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PDF anzeigen BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 158/10 vom 14. Juli 2010 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 14. Juli 2010 gemäß § 349 Abs. 4 [X.] beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 16. November 2009, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Straf-kammer des [X.] zurückverwiesen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln (Heroin) in drei Fällen zu einer [X.] von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Mit der hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Revision hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. 1 1. Die Revision rügt die fehlende Verlesung der Anklage (§ 243 Abs. 3 Satz 1 [X.]) und beruft sich insoweit auf das [X.], das eine Verlesung nicht ausweist. 2 - 3 - Die Begründung der Revision ist am 1. Februar 2010 beim [X.] eingegangen und war zunächst inhaltlich unbeachtet geblieben. Am 19. Februar 2010 hat die Staatsanwaltschaft unter Hinweis auf die vorgenannte Rüge die Akten dem [X.] zurückgesandt. Daraufhin haben am 23. Februar 2010 die Berufsrichter, die Protokollführerin und der Dolmetscher sowie - nach [X.] - am 24. Februar 2010 der Vertreter der Staatsanwaltschaft in dienstlichen Erklärungen versichert, die Anklage sei verlesen worden. 3 2. Die Revision beruft sich zu Recht auf eine Verletzung des § 243 Abs. 3 Satz 1 [X.]. Da dem [X.] eine Verlesung der Anklage nicht zu entnehmen ist, ergibt sich im Hinblick auf die Beweiskraft des Protokolls (§ 274 [X.]), dass eine Verlesung der Anklage nicht stattgefunden hat. Das Protokoll ist auch weder lückenhaft noch widersprüchlich, sondern in-soweit eindeutig. 4 a) Nach § 274 Satz 1 [X.] kann die Beobachtung der für die [X.] vorgeschriebenen Förmlichkeiten nur durch das Protokoll bewiesen werden. Als Gegenbeweis lässt das Gesetz nur den Nachweis der Fälschung zu (§ 274 Satz 2 [X.]). Darüber hinaus kann zwar nach der Entscheidung des [X.] [X.] durch eine [X.] Berichtigung des Protokolls auch einer bereits ordnungsgemäß erhobenen Verfahrensrüge zum Nachteil des [X.] die Tatsachengrundlage entzogen werden ([X.]St 51, 298; [X.] NJW 2009, 1469). Eine solche nach-trägliche Protokollberichtigung hat vorliegend jedoch nicht stattgefunden und kann unter den hier vorliegenden Umständen auch nicht nachgeholt werden. 5 - 4 - b) Die Entscheidung des [X.]s hat zu einer substantiellen Än-derung des Strafverfahrenrechts dahingehend geführt, dass [X.] in erster Linie im [X.] zu beseitigen sind ([X.], NJW 2010, 2068, 2069). 6 Grundlage einer jeden Protokollberichtigung ist die sichere Erinnerung der [X.]. Fehlt es hieran, kann das Protokoll nicht mehr berichtigt werden ([X.]St 51, 298, 314, 316). Für das Verfahren gilt, dass vor einer [X.] Protokollberichtigung die [X.] zunächst den [X.] zu hören haben. Widerspricht er der beabsichtigen Berichtigung sub-stantiiert, sind erforderlichenfalls weitere Verfahrensbeteiligte zu befragen. [X.] die [X.] trotz des Widerspruchs an der Protokollberichtigung fest, ist ihre Entscheidung hierüber mit Gründen zu versehen. Die Gründe der Berichtigungsentscheidung unterliegen der Überprüfung durch das Revisions-gericht im Freibeweisverfahren. Im Zweifel gilt insoweit das Protokoll in der nicht berichtigten Fassung ([X.]St 51, 298, 315 f.; vgl. [X.], [X.], 580, 581). 7 Das gilt im Ergebnis auch, wenn das vom [X.] vorgegebene Verfahren der Protokollberichtigung nicht eingehalten oder nicht durchgeführt wird. 8 c) Der Senat sieht keine Veranlassung die Akten zum Zwecke der Einlei-tung eines [X.]s zurückzusenden (vgl. insoweit [X.], [X.], 484). Die Akten waren dem Vorsitzenden der Kammer [X.] durch den Vertreter der Staatsanwaltschaft unter Hinweis auf die Rüge der nicht verlesenen Anklage zurückgesandt worden, ohne dass ein Berichtigungs-verfahren eingeleitet wurde. Beide [X.] haben in Kenntnis dieser 9 - 5 - Rüge lediglich dienstliche Erklärungen abgegeben. Eine nochmalige Rücksen-dung ist vor diesem Hintergrund nicht geboten und käme überdies dem Fall ei-ner Wiederholung eines nicht ordnungsgemäßen Verfahrens unter Verletzung des Rechts des Angeklagten auf ein faires Verfahren gleich (vgl. [X.], [X.], 53. Aufl., § 271 Rn. 26a). Neben einer ordnungsgemäßen Protokollberichtigung kommt eine frei-beweisliche Aufklärung des tatgerichtlichen [X.] allein unter Be-rücksichtigung abgegebener dienstlicher Erklärungen und damit unter geringe-ren Anforderungen als in dem die Verfahrenswahrheit sichernden Protokollbe-richtigungsverfahren nach erhobener Verfahrensrüge und zum Nachteil des Angeklagten nicht in Betracht ([X.]St 51, 316 f.; vgl. [X.], [X.], 281, 282; [X.], 297; [X.], 47; [X.]R [X.] § 274 Beweiskraft 8, 11 und 13 jeweils mwN). Ob hiervon in Fällen krasser Widersprüchlichkeit Ausnahmen zu machen sind (vgl. [X.], NJW 2010, 2068, 2069), kann offen bleiben. Eine solche liegt hier nicht vor. 10 3. Der Senat kann ein Beruhen des angefochtenen Urteils auf diesem [X.] nicht ausschließen. 11 [X.] Schmitt Ri[X.] Prof. Dr. [X.] ist
wegen Urlaubs an der
Unterschrift gehindert.
[X.]
Meta
14.07.2010
Bundesgerichtshof 2. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.07.2010, Az. 2 StR 158/10 (REWIS RS 2010, 4859)
Papierfundstellen: REWIS RS 2010, 4859
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