Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.07.2015, Az. 3 StR 104/15

3. Strafsenat | REWIS RS 2015, 7864

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Raub: Wegnahme des einer Prostituierten vor Erbringung von sexuellen Leistungen ausgehändigten Entgelts durch den Freier


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. November 2014 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) im Fall II. 1. der Urteilsgründe,

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Raubes, versuchter Nötigung, Bedrohung in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung, sowie wegen Beleidigung in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Seine ausweislich der Revisionsbegründung wirksam auf die Verurteilung wegen versuchten Raubes (Fall II. 1. der Urteilsgründe) beschränkte Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.

2

Nach den Feststellungen des [X.]s kam der Angeklagte mit der Geschädigten überein, dass diese an ihm Oralverkehr vornehmen solle. Der Angeklagte übergab ihr das hierfür vereinbarte Entgelt in Höhe von 20 €. Nachdem sich die beiden zur Durchführung des [X.] in eine öffentliche Toilette begeben hatten, überlegte der Angeklagte es sich aus unbekannten Gründen anders. Er verlangte die 20 € zurück. Als die Geschädigte die Rückzahlung verweigerte, schubste er sie gegen die Kabinenwand, tastete sie ab und griff in die Taschen ihrer Kleidung, um das Geld, "auf dessen Rückzahlung er keinen Anspruch hatte", gegen ihren Willen zurückzuerlangen. "Ihm war dabei bewusst, dass er das Geld nicht zurückverlangen konnte. Denn auch ihm war, wie [X.] üblicherweise, bekannt, dass für das Versprechen sexueller Dienstleistungen vor dessen Erfüllung gegebenes Geld nicht zurückgefordert werden kann." Wider Erwarten fand er das Geld jedoch nicht. Die anschließende verbale und tätliche, sich auf der [X.] wurde durch das Eingreifen von Passanten beendet.

3

1. Die Verurteilung wegen versuchten Raubes hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Urteilsgründe enthalten keine die Feststellungen tragende Beweiswürdigung zum subjektiven Tatbestand und dabei insbesondere nicht zum Vorsatz des Angeklagten bezüglich der Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung. Diesbezügliche Ausführungen wären hier gerade auch mit Blick auf die von der [X.] verkannte zivilrechtliche Rechtslage notwendig gewesen.

4

a) § 249 StGB verlangt neben der Wegnahme einer fremden beweglichen Sache unter Einsatz eines [X.] die Absicht des [X.], die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen. Die Rechtswidrigkeit der Zueignung ist dabei ein normatives Tatbestandsmerkmal, auf das sich der Vorsatz des [X.] erstrecken muss (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschluss vom 26. April 1990 -4 [X.], NJW 1990, 2832).

5

b) Die Feststellung, dem Angeklagten sei bewusst gewesen, dass er das Geld nicht zurückverlangen konnte, findet in der Beweiswürdigung keine Stütze. Das [X.] hat nicht dargelegt, worauf es seine entsprechende Überzeugung gegründet hat. Soweit die [X.] möglicherweise gemeint hat, aufgrund ihres ebenfalls pauschalen, nicht näher begründeten Hinweises auf die "übliche Kenntnis von [X.] vom Nichtbestehen einer Rückforderung" seien entsprechende Ausführungen entbehrlich gewesen, ist dem bereits mit Blick auf die zivilrechtliche Rechtslage nicht zu folgen. Entgegen der Auffassung des [X.]s kommt grundsätzlich ein Anspruch des Angeklagten gegen die Geschädigte auf Rückzahlung des bereits vorab geleisteten Entgelts aus § 812 Abs. 1 Satz 1 [X.] in Betracht; denn der Angeklagte erbrachte mit der Zahlung des Entgelts eine rechtsgrundlose Leistung. Die zwischen den Beteiligten getroffene Vereinbarung über die Vornahme sexueller Leistungen gegen ein Entgelt ist wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig, § 138 Abs. 1 [X.] ([X.]/Ellenberger, [X.], 74. Aufl., [X.]. zu § 138 (§ 1 [X.]) Rn. 2). Aus § 1 [X.] ergibt sich nichts Gegenteiliges. Nach dieser Bestimmung erwirbt eine Prostituierte nur dann eine rechtswirksame Forderung, wenn die sexuellen Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt vorgenommen wurden. Sie ist somit eine Ausnahmevorschrift zu § 138 Abs. 1 [X.] und bestimmt unter den dort normierten Voraussetzungen die Wirksamkeit des Anspruchs der Prostituierten auf das vereinbarte Entgelt trotz Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts ([X.], Beschluss vom 18. Januar 2011 - 3 [X.], [X.], 278). Ein Ausschluss des [X.] gemäß § 814 [X.] oder § 817 [X.] setzt u.a. voraus, dass der Angeklagte als [X.] wusste, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war ([X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 814 Rn. 7) bzw. vorsätzlich gesetz- oder sittenwidrig handelte oder sich der Einsicht in die Gesetz- oder Sittenwidrigkeit leichtfertig verschloss ([X.]/[X.] aaO, § 817 Rn. 17). Auch dies versteht sich bei dem psychisch auffälligen, die [X.] nur unzureichend beherrschenden Angeklagten, der einem fremden Kulturkreis mit einer anderen Rechtsordnung entstammt, nicht von selbst.

6

2. Der Senat kann entgegen der Ansicht des [X.] nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass ein neues Tatgericht mit einer nach revisionsrechtlichem Maßstab [X.] Beweiswürdigung wiederum feststellt, dass der Angeklagte mit zumindest bedingtem Vorsatz hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung handelte und sich deshalb wegen eines - unter Umständen untauglichen (vgl. hierzu [X.] aaO) - versuchten Raubes strafbar gemacht hat.

7

3. Aufgrund des Wegfalls des Schuldspruchs im Fall II. 1. der Urteilsgründe kann auch die Gesamtstrafe nicht bestehen bleiben.

8

4. Die Sache bedarf nach alldem in dem aufgezeigten Umfang erneuter tatgerichtlicher Verhandlung und Entscheidung.

[X.]     

     Pfister     

Schäfer

[X.] befindet sich
im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.

Gericke     

[X.]

Meta

3 StR 104/15

21.07.2015

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Lüneburg, 14. November 2014, Az: 33 KLs 6/14

§ 249 StGB, § 1 ProstG, § 138 BGB, § 812 Abs 1 S 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.07.2015, Az. 3 StR 104/15 (REWIS RS 2015, 7864)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7864

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 104/15 (Bundesgerichtshof)


4 StR 402/10 (Bundesgerichtshof)

Erpressung: Rechtswidrigkeit des erstreben Vermögensvorteils


4 StR 591/17 (Bundesgerichtshof)

Diebstahlstatbestand: Zueignungsabsicht bei Entwendung von Pfandleergut zum Zweck der Rückgabe gegen Erstattung des Pfandgeldes


2 StR 340/12 (Bundesgerichtshof)

Raub: Ausnutzen des Andauerns der Wirkungen der ohne Wegnahmeabsicht ausgeübten Gewalt


4 StR 402/10 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.