Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 06.06.2019, Az. 4 C 10/18

4. Senat | REWIS RS 2019, 6511

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Gegenstand

Nachbarschutz im faktischen Dorfgebiet


Leitsatz

Bei der Prüfung nach § 34 Abs. 2 BauGB, ob die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete nach der Baunutzungsverordnung entspricht, ist ein bereits verwirklichtes Vorhaben nicht zu berücksichtigen, das selbst Gegenstand der bauplanungsrechtlichen Beurteilung ist.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich als Nachbar gegen eine Baugenehmigung für die Erweiterung eines [X.] und verlangt eine Nutzungsuntersagung.

2

Die Beigeladene zu 1 nutzt das Grundstück Gemarkung [X.], Flurstück .../1 in [X.] für einen Fuhrbetrieb. Der Kläger ist Miteigentümer des südlich angrenzenden, mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks. Die unbeplanten Grundstücke liegen innerhalb der Ortslage. [X.] befinden sich Gebäude für die Land- und Forstwirtschaft und Wohngebäude.

3

Der Beklagte erteilte unter dem 16. Juli 1996 einem der Gesellschafter der Beigeladenen zu 1 eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Garage für zwei Lastkraftwagen (Lkw). Der Betrieb wurde in den Folgejahren ausgebaut. [X.] verfügte das Unternehmen über zehn Lkw, jeweils zwei wurden auf dem Betriebsgrundstück abgestellt. Die Fahrzeuge wurden unter Einsatz eines Kompressors gewartet und repariert, die Garage diente als Werkstatt, auf dem Gelände befand sich eine Dieseltankstelle.

4

Die Beigeladene zu 1 beantragte im [X.] eine Baugenehmigung für den Umbau des Firmengeländes. Gegenstand des Antrags war die Errichtung einer Dieseltankstelle auf dem Flurstück .../1, die Umnutzung der Garage als Wartungspunkt und die Nutzung der Freiflächen als Abstellplätze für Lkw. Mit ihrem Antrag begehrte die Beigeladene zu 1 weiter die Genehmigung für den Neubau einer Lager- und Logistikhalle als Zwischenlager auf den Flurstücken .../5 und [X.], die - getrennt durch eine Straße - dem Flurstück .../1 gegenüber liegen. Für die Flurstücke .../5 und [X.] hatte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2 zuvor eine auf § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB gestützte Satzung erlassen, um diese in den Innenbereich einzubeziehen.

5

Mit Bescheid vom 5. Dezember 2008, geändert durch Bescheid vom 30. Juli 2010, erteilte die Beklagte die Baugenehmigung. Den Widerspruch des [X.] wies die Landesdirektion [X.] mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2012 zurück. Eine auf Antrag des [X.] gegenüber der Beigeladenen zu 1 ergangene Nutzungsuntersagung hob die Landesdirektion [X.] mit Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 2012 auf und verpflichtete den Beklagten, über den Antrag des [X.] erneut zu entscheiden.

6

Die auf Aufhebung der Baugenehmigung und Erlass einer Nutzungsuntersagung gerichtete Klage hatte beim Verwaltungsgericht Erfolg. Auf die Berufung der Beigeladenen zu 1 hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Baugenehmigung verletze keine Rechte des [X.]. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Gebietserhaltung zu. Die nähere Umgebung des Flurstücks .../1 sei kein faktisches Dorfgebiet, weil dieses Grundstück schon vor dem [X.] für einen wesentlich störenden Gewerbebetrieb genutzt worden sei. Das Vorhaben sei auch nicht zu Lasten des [X.] rücksichtslos. Die Verpflichtungsklage sei unbegründet, weil die Beigeladene zu 1 über eine rechtmäßige und wirksame Baugenehmigung verfüge.

7

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Nach seiner Auffassung dürfen bei der Bestimmung der näheren Umgebung solche Nutzungen nicht berücksichtigt werden, welche die Beigeladene zu 1 ohne die erforderliche Genehmigung aufgenommen habe. Der Beklagte und die Beigeladene zu 1 verteidigen das vorinstanzliche Urteil.

Entscheidungsgründe

8

Das angegriffene Urteil verstößt gegen [X.]undesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die tatrichterlichen Feststellungen erlauben eine Entscheidung in der Sache (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO) und führen zur Wiederherstellung des Urteils erster Instanz.

9

1. Der Kläger hat einen Anspruch auf Aufhebung der [X.]augenehmigung. Sie ist rechtswidrig und verletzt ihn in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Das zur Genehmigung gestellte Vorhaben ist nach der Art der baulichen Nutzung jedenfalls auf dem Flurstück .../1 planungsrechtlich unzulässig. Dies folgt aus § 34 Abs. 2 [X.]auG[X.]. Entspricht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils die Eigenart der näheren Umgebung einem der [X.]augebiete, die in der [X.] bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit eines Vorhabens nach seiner Art gemäß § 34 Abs. 2 [X.]auG[X.] allein danach, ob es nach dieser Verordnung allgemein zulässig wäre. Auf die nach der [X.] ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Abs. 1 [X.]auG[X.], im Übrigen ist § 31 Abs. 2 [X.]auG[X.] entsprechend anzuwenden. § 34 Abs. 2 [X.]auG[X.] gewährt [X.], soweit die nähere Umgebung reicht (stRspr, [X.], Urteil vom 16. September 1993 - 4 [X.] 28.91 - [X.]E 94, 151 <156>, [X.]eschlüsse vom 20. August 1998 - 4 [X.] - [X.] 406.11 § 34 [X.]auG[X.] Nr. 191 S. 75, vom 22. Dezember 2011 - 4 [X.] 32.11 - [X.] 2012, 378 = juris Rn. 5 und vom 10. Januar 2013 - 4 [X.] 48.12 - [X.] 81 Nr. 182 Rn. 5).

a) Nach den tatrichterlichen Feststellungen liegen das Flurstück .../1 und das klägerische Grundstück innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne von § 34 Abs. 1 [X.]auG[X.]. Als maßgebliche nähere Umgebung hat die Vorinstanz die Umgebung angesehen, insoweit sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als die Umgebung ihrerseits den [X.] [X.]harakter des [X.]augrundstücks prägt oder doch beeinflusst (stRspr; [X.], Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 [X.] 9.77 - [X.]E 55, 369 <380> und [X.]eschlüsse vom 13. Mai 2014 - 4 [X.] 38.13 - [X.] 406.11 § 34 [X.]auG[X.] Nr. 217 Rn. 7 und vom 15. November 2018 - 4 [X.] 2.18 - [X.] 2019, 158 Rn. 5). Die danach vorgenommene tatrichterliche Abgrenzung ([X.] Rn. 34) nehmen die [X.]eteiligten hin.

b) Das Oberverwaltungsgericht hat der näheren Umgebung die Eigenart eines Dorfgebiets im Sinne von § 5 [X.] abgesprochen, weil auf dem [X.] bereits ein wesentlich störender Gewerbebetrieb errichtet und betrieben worden sei ([X.] Rn. 40). Ihre Einschätzung begründet die Vorinstanz mit den im [X.] vorhandenen Einrichtungen und [X.]etriebsabläufen und verweist insoweit auf einen Fuhrpark von acht einsatzfähigen Lkw, die [X.], die Nutzung der Garage als Werkstatt und der Freiflächen für das Reinigen der Fahrzeuge mit einem Hochdruckreiniger ([X.] Rn. 42). Diese [X.]egründung verstößt gegen [X.]undesrecht.

aa) Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht auch das [X.] für die Eigenart der näheren Umgebung in den [X.]lick genommen. Denn die Eigenart der näheren Umgebung wird durch dasjenige bestimmt, was auf dem [X.]augrundstück selbst und in der näheren Umgebung tatsächlich vorhanden ist ([X.], Urteile vom 17. Juni 1993 - 4 [X.] 17.91 - [X.] 406.11 § 34 [X.]auG[X.] Nr. 158 S. 101 f. und vom 8. Dezember 2016 - 4 [X.] 7.15 - [X.]E 157, 1 Rn. 10). Das [X.] ist also Teil der näheren Umgebung ([X.], Urteile vom 17. Juni 1993 a.a.[X.] und vom 14. Dezember 2017 - 4 [X.] 9.16 - [X.] 406.12 § 23 [X.] Nr. 7 Rn. 7).

bb) Das [X.]etriebsgeschehen auf dem Flurstück .../1 war nach den tatrichterlichen Feststellungen im [X.] nicht genehmigt. Dies schließt nicht von vornherein aus, es bei der [X.]eurteilung der Eigenart der näheren Umgebung zu berücksichtigen.

Für diese [X.]eurteilung ist alles an [X.]ebauung in den [X.]lick zu nehmen, was tatsächlich vorhanden ist und nach außen wahrnehmbar in Erscheinung tritt ([X.], Urteile vom 23. März 1994 - 4 [X.] 18.92 - [X.]E 95, 277 <279> und vom 8. Dezember 2016 - 4 [X.] 7.15 - [X.]E 157, 1 Rn. 13). Außer [X.] gelassen werden darf lediglich, was die [X.]ebauung nicht prägt, weil es nicht [X.] hat, die Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflussen, oder in ihr gar als Fremdkörper erscheint ([X.], Urteil vom 15. Februar 1990 - 4 [X.] 23.86 - [X.]E 84, 322 <325>). Ob eine vorhandene, nicht genehmigte [X.]ebauung bei der [X.]estimmung der näheren Umgebung zu berücksichtigen ist, hängt - wie bei der [X.]estimmung des [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 6. November 1968 - 4 [X.] 2.66 - [X.]E 31, 20 <25 f.>) - davon ab, ob diese in einer Weise geduldet wird, die keinen Zweifel daran lässt, dass die zuständigen [X.]ehörden sich mit ihrem Vorhandensein abgefunden haben ([X.], [X.]eschluss vom 23. November 1998 - 4 [X.] - [X.] 406.11 § 34 [X.]auG[X.] Nr. 192 S. 78.).

cc) Das Urteil der Vorinstanz verstößt aber gegen [X.]undesrecht, weil es für die [X.]eurteilung des Gebietscharakters die baulichen Anlagen und Nutzungen betrachtet, welche die [X.]eigeladene zu 1 zur Genehmigung gestellt hat und die damit selbst Gegenstand der bauplanungsrechtlichen [X.]eurteilung sind.

Der Wortlaut des § 34 Abs. 1 und 2 [X.]auG[X.] unterscheidet zwischen dem Vorhaben und der näheren Umgebung. Das Vorhaben ist nicht Teil seiner näheren Umgebung, sondern muss sich in diese einfügen. Ungenehmigte Anlagen und Nutzungen mögen daher zwar für andere Vorhaben Teil der näheren Umgebung sein, sie sind aber selbst nicht zugleich Vorhaben und Umgebung. [X.]ei der Ermittlung des Gebietscharakters ist ein [X.]auvorhaben daher unbeachtlich, das als Gegenstand der Prüfung nicht zugleich Prüfungsmaßstab sein kann (so [X.], [X.]eschluss vom 7. Mai 1991 - 4 [X.] 52.91 - NVwZ 1991, 1075). Ob dieser Grundsatz Ausnahmen zugänglich ist, bedarf keiner Entscheidung. Jedenfalls bei der Prüfung nach § 34 Abs. 2 [X.]auG[X.], ob die Eigenart der näheren Umgebung einem der [X.]augebiete nach der [X.] entspricht, ist ein bereits verwirklichtes Vorhaben nicht zu berücksichtigen, das selbst Gegenstand der bauplanungsrechtlichen [X.]eurteilung ist.

Diese Grundsätze gelten auch und gerade im [X.]aunachbarstreit ([X.], [X.]eschluss vom 9. März 2011 - 1 LA 239/08 - DV[X.]l. 2011, 656). Nach § 212a Abs. 1 [X.]auG[X.] haben Widerspruch und Anfechtungsklage eines [X.] gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Dem [X.]auherrn ist gestattet, sein Vorhaben trotz Widerspruchs oder Anfechtungsklage eines [X.] ins Werk zu setzen. So kann er vor der Entscheidung über den [X.] ein Vorhaben errichten, das zwar in einem bisherigen faktischen [X.]augebiet [X.]. § 34 Abs. 2 [X.]auG[X.] unzulässig wäre, dessen Vollendung aber eine Gemengelage schafft. Ungeachtet der Möglichkeit behördlichen oder gerichtlichen Eilrechtsschutzes wäre es mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar, einem Nachbarn nach Maßgabe der Rechtsprechung zum maßgeblichen Zeitpunkt für die [X.]eurteilung von baurechtlichen Nachbarklagen (vgl. [X.], Urteil vom 20. August 2008 - 4 [X.] 11.07 - [X.]E 131, 352 Rn. 21) entgegen zu halten, jedenfalls im Moment der gerichtlichen Entscheidung sei sein aus § 34 Abs. 2 [X.]auG[X.] folgender Gebietserhaltungsanspruch durch die entstandene Gemengelage entfallen.

c) Auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen entscheidet der Senat selbst (§ 144 Abs. 3 Satz 1 VwGO) und weist die [X.]erufung der [X.]eigeladenen zu 1 zurück.

aa) Die Eigenart der näheren Umgebung des Flurstücks .../1 entspricht einem Dorfgebiet nach § 5 [X.].

Dorfgebiete dienen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] der Unterbringung der [X.] land- und forstwirtschaftlicher [X.]etriebe, dem Wohnen und der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben sowie der Versorgung des Gebiets dienenden Handwerksbetrieben. Auf die [X.]elange der land- und forstwirtschaftlichen [X.]etriebe einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten ist nach § 5 Abs. 1 Satz 2 [X.] vorrangig Rücksicht zu nehmen. Das Dorfgebiet ist ein ländliches Mischgebiet, das jedenfalls auch Gebäude land- und forstwirtschaftlicher [X.]etriebsstellen umfassen muss ([X.], Urteil vom 23. April 2009 - 4 [X.]N 5.07 - [X.]E 133, 377 Rn. 10).

In der näheren Umgebung des Flurstücks .../1 befinden sich auf den Flurstücken A., [X.]. und [X.]. land- und forstwirtschaftlich genutzte Hallen und auf den Flurstücken D., E. und [X.] und [X.]. Solche baulichen Nutzungen sind ihrer Art nach in einem festgesetzten Dorfgebiet nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 [X.] allgemein zulässig. Das Oberverwaltungsgericht hat im Übrigen - insoweit mit dem Verwaltungsgericht übereinstimmend ([X.] S. 16 f.) - in der näheren Umgebung keine Nutzungen festgestellt, die in einem Dorfgebiet nur ausnahmsweise zulässig oder gar unzulässig wären.

Die Nutzung des Flurstücks .../1 für die Garage eines Fuhrunternehmens im Umfang der 1996 erteilten Genehmigung lässt die Eigenart der näheren Umgebung als faktisches Dorfgebiet nicht entfallen. In [X.] sind nach § 5 Abs. 2 Nr. 6 [X.] sonstige Gewerbebetriebe und damit nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe nach § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] allgemein zulässig. Der [X.]egriff der Störung in § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] steht zum Gebietscharakter in [X.]eziehung ([X.], Urteil vom 4. Juli 1980 - 4 [X.] 101.77 - [X.] 406.11 § 34 [X.][X.]auG Nr. 72 S. 75). Die Genehmigung aus dem [X.] lässt nur die Errichtung einer Garage für zwei Lkw zu. Auf den Freiflächen des Grundstücks erlaubt die Genehmigung weder das Abstellen der Wagen noch das Lagern von Materialien. Der sehr geringe Umfang der Anlage und die einem Stellplatz vergleichbare Nutzung tragen den Schluss des [X.] ([X.] S. 18), dass es sich um einen nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieb handelt.

bb) Die zur Genehmigung gestellten Anlagen und Nutzungen auf dem Flurstück .../1 sind in dem faktischen Dorfgebiet ihrer Art nach unzulässig, so dass ihre Genehmigung gegen § 34 Abs. 2 [X.]auG[X.] verstößt. Denn ein größeres Fuhrunternehmen ist als wesentlich störender Gewerbebetrieb in einem Dorfgebiet weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig (ebenso [X.], [X.]eschluss vom 29. März 2010 - 14 Z[X.] 09.2187 - juris Rn. 6). Davon geht das Oberverwaltungsgericht zutreffend und von der Revision unbeanstandet aus ([X.] Rn. 40 ff.).

cc) Die [X.]augenehmigung war insgesamt aufzuheben. Sie erlaubt auch bauliche Maßnahmen auf weiteren Flurstücken. Es handelt sich aber um ein einheitlich zu [X.] Vorhaben. Es ist Sache des [X.]auherrn, durch seinen Genehmigungsantrag den Inhalt des Vorhabens festzulegen, soweit er sich dabei innerhalb der Grenzen hält, die einer Zusammenfassung oder Trennung objektiv gesetzt sind ([X.], Urteil vom 20. August 1992 - 4 [X.] 57.89 - [X.] 406.11 § 29 [X.]auG[X.] Nr. 47 S. 9 und [X.]eschluss vom 6. Februar 2013 - 4 [X.] 39.12 - juris Rn. 11). Die [X.]eigeladene zu 1 war daher befugt, ihre baulichen Maßnahmen auf mehreren Flurstücken zu einem Vorhaben zusammenzufassen und damit einheitlicher planungsrechtlicher [X.]eurteilung zu unterwerfen.

2. Die Revision hat auch hinsichtlich des Verpflichtungsbegehrens Erfolg. Der Kläger hat einen Anspruch auf Untersagung von Nutzungen auf den Flurstücken .../1, [X.] und [X.], soweit diese über die [X.]augenehmigung vom 16. Juli 1996 hinausgehen.

Nach § 80 Satz 2 der Sächsischen [X.]auordnung (Sächs[X.]O) i.d.[X.] vom 11. Mai 2016 (SächsGV[X.]l. S. 186), zuletzt geändert durch Artikel 2 des [X.] (SächsGV[X.]l. S. 706), kann eine Nutzung untersagt werden, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden. Das Oberverwaltungsgericht hat einen Anspruch auf bauordnungsrechtliches Einschreiten verneint, weil der [X.]eigeladenen zu 1 eine rechtmäßige und wirksame [X.]augenehmigung erteilt worden sei ([X.] Rn. 50). Diese Annahme steht nach dem Ausgeführten mit [X.]undesrecht nicht in Einklang. Vielmehr werden die Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt.

Der [X.]eklagte ist gegenüber dem Kläger zum Einschreiten verpflichtet. Verstößt ein Vorhaben gegen nachbarschützende Vorschriften, so ist nach § 80 Satz 2 Sächs[X.]O ein Einschreiten auf Antrag des [X.] geboten, wenn nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen, die ein Absehen rechtfertigen können. Das Ermessen der Aufsichtsbehörde ist in diesem Fall nicht frei, sondern ein grundsätzlich auf eine [X.]eseitigung der Störung gerichtetes, intendiertes Ermessen. Von einem Einschreiten kann die [X.]auaufsichtsbehörde nur absehen, wenn eine atypische Fallkonstellation vorliegt, etwa wenn der Nachbar ausnahmsweise nicht spürbar beeinträchtigt ist (so OVG [X.]autzen, Urteile vom 19. Februar 2008 - 1 [X.] 182/07 - LKV 2009, 30 <32> und vom 18. Oktober 2018 - 1 A 84/16 - LKV 2019, 82 <84> jeweils zur [X.]eseitigungsverfügung). Nach diesen Grundsätzen ist der [X.]eklagte verpflichtet, die Nutzung des nach § 34 Abs. 2 [X.]auG[X.] unzulässigen und einheitlich zu beurteilenden Vorhabens zu untersagen. Anhaltspunkte für eine atypische Fallkonstellation fehlen. Auch wenn das Oberverwaltungsgericht einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme verneint hat, wird der Kläger jedenfalls spürbar beeinträchtigt.

Auf die weiteren Angriffe der Revision kommt es nicht an.

[X.] beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 und § 162 Abs. 3 VwGO.

Meta

4 C 10/18

06.06.2019

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 9. März 2018, Az: 1 A 552/15, Urteil

§ 34 Abs 2 BauGB, § 5 Abs 1 BauNVO, § 5 Abs 2 BauNVO, § 80 S 2 BauO SN 2016

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 06.06.2019, Az. 4 C 10/18 (REWIS RS 2019, 6511)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 6511

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Referenzen
Wird zitiert von

9 CS 20.976

9 CS 20.378

4 K 3119/20

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