Bundessozialgericht, Urteil vom 05.08.2015, Az. B 4 AS 46/14 R

4. Senat | REWIS RS 2015, 7042

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Eingliederungsleistungen - Einstiegsgeld - Anspruchsvoraussetzungen - Tatbestandsmerkmal der Geeignetheit der Erwerbstätigkeit zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit - Prognoseentscheidung


Leitsatz

Die Erbringung von Einstiegsgeld nach dem Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende setzt voraus, dass durch die aufgenommene sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit - unter Berücksichtigung der Besonderheiten des konkreten Arbeitsverhältnisses und der Bedingungen des regionalen Arbeitsmarkts - der Hilfebedarf zumindest des Antragstellers prognostisch überwunden werden kann.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 17. Juli 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

[X.] steht die Erbringung von Einstiegsgeld bei Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung für den Zeitraum vom [X.] bis 24.2.2010.

2

Der Kläger und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebende Familie bezogen laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] Am [X.] beantragte er die Bewilligung von Einstiegsgeld nach § 16b [X.]B II. Am selben Tag nahm er eine Erwerbstätigkeit bei der Firma "Regionaler Versandservice - der Eilbote" auf, für die ein Grundgehalt von 405 Euro auf Basis einer Arbeitszeit von 60 Stunden im Monat vereinbart war. Durch Bescheid vom 9.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] lehnte der Beklagte die Erbringung der beantragten Eingliederungsleistung ab. Er führte zur Begründung aus, dass der vom Kläger erzielte [X.] mit 6,75 Euro ortsüblich sei. Die Gewährung von Einstiegsgeld an den Kläger hätte damit zur Folge, dass das Lohnabstandsgebot nicht gewahrt bleibe. Die Erbringung der Leistung würde zu einer Besserstellung des [X.] gegenüber nicht geförderten Arbeitnehmern führen.

3

Das [X.] hat die Klage hiergegen durch Urteil vom 15.3.2011 mit der Begründung abgewiesen, dass die vom Kläger verrichtete Tätigkeit keinerlei berechtigte Chance zur Überwindung seiner Hilfebedürftigkeit nach dem [X.]B II biete. Es sei nicht erkennbar, dass dem Kläger perspektivisch in Aussicht gestellt worden sei, die wöchentliche Arbeitszeit von 15 Stunden aufstocken zu können. Mit dem erzielten Bruttolohn könne er die Hilfebedürftigkeit jedoch nicht überwinden. Dies gelte umso mehr, als hiervon die Kosten für den Einsatz seines privaten Pkw in Abzug zu bringen seien. Ebenso wenig gebe es Anhaltspunkte dafür, dass der Bruttolohn in absehbarer Zeit habe erhöht werden sollen. Im Berufungsverfahren ist der Kläger ebenfalls erfolglos geblieben. Das L[X.] hat die Bewilligung von Einstiegsgeld nicht als erforderlich angesehen. Vor dem Hintergrund der programmatischen Kernaussagen des [X.] in den §§ 1, 3 [X.]B II sei Erforderlichkeit nur dann gegeben, wenn die Eingliederungsleistung der Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit diene. Dazu müsse der [X.] mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden können. Dies sei vorliegend nicht der Fall (Urteil vom 17.7.2014).

4

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom B[X.] zugelassenen Revision. Nach seiner Auffassung ist das Einstiegsgeld zu gewähren, wenn es die Aufnahme oder Fortführung einer Beschäftigung unterstütze. Insoweit komme es nicht auf das Lohnabstandsgebot an. Auch sei nicht entscheidend, ob die Überwindung von Hilfebedürftigkeit im Sinne des Ausscheidens aus dem Leistungsbezug durch die Erwerbstätigkeit erreicht werde. Es genüge eine Verringerung dieser.

5

Der Kläger beantragt,
die Urteile des [X.] vom 17. Juli 2014 und des [X.] vom 15. März 2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 9. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm einen neuen Bescheid über die Erbringung von Einstiegsgeld für den Zeitraum vom 16. Oktober 2009 bis 24. Februar 2010 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält die Ausführungen im Urteil des L[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist unbegründet.

9

Der Beklagte hat die Erbringung von Einstiegsgeld iS des § 16b Abs 1 [X.] (idF des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom [X.], [X.] 2917 mWv 1.1.2009) an den [X.]läger zu Recht abgelehnt. [X.] kann dabei, ob der [X.]läger rechtzeitig einen Antrag auf diese Eingliederungsleistung gestellt hat und leistungsberechtigt im Sinne der Vorschrift war. Denn die von ihm aufgenommene sozialversicherungspflichtige Beschäftigung diente prognostisch nicht zur Überwindung von Hilfebedürftigkeit. Es kam daher entgegen der Auffassung des [X.] auch nicht mehr darauf an, ob die Erbringung des [X.] prognostisch zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich war.

1. Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Insbesondere war die Berufung zulässig; der [X.] von 750 Euro (§ 144 Abs 1 S 1 [X.]) war auch unter Berücksichtigung des nur vier Monate bestehenden Beschäftigungsverhältnisses - wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat - überschritten.

Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist die Bewilligung von Einstiegsgeld nur noch für die Zeitdauer, in der das Arbeitsverhältnis des [X.] bei der Firma "Regionaler Versandservice - der Eilbote" bestand (16.10.2009 bis 24.2.2010), die der Beklagte bereits vor deren Beendigung dem Grunde nach durch Bescheid vom 9.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] abgelehnt hatte. Der [X.]läger macht sein Begehren hier zutreffend mit einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage iS des § 54 Abs 1 S 1 Alt 1 iVm Abs 2 [X.] [X.]G geltend. Sie ist auf die Aufhebung der ablehnenden Bescheide des [X.] und die Neubescheidung im Sinne der Erbringung von Einstiegsgeld - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts - in einer von dem [X.] noch zu bemessenden Höhe gerichtet.

2. Für eine derartige Neubescheidungsverpflichtung des [X.] mangelt es hier jedoch bereits an einem Anspruch des [X.] auf die Erbringung des [X.] dem Grunde nach. Nach § 16b Abs 1 [X.] kann erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die arbeitslos sind, zur Überwindung von Hilfebedürftigkeit, bei Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit ein Einstiegsgeld erbracht werden, wenn dies zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich ist. Die von dem [X.]läger aufgenommene Erwerbstätigkeit bei der Firma "Regionaler Versandservice - der Eilbote" diente bereits nicht der Überwindung seiner Hilfebedürftigkeit.

a) Angesichts dessen kann es hier dahinstehen, ob der [X.]läger rechtzeitig einen Antrag auf Einstiegsgeld gestellt hat und er leistungsberechtigt iS des § 16b Abs 1 [X.], also erwerbsfähig, hilfebedürftig und arbeitslos war bzw die Feststellungen des [X.] zur Beurteilung dessen durch den erkennenden [X.] hinreichend sind. Der [X.] brauchte daher weder zu entscheiden, ob abgesehen von dem unzweifelhaften Erfordernis eines eigenständigen Antrags auf Einstiegsgeld (allgemein zur selbstständigen Beantragung von Eingliederungsleistungen [X.] - [X.] A[X.]9/13 R - [X.], 225 = [X.]-4200 § 37 [X.], Rd[X.]7; siehe auch [X.] in [X.], [X.], 3. Aufl 2013, § 37 Rd[X.]5; zum Einstiegsgeld vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 16b RdNr 133, Stand November 2014; aA [X.] in [X.], juris-P[X.] [X.], 4. Aufl 2015, § 16b [X.]), dieser Antrag auch noch einer zeitlichen Befristung unterliegt, entsprechend derjenigen wie sie von der Rechtsprechung zu den [X.] nach dem [X.]I entwickelt worden ist (siehe zur Rechtsprechung des B[X.] zu den [X.] nach §§ 217 ff [X.]I idF des [X.] vom [X.], [X.] 594: B[X.] vom [X.] - [X.]a [X.] 20/05 R - [X.]-4300 § 324 [X.] RdNr 13; [X.] - [X.]/7a [X.] 16/07 R - [X.]-4300 § 217 [X.] RdNr 12; vgl für das Einstiegsgeld [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 16b RdNr 133, Stand November 2014), also ob er bis zur Aufnahme der Erwerbstätigkeit gestellt worden sein muss.

Noch bedarf es tragender Ausführungen dazu, ob das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit aufgrund der Beachtung der Regelung des § 44a Abs 1 S 3 [X.] idF des Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2.12.2006 ([X.] 2742 mWv 1.8.2006 - heute § 44a Abs 1 S 7 [X.]) auch im Falle der Beantragung von Eingliederungsleistungen - soweit kein Feststellungsverfahren eingeleitet worden ist - bereits aus rechtlichen Gründen anzunehmen ist (vgl für den Fall der Beantragung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts B[X.] vom 7.11.2006 - [X.]b [X.]/06 R - [X.], 231 = [X.]-4200 § 22 [X.], RdNr 19; siehe auch [X.] - [X.] A[X.]6/13 R - [X.], 210 = [X.]-4200 § 15 [X.], RdNr 49). Der Wortlaut der Regelung sieht keine Beschränkung auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vor, sondern bezieht sich allgemein auf die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (vgl hierzu Blüggel in [X.], [X.], 3. Aufl 2013, § 44a RdNr 70; [X.]napp in [X.], juris-P[X.] [X.], 4. Aufl 2015, § 44a [X.]).

Ferner kann unbeantwortet bleiben, wie der Begriff der Arbeitslosigkeit iS des § 16b Abs 1 [X.] zu verstehen ist. Er wird in § 16b [X.] nicht näher umschrieben und aus der Begründung zum Gesetzentwurf der Vorgängerregelung des § 29 [X.] (gültig bis zum 31.12.2008) lassen sich keine Hinweise dazu entnehmen, was hierunter im Rahmen des § 16b Abs 1 [X.] zu verstehen sein soll (vgl BT-Drucks 15/1516 [X.]). Teilweise wird in der Literatur insoweit zwar darauf hingewiesen, dass § 53a Abs 1 [X.] (hier idF des Siebten Gesetzes zur Änderung des [X.]I und anderer Gesetze vom [X.], [X.] 681) eine Legaldefinition dieses Begriffs enthalte (so wohl [X.] in [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl 2011, § 16b Rd[X.]; [X.] in [X.], LP[X.]-[X.], 5. Aufl 2013, § 16b RdNr 8). Eine Übertragung derer auf die Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals in § 16b Abs 1 [X.] wird jedoch weitgehend abgelehnt (zur Bedeutung insoweit vgl [X.] in [X.], [X.], 3. Aufl 2013, § 53a Rd[X.]). Auch bestehen Zweifel an der Übertragbarkeit des [X.] von "Arbeitslosigkeit" aus dem Regelungsbereich des [X.]I. Die diesen Zentralbegriff im Arbeitsförderungsrecht nach § 119 [X.]I (in der hier noch anzuwendenden Fassung des [X.] am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, [X.] 2848) bzw heute § 138 [X.]I prägenden Merkmale der Beschäftigungslosigkeit, Verfügbarkeit und Erreichbarkeit sowie der [X.] fügen sich nur schwer in das System des [X.] ein. Allenfalls könnten sie unter Berücksichtigung der Unterschiede zum [X.] mit Modifizierungen zur Auslegung herangezogen werden (so letztlich auch [X.] in [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl 2011, § 16b Rd[X.]; [X.], [X.]/[X.]I, § 16b RdNr 43, Stand April 2014; [X.] in [X.], juris-P[X.] [X.], 4. Aufl 2015, § 16b RdNr 43; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 16b [X.]4, Stand November 2014; siehe auch B. [X.] in [X.]nickrehm/[X.]reikebohm/Waltermann, [X.]ommentar zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015, § 16b RdNr 4, der § 53a [X.] sinngemäß anwendet; vgl auch B[X.] vom 12.12.2013 - [X.] [X.]/13 R - [X.]-4200 § 16 [X.] Rd[X.]). Allerdings waren nach Auffassung des [X.]s Modifizierungen in einem Umfang erforderlich, die die [X.]onturen des arbeitsförderungsrechtlichen Begriffs weitestgehend verwischen würden.

Die Sozialversicherungspflichtigkeit der vom [X.]läger aufgenommenen Erwerbstätigkeit hat das [X.] für den [X.] bindend festgestellt (§ 163 [X.]G).

b) Soweit das [X.] unter Bezugnahme auf die erstinstanzliche Entscheidung des [X.] die berechtigte Chance und Hoffnung verneint hat, der [X.]läger werde die Hilfebedürftigkeit mit der aufgenommenen Tätigkeit auf Dauer überwinden, bleibt zwar offen, welchen Maßstab es dieser Beurteilung zugrunde gelegt hat. Im Ergebnis ist es allerdings nicht zu beanstanden, die Verpflichtung des [X.] zur Erbringung von Einstiegsgeld aus diesem Grund zu verneinen.

Zutreffend ist das [X.] zunächst davon ausgegangen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen der "Überwindung der Hilfebedürftigkeit" und der "Erforderlichkeit des [X.] zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt" nach dem Aufbau der Vorschrift des § 16b [X.] nicht erst im Rahmen des [X.] vom [X.] zu berücksichtigen sind. Raum für eine Ermessensentscheidung ist erst auf der [X.], wenn die zuvor benannten Voraussetzungen bejaht worden sind ([X.], [X.]/[X.]I, § 16b [X.]3, Stand April 2014; [X.] in [X.], juris-P[X.] [X.], 4. Aufl, 2015, § 16b [X.]5; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 16b RdNr 73, Stand November 2014; aA B. [X.] in [X.]nickrehm/[X.]reikebohm/Waltermann, [X.]ommentar zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015, § 16b RdNr 8; [X.] in [X.] LP[X.]-[X.], 5. Aufl 2013, § 16b RdNr 11). Es handelt sich insoweit um unbestimmte Rechtsbegriffe (siehe die Rechtsprechung des B[X.] zu § 217 [X.]I aF: B[X.] vom [X.] 11b [X.]/07 B - juris Rd[X.]), bei deren Ausfüllung nicht nur die in der Person des Leistungsberechtigten liegenden Umstände zu berücksichtigen sind, sondern auch die Situation auf dem Arbeitsmarkt. Sie unterliegen jedoch der vollen gerichtlichen [X.]ontrolle (vgl [X.], [X.]/[X.]I, § 16b [X.]3, Stand April 2014; [X.] in [X.], juris-P[X.] [X.], 4. Aufl 2015, § 16b [X.]5; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 16b RdNr 73, Stand November 2014). Der Beklagte hat die Überwindung der Hilfebedürftigkeit durch die Aufnahme der sozialversicherungspflichtigen oder tragfähigen selbstständigen Erwerbstätigkeit und deren Förderung durch das Einstiegsgeld unter Berücksichtigung der Erforderlichkeit zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt prognostisch zu beurteilen (vgl auch [X.] in [X.], [X.], 3. Aufl 2013, § 16b Rd[X.]0). Ein Beurteilungsspielraum, der von den Gerichten nur darauf überprüft werden kann, ob der Verwaltungsentscheidung ein zutreffend und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, die durch Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs abstrakt ermittelten Grenzen eingehalten und beachtet worden sind sowie die Verwaltung ihre Subsumtionsgedanken in einer Art und Weise zum Ausdruck gebracht und begründet hat, dass die Berücksichtigung der [X.] ersichtlich und nachvollziehbar ist (vgl nur B[X.] vom [X.] - [X.]a [X.] 20/05 R - [X.]-4300 § 324 [X.] Rd[X.]2 zu [X.] nach §§ 217 ff [X.]I und mwN), ist dem [X.] gleichwohl nicht eingeräumt ([X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 16b [X.]3, Stand November 2014). Die Prognose umfasst zwar auch die Lage des regionalen Arbeitsmarktes zum Zeitpunkt der Entscheidung. Sie wird auf diese Weise durch die gegenwärtige und zukünftige Arbeitsmarktsituation mitbestimmt. Ebenso wie bei den [X.] der §§ 217 ff [X.]I aF ist die Förderung durch das Einstiegsgeld jedoch nicht von einer arbeitsmarktpolitischen Zweckmäßigkeit abhängig, sondern lediglich von arbeitsmarkt- und berufskundlichen [X.]enntnissen (so [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 16b RdNr 73, Stand November 2014). Die darauf aufbauende prognostische Einzelbeurteilung der tatsächlichen Feststellungen ist im gerichtlichen Verfahren jedoch mit gleicher Sicherheit einer Überprüfung zugänglich wie im Verwaltungsverfahren. Weder rechtliche noch faktische Anhaltspunkte, die eine Ausnahme von der nach Art 19 Abs 4 GG prinzipiell gewährleisteten vollständigen Überprüfbarkeit von Verwaltungsentscheidungen rechtfertigen, sind hier gegeben (vgl B[X.] vom [X.] - [X.]a [X.] 20/05 R - [X.]-4300 § 324 [X.] Rd[X.]2).

Bezugspunkt für die Prognose ist die letzte Verwaltungsentscheidung - hier der Widerspruchsbescheid des [X.] vom [X.]. Insoweit ist es nicht von Bedeutung, ob, wie vorliegend, der Erfolg bereits deswegen nicht eintreten konnte, weil die Erwerbstätigkeit später wieder beendet wurde. Maßgeblich ist vielmehr nach einer ex-ante-Betrachtung, ob der Erfolg im Sinne der Überwindung der Hilfebedürftigkeit durch die sozialversicherungspflichtige oder selbstständige Erwerbstätigkeit wahrscheinlich eintreten wird und das Einstiegsgeld für eine Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt prognostisch wahrscheinlich erforderlich ist (vgl [X.], [X.]/[X.]I, § 16b [X.]4 f, Stand April 2014; [X.] in [X.], [X.], 3. Aufl 2013, § 16b Rd[X.]0; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 16b RdNr 73, Stand November 2014). Die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen knüpft dabei an zwei unterschiedliche Ausgangspunkte an; zum einen an die aufgenommene Erwerbstätigkeit und deren Dienlichkeit zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit. Zum zweiten ist Ansatzpunkt der Hilfebedürftige selbst, wenn es zu beurteilen gilt, ob die Gewährung von Einstiegsgeld für seine Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich ist.

Offen bleibt nach den Ausführungen des [X.] zwar, wie es den Begriff der Überwindung der Hilfebedürftigkeit auslegt. Es hat lediglich befunden, dass die aufgenommene sozialversicherungspflichtige Tätigkeit keine berechtigte Chance und Hoffnung begründe, die Hilfebedürftigkeit auf Dauer zu beenden. In der Literatur wird insoweit zu einem großen Teil das prognostische Ausscheiden aus dem Leistungsbezug für erforderlich gehalten ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl 2011, § 16b [X.]; [X.], [X.]/[X.]I, § 16b [X.]4, Stand April 2014; [X.] in [X.], juris-P[X.] [X.], 4. Aufl 2015, § 16b [X.]5; [X.] in [X.], [X.], 3. Aufl 2013, § 16b Rd[X.]0). Soweit der Leistungsberechtigte jedoch in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, würde die Forderung nach der Eignung der Erwerbstätigkeit zum Ausscheiden aus dem Leistungsbezug dazu führen, dass durch das prognostisch erzielbare Einkommen der Bedarf der gesamten Bedarfsgemeinschaft gedeckt sein müsste. Denn nach § 9 Abs 2 S 3 [X.] gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, wenn in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen [X.]räften und Mitteln gedeckt ist. Dies bedeutet, dass sich der Hilfebedarf im [X.] grundsätzlich nach dem Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft bestimmt. Dies führte jedoch im Rahmen des § 16b Abs 1 [X.] zu einer Benachteiligung der Leistungsberechtigten, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Denn bei ihnen wäre eine günstige Prognose iS des § 16b Abs 1 [X.] davon abhängig, dass es ihnen gelingen müsste, ein höheres Einkommen zu erzielen als ein alleinstehender Hilfebedürftiger, der voraussichtlich durch die Erwerbstätigkeit "nur" in die Lage versetzt werden müsste, seinen Regelbedarf und die Unterkunftsaufwendungen zu decken. Für Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft würden Erwerbstätigkeiten im Niedriglohnbereich damit selten förderungsfähig sein, es sei denn, es wäre prognostizierbar, dass sich hieraus eine Erwerbstätigkeit mit einer Entlohnung entwickeln könnte, die diesen Bereich deutlich verlässt. Zwar spricht diese Ausgangslage dafür, das Merkmal der Überwindung der Hilfebedürftigkeit im Rahmen des § 16b Abs 1 [X.] darauf zu reduzieren, dass nur der Hilfebedarf des Leistungsberechtigten selbst prognostisch gedeckt werden können muss (so auch [X.] in BeckO[X.] [X.], § 16b RdNr 10, Stand Juni 2015). Andererseits würde dies eine Abweichung vom systematischen Verständnis der Hilfebedürftigkeit iS des § 9 [X.] nach sich ziehen. Ob im Rahmen des § 16b Abs 1 [X.] nun auf die prognostische Überwindung des Hilfebedarfs desjenigen abzustellen sein soll, der das Einstiegsgeld begehrt oder den Hilfebedarf der gesamten Bedarfsgemeinschaft, erschließt sich auch nicht aus der Begründung zum Gesetzentwurf. Es finden sich weder zu der Vorgängervorschrift des § 29 [X.] (BT-Drucks 15/1516 [X.]), noch zu § 16b [X.] (BT-Drucks 16/10810 [X.]) Hinweise dazu, von welchem Verständnis des Begriffs der Überwindung der Hilfebedürftigkeit im Gesetzgebungsprozess ausgegangen worden ist. Die systematische Gesamtbetrachtung des § 16b [X.] zeigt, dass der Gesetzgeber zumindest bei der Bemessung der Leistung die Situation der Bedarfsgemeinschaft einbeziehen wollte. Auch geht die Funktion des [X.] - anders als der [X.]läger vorbringt - deutlich über die der bloßen Verringerung des Hilfebedarfs iS von § 2 Abs 1 [X.] durch die Erzielung von Erwerbseinkommen hinaus. Das Einstiegsgeld soll vielmehr für den Hilfebedürftigen mit der Aufnahme der Erwerbstätigkeit eine spürbare Verbesserung seiner finanziellen Situation herbeiführen, um damit zu bewirken, dass er die aufgenommene Erwerbstätigkeit ausbaut (siehe [X.], [X.]/[X.]I, § 16b RdNr 10, Stand April 2014; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 16b Rd[X.]3, Stand November 2014). Eine abschließende Bewertung kann hier jedoch dahinstehen, denn der [X.]läger kann nach den Feststellungen des [X.] durch die aufgenommene sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit bereits seinen eigenen Hilfebedarf prognostisch nicht überwinden.

Zutreffend ist das [X.] insoweit - unter Bezugnahme auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe - davon ausgegangen, zwischen der Aufnahme der Erwerbstätigkeit und der Überwindung der Hilfebedürftigkeit nach § 16b Abs 1 [X.] müsse ein [X.]ausalzusammenhang bestehen. Dabei muss im Prognosezeitpunkt durch die aufgenommene Tätigkeit die Hilfebedürftigkeit nicht bereits überwunden sein. Dies folgt bereits aus [X.] des § 16b Abs 1 [X.]. Danach kann das Einstiegsgeld auch erbracht werden, wenn die Hilfebedürftigkeit durch oder nach Aufnahme der Erwerbstätigkeit entfällt. Soll das Einstiegsgeld insbesondere einen Anreiz zur Aufrechterhaltung und dem Ausbau der sozialversicherungspflichtigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit bei deren Aufnahme setzen, kann das Einstiegsgeld weder in dem einen noch in dem anderen Fall unter Hinweis darauf, dass die Hilfebedürftigkeit aktuell überwunden oder nicht überwunden werde, versagt werden. Auch besagen weder die Höhe des vereinbarten Entgelts noch ggf eine Befristung für sich alleine, dass durch die Tätigkeit Hilfebedürftigkeit nicht prognostisch überwunden werden kann. Abzustellen ist vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der arbeitsvertraglichen und tatsächlichen Ausgestaltung der aufgenommenen Erwerbstätigkeit und wollte man auf den Hilfebedarf der gesamten Bedarfsgemeinschaft abstellen, wohl auch deren Situation. Es ist zu bewerten, ob es eine Grundlage dafür gibt, dass sich aus dieser noch nicht oder bereits bedarfsdeckenden Tätigkeit eine solche entwickeln kann, die geeignet ist, den Hilfebedarf längerfristig zu überwinden. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann es auch erforderlich sein zu prüfen, ob die Tätigkeit abstrakt von ihrer Art her geeignet sein kann, den Hilfebedarf zu decken. Die Arbeitsagentur oder die [X.] haben dann vor dem Hintergrund ihrer arbeitsmarkt- und berufskundlichen [X.]enntnisse insoweit die Verhältnisse auf dem regionalen Arbeitsmarkt in den Blick zu nehmen und ggf festzustellen, ob die ausgeübte Tätigkeit außerhalb der Förderung durch Eingliederungsleistungen von Arbeitnehmern in einem nennenswerten Umfang als bedarfsdeckende Haupteinnahmequelle dient.

Im vorliegenden Fall war bereits aufgrund der konkreten Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses zu erkennen, dass es nicht geeignet war und perspektivisch nicht werden würde, die Hilfebedürftigkeit des [X.] zu überwinden. Wie das [X.] - dessen Begründung sich das [X.] zu eigen macht - zutreffend ausgeführt hat, waren insoweit die Arbeitszeit, die Höhe des Entgelts und die Umstände der Ausübung der Tätigkeit in Betracht zu ziehen. Das vom [X.]läger erzielte Entgelt von 405 Euro monatlich war nicht bedarfsdeckend. Das [X.] hat für den [X.] bindend festgestellt (§ 163 [X.]G), dass auch keine Anzeichen für eine perspektivische Aufstockung des Entgelts oder der geringen Arbeitszeit von 60 Stunden monatlich vorhanden waren. Ebenso war keine Änderung der Bedingung, dass das eigene [X.]fz für das Austragen der Pakete und Briefe vom [X.]läger einzusetzen war, in Aussicht gestellt. Da er nicht einmal die Aufwendungen hierfür erstattet bekommen hat, ist die Schlussfolgerung des [X.] nicht zu beanstanden, dass mit dem damit noch niedrigeren Entgelt, also unter Abzug der [X.]osten durch den Einsatz des eigenen [X.]fz, keine reelle Entlohnung übrig geblieben sei. Aus diesen Feststellungen kann zwanglos auf das Fehlen des [X.]ausalzusammenhangs zwischen der Aufnahme der sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit und der "Überwindung der Hilfebedürftigkeit" geschlossen werden. Die aufgenommene Erwerbstätigkeit war prognostisch schon nicht geeignet, den Hilfebedarf des [X.] zu überwinden.

Damit bedarf es der Prüfung, ob die Erbringung von Einstiegsgeld zur Eingliederung des [X.] in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich war, im konkreten Fall nicht mehr. Die Überwindung der Hilfebedürftigkeit und die Erforderlichkeit des [X.] für die Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt sind zwei getrennt voneinander zu prüfende Tatbestandsvoraussetzungen, die aufeinander aufbauen. Sie sind nicht zu einem Merkmal zusammenzuziehen und müssen beide erfüllt sein. Bei Letzterem geht es, wenn die prognostische Eignung der aufgenommenen Erwerbstätigkeit zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit festgestellt worden ist, darum, ob die Eingliederung des Hilfsbedürftigen in den allgemeinen Arbeitsmarkt nur durch die Erbringung des [X.] - als ultima ratio - bei der Aufnahme der sozialversicherungspflichtigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit erforderlich ist (vgl [X.] in [X.], [X.], 3. Aufl 2013, § 16b Rd[X.]2; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 16b RdNr 80, Stand November 2014). Es ist mithin danach zu fragen, ob beim Hilfebedürftigen Eingliederungshemmnisse gegeben sind, die eine Förderung durch das Einstiegsgeld erforderlich machen, um ihn auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt prognostisch auf Dauer eingliedern zu können. Prüfungsgegenstand ist mithin - anders als das [X.] ausgeführt hat - nicht, ob der [X.] - im Sinne der Überwindung der Hilfebedürftigkeit - mit hinreichender Sicherheit vorausgesagt werden könne.

Soweit der Beklagte darauf verweist, dass der [X.]läger eine ortsübliche Entlohnung für die aufgenommene Erwerbstätigkeit erhalten habe, kann hiermit allein keine Versagung des [X.] begründet werden. Die ortsübliche Entlohnung besagt weder etwas über die Perspektive der Überwindung der Hilfebedürftigkeit, noch die Erforderlichkeit der Erbringung von Einstiegsgeld für die Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Insofern mag zwar die ortsübliche Entlohnung Indiz dafür sein, dass eine Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt auch ohne die Erbringung des [X.] oder sonstiger Eingliederungsleistungen gelingt oder bereits keine Eingliederungshemmnisse vorliegen, die mit dem Einstiegsgeld überwunden werden müssten. Dass dies auch im Einzelfall anzunehmen ist, bedarf dann jedoch einer näheren Begründung.

3. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 4 AS 46/14 R

05.08.2015

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Meiningen, 15. März 2011, Az: S 23 AS 561/10, Urteil

§ 16b Abs 1 S 1 SGB 2, § 16b Abs 1 S 2 SGB 2, § 9 Abs 1 SGB 2, § 9 Abs 2 S 3 SGB 2, § 53a Abs 1 SGB 2, § 16 Abs 1 SGB 3, § 138 Abs 1 SGB 3, § 2 Abs 1 S 1 SGB 2

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 05.08.2015, Az. B 4 AS 46/14 R (REWIS RS 2015, 7042)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7042

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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