könnte.
Mit Wirkung vom 1. Oktober 2017 sind nunmehr die
mit Art.
9 und 99
[X.] aF wortgleichen Bestimmungen
der Art.
9 und 127 der Verordnung ([X.]) Nr. 2017/1001 vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke ([X.]. Nr. L 154 vom 16. Juni 2017, [X.]; nachfolgend: [X.]) maßgeblich.
b) Die Revision wendet sich nicht gegen die Feststellungen des [X.], die [X.] der [X.] erfolge im geschäftlichen Verkehr
und
sei markenmäßig. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.
Die vorstehend dargestellten Rechtsänderungen haben auf diese Vorausset-17
18
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-
zungen des Verletzungstatbestands
keine Auswirkungen (vgl. [X.], Urteil vom 28. April 2016 -
I [X.], [X.], 810 Rn. 18 = [X.], 1252

profitbricks.es; Teilurteil vom 3. November 2016 -
I [X.], [X.], 520 Rn. 23 = [X.], 555 -
MICRO COTTON).
c) Die Rüge der Revision, es bestehe keine Verwechslungsgefahr zwi-schen der [X.] 1 und der angegriffenen [X.], hat keinen Erfolg.
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, der [X.] 1 komme eine Kennzeichnungskraft von besonders hoher Intensität zu. Sie genieße eine durch umfangreiche Benutzung für Sportschuhe und Sportbekleidung im deut-schen und [X.] Spitzensport in ganz [X.] eine außerordentlich ho-he Bekanntheit. Zwischen den Waren, für die die [X.] 1 geschützt sei, und den in der angegriffenen Weise gekennzeichneten Waren bestehe [X.]. Es
bestehe eine jedenfalls geringe Zeichenähnlichkeit. Die [X.] der Klägerin zeige
drei parallel verlaufende, gleich breite und gleich große, auf der Oberfläche des Schuhs zwischen Sohle und [X.] an-gebrachte, zur Schuhoberfläche farblich kontrastierende
Streifen, die leicht schräg in Richtung der Schuhspitze gekippt seien und deren Zwischenraum im Vergleich zur [X.] etwas dünner sei. Die angegriffene Kennzeichnung bestehe aus drei parallel geschwungenen, anfangs in etwa gleich breiten Strei-fen, die an der Außenseite des Schuhs von der Mitte der Sohle bis zur Schnü-rung nach oben verliefen. Sie verjüngten sich zunächst nur wenig und seien nur leicht in Richtung der Ferse gekippt, kippten dann jedoch scharf kurvenartig nach hinten in Richtung der Ferse, wobei sie sich gleichzeitig schlagartig auf einen Bruchteil des Durchmessers im [X.] verjüngten, um dann nur leicht nach oben ansteigend und parallel bei gleichbleibendem Durchmesser bis zum [X.] zu verlaufen.
Der Verkehr nehme sowohl die [X.] als auch die angegriffene Kennzeichnung als drei Streifen wahr, die in der Mitte der 20
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-
12
-
Schuhaußenseite von der Sohle in Richtung der Schnürung vertikal parallel ver-liefen und durch den deutlich wahrnehmbaren Abstand der relativ breiten Strei-fen zueinander mit der Schuhoberfläche farblich kontrastierten. Aufgrund der besonders hohen Kennzeichnungskraft der [X.] 1 reiche bei [X.] die geringe Zeichenähnlichkeit aus, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen.
bb) Die Feststellungen des Berufungsgerichts zur Kennzeichnungskraft und [X.] greift die Revision nicht an. Auch im Übrigen vermag die Revision Rechtsfehler in der Beurteilung des
Berufungsgerichts
nicht aufzuzei-gen.
Die Frage, ob eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei [X.] eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder der Ähnlichkeit der Zeichen und der Identität oder der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistun-gen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 28. April 2016 -
I [X.], [X.], 1301 Rn. 44 = [X.], 1510 -
Kinderstube; Urteil vom 2. März 2017 -
I [X.], [X.], 914 Rn. 13 = [X.], 1104 -
Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke, mwN). Die Prüfung der Verwechslungsgefahr als Rechtsfrage erfordert eine Beurtei-lung des Gesamteindrucks der Zeichen aus der Sicht der angesprochenen Ver-kehrskreise, die -
etwa im Hinblick auf die Kennzeichnungskraft des Klagezei-chens und die Zeichenähnlichkeit -
im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet liegt (st. Rspr.; vgl. [X.], [X.], 914 Rn. 43
-
Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke, mwN).
Diese Beurteilung kann daher im Revisionsverfahren nur da-22
23
-
13
-
rauf überprüft werden, ob der Tatrichter einen zutreffenden Rechtsbegriff zu-grunde gelegt und entsprechend den Denkgesetzen und der allgemeinen Le-benserfahrung geurteilt hat und das gewonnene Ergebnis von den getroffenen Feststellungen getragen wird (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 28. April 2016

I
[X.], [X.], 1301 Rn. 46 = [X.], 1510 -
Kinderstube, mwN).
Solche Rechtsfehler zeigt die
Revision weder mit Blick auf die einzelnen Voraussetzungen der Verwechslungsgefahr noch hinsichtlich der Gesamtwür-digung auf.
Es ist
auch
nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht we-gen des hohen Grades der Kennzeichnungskraft der [X.] 1 bei [X.] nur geringe Anforderungen an die Zeichenähnlichkeit gestellt hat.
d) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die angegriffene Zeichenver-wendung stelle als rechtserhaltende Benutzung der Unionsmarke Nr. 3513694 der [X.] zu 1 eine erlaubte [X.] dar, die das Markenrecht der Klägerin normativ begrenze.
aa) Zuzustimmen ist der Revision allerdings darin, dass die Streichung der Einrede des Inhabers des älteren Rechts nach Art. 99 Abs. 3 Fall
2 [X.] keine Rechtsänderung bewirkt hat, weil der Markeninhaber
nach der Neufas-sung des Art. 9 Abs. 2 [X.] sein
Recht
aus der Unionsmarke
gegen die Benut-zung eines identischen oder ähnlichen Zeichens, das Gegenstand des älteren Rechts ist, nicht mit Erfolg
geltend machen kann.
Der Gerichtshof der [X.] hat schon für die Gemein-schaftsmarkenverordnung ausgesprochen, dass die Bestimmungen dieser [X.] im Licht des [X.]s auszulegen sind, dem zufolge
die ältere Gemeinschaftsmarke Vorrang vor der jüngeren Gemeinschaftsmarke hat (vgl. [X.],
Urteil vom 21. Februar 2013 -
C-561/11, [X.].
2013, 337
Rn.
39 = [X.], 614 -
FCI/[X.]; zur Verordnung [[X.]]
Nr. 6/2002
über das Ge-24
25
26
27
-
14
-
meinschaftsgeschmacksmuster
[X.], Urteil
vom 16.
Februar 2012 -
C-488/10, [X.], 510 Rn. 39

Celaya [X.] y Galdos Internacional).
Nach
dem
Erwägungsgrund
12 der Verordnung ([X.]) 2017/1001 dient die nunmehr geschaffene ausdrückliche Regelung, wonach
die Durchsetzung einer Unionsmarke die vor dem Anmelde-
oder [X.] der Unionsmarke erwor-benen
Rechte anderer Inhaber nicht beeinträchtigt, der Gewährleistung der Rechtssicherheit und der vollständigen Übereinstimmung mit dem [X.].
Erwägungsgrund 12 der Verordnung ([X.]) 2017/1001
Zur Gewährleistung der Rechtssicherheit und der
vollständigen Übereinstim-mung mit dem [X.], dem zufolge eine eingetragene ältere Marke Vorrang vor einer später eingetragenen Marke genießt, muss vorgesehen wer-den, dass die Durchsetzung von Rechten aus einer Unionsmarke die Rechte, die Inhaber vor dem Anmelde-
oder [X.] der Unionsmarke erworben haben, nicht beeinträchtigt. Dies steht in Einklang mit Artikel 16 Absatz 1 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des [X.] vom 15. April 1994.
Die Vorschrift des Art. 9 Abs. 2 [X.], der zufolge
das Verbietungsrecht des Inhabers
einer Unionsmarke "unbeschadet"
der von Markeninhabern vor dem Zeitpunkt der Anmeldung oder dem [X.] der Unionsmarke erwor-benen Rechte besteht, ist mithin dahingehend zu verstehen, dass eine Verlet-zung der Unionsmarke nicht vorliegt, wenn ihr ältere Rechte Dritter
entgegen-stehen. Der Anspruch des Verletzungsklägers reicht nur so weit, wie er auf prio-ritätsältere Rechte verweisen kann (vgl.
[X.]/[X.] in [X.]/
[X.], [X.], 5.
Aufl., Art.
99 Rn.
1, die allerdings den Einwand relativer Nichtigkeitsgründe nach der Neufassung des Art. 99 Abs. 3 [X.] für ausge-schlossen halten
[aaO Rn.
3]).
Zwar haben die Unionsmarkengerichte gemäß Art.
99 Abs. 1 [X.] in der Fassung
der Verordnung ([X.]) Nr. 2015/2424 (jetzt: Art. 127 Abs. 1 [X.])
von der Rechtsgültigkeit der Unionsmarke auszugehen, sofern diese nicht durch 28
29
30
-
15
-
den [X.] mit einer Widerklage auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtig-keit gemäß Art. 58 bis 60 [X.] angefochten wird. Hiernach ist den Unions-markengerichten eine Prüfung der Rechtsgültigkeit der Unionsmarke von Amts wegen verwehrt (vgl. [X.], Urteil vom 24. November 2011 -
I [X.], [X.], 618 Rn. 15 = [X.], 813 -
Medusa; [X.], [X.]. 2005, 945, 947).
Die Streichung der Einrede des relativen Nichtigkeitsgrundes in Art. 99 Abs. 3 [X.] in der Fassung der Verordnung ([X.]) Nr. 2015/2424 ist jedoch im Zusammenhang mit der Neufassung des Verletzungstatbestands in Art.
9 Abs.
2 [X.] zu sehen. Es entspricht dem im Wortlaut des Art. 9 Abs. 2 [X.] und dem 12. Erwägungsgrund dieser Verordnung zum Ausdruck kommenden
Willen des [X.], dem [X.] bereits im Rahmen des Verletzungstatbestands Geltung zu verschaffen. Auch nach der Neufassung der [X.] ist
es daher
möglich, der Inanspruchnahme aus dem jüngeren Recht [X.] durch die Berufung auf das ältere Recht entgegenzutreten, ohne dessen Löschung zu betreiben
(aA [X.]/[X.] in [X.]/
[X.] aaO Art. 99 Rn. 3; [X.] [X.]/[X.], [X.]. 1. Juni 2017, Art. 99 VO ([X.]) 207/2009 Rn. 13.1).
bb) Ohne Erfolg macht die Revision jedoch
geltend, der [X.] aus der Unionsmarke der Klägerin stehe im Streitfall der Umstand entge-gen, dass es sich bei der angegriffenen [X.] um eine rechtser-haltende Benutzung der Unionsmarke Nr. 3513694 der [X.] zu 1 handelt.
(1) Das Berufungsgericht hat die Frage offengelassen, ob die [X.] eine rechtserhaltende Benutzung der Unionsmarke Nr.
3513694 im Sinne
des Art.
15 Abs.
1 Unterabs.
2 Buchst.
a [X.] (jetzt: Art.
18 Abs.
1 Unterabs.
2
Buchst.
a [X.]) darstellt.
Auch wenn hieran in der Sache Zweifel bestehen, weil die angegriffene Zeichennutzung -
anders als die Unionsmarke der [X.] zu 1 -
eher als drei Einzelstreifen denn als einheitli-31
32
-
16
-
cher "form strip"
erscheinen, ist dies in der Revisionsinstanz zugunsten der [X.] zu unterstellen.
(2) Unter der Geltung des Art. 99 Abs. 3 [X.]
war anerkannt, dass der [X.] nur zum Erfolg führte, wenn
das ältere Recht des [X.] die [X.] wegen Eingreifens eines relativen Nichtigkeitsgrundes gem. Art. 53 Abs. 1 und 2 [X.] zu Fall bringen konnte (vgl. [X.], [X.].
2009, 74, 77; [X.] [X.]/[X.], [X.]. 15. Juni 2015, Art. 99 Rn. 26; [X.] [X.]/[X.], [X.]. 1. Februar 2015, Art. 99 [X.] Rn. 11).
Voraussetzung des [X.]s war mithin, dass die jüngere Marke und ihr Schutzbe-reich mit der älteren Marke und deren Schutzbereich identisch waren
(Art. 8 Abs. 1 Buchst. a [X.]), Verwechslungsgefahr zwischen jüngerer und älterer Marke bestand (Art. 8 Abs. 1 Buchst. b [X.]),
die jüngere Marke den Bekannt-heitsschutz der älteren Marke verletzte (Art. 8 Abs. 5 [X.]) oder
dass
ein [X.] sonstiges Kennzeichenrecht der Benutzung der jüngeren Marke
entgegen-stand (Art. 8 Abs. 4 [X.]).
Die mit der Verordnung ([X.]) Nr. 2015/2424 vorgenommene
Änderung
des Art.
99 Abs. 3 [X.] hat am Vorrang älterer Rechte gegenüber jüngeren Marken nichts geändert (s. Rn. 26
[II 2 d
aa]). Der in Art. 9 Abs. 2 [X.] aus-drücklich erwähnte Vorrang der vor dem Zeitpunkt der Anmeldung oder dem [X.] der Unionsmarke erworbenen Rechte besteht, wenn -
wie in Art.
8 Abs.
1, 4 und 5 [X.] geregelt -
die jüngere Marke das ältere Recht verletzt oder das ältere Recht der Benutzung der jüngeren Marke entgegensteht und folglich der Inhaber des älteren Rechts Löschung der jüngeren Marke verlangen kann.
(3) Nach der Beurteilung des Berufungsgerichts kann die Beklagte zu 1 aufgrund ihrer Unionsmarke Nr. 3513694 nicht die Nichtigerklärung der [X.] verlangen. Gegen diese Beurteilung, die Rechtsfehler nicht erkennen lässt, erhebt die Revision keine [X.]. Sie macht auch nicht geltend, die Be-33
34
35
-
17
-
klagte zu 1 könne aufgrund der weiteren von ihr gehaltenen Marken die Nichtig-erklärung der
[X.]
1 erreichen. Es fehlt hinsichtlich der [X.] 1 mithin an einer Kollisionslage, die Voraussetzung einer Prioritätsbetrachtung ist.
Eine Kollisionslage besteht entgegen der Auffassung der Revision auch nicht mit Blick auf die tatsächliche
Zeichennutzung
der [X.] zu 1, die in der Revisionsinstanz als rechtserhaltende Benutzung ihrer Unionsmarke anzu-sehen ist. Der [X.] regelt, wie im Wortlaut des Art. 9 Abs. 2 [X.] zum Ausdruck kommt, das zeitliche Rangverhältnis von Rechten. Einer tatsäch-lichen Benutzungsform für sich genommen kann mangels Rechtscharakters kein Vorrang im Sinne des Art. 9 Abs. 2 [X.] zukommen. Diese Sichtweise entspricht der zum harmonisierten Markenrecht ergangenen
Senatsrechtspre-chung, in der Priorität allein Zeichenrechten zugebilligt worden ist (vgl. [X.], Urteil vom 12.
Juli 2007

I
ZR
148/04, GRUR 2008, 160 Rn.
15 =
[X.], 226

[X.]; Urteil vom 5.
Februar 2009 -
I
ZR
167/06, [X.], 484 Rn.
43
=
[X.], 616

[X.]; Urteil vom 14.
Mai 2009

I
ZR
231/06, [X.], 1055 Rn. 52 =
[X.], 1533 -
airdsl).
Die Ver-wechslungsgefahr ist mit Blick auf das Verhältnis zwischen [X.] und beanstandeter Benutzung
zu beurteilen, während die Relevanz prioritätsälterer Gegenrechte allein mit Blick auf das Verhältnis zwischen [X.] und [X.] zu prüfen
ist. Die Revisionserwiderung verweist zu Recht darauf, dass tatsächliche Benutzungsformen für den Schutzbereich der [X.] allein im Sonderfall der Schwächung der [X.] eine Rolle spielen können
(vgl. [X.], Urteil vom 2. Februar 2012 -
I [X.], [X.], 930 Rn. 40 = [X.], 1234
-
Bogner
B/[X.] B).
Nichts anderes kann auch der von der Revision angeführten Senatsent-scheidung "Makalu"
entnommen werden (Urteil vom 19.
Februar 1998

I
ZR
138/95, [X.], 1034 = [X.], 978). In der dortigen [X.] war die Beklagte zur Benutzung einer mit dem [X.] identischen 36
37
-
18
-
Benutzung berechtigt. Hieraus hat der Senat abgeleitet, dass der Angegriffene sich auf das Gegenrecht auch zur Abwehr einer hiermit nur verwechslungsfähi-gen Bezeichnung stützen könne. Wenn der Angreifer sich schon nicht mit Erfolg gegen eine identische Bezeichnung durchsetzen könne, könne er dieses erst recht nicht gegen eine nur verwechselbare
Bezeichnung ([X.],
[X.], 1034, 1036 -
Makalu). Mithin greift
auch in dieser Konstellation die [X.] in den Schutzbereich des älteren Gegenrechts ein. Hieran fehlt es aber im Streitfall, weil die als Gegenrecht angeführten
Marken der [X.]
zu 1 weder identisch noch verwechslungsfähig mit der [X.] sind.
3. Nach dem Vorstehenden hat das Berufungsgericht auch den Anträgen auf Auskunft und Feststellung
der Schadensersatzpflicht
zu Recht stattgege-ben.
4. [X.] an den Gerichtshof der [X.] nach Art. 267 Abs. 3 A[X.]V ist nicht veranlasst (vgl. [X.], Urteil vom 6.
Oktober 1982 -
287/81, Slg. 1982, 3415 Rn.
16 = NJW 1983, 1257

C.[X.]L.F.[X.]T.). Die sich im Streitfall stellenden Fragen zur Auslegung der Ge-meinschafts-
und [X.] sind
durch eine gesicherte Recht-sprechung des Gerichtshofs der [X.] geklärt oder zweifelsfrei zu beantworten.
38
39
-
19
-
II[X.] Danach ist die Revision der [X.] mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Büscher
Schaffert
Kirchhoff

Koch
Feddersen
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 21.04.2015 -
1 [X.]/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 28.04.2016 -
6 U 1576/15 -

40

Meta

I ZR 110/16

09.11.2017

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2017, Az. I ZR 110/16 (REWIS RS 2017, 2616)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 2616

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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