Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15.01.2010, Az. VII B 199/09

7. Senat | REWIS RS 2010, 10360

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Mangel in der Vertretung infolge mündlicher Verhandlung nach Insolvenzeröffnung


Leitsatz

NV: Der Kläger ist nicht nach den Vorschriften des Gesetzes vertreten, wenn das FG eine mündliche Verhandlung mit ihm durchführt, obwohl am Tag der Verhandlung bereits das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet und ein Treuhänder bestimmt worden war .

Tatbestand

1

I. Mit Beschluss vom 3. Juli 2009 wurde über das Vermögen von [X.] das Insolvenzverfahren eröffnet. Zugleich ernannte das Amtsgericht den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) nach § 313 der Insolvenzordnung ([X.]) zum Treuhänder. [X.] war Geschäftsführer einer GmbH und wurde vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt) wegen rückständiger Umsatzsteuer der GmbH gemäß § 69 i.V.m. § 34 Abs. 1 der Abgabenordnung als Haftungsschuldner in Anspruch genommen. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Über die von [X.] erhobene Klage wurde am 9. Juli 2009 mündlich verhandelt. Aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung hat das Finanzgericht ([X.]) den angefochtenen Haftungsbescheid als rechtmäßig erachtet und die Klage als unbegründet abgewiesen.

2

Hiergegen hat der Kläger Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision erhoben. Zur Begründung macht er Verfahrensmängel geltend (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). [X.] habe das [X.] trotz der insolvenzbedingten Unterbrechung des Verfahrens (§ 240 der Zivilprozessordnung --ZPO-- i.V.m. § 155 [X.]O) mündlich verhandelt und in der [X.]ache eine Entscheidung getroffen. Zudem habe das [X.] den [X.]achverhalt unzureichend aufgeklärt. Aufgrund einer schweren Erkrankung und einer dadurch verursachten Geschäftsunfähigkeit sei [X.] nicht mehr in der Lage gewesen, die Aufgaben eines Geschäftsführers ordnungsgemäß wahrzunehmen. Deshalb sei er bereits vor dem Haftungszeitraum aus seinem Geschäftsführeramt entlassen worden. Hätte das [X.] diese Umstände näher aufgeklärt, wäre es zu einem anderen Ergebnis gekommen.

Entscheidungsgründe

3

II. Die Beschwerde ist begründet. Das erstinstanzliche Urteil kann aufgrund eines [X.][X.]. des § 119 Nr. 4 [X.]O keinen Bestand haben (§ 116 Abs. 6 [X.]O).

4

1. Der [X.]enat geht im Hinblick auf die Einlassung zur materiellen Rechtslage davon aus, dass der Kläger mit seinem Rechtsbegehren in seiner Eigenschaft als Treuhänder das nach § 240 ZPO unterbrochene Verfahren aufgenommen hat.

5

2. Im [X.]treitfall hat das [X.] nach Ladung des [X.] eine mündliche Verhandlung durchgeführt und danach die Klage abgewiesen, obwohl am Tag der mündlichen Verhandlung bereits ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des [X.] eröffnet worden war. Nach § 313 Abs. 1 [X.] ist bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Treuhänder bestimmt worden, der die Aufgaben des Insolvenzverwalters wahrnimmt. Damit ist dem [X.]chuldner die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen entzogen. Auch zur Prozessführung ist er nicht mehr befugt. Wegen der [X.] Gesetzes nach § 240 ZPO eingetretenen Unterbrechung des finanzgerichtlichen Verfahrens hätte am 9. Juli 2009 nicht verhandelt werden dürfen. Die Aufnahme des Verfahrens hatte der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch nicht erklärt, vielmehr war der [X.]chuldner persönlich erschienen und hatte die Prozessführung selbst wahrgenommen. Damit ist das erstinstanzliche Urteil ergangen, ohne dass der Kläger nach der Vorschrift des Gesetzes vertreten war (§ 119 Nr. 4 [X.]O). Dieser Verfahrensfehler stellt einen absoluten Revisionsgrund dar, der ohne weitere Prüfung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der [X.]ache an das [X.] führt (vgl. Urteil des [X.] vom 21. Juni 1995 [X.], Neue Juristische Wochenschrift 1995, 2563; Urteil des [X.] vom 19. [X.]eptember 1985 [X.], [X.] 1987, 515; [X.]enatsbeschluss vom 18. Januar 2000 [X.], [X.] 2000, 1101; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz 3).

Meta

VII B 199/09

15.01.2010

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 9. Juli 2009, Az: 9 K 9161/08, Urteil

§ 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 119 Nr 4 FGO, § 116 Abs 6 FGO, § 155 FGO, § 240 ZPO, § 313 Abs 1 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15.01.2010, Az. VII B 199/09 (REWIS RS 2010, 10360)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 10360

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I R 74/11 (Bundesfinanzhof)

(Klage des Insolvenzschuldners gegen einen Haftungsbescheid - Untätigkeitsklage)


X S 24/12 (Bundesfinanzhof)

Unterbrechung des Klageverfahrens durch Insolvenzeröffnung: keine Fortsetzung wegen widerspruchsloser Eintragung der angefochtenen Steuerforderung in die …


X B 134/12 (Bundesfinanzhof)

Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle beendet nicht die Unterbrechung eines finanzgerichtlichen Verfahrens über diese Forderung …


II R 34/10 (Bundesfinanzhof)

Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters bei Beendigung des Insolvenzverfahrens - Anordnung einer Nachtragsverteilung - Unterbrechung des die …


VIII R 21/16 (Bundesfinanzhof)

Aufnahme eines durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Einspruchsverfahrens


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.