Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.07.2016, Az. XII ZB 489/15

12. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 7900

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Gegenstand

Namensstatut: Erklärungen zum Familiennamen eines Kindes gegenüber einem ausländischen Standesamt; familienrechtliches Kollisionsrecht und die Rückverweisung


Leitsatz

1. Die Erklärung, mit der der sorgeberechtigte Elternteil nach § 1617a Abs. 2 BGB dem Kind den Namen des anderen Elternteils erteilt, ist eine amtsempfangsbedürftige Willenserklärung. Sie wird erst mit Zugang beim zuständigen deutschen Standesamt wirksam. Der Zugang bei einem ausländischen Standesamt genügt nicht.

2. Verweist Art. 21 EGBGB in das ausländische Recht, so ist auch dessen internationales Privatrecht zu prüfen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des [X.] in [X.] vom 14. September 2015 aufgehoben.

Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des [X.] vom 18. Februar 2013 abgeändert und der Antrag des weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Verfahrens in allen Rechtszügen werden dem weiteren Beteiligten zu 1 auferlegt. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Wert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Das Verfahren betrifft die Berichtigung des [X.] des am 29. September 2006 in [X.] ([X.]) geborenen Kindes T.

2

Der Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Vater) und die Beteiligte zu 2 (im Folgenden: Mutter) sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des betroffenen Kindes und beide [X.] Staatsangehörige. Am 5. Oktober 2006 unterzeichneten sie gemeinsam einen Geburtseintrag des [X.] Zivilregisters von [X.], in dem für das Kind als Familienname "J.", der Familienname des [X.], angegeben war. Das Zivilregister stellte daraufhin für das Kind eine Geburtsbescheinigung und ein Familienbuch aus, in denen jeweils der Familienname "J." angegeben ist. Am 3. November 2006 beantragte die Mutter beim Standesamt I in [X.] die Nachbeurkundung der Geburt. Dabei gab sie als Geburtsnamen des Kindes ihren Familiennamen "B." an. Die im Formular vorgesehene Möglichkeit zu erklären, dass dem Kind der Name des anderen Elternteils erteilt werden soll, nutzte sie nicht. Das Standesamt I in [X.] beurkundete die Geburt und trug als Geburtsnamen des Kindes "B." ein.

3

[X.] hat im März 2012 beantragt, den Geburtseintrag dahingehend zu berichtigen, dass der Name des Kindes "J." lautet. Das Amtsgericht hat die Berichtigung antragsgemäß angeordnet. Die Beschwerde der Mutter ist erfolglos geblieben. Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt sie die Zurückweisung seines Antrags weiter.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und zur Zurückweisung des Antrags.

5

1. Das Beschwerdegericht hat seine in [X.] 2016, 110 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:

6

Das Kind führe den Familiennamen "J.", weshalb der Eintrag im Geburtenregister entsprechend zu berichtigen sei. Die Namensführung ergebe sich zwar nicht allein daraus, dass der Name "J." im [X.] Personenstandsregister eingetragen sei. Bei der Anmeldung der Geburt zum [X.] Personenstandsregister sei für das Kind aber die Bestimmung des Namens "J." gemäß § 1617 a [X.] erfolgt. Der Name des Kindes richte sich nach [X.]m Recht, weil das Kind allein die [X.] Staatsangehörigkeit habe. Die Mutter sei bei der Erklärung gemäß § 1626 a Abs. 3 [X.] alleinige Sorgeberechtigte für das Kind gewesen. Die elterliche Sorge richte sich ebenfalls nach [X.]m Recht, weil auch bei selbstständiger kollisionsrechtlicher Anknüpfung zwar Art. 21 EG[X.] in das [X.] Recht verweise, dessen internationales Privatrecht aber wieder auf das [X.] Recht rückverweise. Die von beiden Eltern unterzeichnete Anmeldung, in welcher der Name "J." für das Kind angegeben sei, sei unter anderem dahingehend auszulegen, dass die Mutter dem Kind den Namen des [X.] erteile und dieser der [X.] zustimme. Die Erklärungen seien auch nach Art. 11 Abs. 1 EG[X.] und dem kollisionsrechtlichen Grundsatz der Substitution in der erforderlichen Form, nämlich öffentlich beglaubigt, abgegeben. [X.] und [X.] bei dem [X.] Personenstandsregister seien mit einem [X.]n Standesamt vergleichbar. Auch sei die Erklärung der [X.] nicht gegenüber einem [X.]n Standesamt erforderlich, es müsse nur eine Amtsperson tätig werden, die funktionsgleiche Aufgaben erfülle. Das sei hier der Fall. Im Hinblick auf das Alter des Kindes sei auch kein unzumutbarer Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht gegeben.

7

2. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des [X.] ist die Eintragung des Geburtsnamens "B." im Geburtenregister gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 [X.] rechtmäßig und bedarf weder einer Berichtigung noch einer Fortschreibung.

8

a) Allerdings hätte das Beschwerdegericht den Antrag des [X.] auf Berichtigung des Geburtsnamens gemäß § 48 [X.] nicht schon - wie die Rechtsbeschwerde meint - als unzulässig zurückweisen müssen.

9

Selbst wenn die von ihm gewünschte Eintragung in Form einer Fortschreibung des [X.] hätte erfolgen müssen, was hier dahinstehen kann, folgt daraus nicht die Unzulässigkeit seines Antrags. Dieser wäre vielmehr dahingehend auszulegen gewesen, dass der Vater letztlich die Anordnung der erforderlichen Amtshandlung für eine Eintragung des Geburtsnamens "J." im Geburtenregister begehrt.

b) Zutreffend ist der Ausgangspunkt des [X.], wonach der Name des Kindes gemäß Art. 10 Abs. 1 EG[X.] [X.]m Recht unterliegt, weil es nach den nicht angegriffenen Feststellungen des [X.] gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] allein die [X.] Staatsangehörigkeit besitzt.

c) Ebenfalls zu Recht hat das Beschwerdegericht für die Bestimmung des Namens des Kindes § 1617 a [X.] als maßgebend erachtet, weil die elterliche Sorge nach [X.]m Recht zu beurteilen ist und die Mutter danach seit der Geburt des Kindes alleinige Inhaberin der elterlichen Sorge ist.

aa) Die elterliche Sorge für das Kind richtet sich für den hier maßgeblichen Zeitraum von der Geburt des Kindes bis November 2006 nach [X.]m Recht. Das folgt aus Art. 21 EG[X.] und dem danach berufenen [X.] Kollisionsrecht, das eine Rückverweisung auf das [X.] Recht vorsieht.

(1) Ob auch der Erwerb der elterlichen Sorge als familienrechtlicher Vorgang, der eine Vorfrage für die [X.] darstellt, kollisionsrechtlich unselbstständig anzuknüpfen, also nach dem Recht des [X.]s zu beurteilen ist, kann offen bleiben. Ist [X.] - wie hier - das [X.] Recht, so ist über diese Vorfrage nach Maßgabe derjenigen Rechtsordnung zu entscheiden, die von den Kollisionsnormen des [X.]n Internationalen Privatrechts, hier also Art. 21 EG[X.], zur Anwendung berufen wird. Anders als in den Fällen, in denen das [X.] ausländisches Recht ist, kommt es auf den Streit, ob die Vorfrage dann unselbstständig unter Einschaltung der familienrechtlichen Kollisionsnormen der ausländischen lex causae oder selbstständig mit Hilfe der Kollisionsnormen der [X.]n lex fori anzuknüpfen ist, hier nicht an (vgl. [X.]sbeschlüsse vom 20. April 2016 - [X.]/15 - juris Rn. 31 f. und [X.]Z 90, 129 = FamRZ 1984, 576, 578). Denn auch bei einer unselbstständigen Anknüpfung wäre bei der Anwendung [X.]n Namensrechts [X.]s Kollisionsrecht anzuwenden (vgl. [X.]/[X.]/[X.] [X.] [2013] Art. 10 EG[X.] Rn. 126).

(2) Art. 21 EG[X.] wird vorliegend weder durch das [X.] Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern (ABl. 2003 Nr. L 48 S. 3;im Folgenden: [X.] Kinderschutzübereinkommen = [X.]) noch durch das [X.] Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961 ([X.] II 1971, 219; im Folgenden: [X.] Minderjährigenschutzabkommen = [X.]) verdrängt. Zwar gehen diese Abkommen Art. 21 EG[X.] gemäß Art. 3 Nr. 2 EG[X.] vor. Das gilt aber nur, soweit der zu regelnde Sachverhalt in ihren zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereich fällt.

(a) Das zum 1. Januar 2011 in [X.] getretene [X.] Kinderschutzübereinkommen ([X.] II 2010, 1527), das gemäß Art. 16 f. iVm Art. 21 Abs. 1 [X.] eine Anwendung (ausländischen) Kollisionsrechts und damit eine Rückverweisung ausschließt, findet auf den vorliegenden Fall entgegen der Auffassung des [X.] keine Anwendung.

Für die rechtliche Einordnung des hier maßgeblichen Sachverhalts ist bezogen auf das zu beurteilende Sorgerechtsverhältnis der Zeitraum von der Geburt des Kindes (29. September 2006) bis November 2006 maßgeblich. Für die Frage des Rechts auf Bestimmung des Namens ist festzustellen, wer seinerzeit sorgeberechtigt war. Zu diesem Zeitpunkt war das [X.] Kinderschutzübereinkommen in [X.] indes noch nicht in [X.] getreten. Zwar hat der [X.] dieses auch auf ein vor dessen Inkrafttreten eingeleitetes Sorgerechtsverfahren angewandt. Dabei ging es allerdings um die Entscheidung, wie das Sorgerecht (für die Zukunft) zu regeln ist ([X.]sbeschluss vom 16. März 2011 - [X.] 407/10 - FamRZ 2011, 796 Rn. 31) und nicht - wie hier - um einen in der Vergangenheit abgeschlossenen Sachverhalt (Sorgerechtslage zum Zeitpunkt der [X.]). Eine Anwendung des [X.] [X.] auch auf solche Sachverhalte würde eine verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigende echte Rückwirkung bedeuten.

(b) Das [X.] Minderjährigenschutzabkommen, das gemäß Art. 2 Abs. 1 [X.] ebenfalls eine Rückverweisung ausschließt ([X.]/[X.] 3. Aufl. [X.] II zu Art. 24 EG[X.] Rn. 10 [X.]), ist zwar bezogen auf den hier maßgeblichen Zeitraum anwendbar (vgl. [X.]/[X.]. Vor Art. 1 [X.] Rn. 12). Jedoch fehlt es am sachlichen Anwendungsbereich, weil vorliegend keine Schutzmaßnahme i.S.d. [X.] Minderjährigenschutzabkommens in Rede steht (vgl. hierzu [X.]/[X.] [X.] [2014] Art. 21 EG[X.] Rn. 36).

(3) Gemäß Art. 21 EG[X.] unterliegt das Rechtsverhältnis zwischen einem Kind und seinen Eltern dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

(a) Art. 21 EG[X.] beinhaltet eine Gesamtverweisung, umfasst also - anders als das [X.] Kinderschutzübereinkommen und das [X.] Minderjährigenschutzabkommen - auch das Kollisionsrecht ([X.]/[X.] [X.] [2014] Art. 21 EG[X.] Rn. 32; [X.]/Hohloch [X.] 14. Aufl. Art. 21 EG[X.] Rn. 4; [X.] [X.]/[X.] [Stand: 1. Mai 2015] Art. 21 EG[X.] Rn. 18; BeckOGK [X.]/[X.] [Stand: 1. März 2016] Art. 21 EG[X.] Rn. 43; [X.]/[X.]. Art. 21 EG[X.] Rn. 1). Die Rückverweisung ist gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EG[X.] zu beachten, so dass nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EG[X.] die [X.]n Sachvorschriften anzuwenden sind.

Entgegen einer vereinzelt gebliebenen Auffassung widerspricht die Anwendung des ausländischen Kollisionsrecht nicht dem Sinn der Verweisung gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 EG[X.]. Soweit vertreten wird, Art. 21 EG[X.] bezwecke auch, den Einklang mit Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 [X.] herzustellen, weshalb er wie die Regelung des [X.] Minderjährigenschutzabkommens als Sachnormverweisung auszulegen sei ([X.]/[X.] 6. Aufl. Art. 21 EG[X.] Rn. 17 [X.]), überzeugt dies nicht. Das [X.] Minderjährigenschutzabkommen und das [X.] Kinderschutzübereinkommen sind ohnehin vorrangig zu berücksichtigen. Soweit ihr Anwendungsbereich nicht eröffnet ist, besteht indes auch keine Notwendigkeit, das ausländische Kollisionsrecht von der Anwendung auszuschließen. Vielmehr mag der ausländische Staat gute Gründe für eine andere Anknüpfung als an den Aufenthalt haben ([X.]/[X.]. Art. 21 EG[X.] Rn. 1). Gegen die Annahme einer Sachnormverweisung spricht ferner, dass der Gesetzgeber in anderen Fällen (vgl. Art. 26 EG[X.]) klarstellende Normen geschaffen hat, bei Art. 21 EG[X.] aber nicht ([X.] [X.]/[X.] [Stand: 1. Mai 2015] Art. 21 EG[X.] Rn. 18).

(b) Gemessen hieran ist [X.]s Recht anzuwenden. Zwar hatte das Kind unmittelbar nach der Geburt und in den ersten Lebensmonaten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in [X.], weil es mit den Eltern dort lebte. Das [X.] internationale Privatrecht verweist allerdings nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen und für den [X.] bindenden Feststellungen des [X.] zum Inhalt des ausländischen Rechts ([X.], 14 = NJW 2013, 3656 Rn. 13 ff. [X.]) zurück in das [X.] Recht.

bb) Da die Eltern keine Sorgeerklärungen abgegeben haben und auch keine gerichtliche Regelung der elterlichen Sorge erfolgt war, ist die Mutter gemäß § 1626 a Abs. 2 iVm Abs. 1 [X.] (in der Fassung vom 2. Januar 2002 - heute § 1626 a Abs. 3 [X.]) von der Geburt des Kindes an allein sorgeberechtigt (vgl. auch [X.] FamRZ 2010, 1403 Rn. 71 ff.).

d) [X.] ist jedoch die Annahme des [X.], dem Kind sei der Name "J." gemäß § 1617 a Abs. 2 [X.] i.d.F. vom 2. Januar 2002 wirksam erteilt worden. Das Kind trägt gemäß § 1617 a Abs. 1 [X.] den Geburtsnamen "B.".

Dabei kann dahinstehen, ob die Unterzeichnung der Anmeldung zum [X.] Personenstandsregister als entsprechende namensrechtliche Erklärung ausgelegt werden kann und ob die Erklärung formgerecht ist. Selbst wenn eine formgerechte Erklärung der Mutter, dem Kind den Namen "J." zu erteilen, unterstellt würde, wäre die Erklärung gemäß § 130 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht wirksam geworden. Denn dem [X.] in [X.] ist zumindest zeitgleich mit der Erklärung ein Widerruf zugegangen.

aa) Gemäß § 1617 a Abs. 2 Satz 1 [X.] aF konnte der sorgeberechtigte Elternteil dem Kind durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten den Namen des anderen Elternteils erteilen. Diese Erklärung ist eine amtsempfangsbedürftige Willenserklärung, die erst mit Zugang beim zuständigen Standesamt wirksam wird (OLG München [X.] 2015, 304, 305 [X.]; OLG Hamm [X.] 2011, 242, 243 [X.]; [X.]/[X.] [X.] [2015] § 1617 a Rn. 34 und § 1617 Rn. 28 f.; BeckOGK [X.]/Kienemund [Stand: 1. April 2016] § 1617 a Rn. 38 und § 1617 Rn. 47; [X.]/v. [X.] [X.] 6. Aufl. § 1617 a Rn. 28; [X.]/[X.]. § 1617 a Rn. 7; [X.]/[X.] [X.] 3. Aufl. § 45 Rn. 4 und 9; [X.]/[X.] Personenstandsrecht [42. Ergänzungslieferung 2009] § 31 a [X.] Rn. 17 und 28; [X.]/[X.]/[X.] Deutsches Namensrecht [Stand: Februar 2007] § 1617 a [X.] Rn. 65 und 83).

bb) Zuständiges Standesamt für die Entgegennahme der Erklärung war zu den hier maßgeblichen Zeitpunkten im Oktober und November 2006 gemäß § 31 a Abs. 2 [X.] i.d.F. vom 9. April 2002 das Standesamt I in [X.].

(1) Ob der Zugang der Erklärung beim zuständigen [X.]n Standesamt durch den Zugang der Erklärung bei einem ausländischen Standesamt ersetzt werden kann, ist allerdings streitig.

(a) Eine Meinung spricht sich dafür aus, dass die Erklärung dem zuständigen [X.]n Standesamt zugehen muss (vgl. zu § 1617 [X.] [X.]/[X.] [X.] [2015] § 1617 Rn. 89; vgl. zu Art. 10 Abs. 2 und 3 EG[X.] [X.]/[X.]/[X.] [X.] [2013] Art. 10 EG[X.] Rn. 286; [X.] [X.]/[X.] [Stand: 1. Mai 2013] Art. 10 EG[X.] Rn. 44 und 69; [X.]/[X.] 5. Aufl. Art. 10 EG[X.] Rn. 114).

(b) Nach anderer Auffassung genügt es, wenn die Erklärung gegenüber einer ausländischen Amtsperson ergeht, die funktionsgleiche Aufgaben erfüllt ([X.]/[X.] 6. Aufl. Art. 10 EG[X.] Rn. 115 und 144; [X.]/[X.] Personenstandsrecht [Stand: 42. Ergänzungslieferung 2009] § 31 a [X.] Rn. 37; [X.]/[X.] 3. Aufl. Art. 10 EG[X.] Rn. 118; [X.]/Hohloch [X.] 14. Aufl. Art. 10 EG[X.] Rn. 33).

(2) Die erstgenannte Auffassung ist jedenfalls im Fall der [X.] nach § 1617 a Abs. 2 Satz 1 [X.] zutreffend. Es handelt sich weder um eine Formfrage, die eine Substitution im Rahmen des Art. 11 Abs. 1 EG[X.] eröffnen könnte, noch liegen im Übrigen die Voraussetzungen für eine Substitution vor.

(a) Die Formerfordernisse für ein im Ausland abgeschlossenes Rechtsgeschäft richten sich nach der Kollisionsnorm des Art. 11 Abs. 1 EG[X.]. Nach dieser Vorschrift ist ein im Ausland abgeschlossenes Rechtsgeschäft formgültig, wenn es die Formerfordernisse des Rechts, das auf das seinen Gegenstand bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist (Geschäftsrechtsform), oder des Rechts des Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wird (Ortsrechtsform). Damit stellt Art. 11 Abs. 1 EG[X.] zur Erleichterung des internationalen Rechtsverkehrs die Formvorschriften des Ortsrechts gleichwertig neben die nach dem inhaltlich maßgebenden Geschäftsrecht ([X.]sbeschluss vom 13. Juli 2011 - [X.] - FamRZ 2011, 1495 Rn. 17 [X.]). Ob eine vom Geschäftsrecht vorgesehene Form im Wege der Substitution durch eine Beurkundung außerhalb seines räumlichen Geltungsbereichs im Ausland erfüllt werden kann, hängt vom Sinn und Zweck der betreffenden Formvorschrift ab ([X.]/[X.]. Art. 11 EG[X.] Rn. 9).

Diese Grundsätze greifen hier nicht. Denn das Erfordernis des Zugangs der empfangsbedürftigen Willenserklärung i.S.d. § 1617 a Abs. 2 Satz 1 [X.] ist eine materiell-rechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung und kein Bestandteil der Form der Willenserklärung ([X.] FamRZ 2015, 1328, 1329; [X.]/[X.] 6. Aufl. Art. 10 EG[X.] Rn. 144; [X.]/[X.]/[X.] [X.] [2013] Art. 10 EG[X.] Rn. 285; [X.]/[X.] 3. Aufl. Art. 10 EG[X.] Rn. 156; [X.]/[X.]. Art. 11 EG[X.] Rn. 7), also unabhängig hiervon zu beurteilen.

(b) Ebenso wenig kommt eine Substitution bezogen auf die Ersetzung der Wirksamkeitsvoraussetzung des Zugangs der Willenserklärung beim zuständigen [X.]n Standesamt in Betracht.

Bei der Substitution ist zu prüfen, ob ein Auslandssachverhalt einem Tatbestandsmerkmal der anzuwendenden Kollisions- oder Sachnorm gleichzustellen ist ([X.]/[X.]/[X.] [X.] [2012] Einleitung IPR Rn. 259). Die Substitution setzt voraus, dass die anzuwendende Norm ihrem Sinn und Zweck nach überhaupt zulässt, eine ausländische Rechtsfigur unter ihren Tatbestand zu subsumieren ([X.]/von [X.] 6. Aufl. Einleitung IPR Rn. 232 [X.]) und dass der Vorgang im Ausland mit dem Tatbestandsmerkmal der Norm gleichwertig ist ([X.], 270 = [X.] 2014, 219 Rn. 13, 14, 21 und [X.], 76 = NJW 1981, 1160; [X.]/von [X.] 6. Aufl. Einleitung IPR Rn. 235 [X.]; vgl. auch [X.]sbeschluss [X.], 1 = FamRZ 1990, 39, 41 "Funktionsäquivalenz").

§ 31 a Abs. 2 [X.] aF (heute: § 45 Abs. 2 [X.]) steht seinem Sinn und Zweck nach einer Auslegung, dass die Namenserklärung auch mit Zugang bei einem ausländischen Standesamt wirksam wird, entgegen. Die Regelung ergänzt das materielle Recht des Kindesnamens, indem sie die Zuständigkeit für die Entgegennahme der form- und amtsempfangsbedürftigen Erklärungen regelt. Während in den §§ 1617 ff. [X.] nur die funktionale Zuständigkeit des Standesamts geregelt ist, trifft § 31 a [X.] aF (heute: § 45 Abs. 2 [X.]) die notwendige Ergänzung in sachlicher Hinsicht ([X.]/[X.] Personenstandsrecht [Stand: 42. Ergänzungslieferung 2009] § 31 a [X.] Rn. 7; vgl. auch [X.]/[X.] [X.] 3. Aufl. § 45 Rn. 1 f.). Dabei enthält das Gesetz auch in § 31 a Abs. 2 Satz 3 [X.] aF (heute: § 45 Abs. 2 Satz 2 [X.]) eine Regelung für den Fall, dass die Geburt nicht im Inland beurkundet ist. Für diesen Fall bestimmt das Gesetz ausdrücklich ein [X.]s Standesamt als zuständig. Dass der Gesetzgeber dabei die naheliegende Möglichkeit der Abgabe von [X.] gegenüber dem ausländischen Standesamt nicht bedacht hat, ist nicht ersichtlich. Vielmehr deutet die ausdrückliche Regelung darauf hin, dass nur der Zugang der Erklärungen beim zuständigen [X.]n Standesamt die namensrechtlichen Wirkungen auslösen soll (vgl. auch BT-Drucks. 16/1831 S. 49 [zu § 41 Abs. 2 [X.]] und [X.]).

Gegen eine Substitution spricht auch, dass die Annahme einer Empfangszuständigkeit des ausländischen Standesamts die Rechtssicherheit beeinträchtigen kann. Während der Zugang der Erklärung bei dem zuständigen [X.]n Standesamt zuverlässig festgestellt werden kann, ist sowohl der Zugang bei einem ausländischen Standesamt an sich als auch die Frage, ob dieses nach dem ausländischen Recht überhaupt zuständig war, erheblich schwieriger zu ermitteln. Ebenso besteht bei der so vorhandenen Mehrzahl von möglichen Erklärungsempfängern die Gefahr der Abgabe von doppelten, sich eventuell widersprechenden Erklärungen. Gerade diese will das Personenstandsgesetz aber verhindern, weshalb das Standesamt I in [X.] ein Verzeichnis über die bei ihm abgegebenen Erklärungen zu führen hat (§§ 45 Abs. 2 Satz 4 [X.], 27 [X.]; BT-Drucks. 16/1831 [X.]). Des Weiteren zeigt die Entstehungsgeschichte der Norm, dass der Gesetzgeber die parallele Zuständigkeit mehrerer Standesämter vermeiden wollte (BT-Drucks. V/3719 S. 59).

(c) Auch führt die Gefahr, dass das Kind im Ausland einen anderen Namen trägt als in [X.] ("hinkende Namensführung"), weder nach [X.] noch nach [X.]m Recht zur Notwendigkeit, vom Zugangserfordernis beim [X.]n Standesamt abzusehen.

Zwar können nach der Rechtsprechung des [X.] die im Primärrecht der [X.] garantierten Grundfreiheiten, insbesondere die Freiheit eines jeden Unionsbürgers, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben und sich dort aufzuhalten (Art. 21 Abs. 1 AEUV), eine Verpflichtung für die Behörden eines Mitgliedstaats enthalten, den Namen eines Kindes anzuerkennen, der in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt und eingetragen wurde, in dem das Kind geboren wurde ([X.] FamRZ 2008, 2089 Rn. 21 ff. "[X.]"; [X.] 2004, 40 Rn. 30 ff. "[X.]"; vgl. auch [X.] NJW 2016, 2093 Rn. 35 ff.). Die unzulässige Beschränkung der Grundfreiheiten liegt in der Verpflichtung des Betroffenen, gegen seinen Willen einen anderen Namen tragen zu müssen als den, der in dem Mitgliedstaat, in dem er geboren wurde, eingetragen wurde und den er dort führt ([X.] FamRZ 2008, 2089 Rn. 22 "[X.]"; [X.] 2004, 40 Rn. 45 "[X.]") oder den er in einem Mitgliedstaat lange Zeit mit Billigung der Behörden dieses Staats geführt hat ([X.] FamRZ 2011, 1486 Rn. 67 ff. "[X.]"). Aus den Grundfreiheiten folgt hingegen nicht, dass einem Unionsbürger ein Name aufgezwungen werden muss, den er selbst gar nicht führen möchte ([X.]/[X.] 6. Aufl. Art. 10 EG[X.] Rn. 220; [X.]/[X.] und Personenstand 2. Aufl. Rn. [X.]; Wall [X.] 2009, 261, 265; vgl. auch [X.] [X.] 2009, 1, 7). Wie das Beschwerdegericht richtig erkannt hat, ist es daher grundsätzlich ausreichend, dass der [X.] Gesetzgeber in Art. 48 EG[X.] die Wahl des im Ausland erworbenen Namens ermöglicht. Im vorliegenden Fall möchte das Kind diesen Namen aber gerade nicht tragen.

Überdies nimmt es das [X.] Namensrecht grundsätzlich hin, dass ein Kind nach [X.]m Recht namenlos ist, während es im Ausland den dort registrierten Namen führen kann, wie die Regelung des § 1617 Abs. 3 [X.] zeigt (vgl. BeckOGK [X.]/Kienemund [Stand: 1. April 2016] § 1617 Rn. 99; [X.]/v. [X.] [X.] 6. Aufl. § 1617 Rn. 30; [X.]/[X.] [X.] [2015] § 1617 Rn. 89; [X.]/[X.] Personenstandsrecht [Stand: 42. Ergänzungslieferung 2009] § 31 a [X.] Rn. 40).

cc) Bei dem damit allein [X.] in [X.] ist keine wirksame Erklärung zur Bestimmung des Namens nach § 1617 a Abs. 2 Satz 1 [X.] eingegangen, weil die Mutter ihre Erklärung rechtzeitig widerrufen hat.

(1) [X.] sind familienrechtliche Willenserklärungen, auf die grundsätzlich die allgemeinen Regeln der Willenserklärungen anzuwenden sind ([X.]/[X.]/[X.] Deutsches Namensrecht [Stand: Februar 2007] § 1617 a [X.] Rn. 60). Eine namensrechtliche Erklärung kann daher gemäß § 130 Abs. 1 Satz 2 [X.] widerrufen werden, jedenfalls bis sie dem zuständigen Erklärungsempfänger zugeht (OLG München [X.] 2015, 304, 305; [X.] [X.]/[X.] § 1617 Rn. 12; für eine Widerruflichkeit der Erklärung darüber hinaus bis zum Zugang aller weiteren erforderlichen Erklärungen: [X.]/[X.] [X.] [2015] § 1617 a Rn. 40 und § 1617 Rn. 29; BeckOGK [X.]/Kienemund [Stand: 1. April 2016] § 1617 Rn. 52; [X.]/[X.] Das neue Kindschaftsrecht § 1617 [X.] Rn. 34). Der Widerruf bedarf keiner Form (OLG München [X.] 2015, 304, 305; [X.]/Singer [X.] [2012] § 130 Rn. 103; [X.]/[X.] 7. Aufl. § 130 Rn. 40). Geht er zeitgleich mit der Erklärung dem Empfänger zu, kommt es allein auf den Zeitpunkt des Zugangs und nicht auf die Reihenfolge der Kenntnisnahme an ([X.] Urteil vom 30. Oktober 1974 - [X.]/73 - NJW 1975, 382, 384).

(2) Die namensrechtlichen Erklärungen vor dem [X.] Standesamt gingen dem zuständigen Standesamt I in [X.] frühestens mit Übersendung der [X.] Geburtsurkunde als Anlage zum Antrag der Mutter auf Beurkundung der [X.] zu. In diesem Antrag hatte die Mutter aber den Namen des Kindes abweichend von den [X.] Urkunden mit "B." angegeben und die Möglichkeit, explizit zu erklären, dass das Kind den Namen des [X.] erhalten soll, nicht genutzt. Dieses Verhalten ist als Widerruf der namensrechtlichen Erklärung auszulegen, denn die Mutter bringt damit zum Ausdruck, dass sie sich nicht an die Erklärungen vor dem [X.] Standesamt gebunden fühlt und nunmehr möchte, dass das Kind ihren Namen trägt. Der [X.] kann die Auslegung auch selbst vornehmen, denn das Beschwerdegericht hat insoweit das Verhalten der Mutter nicht gewürdigt und weitere Feststellungen sind nicht zu erwarten (vgl. [X.]Z 202, 122 = NJW 2014, 3030 Rn. 22 [X.]).

e) Der Antrag des [X.] ist mithin unbegründet, weil der Name des Kindes im Geburtenregister zutreffend beurkundet ist.

3. Gemäß § 74 Abs. 5 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Der [X.] kann in der Sache selbst abschließend entscheiden, weil diese zur Endentscheidung reif ist, § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG.

Dose                      Klinkhammer                        Schilling

             Günter                               Guhling

Meta

XII ZB 489/15

20.07.2016

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend KG Berlin, 14. September 2015, Az: 1 W 473/13, Beschluss

§ 130 Abs 1 S 2 BGB, § 1617a Abs 2 BGB vom 02.01.2002, Art 21 BGBEG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.07.2016, Az. XII ZB 489/15 (REWIS RS 2016, 7900)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 7900

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Vaterschaftsanerkennung: Anwendbares Recht für die Bestimmung des Geburtsnamens des Kindes


XII ZB 425/21 (Bundesgerichtshof)

Zweifelsvorlage des Standesamtes betreffend Beurkundung einer Namenswahlerklärung


XII ZB 180/12 (Bundesgerichtshof)

(Personenstandssache: Beschwerdebefugnis der Aufsichtsbehörde; Weiterführung des Vatersnamens nach Einbürgerung einer bulgarischen Staatsangehörigen)


XII ZB 180/12 (Bundesgerichtshof)


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