Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.07.2015, Az. 9 AZR 484/14

9. Senat | REWIS RS 2015, 7861

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Gegenstand

Arbeitnehmereigenschaft - ärztlicher Gutachter


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 22. Mai 2014 - 16 [X.] 1221/13 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

[X.]ie Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.

2

[X.]er am 5. Jan[X.]r 1948 geborene Kläger war seit Juli 1991 aufgrund verschiedener Verträge für den [X.]eklagten tätig. [X.]ei diesem handelt es sich um einen von den gesetzlichen Krankenversicherungen gegründeten medizinischen [X.]eratungs- und [X.]egutachtungsdienst. Am 22. September 1994 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag für die [X.] vom 1. [X.]ezember 1994 bis zum 31. Mai 1996. Am 17. Mai 1996 vereinbarten sie einen Werkvertrag. [X.]anach schuldete der Kläger die Erstellung von [X.]utachten zur Prüfung von Pflegebedürftigkeit gemäß dem [X.]. Unter dem 16. August 2002 vereinbarten die Parteien einen Rahmenhonorarvertrag beginnend ab dem 1. Oktober 2002. In diesem Vertrag heißt es wie folgt:

        

§ 1   

        

[X.]err [X.]r. K wird im Rahmen seiner freiberuflichen Tätigkeit zur [X.]urchführung allgemeinärztlicher Untersuchungen bei [X.]edarf im Einzelfall [X.]utachten erstellen. [X.]er [X.] wird von dem Leiter der [X.] bzw. eines von ihm dazu ermächtigten ärztlichen [X.]utachters erteilt. [X.]err [X.]r. K verpflichtet sich, beim möglichen Auftreten einer Interessenkollision von der Erstellung eines [X.]utachtens Abstand zu nehmen.

                 
        

§ 2     

        

[X.]err [X.]r. K wird im Falle der [X.]eauftragung auf der [X.]rundlage eines jeweiligen Einzelauftrages eine allgemeinmedizinische Untersuchung durchführen und handschriftlich protokollieren.

        

Ein Anspruch des [X.]utachters auf [X.]eranziehung zu Untersuchungen in einem bestimmten Umfang besteht nicht.

        

[X.]ei der Erstellung der [X.]utachten unterliegt der externe [X.]utachter keinen Weisungen des [X.].

                 
        

§ 3     

        

[X.]er [X.] stellt zu diesem Zweck die erforderlichen Akten und Unterlagen für die [X.]auer der [X.]utachtenerstellung zur Verfügung. [X.]er [X.]utachter hat alle Schriftstücke und sonstigen Unterlagen einschließlich eigener Aufzeichnungen, die die gutachterliche Tätigkeit betreffen, sorgfältig aufzubewahren, vor jeder Einsichtnahme durch [X.]ritte zu schützen und auf Verlangen jederzeit dem [X.] zu übergeben.

                 
        

§ 4     

        

[X.]err [X.]r. K verpflichtet sich, die Untersuchungen aufgrund sorgfältiger medizinischer Prüfung nach bestem Wissen und [X.]ewissen zu erstellen. Er berücksichtigt den Stand der medizinischen Wissenschaft, ist dies in dem vorgegebenen [X.]raum nicht möglich, soll eine sozial-medizinische [X.]egutachtung veranlasst werden. [X.]er [X.]utachter gewährleistet die Erstellung des Protokolls am Tage der [X.]egutachtung.

                 
        

§ 5     

        

1)    

[X.]err [X.]r. K verpflichtet sich, über alle Angelegenheiten, die ihm im Rahmen der [X.]utachtenerstellung offenbart/bekannt werden ... insbesondere über Sozialdaten, [X.]ritten gegenüber Stillschweigen zu bewahren. [X.]ies gilt auch dann noch, wenn er keine Aufträge mehr vom [X.] erhalten sollte.

        

2)    

[X.]errn [X.]r. K ist untersagt, die unter die [X.]eheimhaltungspflicht der o. g. [X.]esetze fallenden Sozialdaten sowie sonstige unter die [X.]eheimhaltungspflicht fallende [X.]aten unbefugt zu einem anderen als dem zur jeweiligen rechtmäßigen Aufgabenerfüllung gehörenden Zwecke zu verarbeiten, zu nutzen oder zu übermitteln. [X.]ie Fertigung von Kopien zur persönlichen Aufbewahrung ist unzulässig.

                          
        

§ 6     

        

1)    

[X.]errn [X.]r. K wird ein [X.]arantiebetrag in [X.]öhe von 153,39 € je geleisteten Arbeitstag zugesichert. [X.]ie [X.]ezahlung erfolgt zu dem in Nr. 2 genannten Termin.

        

2)    

Zusätzlich wird eine Vergütung für jedes [X.]utachten ab der 11. Kurzbegutachtung je Arbeitstag einschließlich Protokollerstellung in [X.]öhe von 15,34 € gewährt. [X.]ieser [X.]etrag wird von [X.]errn [X.]r. K dem [X.] zu [X.]eginn des darauffolgenden Monats gesondert in Rechnung gestellt und zum 15. des Monats vergütet.

        

3)    

Mit dem [X.] sind alle Kosten einschließlich der Nebenkosten (z. [X.]. Spesen, Fahrkosten, Auslagen), soweit sich die Untersuchungen auf den Einsatzbereich [X.] und [X.] beziehen, abgegolten.

        

4)    

Für die [X.]utachtenerstellung im Einzugsbereich [X.]/[X.] gilt übergangsweise vom 1. Oktober bis 31. [X.]ezember 2002 eine [X.]onorarzusicherung von 414,18 € je Einsatztag auf [X.]asis der durchschnittlichen Tagesuntersuchung und der aktuellen Werte für eine Einzeluntersuchung zuzüglich Fahrkostenersatz für die geleisteten Entfernungskilometer gemäß Reisekostenrecht.

                 

[X.]amit sind alle Kosten für den Einsatz im Einzugsgebiet [X.]/[X.] abgegolten.

                 
        

§ 7     

        

1)    

[X.]er [X.]utachter wird ein vollständiges Kurzgutachten (Werk) erstellen.

        

2)    

[X.]er [X.]utachter erstellt monatlich eine spezifizierte Rechnung.

        

3)    

Möglicherweise anfallende Steuern und/oder Sozialversicherungsbeiträge sowie sonstige staatliche oder ähnliche Abgaben sind von dem [X.]utachter selbst abzuführen. Ebenso sind die Vorschriften hinsichtlich evtl. Anrechnungen auf Versorgungsleistungen u. Ä. von dem [X.]utachter selbst zu beachten und [X.]eiträge gegebenenfalls selbst abzuführen.

                          
        

§ 8     

        

[X.]as [X.]onorar wird vom [X.] jeweils gegen Vorlage einer von der Leitung der [X.] bestätigten Rechnung überwiesen.

                 
        

§ 9     

        

[X.]er [X.] übernimmt keine [X.]aftung für Schäden am Eigentum oder Vermögen sowie Personenschäden des [X.]utachters, die infolge der [X.]utachtertätigkeit entstehen.

        

[X.]er [X.]utachter stellt den [X.] von allen Schäden infolge der [X.]utachtenerstellung frei.

        

[X.]er Abschluss einer erforderlichen [X.]aftpflichtversicherung bzw. sonstiger Versicherungen (Unfall, Krankheit, etc.) für die Ausübung der [X.]utachtertätigkeit obliegt dem [X.]utachter.

                 
        

§ 10   

        

[X.]ezüglich einer Rentenversicherungspflicht aufgrund des Werkvertrages weisen wir darauf hin, dass für Personen, die regelmäßig und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind und mit Ausnahme von Familienangehörigen keinen Arbeitnehmer beschäftigen ggf. Rentenversicherungspflicht besteht.

        

Wenn Sie noch nicht von der Rentenversicherungspflicht zugunsten der Ärzteversorgung befreit sind, sollten Sie sich mit Ihrem zuständigen Rentenversicherungsträger in Verbindung setzen und hier eine Klärung herbeiführen.

                 
        

§ 11   

        

Es besteht zwischen den Vertragsparteien Einigkeit, dass sich aus der Vereinbarung über diese gutachterliche Tätigkeit keine arbeitsrechtlichen Ansprüche ableiten lassen.

                 
        

§ 12   

        

1)    

[X.]er Vertrag beginnt am 1. Oktober 2002.

        

2)    

[X.]er Vertrag kann von beiden Vertragsparteien jederzeit schriftlich mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende gekündigt werden.

        

3)    

[X.]as Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem [X.]rund bleibt unberührt.

        

4)    

Mit Einsetzen dieses Vertrages endet die Vereinbarung zur Aushilfstätigkeit „[X.]“ vom 26. März 1997.

                 
        

§ 13   

        

Änderungen des Vertrages bedürfen der Schriftform.“

3

[X.]ie Vergütung für die Tätigkeit entsprechend diesem Rahmenhonorarvertrag wurde mit Schreiben vom 13. März 2012 auf einen [X.]arantiebetrag in [X.]öhe von 175,00 Euro je geleistetem Arbeitstag und in [X.]öhe von 17,50 Euro ab dem „11. Kurzgutachten“ festgelegt. [X.]er Rahmenhonorarvertrag ist beiderseits noch nicht gekündigt. In § 38 Abs. 1 des Manteltarifvertrags für die [X.]eschäftigten (Arbeitnehmer/innen und Auszubildende) der Medizinischen [X.]ienste der Krankenversicherung ([X.]) und des Medizinischen [X.]ienstes des Spitzenverbandes [X.]und der Krankenkassen (M[X.]S) vom 15. Oktober 1991 ([X.]-T) heißt es:

        

§ 38 

        

[X.]eendigung des [X.]eschäftigungsverhältnisses durch Erreichen der Altersgrenze

        

(1)     

Mit Ablauf des Monats, in dem die [X.]eschäftigten die gesetzliche Regelaltersgrenze erreichen, endet das [X.]eschäftigungsverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf. …“

4

[X.]er Kläger führte auf der [X.]rundlage des geschlossenen Rahmenhonorarvertrags [X.]egutachtungen bei Arbeitsunfähigkeit gemäß § 275 S[X.][X.] V in den dafür von dem [X.]eklagten eingerichteten Servicezentren durch. [X.]is Jan[X.]r 2013 war er für einen [X.]raum von vier bis fünf Jahren in [X.] und [X.]ü eingesetzt. Während in [X.] ausschließlich [X.]egutachtungen bei Arbeitsunfähigkeit vorgenommen wurden, handelte es sich bei der [X.] in [X.]ü um eine Arbeitsunfähigkeitsbegutachtungsstelle, die mit dem Medizinischen [X.]ienst der Krankenversicherung kombiniert ist. In der [X.]eratungsstelle [X.]ü sind auch angestellte Ärzte tätig. Ab Jan[X.]r 2013 wurde der Kläger zu einem verringerten Umfang von drei Tagen ausschließlich in [X.] eingesetzt. Seit 2002 erstellte der Kläger nur noch [X.]. [X.]ie Untersuchungen fanden ausschließlich in den Räumlichkeiten des [X.]eklagten statt. [X.]ie Versicherten werden von den gesetzlichen Krankenversicherungen in dem zeitlichen Rahmen von 8:00 Uhr bis 13:00 Uhr bzw. bis 14:30 Uhr täglich zur Untersuchung eingeladen. [X.]en einzelnen Krankenkassen stehen [X.]kontingente zur Verfügung, die ihnen von den Sekretärinnen, die in den einzelnen Servicezentren von dem [X.]eklagten eingesetzt werden, mitgeteilt werden. [X.]er Kläger war nicht verpflichtet, [X.]utachteraufträge anzunehmen. Er war ebenso nicht verpflichtet, täglich zu arbeiten. [X.]ie weiteren von dem [X.]eklagten als selbstständig angesehenen Ärzte in diesen Zentren wurden gefragt, in welchem Umfang sie für die [X.]egutachtung zur Verfügung stehen. [X.]a der Kläger regelmäßig anwesend war, wurde seine Anwesenheit eingeplant. Wenn er nicht zur Verfügung stand, gab er dies an und wurde nicht eingesetzt. [X.]er Kläger musste seinen Urlaub nicht genehmigen lassen. Er zeigte ihn lediglich an. Er trug während seiner Tätigkeit ein Namensschild des [X.]eklagten und nutzte darüber hinaus dessen [X.]riefbögen und Formulare. Viele von den zur [X.]egutachtung durch die Krankenversicherung eingeladenen Versicherten nehmen den Termin nicht wahr. [X.]as war nach Angaben des [X.]eklagten der [X.]rund dafür, dass eine [X.]arantievergütung arbeitstäglich zugesagt wurde. Andernfalls wären Ärzte nicht bereit gewesen, die Tätigkeit zu übernehmen. [X.]ie Vergütung wurde dem Kläger unaufgefordert durch den [X.]eklagten gezahlt, der den zu zahlenden [X.]etrag auf der [X.]rundlage der vorhandenen Tageslisten ermittelte.

5

Für die Tätigkeit in den „[X.]“ gab es einen Ablaufplan, der [X.]. „Zielvorgaben“ zu den möglichen Ergebnissen der [X.]egutachtung enthielt. [X.]ort hieß es auf einem Schaubild zum [X.]eispiel:

        

„…    

        

[X.] kann beendet werden.
Zielvorgabe 40 - 50 %
Ergebnis: 49

        

[X.] ist auf [X.]rund eines noch bestehenden pathologischen [X.]efundes plausibel.
Nachuntersuchung in [X.], weil dann bei normalem [X.]eilungsverlauf die [X.] beendet werden kann. Möglichst nur eine Nachuntersuchung.
Zielvorgabe 20 - 25 %
Ergebnis: 51

        

…       

        

…       

                 

6

Über die Tätigkeit in den Servicezentren wurden Wochenstatistiken geführt.

7

[X.]er Kläger nahm am 1. März 2012 an einer Schulung zum Thema „Aktuelle [X.] Themen in der [X.]-[X.]egutachtung“ teil. Solche Schulungen wurden für den Kläger und die übrigen externen [X.]utachter regelmäßig angeboten.

8

Aufgrund einer am 29. [X.]ezember 2005 vom Finanzamt vorgenommenen Außenprüfung wurde der Kläger durch [X.]escheide in erheblichem Umfang zur Umsatzsteuer herangezogen.

9

Mit seiner am 12. Oktober 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat er, soweit für die Revision maßgeblich, die Feststellung begehrt, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis begründet wurde und dieses bis zum heutigen Tag fortbesteht. Außerdem hat er die Feststellung begehrt, dass der [X.]eklagte schadensersatzpflichtig ist.

[X.]er Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei insgesamt bei dem [X.]eklagten als Arbeitnehmer tätig gewesen. [X.]er Ablaufplan sei ihm im März 2012 überreicht worden. Er sei durch den [X.]ienststellenleiter des [X.]eklagten angewiesen worden, die Anzahl der Wiedereinbestellungen auffälliger Patienten auf in der Regel maximal zwei bis drei zu begrenzen.

[X.]er Kläger hat unter Klagerücknahme im Übrigen zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass zwischen den Parteien gemäß Vertrag vom 16. August 2002 ein abhängiges Arbeitsverhältnis begründet wurde und dieses bis zum heutigen Tag fortbesteht,

        

2.    

festzustellen, dass der [X.]eklagte verpflichtet ist, ihm jeden Schaden zu ersetzen, der ihm dadurch entstanden ist und/oder künftig entstehen wird, weil er von dem [X.]eklagten nicht als Arbeitnehmer geführt worden ist.

[X.]er [X.]eklagte hat beantragt,

        

die Klage abzuweisen,

        

hilfsweise widerklagend festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, dem [X.]eklagten die ihm seit dem 31. Mai 1996 über eine übliche Vergütung hinaus gezahlte Vergütung zu erstatten.

[X.]er Kläger hat beantragt, die hilfsweise Widerklage abzuweisen.

[X.]er [X.]eklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei nicht Arbeitnehmer. [X.]ierzu fehle es an seiner persönlichen Abhängigkeit. [X.]er Ablaufplan, den der Kläger vorgelegt hat, sei nicht für ihn bestimmt gewesen.

[X.]as Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. [X.]as [X.] hat die [X.]erufung des [X.] zurückgewiesen und die Revision zugelassen. [X.]er Kläger verfolgt mit der Revision seine Klageanträge für die [X.] ab dem 1. Oktober 2002 weiter.

Entscheidungsgründe

A. Die zulässige Revision des [X.] ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.

I. Die Klage auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses gemäß Vertrag vom 16. August 2002 ist zulässig.

Entgegen der Auffassung des Beklagten begehrt der Kläger nicht die Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses (zur Unzulässigkeit einer vergangenheitsbezogenen Statusklage vgl. [X.] 21. Juni 2000 - 5 [X.] - Rn. 17 ff., [X.]E 95, 141). Das zwischen den Parteien mit dem Rahmenhonorarvertrag vom 16. August 2002 begründete Rechtsverhältnis ist nicht beendet. Der Beklagte beruft sich zu Unrecht auf § 38 Abs. 1 [X.]. Danach endet das Beschäftigungsverhältnis „mit Ablauf des Monats, in dem die Beschäftigten die gesetzliche Regelaltersgrenze erreichen“. Der [X.] ist auf das Rechtsverhältnis der Parteien nicht anzuwenden. Der Kläger ist nicht tarifgebunden (vgl. § 4 Abs. 1 TVG). Die Parteien haben die Anwendung des [X.] nicht einzelvertraglich vereinbart.

II. Die Klage auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist jedoch unbegründet. Zwischen den Parteien besteht aufgrund des Rahmenhonorarvertrags vom 16. August 2002 kein Arbeitsverhältnis. Das hat das [X.] zu Recht angenommen.

1. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung [X.], fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist ([X.] 15. Februar 2012 - 10 [X.] - Rn. 13). Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HGB ). Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Ob ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis besteht, zeigt der wirkliche Geschäftsinhalt. Zwingende gesetzliche Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Welches Rechtsverhältnis vorliegt, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist Letztere maßgebend ([X.] 25. September 2013 - 10 [X.] - Rn. 17; 29. August 2012 - 10 [X.]  - Rn. 15 ). Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Merkmale lassen sich nicht aufstellen ([X.] 11. Oktober 2010 - 5 [X.] - zu I der Gründe).

2. Die Tatsacheninstanzen haben bei der Prüfung des Arbeitnehmerstatus einen weiten Beurteilungsspielraum. Ihre Würdigung ist nur daraufhin zu überprüfen, ob sie den Rechtsbegriff des Arbeitnehmers selbst verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt, bei der Subsumtion den Rechtsbegriff wieder aufgegeben oder wesentliche Umstände außer Betracht gelassen haben ([X.] 25. September 2013 - 10 [X.] - Rn. 18; 5. Juli 2000 - 5 [X.] - zu [X.] 2 b der Gründe). Solche Rechtsfehler liegen nicht vor.

3. Das [X.] hat in revisionsrechtlich nicht zu [X.] angenommen, der Kläger sei bei der Gestaltung seiner Tätigkeit sowie der zeitlichen Festlegung seiner Arbeitszeit im Wesentlichen frei gewesen. Gegen eine persönliche Abhängigkeit spreche zudem, dass er Urlaub nicht genehmigen lassen musste, sondern nur anzuzeigen hatte.

a) Der Kläger war hinsichtlich seiner Arbeitszeit in einem für einen Selbstständigenstatus erforderlichen Maß frei von Weisungen.

aa) Zunächst weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass die Tätigkeit des ärztlichen Gutachters auch im Arbeitsverhältnis erbracht werden kann. Bei Tätigkeiten, die sowohl im Rahmen von Arbeitsverhältnissen als auch im Rahmen von freien Mitarbeiterverhältnissen ausgeübt werden können, spricht dieser Umstand jedoch nicht für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses (vgl. [X.] 3. Juni 1998 - 5 [X.] - zu II 2 der Gründe).

bb) Der Kläger unterlag hinsichtlich des zeitlichen Umfangs und der zeitlichen Lage seiner Tätigkeit nicht dem für Arbeitnehmer typischen Weisungsrecht. Zwar war er wegen der Nutzung der Räumlichkeiten des Beklagten sowie der Tätigkeit der Sekretärinnen darauf angewiesen, bei der Gestaltung seiner Arbeitszeit auf die Öffnungszeiten der Servicezentren von 8:00 Uhr bis 13:00 Uhr bzw. bis 14:30 Uhr täglich Rücksicht zu nehmen. Er konnte jedoch selbst bestimmen, an welchen Tagen er eine Tätigkeit für den Beklagten durchführen wollte. Er wurde zwar, da er aufgrund eigener Entscheidung regelmäßig örtlich präsent war, eingesetzt, ohne im Einzelfall zuvor gefragt worden zu sein. Dies entsprach jedoch seinen eigenen Vorstellungen und Interessen. Der Kläger trägt nicht vor, dass er auch gegen seinen Willen herangezogen worden sei. Die organisatorische Bindung an die Öffnungszeiten der Servicezentren begründet kein ausreichendes zeitliches Weisungsrecht des Beklagten. Es ist auch für Selbstständige üblich, dass sie ihre Dienstleistungen im Rahmen der organisatorischen Gegebenheiten des Auftraggebers zu erbringen haben. Entscheidend ist, dass der Kläger entscheiden konnte, ob er überhaupt und gegebenenfalls an welchen Tagen er eine Tätigkeit erbringt. Dies ist für einen Arbeitnehmer unüblich. Der Kläger beruft sich ohne Erfolg darauf, er habe Einsätze nie abgelehnt, da er befürchtet habe, der Beklagte würde mit dem Abbruch der Vertragsbeziehungen reagieren. Das [X.] weist zu Recht darauf hin, dass dies nicht Ausdruck einer persönlichen, sondern einer wirtschaftlichen Abhängigkeit des Auftragnehmers ist. Arbeitnehmer und Selbstständige unterscheiden sich nach dem Grad der persönlichen Abhängigkeit. An die Stelle der persönlichen Abhängigkeit kann beim Selbstständigen im Einzelfall zwar eine wirtschaftliche Abhängigkeit vom Vertragspartner treten, die den Selbstständigen als arbeitnehmerähnliche Person erscheinen lässt ([X.] 25. Mai 2005 - 5 [X.] - zu II 6 der Gründe, [X.]E 115, 1). Dies begründet aber keine Arbeitnehmereigenschaft.

b) Der Kläger war auch bei der Gestaltung seiner Tätigkeit im Wesentlichen frei.

Dies folgt zunächst aus § 275 Abs. 5 Satz 1 SGB V. Danach sind die Ärzte des [X.] bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen. Diese Weisungsfreiheit wird auch in § 2 Abs. 3 des Rahmenhonorarvertrags der Parteien bestätigt. Danach unterliegt der externe Gutachter bei der Erstellung der Gutachten keinen Weisungen des Beklagten. Gemäß § 4 Satz 1 des Rahmenhonorarvertrags hatte der Kläger „die Untersuchungen aufgrund sorgfältiger medizinischer Prüfung nach bestem Wissen und Gewissen zu erstellen“. Der Kläger beruft sich insoweit ohne Erfolg auf den überreichten Ablaufplan. Hierzu hat er behauptet, dieser Ablaufplan für die Begutachtung der Arbeitsunfähigkeit der Patienten sei ihm im Rahmen einer Fortbildungsveranstaltung überreicht worden. Hierauf kommt es aber nicht an. Der Ablaufplan enthält schon keine Weisungen zur inhaltlichen Gestaltung der Gutachtertätigkeit des Arztes. Er regelt lediglich, ob und gegebenenfalls welche weiteren Untersuchungen abhängig von der Einschätzung des Arztes vorzunehmen sind. So soll beispielsweise eine Nachuntersuchung erst in „[X.]“ erfolgen, wenn die Arbeitsunfähigkeit plausibel ist. Ob sie plausibel ist, bestimmt der Gutachter jedoch eigenständig. Die im Ablaufplan beschriebenen Abläufe kennzeichnen lediglich, in welchen Fallkon-stellationen Gutachten, Kurzgutachten oder ausführliche Gutachten zu erstellen sind. Da die Versicherten von den Krankenkassen zur Begutachtung bestellt werden und der Kläger nicht verpflichtet war, [X.] anzunehmen, diente der Ablaufplan lediglich der Transparenz, wie regelmäßig [X.] zustande kommen. Die weiter im Ablaufplan genannten „Zielvorgaben“ (zB „[X.] kann beendet werden. Zielvorgabe 40 - 50 %“) begründen ebenfalls kein Weisungsrecht des Beklagten. Wie das [X.] festgestellt hat, folgten hieraus keine inhaltlichen Weisungen gegenüber dem Kläger.

c) Die persönliche Abhängigkeit des [X.] folgt nicht daraus, dass er während seines Einsatzes in [X.] und [X.] in dem [X.] des Beklagten wahrnahm. Das [X.] hat hierzu festgestellt, der Kläger habe keine Umstände vorgetragen, die insoweit eine Weisung des Beklagten erkennen ließen. Dasselbe gilt für die Tätigkeit des [X.] beim Aufbau einer Begutachtungsstelle in [X.] Diese Tätigkeit übernahm der Kläger nach § 6 Nr. 4 des Rahmenhonorarvertrags. Dort vereinbarten die Parteien eine Vergütung sowie die Übernahme der Kosten durch den Beklagten. Der Kläger übernahm diese Aufgabe deshalb nicht kraft Weisung des Beklagten, sondern wie ein Selbstständiger durch vertragliche Vereinbarung.

d) Zu Unrecht hat das [X.] allerdings bei seiner Abwägung darauf abgestellt, die Zahlung der Vergütung entspreche dem Erscheinungsbild eines Arbeitsverhältnisses. Die Art der Vergütung spielt keine Rolle, da sich die persönliche Abhängigkeit danach bestimmt, inwieweit die Ausführung der versprochenen Dienste weisungsgebunden und damit fremdbestimmt erfolgt. Entscheidend sind die Umstände der Dienstleistung, nicht aber die Modalitäten der Entgeltzahlung ([X.] 11. März 1992 - 7 [X.] - zu I 4 b der Gründe).

e) Entgegen der Auffassung des [X.] ist es für seinen Rechtsstatus unerheblich, dass die Untersuchungen in den Räumlichkeiten des Beklagten stattfanden. Der Kläger hat schon nicht vorgetragen, dass er zur Nutzung dieser Räumlichkeiten angewiesen wurde. Auch der Rahmenhonorarvertrag enthält eine solche Pflicht nicht. Selbst wenn der Kläger an die Räumlichkeiten des Beklagten zur Erbringung seiner Gutachtertätigkeit gebunden wäre, weil die Patienten sämtlich dorthin bestellt wurden, besagt diese Bindung an einen Arbeitsort nichts über eine persönliche Abhängigkeit, wenn dieser Arbeitsort für die Tätigkeit typisch ist (vgl. [X.] 11. März 1992 - 7 [X.] - zu II 6 der Gründe). Hiervon ist bei der Untersuchungstätigkeit auszugehen, da ansonsten die Patienten zu den unterschiedlichsten Orten, je nach zuständigem Gutachter bestellt werden müssten und die hygienischen Bedingungen der [X.] möglicherweise nicht ausreichend wären. Zudem ist nicht festgestellt, dass der Kläger die nach der Untersuchung vorzunehmende Gutachtenerstellung auch in den Räumen des Beklagten durchführte.

III. Wegen fehlender Arbeitnehmereigenschaft ist der klägerische Antrag zu 2. ebenfalls unbegründet. Der hilfsweise gestellte Widerklageantrag des Beklagten ist dem Senat nicht zur [X.]. Er ist nur für den Fall gestellt, dass den klägerischen Anträgen stattgegeben wird.

[X.] Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen. Soweit er in der [X.] die Klage teilweise zu-rückgenommen hat, hat er die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu tragen.

        

    Brühler    

        

    Suckow    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Pielenz    

        

    M. Dipper    

                 

Meta

9 AZR 484/14

21.07.2015

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Münster, 26. April 2013, Az: 4 Ca 1946/12, Urteil

§ 84 Abs 1 S 2 HGB, § 84 Abs 2 HGB, § 275 Abs 5 S 1 SGB 5, § 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.07.2015, Az. 9 AZR 484/14 (REWIS RS 2015, 7861)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7861

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