Bundessozialgericht, Beschluss vom 14.11.2013, Az. B 9 SB 9/13 B

9. Senat | REWIS RS 2013, 1137

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensfehler - Entscheidung ohne mündliche Verhandlung - nicht vorschriftsmäßige Besetzung - Anhörung - wesentliche Änderung der Prozesslage - Erforderlichkeit einer erneuten Anhörung - Zurückverweisung


Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des [X.] vom 20. Dezember 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Mit Beschluss vom 20.12.2012 hat das [X.] [X.] ([X.]) einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "[X.]" verneint. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat die Klägerin beim [X.] (B[X.]) Beschwerde eingelegt, die sie mit dem Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) begründet.

2

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist zulässig. Der von der Klägerin gerügte Verfahrensmangel einer Verletzung des § 153 Abs 4 [X.]G durch das [X.] ist iS des § 160a Abs 2 S 3 [X.]G hinreichend bezeichnet.

3

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist auch begründet. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt vor. Das [X.] hat unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles von der sich aus § 153 Abs 4 [X.]G ergebenden Befugnis, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, verfahrensfehlerhaft Gebrauch gemacht.

4

Nach § 153 Abs 4 S 1 [X.]G kann das [X.], außer in den Fällen, in denen das [X.] durch Gerichtsbescheid (§ 105 Abs 2 S 1 [X.]G) entschieden hat, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Nach § 153 Abs 4 [X.] [X.]G sind die Beteiligten vorher zu hören. Ändert sich nach einer solchen Anhörung die Prozesslage wesentlich, etwa durch eine entsprechende Äußerung des betroffenen Beteiligten, so hat eine erneute Anhörung zu erfolgen (s [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 10. Aufl 2012, § 153 Rd[X.] 20 f mwN). Diese Grundsätze hat das [X.] hier nicht hinreichend beachtet.

5

Mit Schreiben vom [X.] hat das [X.] "im Hinblick auf den Antrag nach § 109 [X.]G" zur Zahlung eines Kostenvorschusses eine Frist bis zum 15.10.2012 gesetzt. Unter dem 29.10.2012 hat das [X.] den Bevollmächtigten der Klägerin schriftlich mitgeteilt, dass der Senat mangels Zahlung des festgesetzten Kostenvorschusses im Beschlussverfahren nach § 153 Abs 4 [X.]G entscheiden werde. Die Bevollmächtigten haben danach mit [X.] vom [X.] gegenüber dem [X.] erklärt, dass der Kostenvorschuss von ihnen mit Schreiben vom 27.9.2012 bei der Rechtsschutzversicherung der Klägerin angefordert und von dieser am 17.10.2012 angewiesen worden sei. Zugleich haben sie die Bitte geäußert, den Zahlungseingang abzuwarten. Damit haben sie auch sinngemäß beantragt, von einer Entscheidung über die Berufung durch Beschluss abzusehen.

6

Zwar ist die vom [X.] gesetzte Frist zur Einzahlung des Kostenvorschusses (15.10.2012) nicht eingehalten worden. Angesichts des § 109 Abs 2 [X.]G, wonach das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen den Antrag nach § 109 Abs 1 [X.]G ablehnen "kann", und nach dem Hinweis der Klägerin auf die erfolgte Anweisung des Kostenvorschusses durch die Rechtsschutzversicherung ist das [X.] jedoch, auch wegen einer fehlenden Entscheidung nach § 109 Abs 2 [X.]G, zunächst an einer Beschlussfassung gemäß § 153 Abs 4 [X.]G gehindert gewesen. Da der Berufungssenat bei seiner Anhörungsmitteilung vom 29.10.2012 davon ausgegangen war, dass bis dahin kein Kostenvorschuss eingegangen sei, ist durch die Mitteilung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die Zahlung sei am 17.10.2012 erfolgt, eine neue prozessuale Lage eingetreten. Das [X.] hätte zunächst nach dem Zahlungseingang forschen müssen. Hätte es nach Kenntnis des am 22.10.2012 erfolgten Eingangs des Kostenvorschusses den nach § 109 [X.]G gestellten Antrag der Klägerin ablehnen wollen, so hätte diese Entscheidung grundsätzlich der Klägerin bekanntgegeben werden müssen. Unabhängig davon ist jedenfalls eine erneute Anhörungsmitteilung nach § 153 Abs 4 [X.] [X.]G erforderlich gewesen. Da eine solche fehlt, ist der Beschluss des [X.] vom 20.12.2012 verfahrensfehlerhaft zustande gekommen.

7

Da das [X.] an einer Entscheidung gemäß § 153 Abs 4 S 1 [X.]G gehindert gewesen ist, bedarf es keiner Prüfung, ob die Entscheidung des [X.] auf diesem Verfahrensfehler beruhen kann. Denn es handelt sich um einen absoluten Revisionsgrund gemäß § 202 [X.]G iVm § 547 [X.] 1 ZPO. Die Verletzung des § 153 Abs 4 [X.]G führt zu einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts ohne [X.] (vgl nur B[X.] SozR 4-1500 § 153 [X.] 14 Rd[X.] 15 mwN).

8

Da die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G vorliegen, macht der Senat von dem ihm gemäß § 160a Abs 5 [X.]G eingeräumten Ermessen zur Verfahrensbeschleunigung Gebrauch und verweist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurück.

9

Das [X.] wird bei Abschluss des wieder eröffneten Berufungsverfahrens über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde zu entscheiden haben.

Meta

B 9 SB 9/13 B

14.11.2013

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SB

vorgehend SG Gelsenkirchen, 19. März 2012, Az: S 23 SB 1670/10, Urteil

§ 153 Abs 4 S 2 SGG, § 153 Abs 4 S 1 SGG, § 109 Abs 1 SGG, § 109 Abs 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 5 SGG, § 202 SGG, § 547 Nr 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 14.11.2013, Az. B 9 SB 9/13 B (REWIS RS 2013, 1137)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1137

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 13 R 179/12 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - rechtliches Gehör - Entscheidung über eine Berufung durch …


B 9 V 40/19 B (Bundessozialgericht)

(Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - rechtliches Gehör - weitere Anhörungsmitteilung nach § 153 …


B 5 R 166/22 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Gehörsrüge - Zurückweisung der Berufung durch Beschluss - …


B 1 KR 65/15 B (Bundessozialgericht)

(Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Anhörungspflicht nach § 153 Abs 4 S 2 …


B 9 SB 92/17 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensfehler - rechtliches Gehör - Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.