Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.05.2010, Az. I ZR 185/07

1. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 6725

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Gegenstand

Unlauterer Wettbewerb: Erneutes oder ergänzendes Konformitätsbewertungsverfahren bei Parallelimport eines Medizinproduktes – One Touch Ultra


Leitsatz

One Touch Ultra

In-vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung dürfen im Inland nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie eine Gebrauchsanweisung und eine Etikettierung in deutscher Sprache enthalten, die vorab in einem (erneuten oder ergänzenden) Konformitätsbewertungsverfahren überprüft worden sind .

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.], 3. Zivilsenat, vom 11. Oktober 2007 aufgehoben.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Teil- und Schlussurteil des [X.], Zivilkammer 27, vom 30. November 2006 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verurteilt,

es zu unterlassen, in der [X.] ein Medizinprodukt (Teststreifen zur Blutzuckermessung) mit der Kennzeichnung "[X.]" und einer [X.]/italienisch/[X.] Originalaufmachung mit einer umgestalteten Packung, Gebrauchsanweisung oder Beschriftung der Teststreifen-Röhrchen in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, ohne für dieses umverpackte Produkt im Hinblick auf vorstehend genannten Umpackvorgang eine ergänzende Konformitätsbewertung nach § 6 Abs. 2 [X.] durchgeführt zu haben.

Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin 1.507,20 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. April 2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin vertreibt in [X.] unter der Bezeichnung "[X.]" von ihrer [X.] Konzernschwestergesellschaft hergestellte Teststreifen zur Blutzuckerbestimmung, die von den Patienten in entsprechenden Blutzuckermessgeräten verwendet werden. Dabei handelt es sich um ein zur Eigenanwendung bestimmtes In-vitro-Diagnostikum, das als Medizinprodukt nach dem Medizinproduktegesetz (vgl. § 3 Nr. 4 [X.]) mit einer CE-Kennzeichnung versehen ist. Das entsprechende Konformitätsbewertungsverfahren ist bei einer sogenannten Benannten Stelle (vgl. § 3 Nr. 20 [X.]) in [X.] durchgeführt worden. Die Bezeichnung "[X.]" ist für eine weitere Schwestergesellschaft der Klägerin als [X.] mit der Erstreckung auf [X.] für "[X.]" und "Medical instruments" eingetragen. Die Klägerin ist zur Nutzung der Marke und zur Geltendmachung der Markenrechte ermächtigt.

2

Die Klägerin wendet sich - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - aus Marken- und Wettbewerbsrecht dagegen, dass die Beklagte in Mitgliedstaaten der [X.] mit Zustimmung der Markeninhaberin in Verkehr gebrachte Teststreifen des Produkts "[X.]" nach [X.] importiert, die Umverpackung mit einem [X.] Etikett versieht, der Packung nach Öffnung eine [X.] Gebrauchsanweisung beifügt und das so umverpackte Produkt in Verkehr bringt, ohne im Hinblick auf den Umpackvorgang eine Konformitätsbewertung nach § 6 Abs. 2 [X.] durchgeführt zu haben.

3

Sie hat zuletzt beantragt,

der Beklagten bei Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verbieten, in der Bundesrepublik [X.] ein Medizinprodukt (Teststreifen zur Blutzuckermessung) mit der Kennzeichnung "[X.]" und einer [X.]/italienisch/[X.] Originalaufmachung mit einer umgestalteten Packung, Gebrauchsanweisung oder Beschriftung der Teststreifen-Röhrchen in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, ohne für dieses umverpackte Produkt im Hinblick auf vorstehend genannten Umpackvorgang eine ergänzende Konformitätsbewertung nach § 6 Abs. 2 [X.] durchgeführt zu haben.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen; die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

5

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch weder aus Marken- noch aus Wettbewerbsrecht zu. Zur näheren Begründung hat es ausgeführt:

6

Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen wettbewerbsrechtlichen Anspruch aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, § 6 Abs. 1 und 2, § 7 [X.] i.V. mit [X.] der [X.]/[X.] vom 27. Oktober 1998 über In-vitro-Diagnostika (im Folgenden: [X.]), es zu unterlassen, Produkte mit der Kennzeichnung "[X.]" ohne eine ergänzende [X.] nach § 6 Abs. 2 [X.] im Hinblick auf das erfolgte [X.] in Verkehr zu bringen. Nach den Vorschriften des Medizinproduktegesetzes und der [X.] sei nur der Hersteller des Medizinprodukts oder sein Bevollmächtigter für das erstmalige Inverkehrbringen und damit für das [X.] der [X.] sowie die Durchführung des [X.] verantwortlich. Die Beklagte sei nicht als Hersteller im Sinne dieser Vorschriften anzusehen. Eine dem Notifizierungsverfahren bei parallelimportierten [X.] vergleichbare Regelung für den Bereich parallelimportierter Medizinprodukte bestehe nicht. Die Forderung eines ergänzenden Zertifizierungsverfahrens für parallelimportierte Medizinprodukte würde zudem entgegen Art. 28 [X.] (jetzt: Art. 34 AEUV) zu einer künstlichen Abschottung der Märkte führen. Ein solches Verfahren sei auch nicht im Sinne von Art. 30 [X.] (jetzt: Art. 36 AEUV) zum Schutz der Gesundheit oder zur Wahrung der Markenrechte erforderlich. Da die Beklagte nicht zur Durchführung des ergänzenden [X.] verpflichtet sei, liege in dem Vertrieb der parallelimportierten und umgepackten Medizinprodukte auch keine Markenverletzung nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

7

II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handelt die Beklagte wettbewerbswidrig und begeht eine Markenverletzung, wenn sie die parallelimportierten und von ihr umgepackten Produkte ohne eine ergänzende Konformitätsbewertung nach § 6 Abs. 2 [X.] in [X.] in Verkehr bringt.

8

1. Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu, weil die Beklagte durch den Vertrieb der parallelimportierten Teststreifen gegen die [X.] für In-vitro-Diagnostika verstößt.

9

a) In-vitro-Diagnostika dürfen als Medizinprodukte (§ 3 Nr. 4 [X.]) gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] in [X.] nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie mit einer [X.] nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 Satz 1 [X.] versehen sind. Eine Zuwiderhandlung gegen dieses Gebot stellt regelmäßig zugleich ein nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG - in der zum Zeitpunkt der von der Klägerin beanstandeten Verletzungshandlungen der [X.] im Jahre 2005 sowie in der nunmehr geltenden Fassung - unzulässiges Verhalten im Wettbewerb dar ([X.], Urt. [X.] - I ZR 193/06, [X.], 169 [X.]. 13 = [X.], 247 - [X.]).

b) Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 [X.] dürfen Medizinprodukte mit der [X.] nur versehen werden, wenn die auf sie unter Berücksichtigung ihrer Zweckbestimmung anwendbaren Grundlegenden Anforderungen nach § 7 [X.] erfüllt sind und ein für das jeweilige Medizinprodukt vorgeschriebenes Konformitätsbewertungsverfahren nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 37 [X.] durchgeführt worden ist. Für Produkte zur Blutzuckerbestimmung hat der Hersteller nach § 5 Abs. 2 der [X.] vom 20. Dezember 2001 ([X.] I 2001, 3854; MPV) das Verfahren der [X.]-Konformitätserklärung nach [X.]V der [X.] oder das Verfahren der [X.]-Baumusterprüfung nach Anhang V dieser Richtlinie durchzuführen. Beide Verfahren dienen der Überprüfung, ob die für das betreffende Produkt geltenden Bestimmungen der Richtlinie und damit gemäß Art. 3 insbesondere auch die Grundlegenden Anforderungen nach [X.] der [X.] eingehalten sind (vgl. [X.]V Nr. 2 und [X.]). Bei dem Verfahren nach [X.]V der [X.] hat der Hersteller nach Nummer 3.1 einen Antrag auf Bewertung seines Qualitätssicherungssystems bei einer Benannten Stelle einzureichen. Als [X.]-Baumusterprüfung wird nach [X.] der [X.] der Teil des Verfahrens bezeichnet, mit dem eine Benannte Stelle feststellt und bescheinigt, dass ein für die geplante Produktion repräsentatives Exemplar den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie entspricht. Eine Benannte Stelle ist nach § 3 Nr. 20 [X.] eine für die Durchführung von Prüfungen und die Erteilung von Bescheinigungen im Zusammenhang mit Konformitätsbewertungsverfahren vorgesehene Stelle, die der [X.] und den Vertragsstaaten des Abkommens über den [X.] von einem Vertragsstaat benannt worden ist.

c) Das von der [X.] parallelimportierte Produkt verfügt zwar über eine [X.]. Das entsprechende Konformitätsbewertungsverfahren ist von einer Benannten Stelle in den [X.] durchgeführt worden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist nach dem Import nach [X.] jedoch ein erneutes oder ergänzendes Konformitätsbewertungsverfahren durchzuführen, weil die Beklagte die Originalaufmachung des Produkts abändert, indem sie den Umkarton mit einem [X.] Etikett versieht und der Packung eine [X.] Gebrauchsanweisung beifügt. Die Teststreifen sind zur Eigenanwendung durch die Patienten bestimmt, wie auch entsprechend den Kennzeichnungsvorschriften (vgl. [X.] B 8.4. lit. k der [X.]) durch die Angabe "Zur Selbstmessung" auf den Produktverpackungen kenntlich gemacht wird (vgl. Anlagen [X.] bis 5, [X.]. In-vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung dürfen im Inland nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie eine Gebrauchsanweisung und eine Etikettierung in [X.] enthalten, die vorab in einem (erneuten oder ergänzenden) Konformitätsbewertungsverfahren überprüft worden sind. Dies ist bei dem von der [X.] vertriebenen Produkt nicht der Fall.

aa) Das Konformitätsbewertungsverfahren hat nach § 5 Abs. 2 MPV (Art. 9 der [X.]) der Hersteller des [X.] durchzuführen. Hersteller ist nach § 3 Nr. 15 Satz 1 [X.] die natürliche oder juristische Person, die für die Auslegung, Herstellung, Verpackung und Kennzeichnung eines Medizinproduktes im Hinblick auf das erstmalige Inverkehrbringen im eigenen Namen verantwortlich ist, unabhängig davon, ob diese Tätigkeiten von dieser Person oder stellvertretend für diese von einer dritten Person ausgeführt werden (vgl. auch Art. 1 Abs. 2 lit. f und i der [X.]). Der Hersteller oder sein Bevollmächtigter ist nach § 5 Satz 1 [X.] für das erstmalige Inverkehrbringen von Medizinprodukten verantwortlich. Danach ist ein Unternehmen, das ein vom Hersteller in einem Mitgliedstaat des [X.]s in Verkehr gebrachtes Medizinprodukt, das nach Durchführung eines [X.] mit einer [X.] versehen ist, nach [X.] importiert, zwar grundsätzlich nicht verpflichtet, für dieses Produkt ein (erneutes) Konformitätsbewertungsverfahren durchzuführen, wenn es das betreffende Produkt in [X.] unverändert vertreiben will. Dies folgt auch aus dem in Art. 4 Abs. 4 der [X.] an die Mitgliedstaaten gerichteten Gebot, in ihrem Hoheitsgebiet nicht das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Produkten zu behindern, die die [X.] tragen, wenn diese einer Konformitätsbewertung unterzogen worden sind.

bb) Die Pflicht zu einer (erneuten oder ergänzenden) [X.] ergibt sich im Streitfall jedoch daraus, dass die Beklagte den Umkarton des Medizinprodukts für den Vertrieb in [X.] mit einem [X.] Aufkleber versehen und der Packung nach Öffnung eine [X.] Gebrauchsanweisung beigefügt hat. Denn die dem Hersteller obliegenden Verpflichtungen nach § 3 Nr. 15 Satz 2 [X.] gelten auch für Personen, die ein oder mehrere vorgefertigte Medizinprodukte montieren, abpacken, behandeln, aufbereiten, kennzeichnen oder für die Festlegung der Zweckbestimmung als Medizinprodukt im Hinblick auf das erstmalige Inverkehrbringen im eigenen Namen verantwortlich sind (vgl. auch Art. 1 Abs. 2 lit. f Unterabsatz 2 der [X.]). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts entspricht das [X.] eines bereits in einem Mitgliedstaat in Verkehr gebrachten Medizinprodukts in der hier zur Beurteilung stehenden Art und Weise jedenfalls dann, wenn es sich wie hier um ein In-vitro-Diagnostikum handelt, das zur Eigenanwendung bestimmt ist, dem Herrichten eines vorgefertigten Medizinproduktes zum Zwecke des erstmaligen Inverkehrbringens [X.] von § 3 Nr. 15 Satz 2 [X.]. Es werden zwar lediglich solche Veränderungen an der Verpackung des bereits als fertiges In-vitro-Diagnostikum im [X.] in Verkehr gebrachten Produkts vorgenommen, die erforderlich sind, um das Produkt in [X.] verkehrsfähig zu machen. Denn nach § 11 Abs. 2 Satz 1 [X.] dürfen Medizinprodukte nur an den Anwender abgegeben werden, wenn die für ihn bestimmten Informationen in [X.] abgefasst sind. Durch das [X.] wird aber ein neues Medizinprodukt [X.] von § 3 Nr. 1 und 4 [X.] hergestellt. Der Vertrieb des umgepackten parallelimportierten Produkts stellt ein erstmaliges Inverkehrbringen eines (sich von dem ursprünglich im Ausland in Verkehr gebrachten unterscheidenden) [X.] zur Eigenanwendung dar (für Medizinprodukte allgemein ebenso wohl [X.]/[X.], [X.], [X.]. Juli 2003, § 3 [X.] [X.]. 75 f.; a.[X.] in [X.]/Wagner, Medizinproduktegesetz, Einf. [X.]. 57 sowie § 5 [X.]. 23).

cc) Dieses Ergebnis folgt aus einer richtlinienkonformen Auslegung der Regelungen des Medizinproduktegesetzes über die Pflicht des Herstellers zur Durchführung eines [X.], soweit sie die entsprechenden Bestimmungen der [X.] umsetzen.

(1) Der von der [X.] erfasste [X.] erfasst nach ihrem Erwägungsgrund 19 auch die Verpackung der Medizinprodukte, sofern die Verpackung im Zusammenhang mit den Sicherheits- und Leistungsaspekten des Produkts steht. Dazu gehören insbesondere auf der Verpackung angebrachte oder dieser beigefügte Informationen, mit denen der Hersteller sein Produkt zur Erfüllung seiner Informationspflicht nach [X.] B Nr. 8 der Grundlegenden Anforderungen der [X.] versieht. Nach [X.] B Nr. 8.1 der [X.] sind jedem Produkt Informationen beizugeben, die unter Berücksichtigung des [X.] des vorgesehenen Anwenderkreises die ordnungsgemäße und sichere Anwendung des Produkts und die Ermittlung des Herstellers ermöglichen. Diese Informationen umfassen die Angaben in der Kennzeichnung und in der Gebrauchsanweisung, die jedem Produkt beigefügt oder in der Verpackung für ein oder mehrere Produkte enthalten sein muss. Bei Produkten zur Eigenanwendung müssen die vom Hersteller beigefügten Angaben und Anweisungen für den Anwender leicht verständlich und anwendbar sein ([X.] B Nr. 7 Satz 2). Nach [X.] B Nr. 8.1 Unterabsatz 6 ist die Entscheidung über die Übersetzung der Gebrauchsanweisung und der Etikettierung in eine oder mehrere Sprachen der [X.] zwar den Mitgliedstaaten überlassen. Dies gilt allerdings nur für solche In-vitro-Diagnostika, die nicht zur Eigenanwendung bestimmt sind. Nur für solche Produkte überlässt es Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie der Entscheidung der Mitgliedstaaten, ob sie die Bereitstellung der Angaben gemäß [X.] B Nr. 8 bei der Übergabe des Produkts an den Endanwender verlangen.

Für In-vitro-Diagnostika, die wie die von der [X.] parallelimportierten Teststreifen zur Eigenanwendung bestimmt sind, enthält [X.] B Nr. 8 Unterabsatz 6 der Richtlinie dagegen den (zwingenden) Vorbehalt, dass bei diesen Produkten die Gebrauchsanweisung und die Etikettierung eine Übersetzung in der Amtssprache des Mitgliedstaats, in dem der Endverbraucher das Produkt zur Eigenanwendung erhält, enthalten müssen. Dieser Regelung ist zu entnehmen, dass bei In-vitro-Diagnostika, die zur Eigenanwendung bestimmt sind, eine Übersetzung der Gebrauchsanweisung und der Etikettierung in der Amtssprache des Mitgliedstaats, in dem der Endverbraucher das Produkt zur Eigenanwendung erhält, schon zu den im Rahmen der Konformitätsbewertung zu überprüfenden Grundlegenden Anforderungen gehört. Eine solche Überprüfung setzt voraus, dass der Hersteller bei seinem Antrag auf Durchführung des Verfahrens nach [X.]V oder V der [X.], dem grundsätzlich die Angaben beizufügen sind, die auf der Kennzeichnung und in der Gebrauchsanweisung des Produkts anzubringen sind (vgl. [X.]II Nr. 6.1 i.V. mit [X.]V Nr. 3.2. Unterabsatz 2 lit. c, [X.]), auch angibt, in welchen Mitgliedstaaten Endverbraucher das Produkt zur Eigenanwendung erhalten sollen. Die Konformitätserklärung und die [X.] beziehen sich bei In-vitro-Diagnostika, die zur Eigenanwendung bestimmt sind, somit auch nur auf die Mitgliedstaaten, in deren Amtssprache die Gebrauchsanweisung und die Etikettierung entsprechend [X.] B Nr. 8 Unterabsatz 6 der [X.] abgefasst sind. Werden Etikettierung und Gebrauchsanweisung dahingehend geändert, dass weitere Übersetzungen in einer oder mehrere andere Amtssprachen hinzugefügt werden, liegt darin eine Änderung der Zweckbestimmung, die von der [X.] nicht mehr gedeckt ist. Der Vertrieb eines Produkts, auf das sich die mit der [X.] ausgewiesene Konformitätsbewertung nicht bezieht, verstößt gegen § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] (vgl. auch [X.] aaO § 3 [X.]. 11).

(2) Die Pflicht zur Vornahme einer erneuten [X.], wenn das zur Eigenanwendung bestimmte Produkt in der hier in Rede stehenden Art und Weise umgepackt wird, folgt aus dem Zweck des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, wie er mit der [X.] verfolgt wird, und ist daher mit der Regelung der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34, 36 AEUV zu vereinbaren.

Nach den Erwägungsgründen 1 bis 3, 6 und 7 soll die Richtlinie den freien Verkehr von In-vitro-Diagnostika im Binnenmarkt unter optimalen Sicherheitsbedingungen gewährleisten, indem sie die nationalen Vorschriften betreffend die Sicherheit, den Gesundheitsschutz und die Leistungsmerkmale sowie die Zulassungsverfahren durch harmonisierte Bedingungen ersetzt. Diesem Zweck dienen die Grundlegenden Anforderungen nach [X.], die die in den Mitgliedstaaten hergestellten In-vitro-Diagnostika erfüllen müssen (Erwägungsgrund 6 sowie Art. 3 und [X.]). Das Hauptziel der Richtlinie besteht folglich zwar darin, das Verfahren des Konformitätsnachweises für In-vitro-Diagnostika zu vereinfachen, um den freien Verkehr im Binnenmarkt so weit wie möglich zu gewährleisten. Es sollen aber auch Mindestanforderungen festgelegt werden, damit dies unter optimalen Sicherheitsbedingungen geschehen kann (Erwägungsgrund 3). Dem (Parallel-)Importeur dürfen demzufolge auch im Hinblick auf Art. 36 AEUV jedenfalls solche Pflichten auferlegt werden, deren Beachtung erforderlich ist, damit Produkte nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie keine Gefährdung für die Sicherheit und die Gesundheit darstellen (vgl. auch [X.], Urt. [X.] [X.]/04, [X.]. 2005, [X.] = NJW 2006, 204 [X.]. 45 - [X.], zu vergleichbaren Regelungen über einen Konformitätsnachweis nach der Richtlinie 98/37/[X.] zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für Maschinen). Die sich aus den Regelungen der Richtlinie ergebende Abwägung, dass Produkte zur Eigenanwendung in einem Mitgliedstaat auch von einem Parallelimporteur erst in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn Etikettierung und Gebrauchsanweisung nicht nur in der jeweiligen Amtssprache vorliegen, sondern auch vorab überprüft worden sind, weil dies zur Abwendung der besonderen Gefahren geboten ist, die mit der Eigenanwendung von In-vitro-Diagnostika für die Gesundheit der Endverbraucher verbunden sind, ist demnach entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts mit Art. 34, 36 AEUV vereinbar.

2. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist auch aus § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 [X.] begründet.

Da die Teststreifen im [X.] mit Zustimmung der Markeninhaberin in Verkehr gebracht worden sind, liegen zwar die Voraussetzungen für den Eintritt der Erschöpfung der Markenrechte nach § 24 Abs. 1 [X.] vor. Die Klägerin kann sich dem weiteren Vertrieb der umgepackten Teststreifen jedoch aus berechtigten Gründen [X.] von § 26 Abs. 2 [X.] widersetzen. Im [X.] liegt eine Veränderung der Ware [X.] von § 26 Abs. 2 [X.], da dadurch die Gefahr einer Beeinträchtigung des [X.] der Ware geschaffen wird (vgl. [X.], Urt. v. 26.4.2007 - [X.]/04, [X.]. 2007, [X.] = GRUR 2007, 586 [X.]. 19 = [X.], 627 - [X.]/[X.], zum Parallelimport von [X.]). Aus den oben dargelegten Gründen trägt die Geltendmachung der Markenrechte unter den hier gegebenen Umständen nicht zu einer künstlichen Abschottung der Märkte bei, weil die Beklagte auch nach dem [X.] das parallelimportierte Medizinprodukt ohne (erneute oder ergänzende) [X.] nicht in [X.] vertreiben darf. Dem Unterlassungsanspruch der Klägerin steht demnach die Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] nicht entgegen, nach der ein Parallelimporteur Veränderungen an der Ware vornehmen darf, wenn diese notwendig sind, um das betreffende Produkt im [X.] verkehrsfähig zu machen, der Originalzustand der Ware nicht berührt wird, der Ruf der Marke oder ihres Inhabers dadurch nicht beeinträchtigt wird und er den Markeninhaber vorab von dem Vertrieb der so veränderten Ware unterrichtet (vgl. [X.], Urt. v. 11.11.1997 - [X.]/95, [X.]. 1997, [X.] = GRUR Int. 1998, 145 [X.]. 27, 29 = [X.], 156 - Loendersloot/Ballantine; zum Vertrieb von Whisky; [X.] GRUR 2007, 586 [X.]. 21 - [X.]/[X.], m.w.N. zum Parallelimport von [X.]).

III. Auf die Revision der Klägerin ist das Berufungsurteil daher aufzuheben. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, ist der Klage auf die Berufung der Klägerin mit dem noch anhängigen Unterlassungsantrag stattzugeben. Der Unterlassungsantrag der Klägerin ist unter Berücksichtigung der Antragsbegründung ohne weiteres dahin auszulegen, dass der [X.] das Inverkehrbringen des umverpackten Produkts im Inland untersagt werden soll, wenn kein Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt worden ist, das sich auf die Änderungen erstreckt, die infolge des [X.] vorgenommen worden sind. Mit der Formulierung im Unterlassungsantrag, dass eine "ergänzende" Konformitätsbewertung durchzuführen ist, soll ersichtlich nur zum Ausdruck gebracht werden, dass sich die Konformitätsbewertung zumindest auch auf den [X.] beziehen muss. Dieser Antrag ist begründet, da der Vertrieb eines in der beanstandeten Weise umgepackten und hinsichtlich der beim [X.] beigefügten Gebrauchsanweisung und Etikettierung nicht in einem Konformitätsverfahren überprüften Produkts, wie dargelegt, gegen § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] verstößt. Der Vertrieb des umgepackten und nicht geprüften Produkts ist der [X.] daher zu untersagen. Nach allgemeinen Grundsätzen ist es Sache der [X.], die Voraussetzungen für einen zulässigen Vertrieb zu schaffen, wenn sie die Teststreifen weiter Parallelimportieren und in [X.] vertreiben will. Dem Unterlassungsantrag ist demnach in der beantragten Fassung unabhängig davon stattzugeben, ob eine "ergänzende", auf den [X.] beschränkte Konformitätsbewertung nach § 6 Abs. 2 [X.] möglich ist oder ob die Beklagte für das umgepackte Produkt gegebenenfalls ein erneutes vollständiges Konformitätsbewertungsverfahren durchführen lassen muss.

Eine Vorlage an den Gerichtshof der [X.] nach Art. 267 AEUV ist nicht geboten, weil die Fragen zur Auslegung der in Rede stehenden Bestimmungen der [X.] unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zweifelsfrei zu beantworten sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Bornkamm                                    Pokrant                                   Bergmann

                         [X.]

Meta

I ZR 185/07

12.05.2010

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 11. Oktober 2007, Az: 3 U 5/07, Urteil

§ 6 Abs 1 S 1 MPG, § 4 Nr 11 UWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.05.2010, Az. I ZR 185/07 (REWIS RS 2010, 6725)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6725

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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