Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.04.2014, Az. 5 StR 37/14

5. Strafsenat | REWIS RS 2014, 6384

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Nachschlagewerk: ja

[X.]St : nein

Veröffentlichung : ja

StGB § 64 Satz 2

Therapiedauer und konkrete Erfolgsaussicht.

[X.], Urteil vom 10. April 2014

5 [X.]14

LG Braunschweig

BUNDESGERICHTSHOF

IM [X.] DES VOLKES

URTEIL

5
StR
37/14
vom
10. April 2014
in der Strafsache
gegen

wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
u.a.

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2
-

Der 5.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung
vom
10. Ap-ril
2014, an
der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,

[X.] [X.],
Richterin Dr. [X.],
[X.],
[X.] Dr. König

als beisitzende Richter,

Staatsanwalt

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwältin

als Verteidigerin,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

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3
-

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Land-gerichts Braunschweig
vom 2. September 2013 dahin abgeändert,
dass die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt.

Die Staatskasse hat die Kosten der Revision und die dem Ange-klagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen
zu tragen.

-
Von Rechts wegen
-

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen we-gen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen
ei-ner Reihe von Vergehen nach dem Betäubungsmittel-
und dem Arzneimittelge-setz
sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie Wertersatzverfall angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte,
vom [X.] im Ergebnis vertretene Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich allein gegen den [X.]. Das Rechtsmittel ist begründet und führt zum Wegfall der Maßregel.
1
-
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-

1. Das [X.] hat, soweit für die Maßregelfrage relevant, im [X.] die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
a) Der 34-jährige Angeklagte konsumiert seit dem 14.
Lebensjahr
Can-nabis sowie
seit dem 17.
Lebensjahr Kokain und ist in diesem Zusammenhang vielfach unter anderem
mit [X.] strafrechtlich in Erscheinung getreten. Erstmals 2005 nahm er eine stationäre Therapie auf, aus der er jedoch wegen eines Drogenrückfalls entlassen werden musste. Eine kurze Zeit später begon-nene erneute stationäre Behandlung brach er ab. Aus zwei ambulanten [X.] im November 2005 und im August 2006 wurde er wegen [X.] entlassen. Im Frühjahr 2007 scheiterte eine weitere Behandlung in einer Thera-pieeinrichtung, da sich Mitarbeiter und Patienten von ihm bedroht fühlten. [X.] im Februar 2008 schloss er eine rund viermonatige ambulante Therapie regulär ab; im selben Jahr kam es jedoch wieder zu einem Rückfall. Nach einer erneuten ambulanten Therapie war er von Ende 2010 bis Anfang 2012 [X.]. Wegen des Verlusts seines Arbeitsplatzes begann er dann jedoch aber-mals mit dem täglichen Konsum von Kokain und Cannabis. Auch seine Fest-nahme im vorliegenden Verfahren und die spätere Außervollzugsetzung des Haftbefehls hielten ihn nicht davon ab, weiterhin Betäubungsmittel zu konsu-mieren und zu deren Beschaffung wiederum Straftaten zu begehen (UA S. 29).
b) [X.] beraten hat die [X.] die Voraussetzungen des §
64 Satz
1 StGB bejaht. Auch eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht (§
64 Satz
2 StGB) sei gegeben. Der Angeklagte
sei
therapiemotiviert. Er sehe für sich selber das Erfordernis professioneller Unterstützung und habe als The-rapieaufträge
die Bearbeitung seiner Biografie und das Erreichen von Langzeit-2
3
4
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5
-

lebenszielen wie das Fortführen seiner Ehe und das [X.] eines Arbeits-platzes formuliert. Trotz der Schwere einer bei ihm
bestehenden dissozialen Persönlichkeitsstörung erscheine der Aufbau einer therapeutischen Beziehung noch möglich. [X.] sowie hirnorganische Folgen des Drogen-missbrauchs seien nicht feststellbar. Die vom [X.]en prognostizierte
konkreter Erfolgsaussicht nicht entgegen, weil dem
Gesetz
nicht zu entnehmen sei, dass Therapien von über zwei Jahren generell als aussichtslos einzustufen seien
(UA S.
36 ff.).
2. Die Beschränkung des Rechtsmittels ist wirksam. Anhaltspunkte dafür, dass die Strafe von der [X.] beeinflusst sein könnte, ergeben sich nicht.

3. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entzie-hungsanstalt (§ 64 StGB) hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die Feststellungen tragen nicht die Annahme des [X.]s, es bestehe eine hinreichend konkrete Aussicht, den Angeklagten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zumindest eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in seinen Hang zu bewahren
und von der Begehung auf seinen Hang zurückgehender erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten (§ 64 Satz 2 StGB).
a) Bei dem seit frühester Jugend Betäubungsmittel konsumierenden [X.] ist eine Vielzahl von
Therapieabbrüchen
bzw. Rückfällen
nach Absol-vierung von Therapien zu verzeichnen
(vgl. dazu [X.], Beschlüsse vom 23.
Oktober 1996

4
StR 473/96, [X.], 131, 132; vom 21.
Januar
2014

2 [X.]). Neben anderen Risikofaktoren (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Leygraf/[X.], Handbuch der Forensischen Psychiatrie,
Bd. 3,
S.
341)
kommt als weiterer sehr ungünstiger Umstand hinzu, dass bei dem An-5
6
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-
6
-

geklagten

primär

eine dissoziale Persönlichkeitsstörung und (nur) sekundär

eine Abhängigkeit von Kokain und Cannabis besteht
(UA S.
30), was die Er-folgsaussichten einer
Entwöhnungsbehandlung weiter vermindert
(vgl. Nedo-pil/[X.], Forensische Psychiatrie, 4. Aufl., S. 158;
Querengässer
u.a.,
RuP
2014, 21). Jedenfalls bei derart
ungünstigen Ausgangsbedingungen
be-steht bei einer
durch den [X.]en
und ihm folgend die [X.] prognostizierten Therapiedauer von

keine tragfähige Basis für die erforderliche konkrete Therapieaussicht, deren Unsicherheit sich im Übrigen aus den Urteils-ausführungen selbst ([X.]) erschließt.
Einzig die Therapiemotivation des Angeklagten im Zeitpunkt der Hauptverhandlung lässt unter solchen Vorzeichen nicht hinreichend sicher (§ 64 Satz
2 StGB) auf einen erfolgreichen Verlauf im Sinne des Gesetzes schließen.
Hinzu
kommt, dass es angesichts der Höhe der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe und der Dauer der anzurechnenden Untersu-chungshaft kaum möglich wäre, die Therapie innerhalb der verlängerten Höchstfrist des § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB zu beenden (vgl. zu deren Berech-nung [X.] in [X.], 2. Aufl., § 64 Rn. 9). Hierzu haben die Prozessbeteiligten in der Revisionshauptverhandlung Stellung genommen; der Vertreter der [X.] hat hierauf seinen Antrag maßgeblich ge-stützt.
b) Da eine Bejahung der Voraussetzungen des §
64 Satz
2 StGB auf der Grundlage der Feststellungen sicher ausscheidet, führt die

gegen eine zu-sätzliche Belastung des Angeklagten gerichtete, ihn mithin aus Rechtsgründen begünstigende (§
296 Abs.
2 [X.])

Revision der Staatsanwaltschaft zum Wegfall der Maßregel (vgl. zur
Kostenfolge §
473 Abs.
2 Satz
2 [X.]; [X.], Urteil vom 20.
September 2011

1
StR 120/11; [X.],
[X.], 56.
Aufl., §
473 Rn.
16).
8
-
7
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4. Bei dieser Sachlage
braucht der [X.] nicht zu entscheiden, ob es an einer
hinreichend konkreten
Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB im vorliegenden Fall bereits allein deshalb fehlt, weil die prognostizierte
Therapie-dauer zwei Jahre überschreitet
(in diesem Sinne
[X.], Urteile
vom 11.
März
2010

3 StR 538/09, [X.], 500; vom 20.
Dezember 2012

3 [X.], [X.], 698; vom 27. März 2013

2 StR 384/12, StV
2013, 698;
vom 16.
Januar 2014

4
StR 496/13;
Beschlüsse vom 17.
April
2012

3 StR 65/12, [X.]R StGB § 64 Abs. 2 Erfolgsaussicht 1; vom 17.
Juli
2012

4 StR 223/12, [X.], 413;
vom 8.
August
2012

2
StR
279/12,
[X.], 7). Der [X.] hält jedoch an seiner gegenteiligen
Auffassung
([X.], Beschluss vom 6.
Februar 1996

5
StR 16/96)
fest; danach
steht eine Behandlungsdauer von mehr als zwei Jahren einer konkreten Erfolgsaussicht jedenfalls nicht grundsätzlich entgegen. Eine strikte Begrenzung der Unterbrin-gungsdauer auf zwei Jahre mit der Folge der generellen Aussichtslosigkeit bei absehbar
eine längere Dauer erfordernden
Unterbringungen lässt sich dem [X.] nicht entnehmen
(vgl. [X.] aaO Rn.
73 mwN).
§
67d Abs.
1 Satz
1 StGB enthält gerade keine starre Beschränkung der Unterbrin-gungsdauer; die Vorschrift ist vielmehr im Zusammenhang mit § 67d Abs.
1 Satz
3 StGB zu sehen, der ausdrücklich eine Verlängerung der Zweijahresfrist vorsieht. Eine solche Begrenzung
lässt sich auch nicht mit systematischen Er-wägungen begründen,
findet in den Gesetzesmaterialien
keinen Niederschlag (vgl. BT-Drucks. IV/650, [X.], siehe
auch BT-Drucks. V/4095,
S. 33)
und wi-derstreitet dem Gesetzeszweck, die Allgemeinheit bei Bedarf auch durch im Einzelfall zwei Jahre übersteigende Therapie vor gefährlichen Tätern zu [X.]
(vgl. dazu auch [X.], [X.], 501).
Insbesondere ergäben sich im Vorfeld und in Konkurrenz zu schwereren freiheitsentziehenden Maßregeln
(§§ 9
-
8
-

63,
66 StGB)
prinzipielle Sperren gegen unter Umständen konkret aussichts-reiche längere [X.].
Diese wären

gerade auch im Blick auf §
72 StGB

mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz schwerlich vereinbar und wi-dersprächen
in Fällen der Sicherungsverwahrung dem vom Bundesverfas-sungsgericht ([X.] 128, 326) initiierten gesetzlichen Konzept, Sicherungs-verwahrung durch individuelle
und intensive
Therapie vermeidbar zu machen
(vgl. §
66c Abs. 2 StGB).

Basdorf
Sander
[X.]

[X.]
König

Meta

5 StR 37/14

10.04.2014

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.04.2014, Az. 5 StR 37/14 (REWIS RS 2014, 6384)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6384

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