Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.07.2011, Az. 2 AZR 12/10

2. Senat | REWIS RS 2011, 4970

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Gegenstand

Kündigungsschutz - Wartezeit


Leitsatz

Die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG kann auch durch Zeiten einer Beschäftigung in demselben Betrieb oder Unternehmen erfüllt werden, während derer auf das Arbeitsverhältnis nicht deutsches, sondern ausländisches Recht zur Anwendung gelangte.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 6. Oktober 2009 - 7 [X.] 569/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die [X.]eklagte ist eine in [X.] ansässige [X.]ank. Sie unterhielt in [X.] eine im [X.]andelsregister eingetragene Zweigniederlassung. Dort beschäftigte sie regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Am 12. Juni 2008 eröffnete sie eine Filiale in [X.]. Diese Filiale war - ebenso wie eine bereits bestehende Zweigstelle in [X.] - organisatorisch der Niederlassung [X.] zugeordnet. In [X.] beschäftigte die [X.]eklagte im Jahr 2008 nicht mehr als fünf Arbeitnehmer.

3

Der Kläger ist lettischer Staatsbürger. Am 7. April 2008 schlossen die Parteien in [X.] einen in [X.] abgefassten, unbefristeten Arbeitsvertrag für eine Tätigkeit in [X.]. Er sah eine Probezeit bis zum 4. Juli 2008 vor. Nach seiner Einarbeitung in [X.] absolvierte der Kläger ab dem 12. [X.]ai 2008 eine Schulung in [X.]. Noch im selben [X.]onat übernahm er die Leitung der im Aufbau befindlichen [X.] Filiale. Gemäß einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag, datiert auf den 12. [X.]ai 2008 und gleichfalls in [X.] abgefasst, hatte der Kläger die Stelle „Leiter der Filiale bei der Kundenbetreuungsabteilung“ inne. Zu seinem Einsatzort heißt es dort: „R, [X.] und [X.], [X.]“.

4

Unter dem Datum des 9. Juni 2008 schlossen die Parteien einen in [X.] abgefassten neuen Arbeitsvertrag. Er war mit [X.]ezug auf § 14 Abs. 2 Tz[X.]fG auf ein Jahr befristet und sah eine sechsmonatige Probezeit vor. Als Tätigkeit war die eines Filialleiters der [X.] Filiale genannt. Das Vertragsverhältnis sollte mit Erteilung einer „EU-Arbeitserlaubnis“ (Arbeitsgenehmigung nach § 284 SG[X.] III) an den Kläger beginnen. Laut einer der Schlussbestimmungen des Arbeitsvertrags versicherte der Kläger, dass zwischen den Parteien zuvor kein Arbeitsverhältnis bestanden habe.

5

[X.]it Schreiben vom 4. Juli 2008 bat der Kläger - entsprechend einer Vorgabe der [X.]eklagten - um Aufhebung des bisherigen Arbeitsvertrags und Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses zum 7. Juli 2008 auf der Grundlage der Vereinbarung vom 9. Juni 2008.

6

[X.]it Schreiben vom 8. Dezember 2008, dem Kläger zugegangen am 9. Dezember 2008, kündigte die [X.]eklagte das „seit dem 07.07.2008 bestehende“ Arbeitsverhältnis zum 23. Dezember 2008, „hilfsweise zum rechtlich nächstmöglichen Termin“.

7

Der Kläger hat rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhoben und geltend gemacht, auf das Arbeitsverhältnis finde das [X.] Anwendung. Die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG sei erfüllt. Die [X.]eschäftigungszeiten aus den beiden Arbeitsverhältnissen seien zusammenzurechnen. Deren Unterbrechung sei unbeachtlich. Der betriebliche Geltungsbereich des [X.]es sei eröffnet. Die [X.] Filiale bilde mit der Zweigniederlassung [X.] einen [X.]etrieb iSv. § 23 Abs. 1 KSchG. Die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Gründe iSv. § 1 Abs. 2 KSchG lägen nicht vor.

8

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der [X.]eklagten vom 8. Dezember 2008 nicht aufgelöst worden ist.

9

Die [X.]eklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren [X.]öhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, aufzulösen. Sie hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis habe bei Zugang der Kündigung noch keine sechs [X.]onate „ununterbrochen“ bestanden. Auf das erste Arbeitsverhältnis der Parteien sei lettisches Recht zur Anwendung gelangt. Die Anrechnung unter Geltung fremden Rechts verbrachter [X.]eschäftigungszeiten auf die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG widerspreche den [X.]estimmungen des Internationalen Privatrechts. Die Kündigung sei im Übrigen auch bei Anwendbarkeit des [X.]es wirksam. Sie - die [X.]eklagte - habe vor dem [X.]intergrund der Finanzkrise entschieden, ihre Personalkosten zu senken. Zur Erreichung dieses Ziels habe sie eine von fünf Filialleiterstellen in [X.] gestrichen. Den bisherigen Aufgabenbereich des Klägers habe sie der zuvor in [X.] beschäftigten stellvertretenden Leiterin „Asset management“ übertragen und diese mit Ausscheiden des Klägers nach [X.] versetzt. Die Umverteilung der Arbeiten sei wegen insgesamt verringerten [X.] möglich gewesen. Die [X.] sei ordnungsgemäß erfolgt. Zumindest sei das Arbeitsverhältnis nach § 9 KSchG wegen erheblicher Pflichtwidrigkeiten des Klägers im Verlauf des Kündigungsrechtsstreits aufzulösen.

Der Kläger hat beantragt, den [X.] abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Das [X.] hat ihr stattgegeben. Den [X.] der [X.]eklagten hat es abgewiesen. [X.]it der Revision begehrt die [X.]eklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das [X.] hat zutreffend entschieden. Das Arbeitsverhältnis der [X.]arteien ist durch die ordentliche Kündigung vom 8. Dezember 2008 nicht aufgelöst worden.

A. Gegenstand der Revision ist allein der [X.]. Der [X.] ist nicht zur Entscheidung angefallen; die [X.]eklagte verfolgt diesen Antrag in der Revision nicht weiter.

[X.]. [X.] der [X.] ist unwirksam. Sie ist sozial ungerechtfertigt (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 [X.]).

I. Die Wirksamkeit der Kündigung ist nach [X.] Kündigungs(schutz)recht zu beurteilen. Auf das Arbeitsverhältnis der [X.]arteien gelangte jedenfalls im Kündigungszeitpunkt [X.] Recht zur Anwendung.

1. Nach Internationalem [X.]rivatrecht ([X.]) bestimmt sich die Frage, welches Gesetzesrecht auf einen [X.]rivatrechtssachverhalt anzuwenden ist, nach den Regelungen des Staates, dessen Gerichte zur Entscheidung angerufen werden. Dementsprechend sind hier die das Arbeitsrecht betreffenden [X.]estimmungen der Art. 27 bis 37 EG[X.]G[X.] einschlägig. Diese sind zwar zum 17. Dezember 2009 durch die [X.]estimmungen der Verordnung Nr. 593/2008 des [X.] und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (RomI-VO) abgelöst worden. Nach Art. 28 RomI-VO finden aber deren Regelungen auf Vertragsverhältnisse, die - wie im Streitfall - vor dem 17. Dezember 2009 begründet worden sind, keine Anwendung (vgl. [X.] 26. [X.]ai 2011 - 8 [X.] - Rn. 39).

2. Die [X.]arteien haben mit dem Arbeitsvertrag vom 9. Juni 2008 iSv. Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EG[X.]G[X.] konkludent [X.] Recht gewählt, indem sie auf [X.] Rechtsvorschriften - etwa § 14 Abs. 2 [X.] - [X.]ezug genommen haben. Unabhängig davon verweist die Regelanknüpfung des Art. 30 Abs. 2 EG[X.]G[X.] auf [X.] Recht. Danach findet mangels Vereinbarung das Recht desjenigen Staates Anwendung, in welchem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Regelmäßiger Arbeitsort des [X.] war zuletzt [X.]. Umstände, die nach dem Wirksamwerden der Vereinbarungen vom 9. Juni 2008 auf eine engere Verbindung des Arbeitsverhältnisses zu [X.] hinweisen könnten, sind nicht zu erkennen.

II. Die persönlichen und betrieblichen Voraussetzungen für die Anwendung des [X.]es (§ 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 [X.]) liegen vor.

1. Die Wartezeit des § 1 Abs. 1 [X.] ist erfüllt. Das Arbeitsverhältnis des [X.] hat bei Zugang der Kündigung im Unternehmen der [X.] „ohne Unterbrechung“ länger als sechs [X.]onate bestanden. Die unter Geltung des Arbeitsvertrags vom 7. April 2008 zurückgelegten [X.]eschäftigungszeiten sind trotz der zwischenzeitlichen Vertragsänderungen zu berücksichtigen. Das gilt selbst dann, wenn im Zusammenhang mit der Anfang Juli 2008 eingetretenen rechtlichen Unterbrechung ein Wechsel des [X.] stattgefunden haben sollte. Zugunsten der [X.] kann daher unterstellt werden, dass - wovon das [X.] positiv ausgegangen ist - auf das erste Arbeitsverhältnis der [X.]arteien lettisches Recht Anwendung fand.

a) § 1 Abs. 1 [X.] schließt die Anrechnung von [X.]eschäftigungszeiten aus einem vorangehenden Arbeitsverhältnis auf die Wartezeit nicht unter allen Umständen aus.

aa) Zwar ist nach dem Wortlaut des Gesetzes für die Wahrung der Frist jede rechtliche Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses schädlich, sei sie auch nur von kürzester Dauer. Dies würde jedoch Sinn und Zweck der Wartezeit nicht gerecht. Danach soll der Arbeitnehmer erst nach einer gewissen Dauer der Zugehörigkeit zum [X.]etrieb oder Unternehmen Kündigungsschutz erwerben ([X.] 23. September 1976 - 2 [X.] - zu I 2 c der Gründe, [X.]E 28, 176). Den Arbeitsvertragsparteien soll für eine gewisse [X.] die [X.]rüfung ermöglicht werden, ob sie sich auf Dauer binden wollen ([X.] 24. November 2005 - 2 [X.] - zu [X.] 1 b der Gründe, [X.]E 116, 254). Dieses Regelungsziel verlangt nicht danach, mit jeder noch so kurzen rechtlichen Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses die Wartezeit erneut beginnen zu lassen. So wäre es etwa vor diesem Ziel sachlich nicht zu begründen, ein Arbeitsverhältnis, das an einem - ohnehin arbeitsfreien - Wochenende auf Veranlassung des Arbeitgebers geendet hat, selbst bei Wiedereinstellung des Arbeitnehmers zu [X.]eginn der darauffolgenden Woche als iSv. § 1 Abs. 1 [X.] unterbrochen anzusehen ([X.] 28. August 2008 - 2 [X.] - Rn. 18, [X.] 1969 § 1 Nr. 88; 19. Juni 2007 - 2 [X.] - Rn. 13, [X.]E 123, 185). Es ist deshalb für den Lauf der Wartezeit unschädlich, wenn innerhalb des [X.] zwei oder mehr Arbeitsverhältnisse liegen, die ohne zeitliche Unterbrechung unmittelbar aufeinanderfolgen. Setzt sich die [X.]eschäftigung des Arbeitnehmers nahtlos fort, ist typischerweise von einem „ununterbrochenen“ Arbeitsverhältnis auszugehen. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer während der Wartezeit verschiedenartige Tätigkeiten ausgeübt hat (vgl. [X.] 23. September 1976 - 2 [X.] - zu I 2 f der Gründe, aaO; [X.]/Griebeling 9. Aufl. § 1 Rn. 114; [X.]ünchKomm[X.]G[X.]/[X.] 5. Aufl. § 1 [X.] Rn. 33; [X.] in [X.]/[X.]/Eylert [X.] § 1 Rn. 1; [X.]/[X.] 10. Aufl. Rn. 876; einschränkend: [X.]/[X.] 11. Aufl. § 1 [X.] Rn. 40; [X.]/Spinner [X.] 9. Aufl. § 1 Rn. 43).

bb) Selbst in Fällen, in denen es an einer nahtlosen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses fehlt, kann eine rechtliche Unterbrechung unbeachtlich sein, wenn sie verhältnismäßig kurz ist und zwischen beiden Arbeitsverhältnissen ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Dafür kommt es insbesondere auf Anlass und Dauer der Unterbrechung sowie auf die Art der Weiterbeschäftigung an ([X.]Rspr., bspw. [X.] 28. August 2008 - 2 [X.] - Rn. 19, [X.] 1969 § 1 Nr. 88; 19. Juni 2007 - 2 [X.] - Rn. 13, [X.]E 123, 185; grundlegend: 6. Dezember 1976 - 2 [X.] - zu 3 d der Gründe, [X.]E 28, 252). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, hängt vom Einzelfall ab. Eine feste zeitliche [X.]egrenzung für den Unterbrechungszeitraum besteht nicht. Je länger die Unterbrechung gedauert hat, desto gewichtiger müssen die für einen sachlichen Zusammenhang sprechenden Umstände sein (vgl. [X.] 28. August 2008 - 2 [X.] - Rn. 20, aaO; 20. August 1998 - 2 [X.] - zu II 1 der Gründe, [X.] 1969 § 1 Wartezeit Nr. 9 = EzA [X.] § 1 Nr. 49).

b) Diese Grundsätze kommen auch dann zum Tragen, wenn für das frühere Arbeitsverhältnis nicht [X.], sondern ausländisches Recht galt. Für die Anrechnung von [X.]eschäftigungszeiten aus einem vorangegangenen Arbeitsverhältnis ist es grundsätzlich unerheblich, ob dieses einem anderen [X.] unterlag.

aa) Ob fremdem Recht unterfallende Vorgänge bei der Anwendung einer [X.]n Rechtsnorm [X.]erücksichtigung finden, ist durch Auslegung des einschlägigen [X.]n Gesetzes zu ermitteln (bspw. [X.]ünchKomm[X.]G[X.]/[X.] 5. Aufl. Einl. [X.] Rn. 609; [X.] 2008, 148, 150 f.; Otto/[X.]ückl [X.][X.] 2008, 1231). [X.]aßgeblich ist § 1 Abs. 1 [X.].

bb) Dem Wortlaut nach verlangt diese [X.]estimmung nur, dass das Arbeitsverhältnis in demselben [X.]etrieb oder Unternehmen länger als sechs [X.]onate bestanden hat. Eine (Selbst-)[X.]eschränkung in dem Sinne, dass auf das Arbeitsverhältnis durchgehend [X.] Recht zur Anwendung gelangt sein müsse, lässt sich daraus nicht ableiten. Das Gesetz stellt - im Gegenteil - mit der Anknüpfung an den [X.]egriff „Unternehmen“ einen Auslandsbezug zumindest insoweit her, als es in seinen Geltungsbereich auf diese Weise auch solche Arbeitsverhältnisse einbezieht, die mit ausländischen Unternehmen bestehen. [X.]ereits dies spricht dafür, dass es auf das [X.], unter dem die [X.]eschäftigungszeiten zurückgelegt wurden, nicht entscheidend ankommt.

cc) Dies wird durch Sinn und Zweck der Wartezeitregelung bestätigt. Dem Ziel, sich gegenseitig kennenzulernen und prüfen zu können, dient auch die [X.]eschäftigung in einem Arbeitsverhältnis, auf das vorübergehend [X.] Recht keine Anwendung fand. Die Frage, ob sich der Arbeitgeber enger an den Arbeitnehmer binden will, stellt sich im Geltungsbereich des [X.]es nach sechsmonatiger Dauer der [X.]eschäftigung. Die [X.]öglichkeit, dies sachgerecht zu beurteilen, hängt nicht davon ab, dass auf das [X.] durchgängig [X.] Recht zur Anwendung gelangt ist. Auch [X.]en einer [X.]eschäftigung auf der Grundlage fremden [X.]s bieten dem Arbeitgeber dazu ausreichend Gelegenheit (vgl. [X.]/[X.] 11. Aufl. § 1 [X.] Rn. 41).

dd) Der Anrechnung von [X.]eschäftigungszeiten unter fremdem [X.] stehen keine systematischen Erwägungen entgegen. Sie gerät insbesondere nicht in Widerspruch zur [X.]egrenzung des Geltungsbereichs des [X.]es auf in [X.] gelegene [X.]etriebe in § 23 Abs. 1 [X.].

(1) Der Erste Abschnitt des [X.]es findet zwar nur auf [X.]etriebe Anwendung, die in [X.] gelegen sind (vgl. [X.] 8. Oktober 2009 - 2 [X.] - Rn. 13, EzA [X.] § 23 Nr. 35; 17. Januar 2008 - 2 [X.] - [X.]E 125, 274; siehe auch [X.]VerfG 12. [X.]ärz 2009 - 1 [X.]vR 1250/08 -). Dies schließt es aus, bei der [X.]eurteilung, ob die [X.] Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 [X.] erfüllt, im Ausland tätige Arbeitnehmer zu berücksichtigen, jedenfalls soweit deren Arbeitsverhältnisse nicht [X.] Recht unterliegen ([X.] 26. [X.]ärz 2009 - 2 [X.] - Rn. 22, [X.] 1969 § 23 Nr. 45). Im Gegensatz zu § 23 Abs. 1 [X.] stellt § 1 Abs. 1 [X.] aber nicht nur auf die jeweiligen Verhältnisse im [X.]etrieb ab, sondern erweitert seinen Anwendungsbereich auf das gesamte Unternehmen des Arbeitgebers.

(2) Zudem beruht die [X.]eschränkung des Geltungsbereichs des [X.]es auf in [X.] gelegene [X.]etriebe auf dem Umstand, dass die Gewährung von Kündigungsschutz gegenüber einem Arbeitnehmer Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse des Arbeitgebers mit anderen Arbeitnehmern haben kann. Das ist widerspruchsfrei nur möglich, wenn im [X.]punkt der Kündigung gegenüber allen möglicherweise betroffenen Arbeitnehmern und gegenüber dem Arbeitgeber dasselbe, nämlich [X.] Kündigungsschutz- und Arbeitsrecht angewendet und auch durchgesetzt werden kann (vgl. [X.] 26. [X.]ärz 2009 - 2 [X.] - Rn. 15 ff., [X.] 1969 § 23 Nr. 45). Demgegenüber berührt die Frage, ob auf die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 [X.] [X.]eschäftigungszeiten aus einem Arbeitsverhältnis anzurechnen sind, das einer anderen Rechtsordnung unterfällt, in erster Linie die individuellen Verhältnisse des betreffenden Arbeitnehmers. Außerdem stellt sie sich nur in [X.]ezug auf Arbeitsverhältnisse, die jedenfalls im Kündigungszeitpunkt [X.] Recht unterlagen.

ee) Zu Unrecht meint die Revision, die Anrechnung von [X.]eschäftigungszeiten, die unter Geltung fremden [X.] zurückgelegt wurden, schränke in unzulässiger Weise ihre nach Kollisionsrecht gegebenen Rechtswahlmöglichkeiten ein. Es entspricht den allgemeinen Grundsätzen des Internationalen [X.]rivatrechts, dass im Fall eines [X.]s das „alte“ Statut für die [X.]egründung der Rechte, Rechtslagen und Rechtsverhältnisse und für die bis zum [X.] eingetretenen Wirkungen anwendbar bleibt. Über weitere Wirkungen entscheidet das „neue“ [X.]. So ist an [X.] Recht zu messen, ob und inwieweit Vorgänge, die sich unter Geltung fremden Rechts ereignet haben, im Sinne der fraglichen inländischen Norm als tatbestandsmäßig anzuerkennen sind oder nicht (vgl. [X.]ünchKomm[X.]G[X.]/[X.] 5. Aufl. Einl. [X.] Rn. 607; [X.] 2008, 148; v. [X.]/Thorn [X.] 9. Aufl. § 5 Rn. 104; ähnlich für den Fall des [X.]etriebsübergangs: [X.] 26. [X.]ai 2011 - 8 [X.] - Rn. 43 ff.). Es geht in solchen Fällen nicht um eine - unzulässige - Anwendung [X.]n Rechts auf einen Auslandssachverhalt, sondern um die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine [X.] Norm - hier § 1 Abs. 1 [X.] - auf ein ihrem Wirkungskreis unterliegendes Arbeitsverhältnis anzuwenden ist (vgl. [X.] 2001, 94, 105; [X.] NZA 2000, 57, 63; Straube D[X.] 2009, 1406). Darauf musste und konnte sich die [X.]eklagte einrichten, als sie sich der [X.]n Rechtsordnung unterwarf.

ff) [X.]ögliche praktische Schwierigkeiten, die sich im Hinblick auf eine Einbeziehung solcher [X.]eschäftigungszeiten ergeben können, die unter Geltung ausländischen Rechts zurückgelegt wurden, rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Zwar mag im Einzelfall die Feststellung, ob es sich bei einem Vertragsverhältnis, das zeitweise ausländischem [X.] unterlag, durchgängig um ein Arbeitsverhältnis im kündigungsschutzrechtlichen Sinne gehandelt hat, nicht einfach sein. Dies ist aber nach der ratio legis des § 1 Abs. 1 [X.] hinzunehmen. Abgesehen davon dürfte vielfach - so auch im Streitfall - der Arbeitnehmerstatus des [X.]eschäftigten während der ausländischem Recht unterfallenden [X.]en unstreitig sein.

c) Danach hat das [X.] zu Recht die unter Geltung des Arbeitsvertrags vom 7. April 2008 zurückgelegten [X.]eschäftigungszeiten in die [X.]erechnung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 [X.] einbezogen.

aa) Der Kläger stand ab dem 7. April 2008 in einem Arbeitsverhältnis zur „[X.]“. Der auf den 9. Juni 2008 datierte - neue - Arbeitsvertrag bezeichnet als Arbeitgeberin die „[X.], Aktiengesellschaft lettischen Rechts, Zweigniederlassung [X.]“. Eine Änderung der Arbeitgeberstellung ging damit nicht einher. [X.]it beiden [X.]ezeichnungen ist dieselbe juristische [X.]erson angesprochen. Die Zweigniederlassung der [X.] ist ausweislich der Eintragungen in das Handelsregister rechtlich unselbständig. Aus § 53 des Kreditwesengesetzes ([X.]) folgt nicht, dass sie als eigenständiges Unternehmen iSv. § 1 Abs. 1 [X.] anzusehen wäre. Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 [X.] gilt die inländische Zweigstelle eines ausländischen Unternehmens, die [X.]ankgeschäfte betreibt oder Finanzdienstleistungen erbringt, als Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut. Nach § 53 Abs. 2 Nr. 6 [X.] gilt das Institut für die Anwendung von § 36 Abs. 1 [X.] als juristische [X.]erson. Darüber hinaus gilt nach § 53 Abs. 2a [X.] die Zweigstelle für die [X.]estimmungen des Gesetzes, „die daran anknüpfen, dass ein Institut das Tochterunternehmen eines Unternehmens mit Sitz im Ausland ist, als hundertprozentiges Tochterunternehmen der Institutszentrale mit Sitz im Ausland“. Diesen Regelungen ist der Zweck gemein, die Vorschriften des [X.] auf rechtlich und wirtschaftlich unselbständige Zweigstellen eines Unternehmens mit Sitz in einem anderen Staat anwendbar zu machen. Ihre Wirkungen gehen aber nicht darüber hinaus.

bb) Die Würdigung des [X.]s, die rechtliche - in tatsächlicher Hinsicht allenfalls den 5. und 6. Juli 2008 betreffende - Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses der [X.]arteien sei unbeachtlich, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Da die rechtliche Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses mit einem Wochenende zusammenfiel, dürfte ohnehin von einer nahtlosen Fortsetzung der [X.]eschäftigung des [X.] auszugehen sein. Zumindest ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das [X.] einen engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen bejaht hat. Nach übereinstimmendem Vortrag der [X.]arteien war der Kläger durchweg als Filialleiter beschäftigt, mag er sich zeitweise auch in der Einarbeitung befunden haben. Die Gründe für die Unterbrechung lagen weder in den betrieblichen Verhältnissen noch im Verhalten des [X.]. Ebenso wenig ist für die Anwendung von § 1 Abs. 1 [X.] von [X.]elang, ob der Kläger unter Geltung des ersten Arbeitsvertrags nach [X.] lediglich „entsandt“ worden war. Die [X.]eklagte hat selbst vorgebracht, dies habe seiner Erprobung gedient.

cc) [X.] ist, dass der Kläger mit Unterzeichnung des Arbeitsvertrags vom 9. Juni 2008 erklärte, zwischen den [X.]arteien habe zuvor kein Arbeitsverhältnis bestanden. [X.]it dieser Erklärung konnte er sich künftiger Rechte aus dem [X.] nicht begeben.

dd) Ausgehend vom 7. April 2008 errechnet sich bis zum Zugang der Kündigung eine [X.]eschäftigungszeit von knapp acht [X.]onaten. Selbst wenn man nur auf die [X.]en abstellen wollte, während derer der Kläger regelmäßig in [X.] tätig war, mithin die [X.] ab dem 20. [X.]ai 2008, wäre die Wartezeit erfüllt.

2. Der betriebliche Geltungsbereich des [X.]es ist eröffnet.

a) Die Würdigung des [X.]s, die [X.] Filiale und die damals in [X.] ansässige Zweigniederlassung der [X.] seien als ein einheitlicher [X.]etrieb iSv. § 23 Abs. 1 [X.] anzusehen, wird von der Revision nicht angegriffen. Sie ist auch materiellrechtlich nachvollziehbar. Die [X.]eklagte hat im vorliegenden Rechtsstreit nicht behauptet, in der [X.] Filiale sei ein Leitungsapparat vorhanden gewesen, der wesentliche Entscheidungen in personellen und [X.] Angelegenheiten selbständig habe treffen können. Solche [X.]efugnisse lagen bei der Leitung der Zweigniederlassung [X.]. Diese zeichnete auch für die Kündigung des [X.] und anderer [X.]eschäftigter der Filiale verantwortlich (zu den einzelnen Voraussetzungen eines selbständigen Leitungsapparats vgl. [X.] 28. Oktober 2010 - 2 [X.] - Rn. 17, EzA [X.] § 23 Nr. 37; 15. [X.]ärz 2001 - 2 [X.] 1 b der Gründe, EzA [X.] § 23 Nr. 23; jeweils mwN). Die Entfernung zwischen [X.] und [X.] rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Ein [X.]etrieb im kündigungsrechtlichen Sinne setzt keine räumliche Einheit voraus ([X.] 15. [X.]ärz 2001 - 2 [X.] 151/00 - aaO).

b) In ihrem [X.]etrieb beschäftigte die [X.]eklagte regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden. Der Kläger gehörte, was ausreicht, dem [X.]etrieb im Kündigungszeitpunkt an.

III. [X.] ist sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 [X.] bedingt.

1. Dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 [X.] liegen vor, wenn das [X.]edürfnis für eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im [X.]etrieb entfallen ist ([X.] 16. Dezember 2010 - 2 [X.] - Rn. 13, EzA [X.] § 1 [X.]etriebsbedingte Kündigung Nr. 165). Regelmäßig entsteht ein solches Erfordernis nicht allein und unmittelbar durch bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen ([X.]roduktions- oder Umsatzrückgang etc.), sondern aufgrund einer hierdurch veranlassten Organisationsentscheidung des Arbeitgebers (unternehmerische Entscheidung). Diese Entscheidung als solche ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin, sondern nur darauf hin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist ([X.] 16. Dezember 2010 - 2 [X.] - aaO; 10. Juli 2008 - 2 [X.] 1111/06 - Rn. 24 mwN, [X.] 1969 § 1 [X.]etriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA [X.] § 1 [X.]etriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 18. Oktober 2006 - 2 [X.] 434/05 - Rn. 31, EzA [X.] § 1 [X.]etriebsbedingte Kündigung Nr. 151). Von den Gerichten nachzuprüfen ist dagegen, ob die Entscheidung tatsächlich vollzogen wurde und das [X.]eschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer hat entfallen lassen ([X.] 10. Juli 2008 - 2 [X.] 1111/06 - aaO; 17. Juni 1999 - 2 [X.] 522/98 - zu II 1 a der Gründe, [X.]E 92, 61).

2. Allerdings kann in Fällen, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind, die ansonsten berechtigte Vermutung, die Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht unbesehen greifen. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber vielmehr konkrete Angaben dazu machen, wie sich seine Organisationsentscheidung auf die Einsatzmöglichkeiten der Arbeitnehmer auswirkt ([X.] 16. Dezember 2010 - 2 [X.] - Rn. 14, EzA [X.] § 1 [X.]etriebsbedingte Kündigung Nr. 165; 10. Juli 2008 - 2 [X.] 1111/06 - Rn. 26, [X.] 1969 § 1 [X.]etriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA [X.] § 1 [X.]etriebsbedingte Kündigung Nr. 163; jeweils mwN). Der Arbeitgeber muss konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher [X.]aßnahmen die bisher von dem betroffenen Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Er muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben auf die zukünftige Arbeitsmenge anhand einer schlüssigen [X.]rognose konkret darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen [X.]ersonal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden können ([X.] 16. Dezember 2010 - 2 [X.] - Rn. 15, aaO; 13. Februar 2008 - 2 [X.] 1041/06 - Rn. 16 mwN, [X.] 1969 § 1 [X.]etriebsbedingte Kündigung Nr. 174 = EzA [X.] § 1 [X.]etriebsbedingte Kündigung Nr. 158).

3. Diesen Anforderungen wird der Sachvortrag der [X.] nicht gerecht. Ihre Organisationsentscheidung (Einsparung von [X.]ersonalkosten durch Arbeitsplatzabbau, ua. Streichung der Stelle eines Filialleiters) ist mit dem Entschluss zur Kündigung nahezu identisch. Die [X.]eklagte hätte daher die organisatorische Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit ihrer Entscheidung näher darlegen müssen. Das ist, wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat, nicht geschehen.

C. Die [X.]eklagte hat nach § 97 Abs. 1 Z[X.]O die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    [X.]erger    

        

        

        

    Eulen    

        

    Sieg    

                 

Meta

2 AZR 12/10

07.07.2011

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Berlin, 20. Februar 2009, Az: 28 Ca 20634/08, Urteil

§ 1 Abs 1 KSchG, § 1 Abs 2 S 1 Alt 3 KSchG, § 23 Abs 1 KSchG, § 36 Abs 1 KredWG, § 53 Abs 1 S 1 KredWG, § 53 Abs 2 Nr 6 KredWG, § 53 Abs 2a KredWG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.07.2011, Az. 2 AZR 12/10 (REWIS RS 2011, 4970)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4970

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Referenzen
Wird zitiert von

3 Ca 5349/16

5 Ca 3422/14

16 Sa 647/12

12 Sa 580/11

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