Bundessozialgericht, Beschluss vom 17.05.2022, Az. B 2 U 91/21 B

2. Senat | REWIS RS 2022, 3135

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Gegenstand

(Sozialgerichtliches Verfahren - unzulässige Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - nicht ordnungsgemäße Bezeichnung gem § 160a Abs 2 S 3 SGG - gerügte Begründungsmängel (§ 128 Abs 1 S 2, § 136 Abs 1 SGG))


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 26. April 2021 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten in dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit darüber, ob weitere Unfallfolgen anzuerkennen sind und ob die Klägerin Anspruch auf Gewährung von Verletztengeld und Verletztenrente hat.

2

Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt als Betreuerin in einer Außenwohngruppe für seelisch und geistig behinderte Menschen beschäftigt. Während der Ausübung ihrer Tätigkeit griff ein Bewohner der Wohngruppe die Klägerin an und verletzte sie. Die Beklagte erkannte ua nach Einholung zweier Gutachten auf chirurgischem/orthopädischem und neurologischem/psychologischem Fachgebiet und einer beratungsärztlichen Stellungnahme als Folgen des Unfalls einzelne körperliche Gesundheitsschäden und eine bis zu sechs Wochen anhaltende depressive Reaktion in Form einer leichtgradigen Anpassungsstörung an. [X.] Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit stellte die Beklagte für die Dauer von etwa fünf Wochen fest; die Gewährung von Verletztenrente lehnte sie ab.

3

Das [X.] hat die dagegen gerichtete Klage nach Einholung eines von der Klägerin beantragten Gutachtens auf psychiatrischem Fachgebiet abgewiesen (Gerichtsbescheid vom [X.]). Das L[X.] hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom [X.]). Weitere Unfallfolgen, insbesondere auf psychiatrischem Fachgebiet, seien nicht anzuerkennen. In der Folge bestehe auch kein Anspruch auf Verletztengeld und Verletztenrente.

4

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des L[X.] rügt die Klägerin das Vorliegen von [X.].

5

II. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil sie den geltend gemachten Zulassungsgrund des Vorliegens von [X.] nicht ordnungsgemäß bezeichnet hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G).

6

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] 3 Halbsatz 1 [X.]G), so müssen bei der Bezeichnung des [X.] zunächst die diesen vermeintlich begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des L[X.] ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] 3 Halbsatz 2 [X.]G kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G und auf eine Verletzung des § 103 [X.]G nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das L[X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht gerecht.

7

1. Die Beschwerdebegründung rügt zunächst Verstöße gegen die Grundsätze der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 117 [X.]G, dazu unter a), der Amtsermittlungspflicht (§ 103 [X.]G, dazu unter b), des Anspruchs auf rechtliches Gehör (dazu unter c) und der freien Beweiswürdigung (dazu unter d). Das L[X.] habe den Unfallhergang nicht so, wie er von der Klägerin zuletzt im Berufungsverfahren geschildert worden sei, berücksichtigt. Es habe sich fehlerhaft auf die Darstellungen in der Unfallanzeige des Arbeitgebers der Klägerin und in den im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten gestützt. Aus diesen ließen sich daher keine Rückschlüsse auf die psychischen Folgen und das Vorliegen einer [X.] ziehen. Die Ausführungen des L[X.] stünden auch in Widerspruch zu den Feststellungen im gerichtlich eingeholten Gutachten über das Vorhandensein von Schuldgefühlen und über die Diagnose einer dauerhaften psychischen Erkrankung der Klägerin. Nicht beachtet worden sei, dass die Klägerin sich in psychologischer Behandlung befinde. Zur Feststellung des Ausmaßes der der Klägerin widerfahrenen körperlichen Gewalt und Drohungen hätten Augenzeugen zur Verfügung gestanden.

8

Zwar kann der Beschwerdebegründung diesbezüglich insgesamt eine gerade noch hinreichende Darlegung der die gerügten Verfahrensmängel begründenden Tatsachen entnommen werden. Denn dem Erfordernis des "Bezeichnens" iS des § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G wird nur dann genügt, wenn die den Verfahrensmangel begründenden Tatsachen im Zusammenhang mit dem Verfahrensgang dargetan und einer rechtlichen Wertung unterzogen werden (B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] U 197/21 B - juris Rd[X.] 10; B[X.] Beschluss vom 21.12.2021 - B 9 SB 55/21 B - juris Rd[X.] 5 mwN; B[X.] Beschluss vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - [X.] 1500 § 160a [X.] 14 S 21 f, juris Rd[X.] 3). Erforderlich ist die zusammenhängende, vollständige und aus sich heraus verständliche Darlegung des Streitgegenstands, der Verfahrens- und Prozessgeschichte sowie des vom L[X.] festgestellten Sachverhalts und damit der Umstände, die möglicherweise zu einem entscheidungsrelevanten Verfahrensfehler geführt haben (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - B 9 SB 64/20 B - juris Rd[X.] 9 mwN).

9

a) Soweit die Klägerin einen Verfahrensfehler wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme rügt, berührt der von ihr bezeichnete Sachverhalt diesen Grundsatz nicht. Nach § 117 [X.]G erhebt das Gericht Beweis in der mündlichen Verhandlung, soweit die Beweiserhebung nicht einen besonderen Termin erfordert.

Mit dieser Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme soll sichergestellt werden, dass diejenigen [X.], die im Rahmen ihrer freien Beweiswürdigung (§ 128 [X.]G) über einen Rechtsstreit entscheiden, auch einen persönlichen Eindruck von den der Entscheidung zugrunde liegenden Tatsachen und [X.] haben. Das Ergebnis einer früheren Beweisaufnahme kann durch Heranziehung der Niederschrift verwertet werden. Das Gericht darf dann aber bei der Beweiswürdigung nur das verwerten, was auf der Wahrnehmung aller an der Entscheidung beteiligten [X.] beruht oder aktenkundig ist und wozu sich die Beteiligten äußern konnten. Dies gilt auch dann, wenn das Gericht den persönlichen Eindruck von einem Zeugen zur Beurteilung von dessen Glaubwürdigkeit heranziehen will. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung und der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme erfordern auch in diesem Fall, dass sich alle die Entscheidung treffenden [X.] einen persönlichen Eindruck von dem Zeugen gemacht haben, wenn sie ihre Entscheidung darauf stützen. Dies gilt nur dann nicht, wenn der persönliche Eindruck, welchen die [X.] in einer früheren mündlichen Verhandlung von einem Zeugen gewonnen haben, protokolliert oder auf sonstige Weise aktenkundig gemacht worden ist und sich die Beteiligten dazu erklären konnten (B[X.] Beschluss vom 7.9.2004 - [X.] U 2/04 B - juris Rd[X.] 9; B[X.] Beschluss vom 17.8.2006 - B 12 KR 79/05 B - juris Rd[X.] 7 mwN; B[X.] Urteil vom 15.8.2002 - B 7 AL 66/01 R - [X.] 3-1500 § 128 [X.] 15 S 32, juris Rd[X.] 14).

Auch wenn Beteiligte im sozialgerichtlichen Verfahren nicht förmlich als [X.] vernommen werden können (vgl § 118 Abs 1 [X.]G, der nicht auf § 445 ZPO verweist), kann dennoch in Bezug auf ihre Person gegen § 117 [X.]G verstoßen werden. Denn die für Zeugen maßgeblichen Grundsätze gelten für die Befragung von Verfahrensbeteiligten entsprechend (B[X.] Beschluss vom 24.2.2004 - [X.] U 316/03 B - [X.] 4-1500 § 117 [X.] 1 Rd[X.] 5, juris Rd[X.] 7 f mwN). Die Klägerin legt einen Sachverhalt, der einen Verstoß gegen § 117 [X.]G im vorbezeichneten Sinn begründen könnte, nicht dar. Sie sieht einen Verfahrensmangel vielmehr insgesamt in einer unzureichenden Sachverhaltsaufklärung (dazu unter b) und in einer fehlerhaften Beweiswürdigung (dazu unter d) begründet. Soweit sie hierfür auch auf § 355 ZPO verweist, entspricht dem § 117 [X.]G. Im Übrigen wäre für einen Verstoß gegen § 117 [X.]G bezogen auf die Einvernahme der Klägerin oder von Zeugen vorliegend ein Rügeverlust (§ 202 Satz 1 [X.]G iVm § 556 und § 295 ZPO) eingetreten. § 556 ZPO iVm § 295 ZPO sind gemäß § 202 Satz 1 [X.]G auch im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbar (vgl B[X.] Beschluss vom 30.12.1987 - 5a [X.] - B[X.] [X.] 1500 § 160a [X.] 61 S 84, juris Rd[X.] 5; B[X.] Urteil vom 25.10.1956 - 6 [X.] 2/56 - B[X.]E 4, 60, 64). Gemäß § 556 ZPO kann die Verletzung einer das Verfahren der Berufungsinstanz betreffenden Vorschrift in der Revisionsinstanz nicht mehr gerügt werden, wenn die [X.] das [X.] bereits in der Berufungsinstanz nach der Vorschrift des § 295 ZPO verloren hat. § 295 Abs 1 ZPO bestimmt diesbezüglich, dass die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozesshandlung betreffenden Vorschrift nicht mehr gerügt werden kann, wenn die [X.] auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet, oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die aufgrund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat oder in der darauf Bezug genommen ist, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste. Da die Klägerin anführt, bereits in der [X.] darauf hingewiesen zu haben, dass ihre Schilderung des Unfallhergangs berücksichtigt werden müsse, hätte sie vor Erlass des Urteils des L[X.] in der mündlichen Verhandlung am [X.] eine entsprechende Befragung ihrer Person oder die Vernehmung von Zeugen beantragen können. Dass sie dies getan hat, trägt sie nicht vor, ist aber auch dem Protokoll des L[X.] nicht zu entnehmen.

b) Die Rüge einer mangelhaften Sachaufklärung (§ 103 [X.]G) kann bereits aus dem Grund keinen Erfolg haben, weil die Klägerin keinen Beweisantrag bezeichnet, dem das L[X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Soweit sie anführt, eines Beweisantrages hätte es nicht bedurft, steht dieser Ansicht bereits der eindeutige Wortlaut von § 160a Abs 2 [X.] 3 Halbsatz 2 [X.]G entgegen.

c) Auch einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 [X.]G) bezeichnet die Beschwerdebegründung nicht. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs gebietet, dass eine gerichtliche Entscheidung nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten (§ 128 Abs 2 [X.]G). Dem Gebot ist indes Genüge getan, wenn die Beteiligten die maßgeblichen Tatsachen erfahren und ausreichend Gelegenheit haben, sachgemäße Erklärungen innerhalb einer angemessenen Frist vorzubringen (stRspr; zB B[X.] Beschluss vom 16.3.2022 - [X.] U 164/21 B - juris Rd[X.] 19; B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] R 40/16 B - juris Rd[X.] 9; [X.] Beschluss vom 29.5.1991 - 1 BvR 1383/90 - [X.]E 84, 188, juris Rd[X.] 7). Einen Sachverhalt, der einen Verstoß gegen diese Grundsätze begründen könnte, legt die Klägerin nicht dar. Sie wendet sich mit ihrem Vortrag, ihr Vorbringen aus der Berufungsbegründung sei nicht berücksichtigt worden, gegen die Beweiswürdigung des L[X.] (§ 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G). Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet jedoch nur, dass Beteiligte mit ihrem Vortrag "gehört", nicht jedoch "erhört" werden. Die Gerichte werden durch Art 103 Abs 1 GG nicht dazu verpflichtet, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (B[X.] Beschluss vom 3.3.2022 - B 9 V 37/21 B - juris Rd[X.] 12 mwN; [X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvR 2933/13 - juris Rd[X.] 12 f mwN).

d) Die Klägerin wendet sich mit ihrem Vorbringen im [X.] gegen die Beweiswürdigung des L[X.] (§ 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G). Sie sieht einen Verfahrensmangel in der Heranziehung von aus ihrer Sicht unvollständigen Unterlagen begründet, obwohl dem Gericht eine Unfallschilderung durch die Klägerin vorgelegen habe. Ferner habe das L[X.] die Feststellungen des gerichtlichen Gutachtens sowie die Tatsache der fortdauernden psychiatrischen Behandlung nicht hinreichend berücksichtigt. Mit diesem Vortrag rügt die Klägerin die Beweiswürdigung des L[X.], auf die eine Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 [X.] 3 Halbsatz 2 [X.]G). Soweit die Klägerin vorträgt, dass L[X.] habe ihr die Führung des [X.] (§ 118 Abs 1 [X.]G iVm § 415 Abs 2 ZPO) verwehrt und daher gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung verstoßen, legt sie unabhängig davon nicht substantiiert dar, auf welche Art und Weise sie versucht hat, den Gegenbeweis zu führen, und in welchem Vorgehen des L[X.] die Ablehnung des Beweisantritts liegen soll.

2. Die Klägerin sieht eine fehlerhafte Sachverhaltsaufklärung (§ 103 [X.]G) auch darin begründet, dass sich das L[X.] auf die zwei im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten und auf eine beratungsärztliche Stellungnahme gestützt habe, obwohl diese sämtlich den tatsächlichen Unfallhergang nicht ausreichend wiedergäben und wesentliche Unterlagen nicht beigezogen hätten. Zwar hätte sich das gerichtlich eingeholte Gutachten mit dem tatsächlichen Unfallhergang beschäftigt und auch das Vorliegen einer psychischen Erkrankung bejaht. Jedoch sei auch dieses Gutachten unvollständig in Bezug auf die Abgrenzung von Anpassungsstörung und [X.]. Mit diesem Vortrag wird die Beschwerdebegründung erneut den Anforderungen an eine Verfahrensrüge nicht gerecht. Wie dargelegt ist zur Rüge eines Verstoßes gegen § 103 [X.]G die Darlegung eines Beweisantrages nötig, dem das L[X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 [X.] 3 Halbsatz 2 [X.]G). Entsprechenden Vortrag enthält die Beschwerdebegründung nicht. Zwar legt sie zutreffend dar, dass Gerichte zu weiterer Beweiserhebung verpflichtet sein können, wenn vorhandene Gutachten etwa grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten. Dies ergibt sich aus § 118 Abs 1 Satz 1 [X.]G iVm § 412 Abs 1 ZPO, wonach das Gericht eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen kann, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet. Relevanz erlangt § 118 Abs 1 Satz 1 [X.]G iVm § 412 Abs 1 ZPO allerdings erst bei der Frage, ob ein Gericht einem Beweisantrag "ohne hinreichende Begründung" nicht gefolgt ist. Ein Beweisantrag wird hierdurch aber nicht entbehrlich (§ 160 Abs 2 [X.] 3 Halbsatz 2 [X.]G).

3. Die Beschwerdebegründung rügt ferner [X.] (§ 128 Abs 1 Satz 2, § 136 Abs 1 [X.] 6 [X.]G), weil das L[X.] sich nicht mit der Frage auseinandersetze, warum die zwei Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren und die beratungsärztliche Stellungnahme einen höheren Beweiswert haben sollten als die Unfallschilderung der Klägerin selbst sowie die zahlreichen hausärztlichen und fachärztlichen Stellungnahmen der behandelnden Ärzte der Klägerin oder auch das gerichtliche Gutachten. Ein Begründungsmangel liege auch darin, dass sich das L[X.] bei der Erörterung möglicher unfallunabhängiger Ursachen der psychischen Beschwerden nicht mit der Theorie der wesentlichen Bedingung auseinandergesetzt habe. Das L[X.] hätte sich intensiv damit auseinandersetzen müssen, warum es diesbezüglich dem nervenärztlichen sowie dem psychiatrischen Gutachten nicht folge und seine Entscheidung stattdessen auf ein fachfremdes fachchirurgisches Gutachten stütze.

Mit diesem Vortrag genügt die Klägerin nicht den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung der den gerügten Mangel begründenden Tatsachen. Das Revisionsgericht muss sich allein anhand der Beschwerdebegründung ein Urteil darüber bilden können, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann. Das Beschwerdegericht soll dadurch in die Lage versetzt werden, sich bereits anhand der Beschwerdebegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die geltend gemachten Tatsachen - ihre Richtigkeit unterstellt - es als möglich erscheinen lassen, dass die Entscheidung darauf beruhe. Der Verfahrensmangel muss also in der Beschwerdeschrift schlüssig bezeichnet werden; dies ist nur dann der Fall, wenn die Tatsachen, die den Mangel ergeben sollen, im Einzelnen genau bezeichnet sind. Es ist dagegen nicht Aufgabe des [X.], sich die erforderlichen Tatsachen aus dem Urteil und erst recht nicht aus den Verfahrensakten herauszusuchen (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - B 9 SB 64/20 B - juris Rd[X.] 9; B[X.] Beschluss vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - [X.] 1500 § 160a [X.] 14 S 21, juris Rd[X.] 3). Bereits an der Mitteilung dieser Tatsachengrundlage fehlt es.

Auch sind nach § 128 Abs 1 Satz 2 [X.]G und § 136 Abs 1 [X.] 6 [X.]G im Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Aus den Entscheidungsgründen muss ersichtlich sein, auf welchen Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Entscheidung beruht. Das Gericht muss aber nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, ausdrücklich abhandeln (stRspr; vgl zB B[X.] Beschluss vom 1.12.2020 - B 12 KR 48/20 B - juris Rd[X.] 9 mwN; [X.] Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - juris Rd[X.] 11). Auch braucht es nicht zu Fragen Stellung nehmen, auf die es nach seiner Auffassung nicht ankommt. An Entscheidungsgründen fehlt es auch nicht schon dann, wenn die Gründe sachlich unvollständig, unzureichend, unrichtig oder sonst rechtsfehlerhaft sind (B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] R 7/21 B - juris Rd[X.] 11 mwN).

Für die Heranziehung von Verwaltungsgutachten gilt, dass diese auch alleinige Entscheidungsgrundlage sein können. Dies setzt allerdings voraus, dass das Gutachten in Form und Inhalt den (Mindest-)Anforderungen entspricht, die an ein wissenschaftlich begründetes Sachverständigengutachten zu stellen sind, was das [X.] bei der Angabe der Gründe, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (§ 128 Abs 1 Satz 2 [X.]G), zu erörtern und festzustellen hat. Ferner muss das L[X.] im Rahmen des § 128 Abs 1 Satz 2 [X.]G erkennen lassen, dass es das Verwaltungsgutachten gerade nicht als Sachverständigengutachten verwertet hat und ihm die Besonderheiten des [X.] (§ 118 Abs 1 Satz 1 [X.]G iVm § 415 ZPO) bewusst gewesen sind (B[X.] Urteil vom [X.] - B 2 U 25/17 R - B[X.]E 128, 78 = [X.] 4-2700 § 200 [X.] 5, Rd[X.] 14; B[X.] Beschluss vom 6.10.2020 - [X.] U 94/20 B - juris Rd[X.] 10). Dass es hieran in Bezug auf das angegriffene Berufungsurteil fehlen könnte, wird in der Beschwerdebegründung nicht hinreichend dargetan. Dabei ist hinsichtlich der Anforderungen an den Inhalt der Entscheidungsgründe auch zu beachten, dass der nach § 160 Abs 2 [X.] 3 Halbsatz 2 [X.]G geltende Ausschluss einer Rüge der Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G) nicht durch die Berufung auf vermeintliche andere Verfahrensmängel umgangen werden kann. So verhält es sich hier. Die Klägerin wendet sich mit ihrem Vortrag gegen das Ergebnis der Beweiswürdigung, auf die eine Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 [X.] 3 Halbsatz 2 [X.]G).

Dass die Klägerin das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann dagegen nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] U 197/21 B - juris Rd[X.] 8; B[X.] Beschluss vom 25.5.2020 - B 9 V 3/20 B - juris Rd[X.] 6; B[X.] Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] 22 Rd[X.] 4).

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

5. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung ehrenamtlicher [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 [X.]G).

6. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 [X.]G.

                [X.]                Karl

Meta

B 2 U 91/21 B

17.05.2022

Bundessozialgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: U

vorgehend SG Magdeburg, 21. Oktober 2019, Az: S 46 U 143/16, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG, § 128 Abs 1 S 2 SGG, § 136 Abs 1 Nr 6 SGG, § 118 SGG, § 415 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 17.05.2022, Az. B 2 U 91/21 B (REWIS RS 2022, 3135)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3135

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1 BvR 2446/09

1 BvR 2933/13

2 U 25/17

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