Bundespatentgericht, Beschluss vom 02.08.2016, Az. 27 W (pat) 25/16

27. Senat | REWIS RS 2016, 7251

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "FRUTTA PUR/Fructa" - zur Kennzeichnungskraft – zur rechtserhaltenden Benutzung - Warenidentität – keine Verwechslungsgefahr – Kostenentscheidung – keine Rückzahlung der Beschwerdegebühr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 043 864.9

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] im schriftlichen Verfahren am  2. August 2016 durch die Vorsitzende Richterin [X.], den Richter [X.] und die Richterin kraft Auftrags Seyfarth

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke

2

[X.] PUR

3

ist am 9. Juli 2008 angemeldet und am 10. Februar 2009 unter der Nummer 30 2008 043 864 als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für die Waren

4

Klasse 29: Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; tiefgefrorenes, konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtmus; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette.

5

Klasse 30: Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, [X.], Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate einschließlich Zerealienriegel; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Pralinen mit und ohne Füllung sowie alle übrigen Schokoladewaren, Bonbons, Fruchtgummi, Kaugummi (ausgenommen für medizinische Zwecke) und andere Zuckerwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver, Salz, Senf, Essig, Saucen (Würzmittel), Gewürze, Kühleis.

6

Klasse 32: Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; [X.] und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken

7

eingetragen worden. Die [X.] erfolgte am 13. März 2009.

8

Gegen diese Marke hat die Widersprechende aus der am 13. Oktober 1992 für die Waren

9

(ungruppiert) Alkoholfreie Getränke, nämlich Mineral- und/oder kohlensäurehaltige Wässer, Fruchtsäfte, Fruchtsaftgetränke, [X.], [X.], [X.], [X.], Bitter- und Colagetränke, Gemüsesäfte und andere unter Verwendung von Gemüse hergestellte alkoholfreie Getränke;, frisches, getrocknetes, eingemachtes und konserviertes Obst; Marmeladen, Konfitüren, [X.]; [X.], [X.], Cremes aus Früchten oder Gemüse als Brotaufstrich; Gemüsekonzentrate, Fruchtessig, Tee; sämtliche Waren auch als diätetische Erzeugnisse für medizinische und nichtmedizinische Zwecke

eingetragenen Wortmarke 2 022 181

[X.]

am 10. Juni 2009 Widerspruch erhoben.

Die Markeninhaberin hat im patentamtlichen Verfahren mit [X.] vom 14. Dezember 2009 die Einrede der Nichtbenutzung erhoben. Die Widersprechende erklärte daraufhin, für den Vergleich sei auf Seiten der Widersprechenden nur noch auf die Waren „Fruchtsäfte, [X.] und [X.]“ sowie auf Seiten der jüngeren Marke nur noch auf „alkoholfreie Getränke, [X.] und Fruchtsäfte“ abzustellen.

Mit Beschluss vom 5. April 2012 hat die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 29 des [X.] den Widerspruch nach §§ 43 Abs. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] mangels Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Ausgehend von einer kennzeichnungsschwachen Widerspruchsmarke sowie von teils hochgradig ähnlichen bis identischen Waren genüge ein mittlerer Abstand zwischen den Zeichen, um eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zu verhindern. Diesen Abstand halte die jüngere Marke ein. Der Gesamteindruck der jüngeren Marke werde nicht durch „[X.]“ geprägt, so dass sich die [X.] durch das Wort „pur“ in der jüngeren Marke deutlich voneinander unterschieden. Eine Entscheidung über die Benutzungslage könne daher dahingestellt bleiben.

Die dagegen eingelegte Erinnerung hat die Markenstelle für Klasse 29 mit Erinnerungsbeschluss vom 29. Januar 2014 zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, der Widerspruch sei bereits deshalb nicht begründet, weil die Benutzung der Widerspruchsmarke in den beiden relevanten [X.]räumen nicht glaubhaft gemacht worden sei. Die [X.] erstrecke sich mangels Differenzierung auf beide Benutzungszeiträume des § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 [X.]. Da die am 13. Oktober 1992 eingetragene Widerspruchsmarke zum [X.]punkt der [X.] der Eintragung der angegriffenen Marke am 13. März 2009 bereits fünf Jahre eingetragen war, habe die Widersprechende nach § 43 Abs. 1 Satz 1 [X.] eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für den [X.]raum innerhalb der letzten fünf Jahre vor der [X.] der Eintragung der Marke, gegen die sich der Widerspruch richtet, glaubhaft zu machen, nämlich für die [X.] von März 2004 bis März 2009. Zudem bedürfe es der Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung für die letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch, § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.], mithin für den [X.]raum von Januar 2009 bis Januar 2014. Der Vortrag und die zur Glaubhaftmachung vorgelegten Unterlagen - die eidesstattliche Versicherung, die [X.] und die Rechnungen - bezögen sich auf die Jahre 2006 bis 2008 und damit allenfalls auf den gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 [X.] relevanten [X.]raum 2004 bis 2009. Für die Folgejahre fehlten jeder substantiierte Vortrag und jede Glaubhaftmachung. Die Erinnerungsprüferin sei nicht verpflichtet gewesen, auf diesen Mangel hinzuweisen. Somit sei das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr nach §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 [X.] mangels berücksichtigungsfähiger Waren nicht zu prüfen gewesen (§ 43 Abs. 1 Satz 3 [X.]).

Hiergegen richtet sich die am 19. Februar 2014 erhobene Beschwerde der Widersprechenden.

Zur Begründung führt sie aus, die rechtserhaltende Benutzung für den [X.]raum nach § 43 Abs. 1 Satz 1 [X.] sei im Verfahren vor dem [X.] ausreichend glaubhaft gemacht worden. Dass die dem [X.] vorgelegte eidesstattliche Versicherung vom 19. Mai 2010 ursprünglich „zur Vorlage an das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt der [X.]“ gedacht gewesen sei, sei nicht entscheidungserheblich. Zur Vervollständigung hat die Beschwerdeführerin eine an das [X.] adressierte, im Übrigen wortgleiche neue eidesstattliche Versicherung vom 17. Februar 2015 vorgelegt. Für den [X.]raum nach § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] hat sie eine weitere eidesstattliche Versicherung vom 12. März 2015 sowie Rechnungskopien aus den Jahren 2011 bis 2013 eingereicht. Diese belegten, dass die Widerspruchsmarke durchgehend bis zum [X.] für in [X.] hergestellten und in [X.] durch [X.] vertriebenen Multivitaminnektar benutzt worden sei. Die Glaubhaftmachung der Benutzung im Beschwerdeverfahren sei nicht verspätet, da die Glaubhaftmachung keiner gesetzlichen Ausschlussfrist unterliege. Zur Verwechslungsgefahr trägt die Beschwerdeführerin vor, die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke spiele nur im Rahmen der Zeichenähnlichkeit eine Rolle, so dass bei identischen Waren ein maximaler Abstand erforderlich sei, den die jüngere Marke nicht einhalte. Da „[X.]“ eine glatt beschreibende Angabe sei, werde die Marke durch den Bestandteil „[X.]“ nicht nur geprägt, sondern „[X.]“ sei das alleinige markenmäßige Element der Wortkombination „[X.] [X.]“. Es stünden sich also die hochgradig ähnlichen Wörter „[X.]“ und „[X.]“ gegenüber.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr sei nach § 71 Abs. 3 [X.] veranlasst. Unter Beachtung der Verfahrensökonomie hätte die Erinnerungsprüferin die Sache materiell entscheiden müssen. Das Beschwerdeverfahren sei nur deshalb erforderlich geworden, weil die Erinnerungsprüferin eine Entscheidung zur Verwechslungsgefahr vermieden habe, obwohl es absehbar gewesen sei, dass der Widersprechenden die Glaubhaftmachung der Benutzung gelingen würde.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß

1. die Beschlüsse des [X.]es,  Markenstelle für Klasse 29, vom 5. April 2012 und vom 29. Januar 2014 aufzuheben und die Löschung der Marke 30 2008 043 864 anzuordnen.

2. Die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke für den [X.]raum 2009 bis 2014 im Beschwerdeverfahren sei als verspätet im Sinne des § 296 Abs. 2 ZPO einzuordnen. Dieses verspätete Vorbringen verstoße gegen den [X.] und berücksichtige nicht hinreichend die Prozessförderungspflicht gemäß §§ 282, 296 ZPO. Weiterhin wird vorgetragen, es bestehe keine Verwechslungsgefahr zwischen „[X.] PUR“ und „[X.]“. Es sei bei der jüngeren Marke auf den Gesamtbegriff „[X.] PUR abzustellen, nur dieser werde vom Verbraucher erfasst. Eine Verkürzung auf „[X.]“ sei nicht vertretbar. Unabhängig davon, ob der Bestandteil „pur“ beschreibend sei, sei er in jeden Falle geeignet, zu besonderen Identifizierung der Gesamtmarke beizutragen. Selbst wenn man nur auf den Bestandteil „[X.]“ abstellen wolle, sei mit der Rechsprechung des [X.] zu FRUUTA/[X.] ([X.] 26 W (pat) 83/08) eine Verwechslungsgefahr zu verneinen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Da die Beschwerdeführerin den Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen hat und der Senat eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet, kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden (§ 69 [X.]).

1.

Die nach § 66 [X.] zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg.

Zwischen den sich gegenüberstehenden Marken kann keine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr im Sinne von §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] festgestellt werden.

Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach der Rechtsprechung sowohl des [X.] als auch des [X.] unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (vgl. z. B. [X.] [X.] 2013, 923, Nr. 34 – [X.]; [X.], 1098, Nr. 44 - [X.]/[X.]; [X.], 933, Nr. 32 - [X.]; [X.] 2015, 176, Nr. 9 – [X.]/[X.]; [X.] 2014, 488, Nr. 9 – [X.]/[X.]; [X.] 2013, 833 Rn. 30 - Culinaria/[X.]). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von diesen erfassten Waren und/oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (st. Rspr., z. B. [X.] 2015, 176, Nr. 9 – [X.]/[X.]; [X.] 2014, 488, Nr. 9 – [X.]/[X.]; [X.] 2014, 382, Nr. 14 – [X.]).

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat mit [X.] vom 14. Dezember 2009 im Widerspruchsverfahren vor dem [X.] die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten, ohne Satz 1 oder 2 des § 43 Abs. 1 [X.] zu benennen, so dass die Einrede beide [X.]räume umfasst ([X.]/[X.], [X.], § 43 Rdnr. 26 m. w. N).

Die Einrede der Benutzung ist jeweils zulässig, nachdem die fünfjährige Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke, die mit ihrer Eintragung am 30. Oktober 1992 zu laufen begonnen hat, vor der [X.] der Eintragung der angegriffenen Marke am 13. März 2009 endete (§ 43 Abs. 1 S. 1 und 2 [X.]).

Der Widersprechenden oblag es daher, glaubhaft zu machen, dass die Widerspruchsmarke innerhalb von fünf Jahren vor der [X.] der Eintragung der angegriffenen Marke, d. h. vom 13. März 2004 bis 13. März 2009 (§ 43 Abs. 1 Satz 1 [X.]) sowie innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch im Beschwerdeverfahren, also von 2. August 2011 bis 2. August 2016 (§ 43 Abs. 1 Satz 2 [X.]) gemäß § 26 [X.] benutzt worden ist.

Eine Marke wird ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion – die Ursprungsidentität der Waren, für die sie eingetragen ist, zu garantieren – benutzt wird, um für diese Waren einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern ([X.] [X.] 2003, 425 Rdnr. 38 - [X.]/[X.]; [X.] 2013, 725 Rdnr. 38 - [X.]). Nach der [X.] Spruchpraxis erfordert eine ernsthaft Benutzung, dass die Marke „tatsächlich, stetig und mit stabilem Erscheinungsbild auf dem Markt präsent ist“ ([X.] a. a. O. – [X.]/[X.] [[X.]]). Dabei ist die Ernsthaftigkeit der Benutzung  einer Marke anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände zu beurteilen, durch die die wirtschaftliche Verwertung der Marke im Geschäftsverkehr belegt werden kann. Dazu rechnen insbesondere der Umfang und die Häufigkeit der Benutzung (vgl. [X.], [X.] 2008, 343 Rdnr. 72 = [X.], 1322 - [X.]/[X.] [[X.]]; [X.], [X.], 729 Rdnr. 15 - [X.]; [X.] 2012, 832 Rdnr. 49 - [X.]). Die Frage, ob eine Benutzung mengenmäßig hinreichend ist, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder hinzuzugewinnen, hängt somit von mehreren Faktoren und einer Einzelfallbeurteilung ab (vgl. [X.] a. a. O. - [X.]/[X.] [[X.]]; [X.] a. a. O. - [X.]).

Nach diesen Kriterien reichen der Vortrag der Widersprechenden und die vorgelegten Unterlagen - eidesstattliche Versicherung, die  [X.] und die Rechnungen - aus, um eine rechtserhaltende Benutzung glaubhaft zu machen. Die Vorlage von Glaubhaftmachungsunterlagen im Beschwerdeverfahren ist nicht verspätet im Sinne des § 296 Abs. 2 ZPO, da dadurch keine Verzögerung des Verfahrens eingetreten ist. Dies sowie die Beurteilung der vorgelegten Unterlagen bedarf jedoch im Einzelnen keiner weiteren Ausführungen, da selbst bei Bejahung der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke für die Waren „Fruchtsäfte, [X.] und [X.]“ keine Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] vorliegt.

Im patentamtlichen Verfahren hat die Widersprechende vorgetragen, es komme bei der angefochtenen Marke nur auf die Waren „alkoholfreie Getränke, [X.] und Fruchtsäfte“ an. Unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung, in der die Beschwerdeführerin nur auf das Zusammentreffen der  Waren „[X.] und Fruchtsäfte“ auf Seite der jüngeren Marke sowie „Fruchtsäfte und Nektare mit Frucht und Gemüse“ auf Seiten der Widerspruchsmarke abstellt, ist davon auszugehen, dass sich der Widerspruch nur noch gegen die Waren „[X.] und Fruchtsäfte“ richtet und sich nur noch auf die Waren „Fruchtsäfte und Nektare mit Frucht und Gemüse“ stützt. Zwischen diesen sich nunmehr gegenüber stehenden Waren liegt Identität vor.

Mit den beanspruchten Waren wird das breite Publikum angesprochen. Auch bei Produkten des täglichen Bedarfs kann nicht mehr nur auf den unkritischen Abnehmer abgestellt werden ([X.] 2000, 506, 508 – [X.]/[X.]). Da die Ernährung und damit die Qualität der Lebensmittel auch beim Durchschnittsverbraucher eine immer größere Rolle spielt, ist von einem zumindest normalen Aufmerksamkeitsgrad auszugehen.

Die Widerspruchsmarke weist eine geringe Kennzeichnungskraft auf, weshalb sie nur einen engen Schutzumfang beanspruchen kann. Der Begriff „[X.]“ (= lateinisch für „Frucht“) erschließt sich im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen auch für den inländischen Durchschnittsverbraucher ohne weiteres als Name mit beschreibenden Bezug zu der Ware „Fruchtsaft“. Wie die Erstprüferin bereits ausgeführt hat, liegt es wegen der engen klanglichen und schriftbildlichen Nähe des [X.] „Fruct“ nahe, in dem Wort „[X.]“ eine Anlehnung an das Wort „Frucht“ zu sehen, vor allem dann, wenn damit Getränke bezeichnet werden, die aus Früchten hergestellt sind. Tatsachen, die eine nachträgliche Steigerung der Kennzeichnungskraft begründen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Bei dieser Ausgangslage (Identität der Waren, aber verminderte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke) reicht der vorliegende Abstand zwischen den [X.] aus, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen.

Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist grundsätzlich vom jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen (vgl. z. B. [X.] 2014, 382, Nr. 14 - [X.]; [X.] 2013, 833, Nr. 30 - Culinaria/[X.]). Dabei ist von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen. Die Frage der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit in Klang, (Schrift)-Bild und Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (vgl. [X.] [X.] 2006, 413, Nr. 19 - [X.]/SIR; [X.] 2005, 1042, Nr. 28 - THOMSON LIFE; [X.] 2015, 1009, Nr. 24 - [X.]; [X.], 235 Nr. 15 - [X.]/[X.]). Dabei genügt für die Annahme einer Verwechslungsgefahr regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Wahrnehmungsrichtung (st. Rspr. vgl. z. B. [X.] 2015, 1009, Nr. 24 - [X.]; [X.] 2014, 382, Nr. 25 - [X.]; [X.], 235, Nr. 18 - [X.]/[X.]; [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 9 Rn. 254 m. w. N.).

Nach ständiger Rechsprechung spielt die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke - nicht nur im Rahmen der Zeichenähnlichkeit eine Rolle, sondern ist einer von drei miteinander in Wechselwirkung stehenden Faktoren zur Beurteilung der Verwechslungsgefahr ([X.] 2013, 833 , 835, (Nr. 30) - Culinaria/[X.]; [X.] 2012, 1040, 1042 (Nr. 25) - pjure/pure). In ihrer Gesamtheit stehen sich die Begriffe „[X.]“ und „[X.] [X.]“ gegenüber. Sie unterscheiden sich in dem Wort „[X.]“ ausreichend voneinander. Eine Verwechslungsgefahr käme allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Prägung in Betracht, wenn die angegriffene Marke durch den Bestandteil „[X.]“ geprägt würde, und sich nur noch die Worte „[X.]“ und „[X.]“ gegenüber stünden. [X.] ist das [X.] Wort für „Obst“, „frutto“ bedeutet „die Frucht“. Gibt man in [X.] das Wort „[X.]“ ein, erhält man unter „Bilder zu [X.]“ Abbildungen von den verschiedensten Obstsorten. Die Recherche zeigt auch, dass „[X.]“ im Zusammenhang mit Obst und Lebensmitteln beschreibend oder auch markenmäßig, aber mit einem deutlich beschreibenden Bezug verwendet wird. Dieser beschreibende Anklang wird sich in Zusammenhang mit den hier beanspruchten Waren auch dem inländischen Verkehr ohne weitere Gedankenschritte erschließen. Das Wort „[X.]“ ist nicht nur eine beschreibende Ergänzung der Marke „[X.]“, sondern der darin steckenden Bedeutung, so dass es sich zu einem einheitlichen Begriff verbindet („reine Früchte“ bzw. „nur Früchte“). Es ist daher davon auszugehen, dass „[X.]“ jedenfalls nicht in der Weise in den Hintergrund tritt, dass es für den Gesamteindruck vernachlässigt werden würde.

Anhaltspunkte für eine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Serienzeichenbildung oder sonstigen gedanklichen Inverbindungbringens sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

2.

Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 3 [X.] ist nicht veranlasst.

Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen ist nach ständiger Rechtsprechung nur in den Fällen anzuordnen, in denen es aufgrund der besonderen Umstände unbillig wäre, die Beschwerdegebühr einzuhalten ([X.]E 22,29). Auf den Ausgang des Beschwerdeverfahrens kommt es dabei nicht entscheidend an. Vielmehr entspricht es dem Sinn der Regelung, die Rückzahlung der Gebühr unabhängig von dem Ausgang des Verfahrens anzuordnen, wenn der Beschwerdeführer durch eine gesetzwidrige oder unangemessene Sachbehandlung oder durch einen offensichtlichen Fehler des Patentamts genötigt worden ist, Beschwerde einzulegen und die Beschwerdegebühr zu entrichten, also in den Fällen, in denen die Beschwerde bei einwandfreier Behandlung der Sache nicht unbedingt erforderlich gewesen wäre. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Die Inhaberin der jüngeren Marke hatte bereits vor der Entscheidung durch die Erstprüferin pauschal die Einrede der Nichtbenutzung erhoben, so dass der [X.]raum nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 [X.] mit umfasst ist. Die Einrede betrifft somit einen sich verändernden Benutzungszeitraum. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der Glaubhaftmachung der Benutzung auch für den „mitwandernden“ [X.]raum. Dies hat die Widersprechende von sich aus laufend zu berücksichtigen. Das [X.] war nicht veranlasst, die Widersprechende auf die erforderliche Vorlage weiterer Unterlagen hinzuweisen. Da die Ausgestaltung des Benutzungszwangs im Widerspruchsverfahren dem [X.] und [X.] unterstellt ist (vgl. [X.] 1998, 938, 939 - [X.]), obliegt es der Widersprechenden, alle zur rechtlichen Beurteilung erforderlichen tatsächlichen Umstände (insbesondere die Verwendung der Marke nach Art, [X.] und Umfang) darzulegen und glaubhaft zu machen (vgl. [X.] [X.] 2000, 900 - [X.]/Neuro-Vibolex).

Da die Unterlagen für den [X.]raum nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 [X.] nicht vorlagen, konnten sie von der Erinnerungsprüferin bei ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt werden. Es gab keine Anhaltspunkte, aus denen man darauf hätte schließen müssen, dass eine Benutzung nicht nur in den Jahre 2004 bis 2009, sondern auch 2009 bis 2014 erfolgt sei.

Da die Erinnerungsprüferin die Benutzung der Widerspruchsmarke nicht für ausreichend hielt, konnte sie auch die Frage der Ähnlichkeit der [X.] nicht entscheiden, da sie der Entscheidung keine Waren zugrundelegen konnte (§ 43 Abs. 1 S. 3 [X.]). Insofern ist auch kein Verstoß gegen die Verfahrensökonomie erkennbar.

Für eine Bestätigung des Vorwurfs, das [X.] habe den [X.]punkt für die Entscheidung bewusst so gewählt, dass es letztlich an der Benutzung scheitern musste, gibt es keinerlei Anhaltspunkte.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim

Meta

27 W (pat) 25/16

02.08.2016

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 02.08.2016, Az. 27 W (pat) 25/16 (REWIS RS 2016, 7251)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 7251

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