Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.02.2012, Az. 5 AR (VS) 40/11

5. Strafsenat | REWIS RS 2012, 9282

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


Nachschlagewerk:
ja
[X.]St:

ja
Veröffentlichung:
ja

[X.] § 454b Abs. 2
StVollstrO § 43

[X.], deren Aussetzung widerrufen worden ist, nehmen
nicht an der durch § 454b Abs. 2 Satz 1 [X.] in Verbindung
mit §§ 57, 57a StGB gewährleisteten gemeinsamen Ausset-
zungsentscheidung teil (§ 454b Abs. 2 Satz 2 [X.]) und sind
deshalb regelmäßig der Vorwegvollstreckung überantwortet.

[X.], Beschluss vom 9. Februar 2012

-
5 AR ([X.]) 40/11

[X.] [X.] -

5 AR ([X.]) 40/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

vom 9. Februar
2012
in der Strafvollstreckungssache
gegen

wegen Änderung der [X.] nach §
43 StVollstrO

-
2
-

Der 5. Strafsenat des [X.] hat am
9. Februar 2012
beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde
des
Verurteilten
gegen den Be-schluss des [X.]s [X.] vom 20. Mai 2011
wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

G r ü n d e

Das
[X.]s [X.] hat den
Antrag des Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung (§
23 Abs.
1 Satz 1 [X.]) gegen eine Verfü-gung der Vollstreckungsbehörde verworfen, mit der die Vorwegvollstreckung mehrerer widerrufener Strafrestaussetzungen vor einer unbedingt verhäng-ten Freiheitsstrafe angeordnet wurde.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Verurteilte mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde (§
29 Abs.
1 [X.]). Das Rechtsmittel ist unbegründet.

I.

Folgender Sachverhalt
liegt zugrunde:

Das [X.] hatte gegen
den Beschwerdeführer wegen mehrfachen Betrugs eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren [X.] sowie ein Berufsverbot und die

zwischenzeitlich nach Art.
316e Abs.
3 Satz
1 EGStGB für erledigt erklärte

Sicherungsverwahrung ange-ordnet. Drei Monate nach Beginn der Vollstreckung
dieser Strafe hat die Strafvollstreckungskammer Strafrestaussetzungen
hinsichtlich zweier durch länger zurückliegende Verurteilungen verhängter
Freiheitsstrafen
widerrufen. 1
2
3

-
3
-

Daraufhin hat die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung der [X.] unterbrochen und aus wichtigem Grund die Vorwegvollstreckung beider [X.] angeordnet

43 Abs.
4 StVollstrO).
Die Beschwerde des Verurteilten (§
24 Abs.
2 [X.]) mit dem Ziel, diese
Entscheidung
rück-gängig zu machen und eine

nochmalige

Bewährungsentscheidung
auch hinsichtlich der widerrufenen Strafrestaussetzungen zum [X.] der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren zu ermöglichen (vgl. §
454b Abs.
2 Satz
1 [X.]), hat die Generalstaatsanwaltschaft [X.] zurückgewiesen.

Den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §
23 Abs.
1 Satz
1 [X.] hat das [X.] als unbegründet [X.] und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Das [X.]
er-blickt in §
43 Abs.
4
StVollstrO eine Rechtsgrundlage für die angeordnete Vorwegvollstreckung der vom Widerruf der Strafaussetzung betroffenen [X.]. Diese Regelung sei §
43 Abs.
3 StVollstrO vorrangig. Mit seiner auf vollstreckungs-
und verfassungsrechtliche Einwände sowie auf die Rüge einer Verletzung des [X.] gestützten Rechtsbeschwerde begehrt der Verurteilte
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

II.

Der Rechtsbeschwerde, die nach herkömmlicher (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Dezember 1990

2 [X.], NStZ 1991, 205), hier nicht in [X.] gestellter Auffassung statthaft
und auch im Übrigen zulässig ist

29 Abs.
3 [X.] i.V.m. §
71 FamFG),
bleibt der Erfolg versagt.

Die durch die Vollstreckungsbehörde angeordnete Vollstreckungsrei-henfolge entspricht der in §
454b Abs.
2 Satz 1, 2 [X.] zum Ausdruck kom-menden Wertung des Gesetzgebers.
Danach nehmen
[X.], die auf-grund Widerrufs ihrer Aussetzung vollstreckt werden, nicht an der durch §
454b Abs.
2 Satz 1 [X.] i.V.m.
§§
57, 57a
StGB gewährleisteten [X.] teil (§
454b Abs.
2 Satz 2 [X.]). Die hier 4
5
6

-
4
-

angewendeten Verwaltungsvorschriften nach §
43 Abs.
4, Abs.
2 Nr.
1 Satz
2 StVollstrO setzen diesen gesetzlichen Auftrag in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise für das Verfahren der Vollstreckungsbehörde um.

1. Im Grundsatz in Übereinstimmung mit dem [X.] geht der Senat davon aus, dass §
454b Abs.
2 [X.] den vollstreckungs-rechtlichen Rahmen für den hier zu entscheidenden Fall vorgibt.

a) Nach der durch das 23.
Strafrechtsänderungsgesetz vom 13.
Ap-ril
1986 ([X.]) eingeführten Vorschrift des §
454b Abs.
2 Satz 1 [X.] ist die Vollstreckung mehrerer nacheinander zu vollstreckender Frei-heitsstrafen zum Halbstrafen-
(Nr.
1) oder [X.] (Nr.
2) [X.],
bei lebenslangen Freiheitsstrafen
(Nr.
3),
nach fünfzehn Jahren zu un-terbrechen. Die Regelung dient dem Zweck, hinsichtlich der Reste sämtlicher Strafen eine einheitliche Entscheidung über die Aussetzung zur
Bewährung nach
§§
57, 57a StGB zu ermöglichen (vgl. [X.], Beschlüsse
vom 4. Au-gust
2010

5
AR ([X.]) 22
und 23/10, [X.]St 55, 243, 246
f.
und
NStZ-RR
2010, 353, 354; Regierungsentwurf in BT-Drucks.
10/2720 S. 9, 15).
Dem Verurteilten steht ein gesetzlicher Anspruch auf eine diesen Vorga-ben entsprechende Unterbrechung der
Strafvollstreckung zur frühestmögli-chen Verwirklichung eines
gemeinsamen
Aussetzungszeitpunkts
bei mehre-ren zu vollstreckenden Freiheitsstrafen zu (vgl. [X.] [Kammer], NStZ
1988, 474, 475).

b) Von dieser Regelung nimmt
§
454b Abs.
2 Satz 2 [X.] ausdrück-lich [X.] aus, die nach einem
Widerruf der Strafaussetzung vollstreckt werden,
und überantwortet sie folglich jedenfalls grundsätzlich der Vorabvoll-streckung.
Die Vorschrift
ist eindeutig und

entgegen dem Vortrag des [X.]

nicht etwa dem bloßen Umstand geschuldet, dass es bei [X.]n (in der Regel) keinen [X.] mehr gibt. Gegen die Auffassung des Beschwerdeführers spricht schon, dass der Gesetzgeber bei Einführung des §
454b [X.] die heute in §
43 Abs.
2 Nr.
1 Satz
2 StVollstrO eingestellte Verwaltungsvorschrift zur Vorabvollstreckung von [X.]n 7
8
9

-
5
-

nach Widerruf der Strafaussetzung gerade vor Augen hatte (vgl. [X.] aaO). Zudem
hätte es
für
eine bloße
Selbstverständlichkeit [X.] gesetzlichen Normierung bedurft und
wäre dann
konsequenterweise zu-mindest
eine Ausnahmeregelung
für Halbstrafenaussetzungen zu erwarten
gewesen. Dass dem Gesetzgeber die Problematik bewusst ist, erweist ferner
die für das Jugendstrafrecht getroffene Spezialbestimmung des §
89a Abs.
1 Satz
4 JGG, nach der die Vollstreckung eines
Strafrests, der auf Grund Wi-derrufs seiner Aussetzung vollstreckt wird, unterbrochen werden kann, wenn ein Teil
des Strafrests verbüßt ist
und eine erneute Aussetzung in Betracht kommt. Eine vergleichbare Regelung
hält §
454b [X.] für das allgemeine Strafrecht nicht bereit.

c) Hinter der gesetzgeberischen
Entscheidung
stehen in der Sache schlüssige Erwägungen. Für sie streitet, dass das Bedürfnis,
einem
Verurteil-ten nach einem Bewährungsversagen die Chance auf abermalige Strafaus-setzung zu gewähren, deutlich geringer wiegt
(vgl. [X.], Beschluss vom 21.
Dezember 1990

2 [X.], NStZ 1991, 205; [X.], [X.] 1993, 261, 262). Ferner bliebe
die Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung
im Hinblick auf den Aufschub der Strafvollstreckung bis zur Verbüßung von zwei Dritteln der originär vollstreckten Freiheitsstrafe(n) [X.] regelmäßig ohne alsbald spürbare Wirkung auf den Verurteilten.
Dies zu vermeiden, mithin die mit dem [X.] vorrangig ver-folgte negative spezialpräventive Zielsetzung nicht leerlaufen zu lassen, ent-spricht dem in §
454b Abs.
2 Satz
2 [X.] verankerten gesetzgeberischen Willen (vgl. hierzu auch [X.],
[X.] 1986, 353, 357; [X.], [X.], 511; [X.], [X.], 54. Aufl., §
454b Rn.
7; vgl. ferner [X.], [X.], 282, 284).
Ob dieser darüber hinaus etwa gar dahin ging, dass eine erneute Aussetzung der Vollstreckung eines Strafrests nach deren Widerruf mit Blick auf die abschließenden Regelungen des §
57 StGB gene-rell ausscheidet
(vgl. hierzu [X.], NStZ 1989, 293), kann der Bundesge-richtshof abermals (vgl. [X.] aaO) dahingestellt lassen.

10

-
6
-

2.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Zusammenspiel von gesetzlicher Regelung und Verwaltungsvorschrift unter dem Blickwinkel von Art.
104 Abs.
1 Satz 1, Abs.
2 Satz 1 GG und Art.
2 Abs.
2 Satz 2 GG (vgl. [X.]E 29, 312, 315) hegt der Senat nicht. Grundlagen
der Reststrafenvoll-streckung sind das verurteilende Erkenntnis ([X.]E aaO, S. 316; 1, 418, 420) und die Widerrufsentscheidung der Strafvollstreckungskammer. Die die Rechtsstellung des Verurteilten nachrangig berührenden Rahmenbedingun-gen der Vollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen

Anschlussvollstreckung und Unterbrechung der Vollstreckung

sind
normenklar in §
454b [X.] festgelegt. Wenn §
43 Abs.
4 StVollstrO der Vollstreckungsbehörde durch Einräumung
eines

gerichtlich nachprüfbaren (vgl. [X.] aaO)

Ermessens erlaubt, unter besonderen
Umständen, etwa bei bereits begonnener Vollstre-ckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe und einem
dann erfolgten Widerruf des Rests einer zeitigen Freiheitsstrafe,
zugunsten des Verurteilten von der gesetzlich vorgegebenen, in §
43 Abs.
2 und 3 StVollstrO
näher ausgeform-ten
Reihenfolge abzuweichen
(vgl. auch
Appl in [X.], 6. Aufl., [X.], §
454b Rn. 17), so beeinträchtigt dies

nicht anders bei
anderen
Ermessensent-scheidungen (vgl.
etwa §§
455, 456, 456a [X.]) oder bei
Gnadenentschei-dungen (vgl. [X.], BtMG, 3. Aufl., vor §§
29 ff. Rn.
1211
f.) im Rah-men der Strafvollstreckung

dessen Rechtsstellung
nicht. Dies gilt [X.] auch mit Blick auf die Gesamtlänge der Strafvollstreckung (vgl. [X.] [Kammer], NStZ 1994, 452, 453). Besondere Umstände für eine anderweitige [X.] sind hier nicht ersichtlich.

Basdorf Brause Schaal

Schneider König

11

Meta

5 AR (VS) 40/11

09.02.2012

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.02.2012, Az. 5 AR (VS) 40/11 (REWIS RS 2012, 9282)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9282

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 AR (VS) 40/11 (Bundesgerichtshof)

Strafvollstreckung: Vorwegvollzug von Strafresten nach Bewährungswiderruf


203 VAs 215/20 (BayObLG München)

Zurückstellung der Strafvollstreckung


1 VAs 27/19 (Oberlandesgericht Hamm)


2 VAs 60/18 (Oberlandesgericht Karlsruhe)


1 VAs 16/18 (OLG Bamberg)

Zusammentreffen der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe mit Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

5 AR (VS) 40/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.