Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.11.2018, Az. 4 StR 353/18

4. Strafsenat | REWIS RS 2018, 2065

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Gegenstand

Entscheidung über einen Adhäsionsantrag im Strafurteil: Reichweite eines Schuldanerkenntnisses bei teilweiser Verfahrenseinstellung


Tenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 24. April 2018 wird als unbegründet verworfen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dadurch im Adhäsionsverfahren entstandenen Kosten und notwendigen Auslagen des Adhäsionsklägers zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betrugs in 97 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und hiervon drei Monate für vollstreckt erklärt. Zudem hat es die Einziehung eines Betrags in Höhe von 67.145 Euro als Wertersatz angeordnet und den Angeklagten verurteilt, an den Adhäsionskläger 335.000 Euro nebst Zinsen zu zahlen.

2

1. Das auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Rechtsmittel des Angeklagten hat aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 20. August 2018 zum Schuld- und Rechtsfolgenausspruch keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 [X.]).

3

2. Auch die Verurteilung des Angeklagten zur Zahlung von Schadensersatz „gemäß seinem wirksamen prozessualen Anerkenntnis“ hält rechtlicher Nachprüfung stand, obwohl „der dem Anerkenntnis zugrunde liegende Schaden (…) zum Teil auf den gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 [X.] vorläufig eingestellten Taten des Angeklagten (…) beruht“ und „der Angeklagte insoweit nicht im Sinne des § 406 Abs. 1 Satz 1 [X.] schuldig gesprochen“ wurde.

4

a) Dem liegt folgendes Geschehen zugrunde:

5

Unter Bezugnahme auf die vom [X.] zugelassene und zunächst vor diesem verhandelte Anklageschrift der Staatsanwaltschaft beantragte der Adhäsionskläger, den Angeklagten zur Zahlung von 335.000 Euro, die der Angeklagte im Zeitraum von August 2008 bis Januar 2013 betrügerisch von ihm erlangt habe, nebst Zinsen zu verurteilen. In der Hauptverhandlung vom 5. August 2014 erkannte der Angeklagte den Anspruch an. Im Mai 2015 verwies das Amtsgericht die Sache an das [X.] Münster. Dieses stellte das Verfahren im April 2018 gemäß § 154 Abs. 2 [X.] hinsichtlich der vor dem 21. Juli 2011 liegenden Betrugstaten ein. Die der strafrechtlichen Verurteilung zugrunde liegenden 97 Betrugstaten betreffen Zahlungen des Adhäsionsklägers im Zeitraum vom 21. Juli 2011 bis zum 24. Januar 2013 in Höhe von 67.145 Euro. Nach den Urteilsfeststellungen erschlich sich der Angeklagte auch die weiter gehenden Zahlungen in dem von der Verfahrenseinstellung umfassten Zeitraum jeweils durch Täuschung des Adhäsionsklägers.

6

b) Der Verurteilung des Angeklagten zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 335.000 Euro nebst Zinsen gemäß seinem Anerkenntnis steht nicht entgegen, dass das [X.] den Angeklagten – abweichend von § 406 Abs. 1 Satz 1 [X.] – nicht wegen sämtlicher Straftaten schuldig gesprochen hat, die der Adhäsionsentscheidung zugrunde liegen. Die Teileinstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 [X.] schränkte die durch § 406 Abs. 2 [X.] angeordnete Verpflichtung des [X.]s nicht ein, den Angeklagten gemäß seinem zuvor erklärten Anerkenntnis zu verurteilen.

7

aa) Nach § 406 Abs. 2 [X.] ist der Angeklagte gemäß dem Anerkenntnis zu verurteilen, wenn er den vom Antragsteller gegen ihn geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise anerkennt. Diese Vorschrift ist gegenüber § 406 Abs. 1 Satz 1 [X.] die speziellere Regelung. Weder mit ihrem Zweck noch dem Dispositionsrecht des Angeklagten ist es zu vereinbaren, seine Verurteilung gemäß dem Anerkenntnis davon abhängig zu machen, dass der Tatrichter – abweichend vom zivilverfahrensrechtlichen Prüfungsmaßstab (§ 307 ZPO; vgl. dazu [X.], Beschluss vom 10. November 2009 – [X.], NJW-RR 2010, 275 Rn. 15) – den dem anerkannten Anspruch zugrunde liegenden strafrechtlichen Sachverhalt (§ 264 [X.]) weiter aufklärt oder den Angeklagten entweder schuldig spricht oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung unterwirft (vgl. BT-Drucks. 15/1976, S. 17; [X.], Beschlüsse vom 9. Oktober 2013 – 4 StR 364/13, NStZ-RR 2014, 371 Rn. 16; vom 15. Januar 2014 – 4 StR 432/13, Rn. 4; vom 21. Januar 2014 – 2 [X.], Rn. 12 f.; [X.], Urteil vom 23. März 2011 – 34 Js 5355/10, NStZ-RR 2011, 383; Schneckenberger in [X.]/[X.], Handbuch des [X.], 2. Aufl., Rn. 163; [X.], Beschluss vom 9. Juli 2014 – 2 [X.] 3 Ss 198/13, Rn. 12; [X.]/[X.], 4. Aufl., § 406 Rn. 11; [X.], Das Adhäsionsverfahren nach dem [X.] 2004, 2008, [X.] f.; vgl. [X.], Das Adhäsionsverfahren nach der Neuregelung durch das [X.], 2007, [X.]). Gegenüber einem Anerkenntnis des Angeklagten – als Ausdruck der Parteiautonomie und der im Zivilprozess geltenden Dispositionsmaxime – kommt der strafrechtlichen Bewertung in der Regel keine Bedeutung zu (vgl. BT-Drucks. 15/1976, [X.] und 17; [X.], Beschluss vom 21. Januar 2014 – 2 [X.], Rn. 12 mwN; Schneckenberger in [X.]/[X.], Handbuch des [X.], 2. Aufl., Rn. 163). Jedenfalls wenn – wie hier – die Gefahr widersprüchlicher zivil- und strafrechtlicher Entscheidungen nicht besteht, bedarf es auch mit Blick auf § 406a Abs. 3 [X.] keiner einschränkenden Auslegung des § 406 Abs. 2 [X.] (vgl. [X.], Beschlüsse vom 15. Januar 2014 – 4 StR 532/13, Rn. 4; vom 21. Januar 2014 – 2 [X.], Rn. 13; [X.]/[X.], 26. Aufl., § 406 Rn. 33; offen lassend [X.]/[X.], [X.], 61. Aufl., § 406 Rn. 4).

8

bb) Da die Parteien über den sachlich-rechtlichen Anspruch, nicht aber über die Prozessvoraussetzungen disponieren können, hat das Gericht bei einem Anerkenntnis des Adhäsionsanspruchs zu prüfen, ob die Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen (vgl. [X.], Beschluss vom 10. November 2009 – [X.], NJW-RR 2010, 275 Rn. 15; [X.]/Feskorn, ZPO, 32. Aufl., § 307 Rn. 5). Gegen die Zulässigkeit des [X.] zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses – und damit gegen eine Verurteilung gemäß dem Anerkenntnis im Sinne des § 406 Abs. 2 [X.] – bestehen hier keine Bedenken.

Sost-Scheible     

      

Roggenbuck     

      

Cierniak

      

Bender     

      

Feilcke     

      

Meta

4 StR 353/18

07.11.2018

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Münster, 24. April 2018, Az: 21 KLs 3/18

§ 154 Abs 2 StPO, § 406 Abs 1 StPO, § 406 Abs 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.11.2018, Az. 4 StR 353/18 (REWIS RS 2018, 2065)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 2065

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Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 166/21

Zitiert

4 StR 364/13

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