Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.10.2008, Az. StB 13/08

3. Strafsenat | REWIS RS 2008, 1581

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[X.]BESCHLUSS __________ StB 12-15/08 vom 8. Oktober 2008 Nachschlagewerk: ja [X.]St: ja Veröffentlichung: ja [X.] § 101 Abs. 7 Zum Verfahren auf Gewährung von nachträglichem Rechtsschutz gemäß § 101 Abs. 7 [X.] gegen die Anordnung heimlicher Ermittlungsmaßnahmen und die Art und Weise ihres Vollzugs. [X.], Beschluss vom 8. Oktober 2008 - StB 12-15/08 - Ermittlungsrichter des [X.] in dem Ermittlungsverfahren gegen - 2 - wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung u. a.; hier: Beschwerden der [X.] GmbH u. a.

gegen die Anordnung sowie Art und Weise des Vollzugs eines Postbe-schlagnahmebeschlusses - 3 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat am 8. Oktober 2008 gemäß § 101 Abs. 7 Satz 4, § 304 Abs. 5 [X.] beschlossen: Die Sache wird an den 1. Strafsenat des [X.] abgegeben. Gründe: [X.] Der [X.] führt bzw. führte ein Ermittlungsverfahren ge-gen sieben Beschuldigte wegen des Verdachts der mitgliedschaftlichen [X.] an einer kriminellen Vereinigung ("militante gruppe"). Auf seinen Antrag erließ der Ermittlungsrichter des [X.] im Zuge dieses [X.] am 18. Mai 2007 einen [X.]beschluss nach §§ 99, 100 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 [X.], mit dem er für den Zeitraum vom 18. bis 22. Mai 2007 die Beschlagnahme durch bestimmte äußere Merkmale ge-kennzeichneter Briefe an vier [X.] Zeitungsverlage

im Briefzentrum 10 in [X.] anordnete. Auf diese Weise sollten etwaige [X.] zu einem am 18. Mai 2007 begangenen Brandanschlag vor deren Ausliefe-rung durch die [X.] sichergestellt und untersucht werden. Zwei Bekennerschreiben, gerichtet an zwei Zeitungen , auf die die im [X.] genannten äußeren Merkmale zutrafen, wurden auf diese Weise als Beweismittel gesichert. Mit Beschluss vom 31. Mai 2007 bestätigte der Ermittlungsrichter des [X.] deren [X.] - 4 - nahme. Eine Benachrichtigung der betroffenen Adressaten von der Anordnung und dem Vollzug der Maßnahme wurde aus [X.] zurückgestellt. Die Betroffenen haben hiervon Anfang November 2007 von dritter Seite [X.] erlangt. Ohne dass zwischenzeitlich eine Benachrichtigung nach § 101 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 [X.] vorgenommen worden war, haben die im Beschluss vom 18. Mai 2007 als mögliche Adressaten der Briefe benannten vier [X.] Zeitungsverlage mit Schriftsatz vom 28. Januar 2008 gegen die [X.] sowie hilfsweise gegen die Art und Weise des Vollzugs der Maß-nahme "Beschwerde" eingelegt; den Beschluss vom 31. Mai 2007 haben sie nicht angefochten. Der Ermittlungsrichter des [X.] hat das Rechtsmittel in einen Antrag nach § 101 Abs. 7 Satz 2 [X.] auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung der [X.] sowie der Art und Weise ihres Vollzuges umgedeutet. Hinsichtlich der Anordnung der Maßnahme hat er den Antrag mit Beschluss vom 5. Mai 2008 als unbegründet zurückge-wiesen. Dem hilfsweise gestellten Antrag hat er entsprochen. 2 Gegen die Zurückweisung ihres Antrags auf Feststellung der Rechtswid-rigkeit der richterlichen Anordnung der [X.] haben die [X.] am 8. Mai 2008 sofortige Beschwerde eingelegt und diese am 3. Juni 2008 begründet. Sie sind der Auffassung, bereits die ermittlungsrichterliche Anord-nung der [X.] sei im Hinblick auf die Pressefreiheit einschließ-lich des Informantenschutzes und des Redaktionsgeheimnisses unverhältnis-mäßig und damit verfassungswidrig gewesen. 3 Unter dem 21. Juni 2008 hat der [X.] gegen drei der sieben Beschuldigten Anklage zum 1. Strafsenat des [X.] erhoben. Im wesentlichen Ermittlungsergebnis der Anklageschrift sind die be-4 - 5 - schlagnahmten zwei Selbstbezichtigungsschreiben der "militanten gruppe" vom 18. Mai 2007 als Beweismittel benannt. Die Ermittlungsverfahren hinsichtlich der übrigen vier Beschuldigten sind abgetrennt worden und dauern an. I[X.] Die Sache ist an den 1. Strafsenat des [X.] ab-zugeben. Aufgrund der Anklageerhebung ist die Entscheidungszuständigkeit gemäß § 101 Abs. 7 Satz 4 [X.] auf das [X.] übergegangen. 5 1. Das Verfahren zur Gewährung von nachträglichem Rechtsschutz ge-gen die [X.] richtet sich nach § 101 Abs. 7 [X.]. Diese [X.] beinhaltet insoweit eine spezielle Regelung für alle dort benannten heim-lichen Ermittlungsmaßnahmen, die die allgemeinen Rechtsbehelfe verdrängt. Der Ermittlungsrichter hat daher die "Beschwerde" zu Recht in den allein statt-haften Antrag nach § 101 Abs. 7 Satz 2 [X.] umgedeutet (§ 300 [X.]). 6 Dass es sich bei § 101 [X.] um eine abschließende Sonderregelung handelt, deren Absatz 7 - jedenfalls für bereits beendete Maßnahmen - den Rechtsbehelf der Beschwerde sowie den von der Rechtsprechung entwickelten Rechtsschutz entsprechend § 98 Abs. 2 [X.] verdrängt, ergibt sich neben dem Grundsatz des lex specialis insbesondere aus der Systematik des § 101 [X.]. Stünde den Betroffenen neben dem Verfahren des nachträglichen Rechts-schutzes nach § 101 Abs. 7 [X.] das bisherige Rechtsbehelfssystem parallel zur Verfügung, so liefe die gesetzliche Bestimmung einer Antragsfrist von zwei Wochen nach Benachrichtigung von der Maßnahme (§ 101 Abs. 7 Satz 2 [X.]) sowie die Ausgestaltung des [X.] als sofortige Beschwerde (§ 101 Abs. 7 Satz 3 [X.]) leer (kritisch aber Glaser/[X.] GA 2007, 415, 7 - 6 - 434). Die Befristung des Rechtsbehelfs war vom Gesetzgeber im Hinblick auf die Löschungsregelung in § 101 Abs. 8 [X.] jedoch ausdrücklich für notwendig erachtet worden, da ein unbefristeter Rechtsbehelf einer Löschung dauerhaft entgegenstünde (BTDrucks. 16/5846 [X.] letzter Absatz; kritisch hierzu Puschke/[X.] 2008, 113, 116; [X.] [X.] 2008, 7, 10; vgl. auch [X.], 456, 463). Insbesondere handelt es sich bei dem Rechtsmittel nach § 101 Abs. 7 Satz 2 [X.] nicht um einen Auffangtatbestand, der nur dann Anwendung [X.], wenn das Rechtsschutzbedürfnis - auch nach den Maßstäben der Rechts-sprechung zu dessen Fortbestehen bei schwer wiegenden Grundrechtseingrif-fen ([X.] NJW 1997, 2163; [X.]St 44, 265) - mit Erledigung der Maßnahme entfallen ist ([X.], [X.] 51. Aufl. § 101 [X.]. 26; [X.], [X.] der [X.] 6. Aufl. [X.]. 2499, 2535; Löffelmann ZIS 2006, 87, 97; [X.]. in: AnwK-[X.] § 100 d [X.]. 10; unklar [X.]. [X.] 118 (2006) 358, 368). Denn die Funktion und praktische Bedeutung des § 101 Abs. 7 Satz 2 [X.] erschöpfen sich nicht allein darin, dem Betroffenen den Nachweis eines [X.] [X.] im Einzelfall zu ersparen (dahingehend Puschke/[X.] 2008, 113, 116; [X.] StraFo 2008, 15, 23; Löffel-mann aaO), sondern zielen insgesamt darauf ab, ein "harmonisches Gesamt-system" der strafprozessualen heimlichen Ermittlungsmaßnahmen (BTDrucks. 16/5846 [X.]) und des Rechtsschutzes gegen diese zu schaffen. Aufgrund des klaren Wortlauts und Zwecks der gesetzlichen Neuregelung können die [X.] missverständlichen Formulierungen in der Gesetzesbegründung, die auf ei-nen nicht fristgebundenen parallelen Rechtsschutz entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 [X.] hindeuten (BTDrucks. 16/5846 [X.]), für die Gesetzesauslegung keine maßgebliche Bedeutung gewinnen. Andernfalls wären wiederum erhebli-che Abgrenzungsprobleme zu gewärtigen. 8 - 7 - 2. Mit Erhebung der Anklage durch den [X.] ist die [X.] für die Entscheidung über den Antrag nach § 101 Abs. 7 Satz 4 [X.] auf den 1. Strafsenat des [X.]s übergegangen. 9 Nach der - insoweit eindeutigen - Gesetzesbegründung (BTDrucks. 16/5846 [X.]) soll für Anträge auf nachträglichen Rechtsschutz in Fällen, in denen bereits Anklage erhoben wurde, aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Effizienz die ausschließliche Entscheidungszuständigkeit des nunmehr mit der Sache befassten erkennenden Gerichts begründet sein. Auch wenn eine Ent-scheidung des Anordnungs- bzw. Beschwerdegerichts über die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Maßnahme sowie der Art und Weise ihres Vollzuges keine Entscheidung über die Verwertbarkeit der hierdurch gewonnenen Beweismittel beinhaltet ([X.] NStZ-RR 2006, 44, 45; [X.] in [X.]. § 101 [X.]. 35; [X.], 456, 463) und für das im Hauptverfahren erken-nende Gericht auch nicht präjudizierend ist (BTDrucks. 16/5846 [X.]; [X.] aaO § 101 [X.]. 25; [X.] aaO § 101 [X.]. 35; [X.] aaO [X.]. 2535), soll der Gefahr divergierender Entscheidungen dadurch begegnet wer-den, dass dieses über den Antrag nach § 101 Abs. 7 Satz 2 [X.] in der das Verfahren abschließenden Entscheidung einheitlich befindet. 10 Dies kann, wenn bereits vor Anklageerhebung um nachträglichen Rechtsschutz nach § 101 Abs. 7 Satz 2 [X.] nachgesucht worden ist, zu ei-nem Übergang der gerichtlichen Entscheidungszuständigkeit auf das [X.] führen (BTDrucks. 16/5846 [X.]; [X.] aaO § 101 [X.]. 25). Der dem § 162 [X.] zu entnehmende allgemeine Rechtsgedanke, dass mit Anklageerhebung jedwede Kompetenz des Ermittlungsrichters beendet ist und diese auf das erkennende Gericht übergeht ([X.] NStZ-RR 2006, 44, 45; [X.] in [X.][X.], [X.] 26. Aufl. § 162 [X.]. 52, 52 a; Griesbaum 11 - 8 - in [X.]. § 162 [X.]. 20), hat in § 101 Abs. 7 Satz 4 [X.] eine [X.] Konkretisierung erfahren. a) Dem Übergang der Zuständigkeit steht hier nicht entgegen, dass die nachträgliche Überprüfung der Maßnahme nicht von einem Beschuldigten oder Angeklagten, sondern als Drittbetroffenen von den Zeitungsverlagen begehrt wird, an die die Briefe adressiert waren, die der Anordnung nach § 99 [X.] unterworfen worden sind. Ausweislich der amtlichen Begründung war im [X.] zunächst erwogen worden, die Zuständigkeitsregelung des § 101 Abs. 7 Satz 4 [X.] auf die Fälle zu beschränken, in denen der An-geklagte um nachträglichen Rechtsschutz ersucht. Aus Gründen einer effizien-ten Verfahrensweise sowie zur Vermeidung divergierender Entscheidungen zwischen Anordnungs- oder Beschwerdegericht einerseits und erkennendem bzw. Rechtsmittelgericht andererseits soll die durch den [X.] bedingte Zuständigkeitskonzentration bei dem erkennenden Gericht [X.] auch für diese Konstellation gelten (BTDrucks. 16/5846 [X.]; ebenso [X.] aaO [X.]. 2499; kritisch [X.] aaO [X.]. 37). 12 b) Dass bislang nur gegen drei der ursprünglich sieben Beschuldigten Anklage erhoben worden ist und das Ermittlungsverfahren gegen die weiteren vier Beschuldigten noch andauert, steht dem Übergang der Zuständigkeit auf das erkennende Gericht ebenfalls nicht entgegen. Denn die Gefahr divergie-render Entscheidungen stellt sich, sobald das erkennende Gericht - als Vorfra-ge im Rahmen der eventuellen Prüfung eines Verwertungsverbotes - inzident auch zur Rechtmäßigkeit der Anordnung und Vollziehung der Maßnahme Stel-lung bezieht. Da die Bekennerschreiben

in dem Verfahren vor dem 1. Strafsenat des [X.]s als Be-weismittel eine Rolle spielen können, hat sich die Gefahr divergierender Ent-scheidungen hier im Übrigen sogar konkretisiert. 13 - 9 - c) Letztlich wird der [X.] auch nicht dadurch gehindert, dass der Antrag nach § 101 Abs. 7 Satz 2 [X.] sowie die sofortige Beschwer-de nach § 101 Abs. 7 Satz 3 [X.] bereits vor Anklageerhebung angebracht worden waren; denn mit dem Wegfall der Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des [X.] ist auch diejenige des Senats als Beschwerdegericht (§ 135 Abs. 2 [X.], § 304 Abs. 5 [X.]) entfallen ([X.]St 27, 253). Der dem § 101 Abs. 7 Satz 4 [X.] zugrunde liegende Rechtsgedanke, divergierende Entscheidungen verschiedener Gerichte zu vermeiden, gilt auch in dieser [X.] (vgl. [X.]St 27, 253, 254). Daher hat nunmehr das erken-nende Gericht zu entscheiden (siehe auch [X.] NStZ-RR 2006, 44, 45; [X.] aaO § 162 [X.]. 19). 14 [X.] Miebach Sost-Scheible

Meta

StB 13/08

08.10.2008

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.10.2008, Az. StB 13/08 (REWIS RS 2008, 1581)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 1581

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