Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.10.2012, Az. I ZR 137/11

1. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2198

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Gegenstand

Irreführende Werbung eines Rechtsanwalts: Angabe "Steuerbüro" in der Kanzleibezeichnung - Steuerbüro


Leitsatz

Steuerbüro

Erbringt ein Rechtsanwalt zu einem überwiegenden Teil seiner Berufstätigkeit Hilfeleistungen in Steuersachen und ist deshalb die Angabe "Steuerbüro" in seiner Kanzleibezeichnung objektiv zutreffend, so ist diese Angabe nicht allein deshalb als irreführend zu verbieten, weil ein Teil der an diesen Dienstleistungen interessierten Verbraucher aus der Angabe "Steuerbüro" den unrichtigen Schluss zieht, in der Kanzlei sei auch ein Steuerberater oder ein Fachanwalt für Steuerrecht tätig.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 28. Juni 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist die Berufskammer der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten, die im Bezirk der [X.] [X.] ihre berufliche Niederlassung haben. Gemäß § 3 ihrer Satzung hat sie die Aufgabe, die beruflichen Belange der Gesamtheit ihrer Mitglieder zu wahren.

2

Der Beklagte ist ein Rechtsanwalt, der im Bezirk der Klägerin eine Kanzlei unterhält. Er bietet dabei auch [X.] an, die nach seiner Darstellung etwa zwei Drittel seiner Gesamttätigkeit ausmachen. Über eine Fachanwaltsqualifikation für Steuerrecht verfügt der Beklagte nicht. Im örtlichen Telefonbuch ist er wie folgt verzeichnet:

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3

Auf dem vom [X.] für seine Kanzlei verwendeten Briefkopf findet sich rechts oben die Angabe

Abbildung

4

Unterhalb des [X.] ist dann ebenfalls auf der rechten Seite der volle Name des [X.] mit dem Zusatz "Rechtsanwalt" wiedergegeben.

5

[X.] des [X.] enthält die farbig hervorgehobene Angabe

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6

Nach Ansicht der Klägerin wirbt der Beklagte mit dem Begriff "Steuerbüro" unter Verstoß gegen die berufsrechtlichen Regelungen des § 7 der Berufsordnung für Rechtsanwälte ([X.]) über die Benennung von Teilbereichen der Berufstätigkeit und zugleich irreführend im Sinne von § 5 UWG. Bei den angesprochenen Verkehrskreisen werde der Eindruck erweckt, es handele sich um die Kanzlei auch eines Steuerberaters oder Fachanwalts für Steuerrecht, der über besondere Kenntnisse im Steuerrecht verfüge.

7

Der Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, er sei befugt, mit der Bezeichnung Steuerbüro darauf hinzuweisen, dass ein Schwerpunkt seiner Kanzlei in der Bearbeitung von Steuerangelegenheiten liege.

8

Die im ersten Rechtszug unterlegene Klägerin hat vor dem Berufungsgericht beantragt,

es dem [X.] unter Androhung von [X.] zu untersagen, im beruflichen Verkehr eine Kanzleibezeichnung unter Verwendung des Wortes "Steuerbüro" zu führen.

9

Das Berufungsgericht hat der Klage mit diesem Antrag stattgegeben.

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

I. Das [X.]erufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Die Kanzleibezeichnung "Rechtsanwaltskanzlei und Steuerbüro", die der [X.] als alleiniger [X.]erufsträger verwende, ohne zugleich Steuerberater oder Fachanwalt für Steuerrecht zu sein, sei irreführend und deshalb nach § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG in Verbindung mit § 43b [X.], § 6 Abs. 1 [X.] unzulässig. Ein nicht unerheblicher Teil der an den Dienstleistungen eines Rechtsanwalts oder der Hilfeleistung in Steuersachen interessierten Verbraucher gehe bei dieser [X.]ezeichnung davon aus, in der Kanzlei seien entweder ein Rechtsanwalt und ein Steuerberater oder Fachanwalt für Steuerrecht tätig oder es arbeite dort ein [X.]erufsträger, der über beide Qualifikationen verfüge.

Die danach bestehende Eignung zur Irreführung werde nicht durch die [X.]enennung des [X.]n in den [X.], dem [X.]riefkopf und dem [X.]auftritt seiner Kanzlei beseitigt; es bleibe jeweils unklar, ob der Rechtsanwalt zugleich die anwaltliche Dienstleistung und die umfassende Tätigkeit im [X.]ereich der Steuersachen wahrnehme oder im "Steuerbüro" ein insoweit über besonderes Fachwissen verfügender weiterer [X.]erufsträger tätig sei. Selbst wer aus den Angaben zutreffend schließe, dass allein der genannte Rechtsanwalt auch in Steuersachen tätig sei, bleibe irregeführt, weil er der [X.]ezeichnung "Anwaltskanzlei und Steuerbüro" die [X.]edeutung beimesse, ihm stehe ein in Steuersachen besonders kenntnisreicher und qualifizierter Rechtsanwalt zur Verfügung, der zugleich Steuerberater oder Fachanwalt für Steuerrecht sei.

II. Die gegen diese [X.]eurteilung gerichtete Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des [X.]erufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.]erufungsgericht.

1. Das [X.]erufungsgericht hat allerdings mit Recht angenommen, dass der Klägerin gegen den [X.]n kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4 [X.]1 UWG in Verbindung mit § 43b [X.], § 7 [X.] zusteht. Die beanstandete [X.]ezeichnung "Steuerbüro" verstößt nicht gegen § 7 [X.].

Nach § 7 Abs. 1 [X.] darf ein Rechtsanwalt unabhängig von Fachanwaltsbezeichnungen Teilbereiche der [X.]erufstätigkeit nur benennen, wenn er seinen Angaben entsprechende Kenntnisse nachweisen kann, die er in der Ausbildung, durch [X.]erufstätigkeit, Veröffentlichungen oder in sonstiger Weise erworben hat. Verwendet er qualifizierende Zusätze, muss er zusätzlich über entsprechende theoretische Kenntnisse verfügen und auf dem benannten Gebiet in erheblichem Umfang tätig gewesen sein. Nach § 7 Abs. 2 [X.] sind die Angaben gemäß Absatz 1 unzulässig, wenn sie die Gefahr einer Verwechslung mit Fachanwaltschaften begründen oder sonst irreführend sind. Die Vorschrift regelt nur die Zulässigkeit von Angaben über Teilbereiche der [X.]erufstätigkeit des einzelnen Rechtsanwalts. Sie besagt nichts über die Zulässigkeit von [X.], mit denen auf die fachliche Ausrichtung der Kanzlei hingewiesen wird (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 12. Februar 2001 - [X.] ([X.]) 11/00, NJW 2001, 1573, 1574 = WRP 2001, 537; Urteil vom 19. April 2001 - [X.], [X.], 81, 82 = [X.], 81 - Anwalts- und Steuerkanzlei). Daran hat sich auch durch die Neufassung des § 7 [X.] mit Wirkung vom 1. März 2006 nichts geändert.

Die [X.]eschränkung des Anwendungsbereichs des § 7 [X.] auf die [X.]enennung von Teilbereichen der [X.]erufstätigkeit des einzelnen Anwalts gilt auch, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Kanzleibezeichnung eines einzelnen Rechtsanwalts und nicht einer Sozietät in Rede steht (vgl. [X.], NJW 2001, 1573, 1574).

2. Der [X.] handelt mit seinem von der Klägerin beanstandeten Verhalten auch nicht dem in § 43 Abs. 4 Satz 2 St[X.]erG bestimmten Verbot zuwider. Danach ist es unzulässig, zum Hinweis auf eine steuerberatende Tätigkeit andere als die in § 43 Abs. 4 Satz 1 St[X.]erG angeführten [X.]ezeichnungen "Steuerberater", "Steuerbevollmächtigter" oder "Steuerberatungsgesellschaft" zu verwenden. Die Vorschrift des § 43 Abs. 4 Satz 2 St[X.]erG findet nach § 43 Abs. 4 Satz 3 St[X.]erG auf Rechtsanwälte keine Anwendung.

3. Das vom [X.]erufungsgericht gegen den [X.]n nach § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG in Verbindung mit § 43b [X.], § 6 Abs. 1 [X.] ausgesprochene generelle Verbot, im beruflichen Verkehr eine Kanzleibezeichnung unter Verwendung des Wortes "Steuerbüro" zu führen, hat in der vom [X.]erufungsgericht dafür gegebenen [X.]egründung keine hinreichende Grundlage.

a) Das [X.]erufungsgericht hat angenommen, die [X.]ezeichnung "Rechtsanwaltskanzlei und Steuerbüro" werde von maßgeblichen Teilen des Verkehrs so verstanden, dass in der Kanzlei ein Steuerberater oder Fachanwalt für Steuerrecht tätig sei. Dies sei in der Kanzlei des [X.]n nicht der Fall. Die danach bestehende Gefahr der Irreführung werde unter den Gegebenheiten des Streitfalls nicht dadurch beseitigt, dass im Telefonbucheintrag, auf den Kanzleibriefbögen und im [X.]auftritt allein der [X.] genannt sei. Diese Feststellungen, die auf die konkrete Gestaltung abstellen, in der die Kanzleibezeichnung dem Publikum entgegentritt, rechtfertigen kein allgemeines Verbot der Verwendung dieser [X.]ezeichnung.

b) In einem Unterlassungsantrag brauchen Ausnahmetatbestände nicht aufgenommen zu werden, wenn der Antrag die konkrete Verletzungsform beschreibt. Ist der Antrag dagegen - wie im Streitfall - gegen ein von der konkreten Verletzungsform losgelöstes Verhalten gerichtet, müssen Einschränkungen in den Antrag und entsprechend in den diesem stattgebenden [X.] aufgenommen werden, um von einem weit gefassten Verbot etwa erlaubte Verhaltensweisen auszunehmen. Dementsprechend müssen, wenn der Klageantrag nicht auf die konkrete Verletzungsform beschränkt wird, die Umstände, unter denen die Verhaltensweise ausnahmsweise erlaubt ist, so genau umschrieben werden, dass im Vollstreckungsverfahren erkennbar ist, welche konkreten Handlungen von dem Verbot ausgenommen werden (vgl. [X.], Urteil vom 29. April 2010 - [X.], [X.], 749 Rn. 25 f. = [X.], 1030 - Erinnerungswerbung im [X.]; Urteil vom 2. Februar 2012 - [X.], [X.], 945 Rn. 25 = [X.], 1222 - Tribenuronmethyl).

c) Der von der Klägerin zuletzt gestellte und vom [X.]erufungsgericht als begründet angesehene Unterlassungsantrag enthält keine solche Einschränkung. Er erfasst damit auch Sachverhalte, in denen es an einer Irreführung fehlt, weil der [X.] durch klarstellende Zusätze zutreffend darüber informiert, welche [X.]ewandtnis es mit der Angabe "Steuerbüro" in seiner Kanzleibezeichnung hat. Ein solcher zu weit gefasster Unterlassungsantrag ist unbegründet (vgl. [X.], Urteil vom 29. März 2007 - I ZR 164/04, [X.], 987 Rn. 22 = [X.], 1341 - Änderung der Voreinstellung; [X.], [X.], 749 Rn. 32 - Erinnerungswerbung im [X.]; [X.], Urteil vom 27. März 2012 - [X.], [X.], 1062 Rn. 38 - Elektronischer Programmführer).

4. [X.]ei einem - wie zuvor festgestellt (Rn. 21 und 22) - zu weit gefassten Unterlassungsantrag können es der Grundsatz des Vertrauensschutzes und der Anspruch der Parteien auf ein faires Gerichtsverfahren gebieten, von einer Abweisung der Klage abzusehen und der [X.] im wiedereröffneten [X.]erufungsverfahren Gelegenheit zu geben, den aufgetretenen [X.]edenken durch eine angepasste Antragsfassung zu begegnen (vgl. [X.], Urteil vom 8. März 2012 - [X.], [X.], 1153 Rn. 16 = [X.], 1390 - Unfallersatzgeschäft). Das ist der Fall, wenn die Mängel des Klageantrags erst in der Revisionsinstanz festgestellt werden, in der eine Änderung der Klageanträge grundsätzlich ausgeschlossen ist (vgl. [X.], Urteil vom 28. September 1989 - [X.], [X.] 1990, 122) und sich das Klagebegehren - wie nachstehend dargestellt - nicht schon jetzt als unberechtigt darstellt.

a) Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen (vgl. [X.], Urteil vom 7. Juli 2011 - [X.], [X.], 208 Rn. 31 = [X.], 311 - 10% Geburtstags-Rabatt; [X.]ornkamm in [X.]/[X.]ornkamm, UWG, 30. Aufl., § 5 Rn. 20 f. und Rn. 2.172 f.). Zudem setzt ein Verbot voraus, dass den Adressaten unter [X.]erücksichtigung der beteiligten Interessen nicht ausnahmsweise zuzumuten ist, die Irreführung hinzunehmen, etwa weil eine Werbung mit einer objektiv richtigen Angabe vorliegt (vgl. [X.], Urteil vom 18. März 2010 - [X.], [X.], 1024 Rn. 25 = [X.], 1390 - Master of Science Kieferorthopädie; [X.]ornkamm in [X.]/[X.]ornkamm aaO § 5 Rn. 2.197 ff.).

Das [X.]erufungsgericht ist zwar rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die von der Klägerin beanstandeten Werbemaßnahmen des [X.]n zur Täuschung ihrer Adressaten geeignete Angaben enthalten (dazu nachfolgend b). Es hat jedoch versäumt festzustellen, ob vorliegend nicht von einer objektiv richtigen Angabe auszugehen ist, deren Verbot eine Interessenabwägung erfordert (dazu nachfolgend c).

b) Das [X.]erufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die Verwendung der [X.]ezeichnung "Steuerbüro" im Telefonbucheintrag, auf dem [X.] und im [X.]auftritt des [X.]n jeweils ein berufliches und damit geschäftliches Handeln zu Wettbewerbszwecken im Sinne von § 2 Abs. 1 [X.], § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG ist.

Entgegen der Ansicht der Revision lässt auch die auf tatrichterlichem Gebiet liegende [X.]eurteilung des [X.]erufungsgerichts keinen Rechtsfehler erkennen, ein erheblicher Teil der an den Dienstleistungen eines Rechtsanwalts oder der Hilfeleistung in Steuersachen interessierten Verbraucher verstehe die genannte [X.]ezeichnung dahin, dass in der beworbenen Kanzlei entweder ein Rechtsanwalt und ein Steuerberater oder Fachanwalt für Steuerrecht tätig seien oder dort ein [X.]erufsträger arbeite, der über beide Qualifikationen verfüge. Entsprechendes gilt für die Annahme des [X.]erufungsgerichts, die beanstandete [X.]ezeichnung spreche ebenso für einen Verbund von Rechtsanwalt und Steuerberater wie die [X.]ezeichnung "Anwalts- und Steuerkanzlei", die nach der Senatsentscheidung "Anwalts- und Steuerkanzlei" ([X.], 81, 82 f.) isoliert betrachtet geeignet sei, bei einem erheblichen Teil der Werbeadressaten den unzutreffenden Eindruck eines Zusammenschlusses von Rechtsanwälten und Steuerberatern zu erwecken. Gleichfalls keinen durchgreifenden rechtlichen [X.]edenken unterliegt die ebenfalls auf tatrichterlichem Gebiet liegende weitere Annahme des [X.]erufungsgerichts, die der beanstandeten [X.]ezeichnung innewohnende Eignung zur Irreführung werde ferner nicht dadurch beseitigt, dass bei allen Werbemaßnahmen allein der [X.] namentlich genannt sei, weil jeweils nicht klar sei, ob der Rechtsanwalt zugleich die anwaltliche Dienstleistung und die umfassende Tätigkeit im [X.]ereich der Steuersachen wahrnehme oder im Steuerbüro ein insoweit über besonderes Fachwissen verfügender weiterer [X.]erufsträger tätig sei.

c) Das [X.]erufungsgericht hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Fehlvorstellung des Verkehrs nicht auf einer objektiv richtigen Angabe beruht.

aa) Zwar kann auch eine objektiv richtige Angabe irreführend sein, wenn sie beim Verkehr, an den sie sich richtet, gleichwohl zu einer Fehlvorstellung führt, die geeignet ist, das Kaufverhalten oder die Entscheidung über die Inanspruchnahme einer Dienstleistung durch die angesprochenen Verkehrskreise zu beeinflussen. In einem solchen Fall, in dem die Täuschung des Verkehrs lediglich auf dem Verständnis einer an sich zutreffenden Angabe beruht, ist für die Anwendung des § 5 UWG grundsätzlich eine höhere Irreführungsquote als im Fall einer Täuschung mit objektiv unrichtigen Angaben erforderlich. Außerdem ist eine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. [X.], Urteil vom 23. Mai 1996 - [X.], [X.], 985, 986 = [X.], 1156 - PVC-frei; Urteil vom 7. November 2002 - I ZR 276/99, [X.], 628, 630 = [X.], 747 - Klosterbrauerei). An diesen Grundsätzen hat sich durch die Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken nichts geändert (vgl. [X.], [X.], 1024 Rn. 25 - Master of Science Kieferorthopädie; [X.], Urteil vom 13. Juni 2012 - [X.], [X.], 1273 Rn. 22 = [X.], 1523 - Stadtwerke Wolfsburg).

bb) Im Streitfall kommt in [X.]etracht, dass die vom [X.]n verwandte Angabe "Steuerbüro" in seiner Kanzleibezeichnung objektiv zutreffend ist.

Der [X.] hat behauptet, seit [X.]eginn seiner Tätigkeit zugleich Steuerberatungsleistungen angeboten zu haben. Der Anteil der steuerberatenden Tätigkeit mache mittlerweile zwei Drittel seiner gesamten Tätigkeit aus. Er beschäftige drei Steuerfachangestellte und einen Diplom-[X.]etriebswirt in seiner Kanzlei. Sollten diese Angaben zutreffen, ist die [X.]ezeichnung "Steuerbüro" in der Kanzleiangabe des [X.]n für sich genommen objektiv richtig.

(1) Zu den in § 3 St[X.]erG im Einzelnen angeführten Personen, die zu unbeschränkter Hilfeleistung in Steuersachen befugt sind, gehören nach der [X.] dieser [X.]estimmung unter anderem Rechtsanwälte. Der [X.] ist daher zur steuerrechtlichen [X.]eratung und Hilfeleistung in Steuersachen berechtigt. Auf diesen Umstand und darauf, dass er diese Tätigkeit in nennenswertem Umfang ausübt, darf er grundsätzlich - auch schlagwortartig in dem von ihm verwendeten [X.]riefkopf, im [X.]auftritt und in [X.] - mit seiner Kanzleibezeichnung hinweisen.

(2) Der [X.] erbringt nach seiner [X.]ehauptung auch in einem Umfang Hilfeleistung in Steuersachen, die die zusätzliche [X.]ezeichnung "Steuerbüro" neben der Angabe "Rechtsanwaltskanzlei" rechtfertigt.

III. In der wiedereröffneten [X.]erufungsinstanz wird das [X.]erufungsgericht bei einer auf die konkret beanstandeten Werbemaßnahmen des [X.]n bezogenen Antragstellung der Klägerin Folgendes zu beachten haben:

1. Ist die Kanzleiangabe mit der [X.]ezeichnung "Steuerbüro" objektiv zutreffend und ist deshalb eine Interessenabwägung geboten, ist zugunsten des [X.]n zu berücksichtigen, dass für ihn von erheblicher [X.]edeutung ist, auf diesen Umstand in seiner Kanzleibezeichnung hinzuweisen. Müsste der [X.] die beanstandete Angabe durch die von der Klägerin in der Verhandlung vor dem [X.] vorgeschlagenen Angaben "Interessenschwerpunkt Steuerrecht" oder "Tätigkeitsschwerpunkt Steuerrecht" ersetzen, wäre er auf die [X.]enennung von Teilbereichen seiner [X.]erufstätigkeit im Sinne von § 7 [X.] beschränkt und an der Verwendung einer objektiv zutreffenden Kanzleibezeichnung gehindert.

Soweit das [X.]erufungsgericht die Eignung der beanstandeten [X.]ezeichnung zur Täuschung bejaht hat, beruhte dies ersichtlich auch darauf, dass tatsächlich nur ein kleiner Teil der Rechtsanwälte umfassend steuerberatend tätig ist (vgl. [X.] in [X.]/[X.], St[X.]erG, 6. Aufl., § 3 Rn. 7), obwohl sie zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen ohne Einschränkungen befugt (vgl. § 3 [X.] St[X.]erG) und in diesem Zusammenhang auch nicht auf die Verwendung bestimmter [X.]ezeichnungen für ihre Tätigkeit festgelegt sind (§ 43 Abs. 4 Satz 3 St[X.]erG). Dieser Zustand würde verfestigt, wenn Rechtsanwälte, die steuerberatend tätig sind, durch das Wettbewerbsrecht daran gehindert würden, die Verkehrskreise in objektiv richtiger Weise - vorliegend durch die Verwendung der [X.]ezeichnung "Steuerbüro" - über diesen Umstand zu unterrichten.

2. Anders ist dagegen der in Rede stehende Eintrag im Telefonbuch zu beurteilen, wenn diese Eintragung in der Rubrik "Steuerberater" erfolgt ist.

Nach den in den Gründen des [X.]erufungsurteils zum unstreitigen Sachverhalt enthaltenen Ausführungen befand sich die beanstandete Eintragung des [X.]n mit der [X.]ezeichnung "Steuerbüro" unter der Rubrik "Steuerberatung". Das [X.]erufungsgericht hat allerdings auch ergänzend auf die landgerichtliche Entscheidung verwiesen. Zu dem vom [X.] in [X.]ezug genommenen Parteivortrag gehört der von der Klägerin vorgelegte Abdruck des [X.] des [X.]n. Danach ist der Telefonbucheintrag in der Rubrik "Steuerberater" erfolgt. [X.]ei der Eintragung in dieser Rubrik ist – unabhängig vom Umfang, in dem der [X.] auf dem Gebiet des Steuerrechts tätig ist – nicht von einer objektiv richtigen Angabe auszugehen. Vielmehr erweckt der [X.] mit dem Eintrag in der Rubrik "Steuerberater" in Verbindung mit der [X.]ezeichnung "Steuerbüro" in der Kanzleiangabe den Eindruck, er sei auch Steuerberater oder in seiner Kanzlei sei auch ein Steuerberater tätig. Dem [X.]n ist zwar nicht generell verboten, sich im Telefonbuch mit seiner Kanzleibezeichnung auch in der Rubrik "Steuerberater" eintragen zu lassen. Er muss dann jedoch durch geeignete Hinweise klarstellen, dass in seiner Kanzlei kein Steuerberater tätig ist. Dazu reicht es nicht aus, dass der [X.] seinem Namen die [X.]ezeichnung "Rechtsanwalt" beifügt.

[X.]üscher                            Pokrant                        Schaffert

                 [X.]                           Koch

Meta

I ZR 137/11

18.10.2012

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Brandenburgisches Oberlandesgericht, 28. Juni 2011, Az: 6 U 93/10

§ 5 Abs 1 S 2 Nr 3 UWG, § 3 Nr 1 StBerG, § 43 Abs 4 S 2 StBerG, § 43 Abs 4 S 3 StBerG, § 43b BRAO, § 7 RABerufsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.10.2012, Az. I ZR 137/11 (REWIS RS 2012, 2198)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2198

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