Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.09.2019, Az. VI R 4/17

6. Senat | REWIS RS 2019, 3162

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Gegenstand

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 26.09.2019 VI R 23/17 - Rabattfreibetrag für Fahrvergünstigung der Deutschen Bahn AG im Fernverkehr)


Leitsatz

1. NV: Der Rabattfreibetrag erstreckt sich auf alle Fahrvergünstigungen, die die Deutsche Bahn AG (ehemaligen) Arbeitnehmern gewährt. Dies gilt auch dann, wenn die unentgeltlich oder verbilligt gewährten Freifahrtscheine aufgrund besonderer Nutzungsbestimmungen fremden Letztverbrauchern nicht angeboten werden (Parallelverfahren VI R 23/17 und VI R 7/19) .

2. NV: Mit dem Bezug der Freifahrtscheine ist der darin verkörperte geldwerte Vorteil unabhängig vom konkreten Fahrtantritt zugeflossen .

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 01.12.2016 - 3 K 1062/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, inwieweit auf Fahrvergünstigungen, die die [X.] ([X.]) Ruhestandsbeamten des Bundeseisenbahnvermögens ([X.]) gewährt, der [X.] nach § 8 Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anwendbar ist.

2

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Ruhestandsbeamter des [X.]. Er erzielte neben seinen Versorgungsbezügen einen geldwerten Vorteil in Form einer Fahrvergünstigung (Tagesfreifahrtschein im Fernverkehr für Mitarbeiter und Angehörige). Der Tagesfreifahrtschein wurde von der [X.] bzw. deren Konzerngesellschaften gewährt, in deren Geschäftsbereich der Kläger während seiner aktiven Dienstzeit eingesetzt war. Es handelte sich bei den Gesellschaften um Nachfolger des früheren Sondervermögens [X.]. Den Sachbezugswert dieser Fahrvergünstigung, die besonderen Nutzungsbestimmungen unterlag, bezifferte das [X.] --ausweislich der Bezügemitteilung des [X.] mit 144,76 €.

3

Im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr (2015) berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) den geldwerten Vorteil aus der in Anspruch genommenen Fahrvergünstigung mit 144 €. Den hiergegen erhobenen Einspruch wies das [X.] als unbegründet zurück.

4

Das Finanzgericht ([X.]) gab der daraufhin erhobenen Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2017, 821 veröffentlichten Gründen statt.

5

Mit der Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts.

6

Es beantragt,
das Urteil des [X.] Nürnberg vom 01.12.2016 - 3 K 1062/16 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Revision des [X.] ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

9

1. Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei der Fahrvergünstigung um Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG handelte. Der Tagesfreifahrtschein für Mitarbeiter und Angehörige stellt dem Grunde nach einen geldwerten Vorteil dar, den der Kläger aufgrund seines früheren Dienstverhältnisses erhielt. Denn er ermöglichte ihm, die Beförderungsleistung der [X.] unentgeltlich bzw. vergünstigt in Anspruch zu nehmen (s. Senatsurteile vom 26.06.2014 - VI R 41/13, [X.], 423, [X.], 39, Rz 10, und vom 12.04.2007 - VI R 89/04, [X.], 555, [X.], 719, Rz 11). Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, so dass der Senat insoweit von weiteren Ausführungen absieht.

2. Der geldwerte Vorteil aus dem Tagesfreifahrtschein ist dem Kläger im Streitjahr auch zugeflossen.

a) Arbeitslohn, der --wie im [X.] nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird, wird in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt (§ 38a Abs. 1 Satz 3 EStG).

b) [X.] sind Einnahmen dann, wenn der Empfänger die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter erlangt hat. Der Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Bei einer Sachzuwendung ist der Zufluss eines geldwerten Vorteils zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer den Vorteil tatsächlich in Anspruch genommen hat (z.B. Senatsurteil vom 14.11.2012 - VI R 56/11, [X.], 410, [X.], 382, Rz 16, m.w.N.).

c) Danach ist der geldwerte Vorteil dem Kläger vorliegend bereits mit dem Bezug des Freifahrtscheins zugeflossen. Denn die [X.] bzw. deren Konzerngesellschaften haben hiermit das (tarifvertraglich geregelte) Leistungsversprechen, unentgeltliche oder vergünstigte Fahrtberechtigungen auszureichen, ihm gegenüber bewirkt.

3. Das [X.] hat schließlich zu Recht entschieden, dass auch auf die [X.] im Fernverkehr die [X.] des § 8 Abs. 3 EStG anzuwenden ist.

a) Gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG sind Waren oder Dienstleistungen, die ein Arbeitnehmer aufgrund seines Dienstverhältnisses erhält und die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht werden und deren Bezug nicht nach § 40 EStG pauschal versteuert wird, abweichend von § 8 Abs. 2 EStG mit den um 4 % geminderten Endpreisen zu bewerten, zu denen der Arbeitgeber oder der dem [X.] nächstansässige Abnehmer die Waren oder Dienstleistungen fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr anbietet. Die sich nach Abzug der vom Arbeitnehmer gezahlten Entgelte ergebenden Vorteile sind steuerfrei, soweit sie aus dem Dienstverhältnis insgesamt 1.080 € im Kalenderjahr nicht übersteigen (§ 8 Abs. 3 Satz 2 EStG).

aa) Die Vergünstigung des § 8 Abs. 3 EStG gilt nur für Waren oder Dienstleistungen, die der Arbeitgeber als eigene herstellt, vertreibt oder erbringt. Mit den Begriffen "Waren oder Dienstleistungen" werden alle in Betracht kommenden Sachbezüge und damit die gesamte eigene Liefer- und Leistungspalette des jeweiligen Arbeitgebers bezeichnet. Aus den Begriffen "hergestellt, vertrieben oder erbracht" ergibt sich, dass der Arbeitgeber hinsichtlich der Sachbezüge, die er an Arbeitnehmer verbilligt oder unentgeltlich abgibt, selbst Marktteilnehmer sein muss (Senatsurteil vom 26.04.2018 - VI R 39/16, [X.], 485, BStBl II 2019, 286, Rz 8 ff., m.w.N.).

bb) Sachzuwendungen, die nicht zur Produktpalette des Arbeitgebers gehören, sind hingegen mit den um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreisen am [X.] zu bewerten (§ 8 Abs. 2 Satz 1 EStG).

b) Nach diesen Grundsätzen hat das [X.] den geldwerten Vorteil, den der Kläger aus dem Bezug des [X.] erzielt hat, zu Recht um den Rabattfreibetrag gekürzt.

aa) Auf [X.], die die [X.] bzw. deren Konzerngesellschaften Ruhestandsbeamten des [X.] in Form von Tagesfreifahrtscheinen mit und ohne Zuzahlung gewähren, ist gemäß § 12 Abs. 8 des [X.] der Rabattfreibetrag nach § 8 Abs. 3 EStG entsprechend anwendbar. Dies gilt, obwohl in einem solchen Fall die Zuwendung nicht durch den Arbeitgeber des Ruhestandsbeamten, also das [X.], sondern durch einen Dritten (die [X.] bzw. deren Konzerngesellschaften) gewährt wird und die Zuwendung nicht zur Liefer- und Leistungspalette des Arbeitgebers des Ruhestandsbeamten gehört (Senatsurteil in [X.], 423, [X.], 39, Rz 13).

bb) Der sachliche Anwendungsbereich des § 8 Abs. 3 EStG ist vorliegend ebenfalls eröffnet. Entgegen der Auffassung des [X.] handelt es sich bei der vom Kläger in Anspruch genommenen Fahrvergünstigung nicht um "Waren oder Dienstleistungen", die die [X.] überwiegend für den Bedarf ihrer Arbeitnehmer erbringt. Zwar weist das [X.] zutreffend darauf hin, dass (vergünstigte) (Frei-)Fahrtberechtigungen, soweit sie den Fernverkehr betreffen, aufgrund der streckenunabhängigen Tagesgültigkeit und der besonderen Nutzungsbestimmungen von der [X.] nicht auch fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr angeboten werden. [X.] ist aber nicht der Tagesfreifahrtschein als solcher, sondern die darin verkörperte Beförderungsleistung.

Mit der Überlassung des [X.] erhielt der Kläger ein Wertpapier, das den Beförderungsanspruch gegenüber der [X.] verbriefte (vgl. [X.]/ [X.], 7. Aufl., § 808 Rz 10; [X.]/[X.], Recht der Wertpapiere, 12. Aufl., § 28 I.3.a, b; [X.]/[X.], BGB § 808 Rz 3, 4, BGB § 807 Rz 5). Dies ermöglichte dem Kläger, das Beförderungsangebot der [X.] zu nutzen. Die (Personen-)Beförderung gehört aber unstreitig zur Produktpalette der [X.]. [X.] erbringt die [X.] nicht überwiegend gegenüber ihren Arbeitnehmern, sondern gegenüber jedermann. Entgegen der Auffassung des [X.] ist daher bei Anwendung des Rabattfreibetrags nur auf die Beförderungsleistung und nicht auf die Art der Fahrtberechtigungen abzustellen.

cc) Dem steht der Einwand des [X.], es fehle wegen der Besonderheiten der Mitarbeiterfahrvergünstigungen der [X.] im Fernverkehr an einem der Bewertung zugrunde zu legenden "Endpreis", nicht entgegen. Er vermag insbesondere nicht für eine Bewertung des geldwerten Vorteils nach § 8 Abs. 2 EStG zu streiten. Denn danach sind Einnahmen, die nicht in Geld bestehen (wie die im Streitfall zu bewertenden Sachbezüge), mit den um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreisen am [X.] anzusetzen. Auch insoweit bedarf es mithin der Bestimmung eines üblichen "Endpreises". Tatsächlichen Schwierigkeiten bei der Ermittlung eines solchen Endpreises ist ggf. mit einer Schätzung gemäß § 162 Abs. 1 der Abgabenordnung zu begegnen (s. Senatsurteil vom 06.06.2018 - VI R 32/16, [X.], 516, BStBl II 2018, 764, Rz 27).

So ist auch im Streitfall der vom [X.] zugrunde gelegte Wertansatz des geldwerten Vorteils aus dem Bezug des Freifahrtscheins revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das [X.] hat den geldwerten Vorteil auf der Grundlage der übereinstimmenden Wertangaben der Beteiligten bestimmt. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen und ist daher für den Senat revisionsrechtlich bindend (§ 118 Abs. 2 [X.]O).

4. [X.] folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VI R 4/17

26.09.2019

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend FG Nürnberg, 1. Dezember 2016, Az: 3 K 1062/16, Urteil

§ 19 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2009, § 8 Abs 1 EStG 2009, § 8 Abs 3 EStG 2009, § 38a Abs 1 S 3 EStG 2009, § 12 Abs 8 DBGrG, EStG VZ 2015

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.09.2019, Az. VI R 4/17 (REWIS RS 2019, 3162)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 3162


Verfahrensgang

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Az. VI R 4/17

Bundesfinanzhof, VI R 4/17, 26.09.2019.


Az. 3 K 1062/16

FG Nürnberg, 3 K 1062/16, 01.12.2016.

FG Nürnberg, 3 K 1062/16, 01.12.2016.


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