Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.03.2012, Az. 3 StR 31/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 7745

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 31/12
vom
27. März 2012
in der Strafsache
gegen

wegen
räuberischer Erpressung

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 27. März
2012
gemäß § 349 Abs.
4 [X.] einstimmig beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 27.
Juli 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichte-ten Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materi-ellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Rüge der Verletzung von §
244 Abs.
3 Satz 2, Abs.
6 [X.] Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des [X.] betätigte sich der Ange-klagte, ein Vollmitglied des Motorradclubs [X.] in [X.], im Rotlichtmilieu. Um seine diesbezüglichen Aktivitäten auszubauen, nötigte er den ebenfalls in diesem Bereich tätigen Zeugen F.

zur Aufgabe der Ver-mietung von Wohnungen,
die sich in einem Haus in [X.] befanden, an Prostituierte, indem er diesem mit Repressalien und körperlichen Misshandlun-gen drohte. Auf diese Weise erlangte er die Verfügungsgewalt über das Anwe-sen und vereinnahmte in der Folgezeit von dort tätigen Prostituierten Mieten in nicht feststellbarer Höhe.
1
2
-
3
-
Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegte Tat bestritten. Das [X.] hat -
ohne materiellen Rechtsfehler -
seine Überzeugung vor allem auf die Aussage des Zeugen F.

gestützt, deren Glaubhaftigkeit durch die Bekun-dungen weiterer Zeugen sowie sonstiger Indizien gestützt werde. [X.] hat es die Aussage der zur Tatzeit als Prostituierte tätigen Zeugin H.

als nicht glaubhaft gewertet. Diese hat unter Vorlage von Kontounterlagen und einer an sie und eine weitere Prostituierte, Frau

R.

, gerichteten Rechnung über die Installation von zwei Überwachungskameras in der [X.] bekundet, der Zeuge F.

habe sie und Frau R.

gefragt, ob sie das betreffende Haus übernehmen könnten. Er habe berichtet, er wolle [X.] verlassen und nach [X.] ziehen. Eine zunächst vereinbarte erste Rate sei bei Übergabe der Schlüssel bezahlt worden. Die zweite Rate sei nicht mehr beglichen worden, weil in dem Haus die Überwachungskameras gefehlt hätten; dies habe den Zeugen F.

sehr entrüstet. In der Folgezeit seien sie, Frau R.

und eine dritte Prostituierte in dem Anwesen tätig [X.]. Die Ummeldung bei den Stadtwerken habe
sie gemeinsam mit Frau R.

vorgenommen; mit dieser habe sie auch die Miete an den Zeugen O.

bzw. den Eigentümer des Anwesens, den Zeugen [X.]

, bezahlt. Der Angeklagte sei nach ihrer Kenntnis an einer Übernahme oder dem Betrieb des Hauses nicht
beteiligt gewesen.
Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Nach der Vernehmung der Zeugin hat die Verteidigung mit insgesamt drei Anträgen im Wesentlichen unter Beweis gestellt, dass der Zeuge B.

beim Umzug geholfen und dabei festgestellt habe, dass in dem Anwesen Ka-meras und Fernseher verschwunden seien, das Objekt sich in einem desolaten Zustand befunden habe und nicht -
wie vom Zeugen F.

bekundet -
vor 3
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-
4
-
dem Umzug erhebliche Sanierungs-
und Renovierungsarbeiten vorgenommen worden seien; dass der Zeuge
Or.

kurz darauf nach mündlicher Beauftra-gung durch die Zeugin H.

und Frau R.

eine neue [X.] instal-liert und die Vergütung hierfür nach Rechnungstellung von diesen in bar erhal-ten habe; dass ab dem Umzug alle das Objekt betreffenden Zahlungen über das von der Zeugin H.

benannte Konto abgewickelt worden seien. Das [X.] hat die Beweisanträge durch in der Hauptverhandlung verkündeten Beschluss mit der Begründung abgelehnt, die unter Beweis gestellten Behaup-tungen würden so behandelt, als wären sie wahr. Nach der Verkündung eines weiteren Beschlusses nach §
244 Abs. 6 [X.] ist die Beweisaufnahme [X.] und in der Folgezeit auch nicht wieder eröffnet worden. In der [X.] hat die Strafkammer ausgeführt, sie halte die [X.] nach [X.] nunmehr für "unerheblich". Aus den diesbezüglichen Darlegungen ergibt sich, dass das [X.] die Beweistat-sachen als aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung ohne Bedeutung gewertet hat.
2. Dieses Verfahren steht mit §
244 Abs. 3 Satz 2, Abs. 6 [X.] nicht in Einklang.
a) Nach ständiger Rechtsprechung ist das Tatgericht zwar nicht gehal-ten, die als wahr unterstellte Tatsache noch im Urteil als bedeutsam
anzusehen und sie als solche in die Beweiswürdigung einzustellen; es ist daher nicht ge-hindert, eine zunächst als wahr unterstellte Behauptung im Urteil als aus tat-sächlichen Gründen bedeutungslos zu behandeln ([X.], Urteile
vom 15.
Mai 1979 -
5 [X.], NStZ 1981, 96; vom 2.
November 1982 -
5 StR 308/82, [X.], 357; vom 24.
Januar 2006 -
5 [X.], [X.]R [X.] §
244 Abs.
3 Satz 2 [X.] 37; Beschlüsse vom 23.
Juli 2008 -
5 [X.], [X.]R [X.] §
244 Abs. 3 Satz 2 [X.]; vom 24.
Februar 6
7
-
5
-
2009 -
5 [X.], [X.], 179). Danach soll auch eine Verpflich-tung, die Verfahrensbeteiligten vor der Urteilsverkündung auf die geänderte Rechtsauffassung des Gerichts hinzuweisen, grundsätzlich nicht bestehen (aA mit beachtlichen Gründen etwa [X.], 6.
Aufl., §
244 Rn. 187;
[X.]-[X.], [X.], 26.
Aufl., §
244 Rn. 310 jeweils mwN). Auf einen dahingehenden Hin-weis darf jedoch bereits nach der bisherigen Rechtsprechung jedenfalls dann nicht verzichtet werden, wenn es naheliegt, dass der Angeklagte wegen der [X.] davon absieht, Beweisanträge zu einem Thema zu stellen, das mit der als wahr unterstellten Tatsache im Zusammenhang steht und das
-
im Gegensatz zu dieser Tatsache -
für die Entscheidung möglicherweise von Bedeutung ist ([X.], Beschluss vom 18.
Februar 1982 -
2 StR 798/81, [X.]St 30, 383, 385).
b) Ein derartiger Fall liegt hier vor. Der die Beweisanträge im Wege der [X.] zurückweisende Beschluss enthält -
für sich rechtsfehlerfrei ([X.]/[X.] aaO Rn. 305 mwN) -
keine nähere Begründung. Hätte die [X.] die gestellten Beweisanträge in der Hauptverhandlung wegen tatsäch-licher Bedeutungslosigkeit der vorgebrachten [X.], hätte sie dagegen deren Bedeutung für die Entscheidung in
freier Würdi-gung des bisherigen Beweisergebnisses zu beurteilen gehabt und diese Würdi-gung im Ablehnungsbeschluss im Einzelnen darlegen müssen ([X.]/[X.] aaO Rn.
225 mwN). Da sie die Änderung ihrer Beurteilung in der Hauptverhandlung nicht offengelegt hat, hat sie entsprechende Ausführungen erst in den schriftli-chen Urteilsgründen nachgeschoben. Die Revision legt plausibel dar, dass sich im vorliegenden Fall aufgrund der bestehenden Beweislage und der in Betracht kommenden weiteren Beweisaufnahme bei Kenntnis der in den Urteilsgründen für die Bedeutungslosigkeit der [X.] angeführten Gründe weitere Verteidigungsmöglichkeiten ergeben hätten. Diese Möglichkeiten -
insbesonde-re, auf zusätzliche, hier nicht fernliegende Beweiserhebungen anzutragen -
war 8
-
6
-
der Verteidigung aufgrund des [X.] genommen.
Die [X.] haben auch aus dem weiteren Geschehen in der Hauptverhand-lung nicht schließen können, dass sich die Ansicht der Strafkammer geändert hatte; denn eine weitere Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden und das [X.] ist ausweislich der Urteilsbegründung erst in der [X.] zu sei-ner neuen Auffassung gelangt. Unter diesen Umständen war eine effektive, die berechtigten Interessen des Angeklagten wahrende Verteidigung nicht möglich.
3. Das Urteil beruht auf dem dargelegten Rechtsfehler (§
337 [X.]); denn es ist nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, dass die Ent-scheidung ohne diesen anders ausgefallen wäre.
[X.] [X.] Schäfer

Mayer Menges
9

Meta

3 StR 31/12

27.03.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.03.2012, Az. 3 StR 31/12 (REWIS RS 2012, 7745)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7745

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