Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.06.2014, Az. 4 StR 128/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2014, 4725

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Gegenstand

Einziehung eines Personal-Computers: Datenlöschung als milderes Mittel


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 19. Dezember 2013 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Einziehung des Laptops [X.] „[X.] 5315" angeordnet worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes und wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es die Einziehung verschiedener Gegenstände angeordnet, unter denen sich auch ein Laptop [X.] „[X.] 5315" befindet.

2

Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat den aus der [X.] ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

3

Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.

4

Zur Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts durch Ablehnung eines Antrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass es sich bei den vom Angeklagten mit seinem Mobiltelefon bei der Tat zum Nachteil seines [X.] gefertigten Videoaufnahmen um eine einzige Videoaufnahme handelt, bemerkt der Senat ergänzend zur Antragsschrift des [X.] vom 12. Mai 2014:

5

Da es dem Antragsteller grundsätzlich nicht verwehrt sein kann, auch solche Tatsachen unter Beweis zu stellen, die er lediglich für möglich hält oder nur vermutet (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschluss vom 4. Dezember 2012 - 4 StR 372/12, [X.]R StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 51, [X.]. 12 mwN; dazu [X.]/[X.], 26. Aufl., § 244 Rn. 110 ff.), begegnet die Auffassung des [X.]s, es fehle dem Beweisbegehren hier wegen einer „aufs Geratewohl" aufgestellten Beweisbehauptung die Eigenschaft eines nach § 244 Abs. 3 bis 6 StPO zu [X.] Beweisantrags, rechtlichen Bedenken. Auf einem möglichen Rechtsfehler würde das angefochtene Urteil jedoch nicht beruhen. Die eingehende, die Verteidigungsinteressen des Angeklagten in jeder Hinsicht berücksichtigende Begründung des Ablehnungsbeschlusses ergibt, dass die [X.] den Antrag auch unter Berufung auf ihre - hinreichend dargelegte - eigene Sachkunde abgelehnt hat.

II.

6

1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

7

2. Jedoch kann die Anordnung über die Einziehung des Laptops [X.] „[X.] 5315" nicht bestehen bleiben.

8

a) Das [X.] hat zwar im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass der Laptop als Einziehungsgegenstand in Betracht kommt, weil der Angeklagte ihn zur Speicherung der von ihm angefertigten Videoaufzeichnungen benutzt hat. Auch dass es die Einziehung nicht auf § 201a Abs. 4 Satz 1 StGB gestützt hat, macht die Anordnung für sich genommen noch nicht durchgreifend rechtsfehlerhaft. Denn durch diese Bestimmung werden die allgemeinen Voraussetzungen der Einziehung für Straftaten nach § 201a StGB lediglich erweitert (vgl. § 74 Abs. 4 StGB; dazu MüKoStGB/[X.], 2. Aufl., § 74 Rn. 52). Nach den Feststellungen waren im vorliegenden Fall auch die Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 StGB gegeben.

9

b) Das [X.] hat jedoch die für alle Fälle der obligatorischen oder fakultativen Einziehung geltende Bestimmung des § 74b Abs. 2 StGB (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 28. November 2008 - 2 [X.], [X.]St 53, 69, 71; [X.], Beschluss vom 15. März 1988 - 1 [X.], [X.] 1989, 156; [X.] in [X.]/[X.], StGB, § 74b Rn. 5) übersehen und daher nicht erkennbar geprüft, ob unter Anordnung des Vorbehalts der Einziehung eine weniger einschneidende Maßnahme zu treffen war, sofern der Zweck der Einziehung auch dadurch erreicht werden konnte. Als Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hat die Vorschrift - anders als die Absätze 1 und 3 dieser Norm - zwingenden Charakter (Senatsbeschluss vom 28. August 2012 - 4 StR 278/12, [X.]R StGB § 74b Abs. 2 Einziehung 1 mwN).

Da eine Rückgabe des Laptops mit den betreffenden Videodateien an den Angeklagten nicht in Betracht kommt, hätte hier geprüft werden müssen, welche Dateien auf der Festplatte des Laptops im Einzelnen die Videoaufnahmen enthalten und ob deren Löschung technisch möglich ist. Stünde damit ein milderes geeignetes Mittel als die sonst gebotene (vorbehaltlose) Einziehung zur Verfügung, ist letztere vorzubehalten und eine entsprechende Anordnung zu treffen; es ist dann Sache des Verurteilten, ob er die Anordnung befolgt und dadurch die Einziehung abwendet oder nicht. Ein Ermessen, etwa hinsichtlich der anfallenden Kosten für die Löschung im Verhältnis zum Wert des Computers, ist dem Tatrichter bei dieser Entscheidung schon nach dem Gesetzeswortlaut nicht eröffnet (Senatsbeschluss aaO). Diese Prüfung wird nunmehr nachzuholen sein.

Mutzbauer     

Rin[X.] Roggenbuck ist wegen
Urlaubs an der Unterschriftsleistung
gehindert.

     Cierniak

Mutzbauer

Franke     

     Quentin

Meta

4 StR 128/14

18.06.2014

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Essen, 19. Dezember 2013, Az: 25 KLs 29/13

§ 74b Abs 2 StGB, § 201a Abs 4 S 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.06.2014, Az. 4 StR 128/14 (REWIS RS 2014, 4725)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4725

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Einziehung eines Computers: Verhältnismäßigkeit bei Möglichkeit der Datenlöschung


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