Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.06.2021, Az. 30 W (pat) 17/18

30. Senat | REWIS RS 2021, 5112

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "LOVELAS" –  zur Parteifähigkeit – bösgläubige Markenanmeldung – irreführender Nachahmungswettbewerb


Tenor

In der Beschwerdesache


hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 10. Juni 2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker sowie der Richterin [X.] und des [X.] [X.] beschlossen:

[X.] Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des [X.] vom 15. März 2018 aufgehoben.

I[X.] Die Löschung der Marke 30 2014 006 988 wird angeordnet.

II[X.] Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke [X.] wurde am 08. Oktober 2014 angemeldet. Die Anmeldung erfolgte elektronisch über [X.]direkt und wurde digital signiert. Am 16. Dezember 2014 hat das [X.] ([X.]) die Marke auf den Namen der Anmelderin für die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen in das beim [X.] geführte Register eingetragen:

2

„Klasse 03: Mittel zur Körper- und Schönheitspflege

3

Klasse 05: Nahrungsergänzungsmittel; pharmazeutische Erzeugnisse, Vitaminpräparate; medizinische Präparate und Artikel

4

Klasse 35: Werbung“.

5

Mit am 28. Dezember 2016 beim [X.] eingegangenem Schriftsatz hat der Antragsteller beantragt, die Marke wegen Nichtigkeit gemäß §§ 54, 50 Abs. 1 [X.] (a.F.) zu löschen. Im Löschungsantrag sind als [X.] § 8 Abs. 2 Nr. 1-3, 4-9, 10 [X.] angekreuzt.

6

In seinem Löschungsantrag hat der Antragsteller die Existenz der Anmelderin bestritten. Sie sei weder eine natürliche noch eine juristische Person, noch eine Personengesellschaft mit der Fähigkeit, Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen zu können. Der Name werde vielmehr von Hintermännern genutzt, um „unterschiedliche Handlungen“ durchzuführen und wertlose Urkunden in den Verkehr zu bringen.

7

Der Antragsteller hat seine Behauptung u.a. darauf gestützt, dass der Vorname in verschiedenen Dokumenten in zwei Schreibweisen mit „y“ und „i“ auftauche. Zudem seien die jeweiligen Unterschriften absolut identisch und ersichtlich mit einem Computerprogramm erzeugt worden.

8

Der Löschungsantrag ist der Antragsgegnerin durch Schreiben an die im Register genannten Verfahrensbevollmächtigten am 01. Februar 2017 zugestellt worden. Die Antragsgegnerin hat durch Schriftsatz ihrer neuen Verfahrensbevollmächtigten dem Löschungsantrag mit am 31. März 2017 beim [X.] eingegangenem Schriftsatz widersprochen.

9

Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, die [X.] gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1- 3, 4-9 und Nr. 10 [X.] a.F. lägen nicht vor. Insbesondere sei keine Bösgläubigkeit anzunehmen. Vielmehr habe der Antragsteller am 09. Januar 2017 seinerseits eine Marke „[X.] F" in den [X.] 5, 3, 35 angemeldet. Damit sei offensichtlich, dass der Antragsteller das Löschungsverfahren zu eigenen [X.]zwecken nutze.

Zudem sei die Behauptung falsch, dass die Anmelderin nicht existiere. Bei Namen osteuropäischen Ursprungs sei es keine Seltenheit, dass Namen unterschiedlich, z.B. mit „y“ oder mit „i“ transkribiert würden.

Mit Beschluss vom 15. März 2018 hat die Markenabteilung 3.4 den Antrag auf Löschung der Wortmarke [X.] zurückgewiesen.

[X.] 3.4 hat den Löschungsantrag für zulässig gehalten. Insbesondere hat sie es für zulässig erachtet, das auf die [X.] des § 8 Abs. 2 Nr. 1-10 [X.] gestützte Begehren auf den [X.] nach § 7 [X.] zu erweitern, weil sich die Antragsgegnerin auf den Vortrag des Antragstellers zu § 7 [X.] eingelassen habe.

Der Löschungsantrag sei jedoch unbegründet. [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 1-10 [X.] seien nicht erkennbar. Der Antragsteller habe dahingehend auch nichts vorgetragen.

Auch der [X.] der fehlenden Markenrechtsfähigkeit nach § 7 [X.] liege nicht vor. Es sei nicht mit der für eine Löschung notwendigen Sicherheit feststellbar, dass die Anmelderin nicht existiere. Lediglich [X.] könne die unterschiedliche Schreibweise des Vornamens mit „y“ und „i“ dafür sprechen, dass es sich um einen Fantasienamen handele. Es sei aber ebenso möglich, dass die abweichende Schreibweise auf einer unterschiedlichen Transkription des [X.] Vornamens beruhe, wie die Antragsgegnerin dargelegt habe.

Nicht überzeugen könne auch die Argumentation, dass die Unterschrift immer identisch sei und deshalb von einem Computerprogramm erzeugt worden sein müsse. Zum einen seien die Unterschriften nicht identisch. Dass der Nachname in verschiedenen vom Antragsteller vorgelegten Dokumenten in sehr ähnlicher Schreibweise erscheine, entspreche der Funktion einer Unterschrift. Denn eine Unterschrift solle garantieren, dass immer dieselbe Person dahinterstehe.

Daher bestünden keine ernsthaften Zweifel an der Existenz der Anmelderin. Selbst wenn der Sachverhalt sich nicht zweifelsfrei aufklären ließe, gingen verbleibende Zweifel zulasten des Antragstellers.

Da keine begründeten Zweifel an der Existenz der Anmelderin bestünden, sei auch die Übertragung der Marke nicht zu beanstanden. Zudem sei jedenfalls im [X.]punkt der Entscheidung über die Löschung eine juristische Person Markeninhaberin gemäß § 7 [X.], weswegen kein Schutzhindernis vorliege.

[X.] hat die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller auferlegt. Er habe mit dem Löschungsantrag sorgfaltswidrig versucht, sein aussichtsloses oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechendes Löschungsbegehren durchzusetzen. Seine Behauptung, die Anmelderin und ursprüngliche Markeninhaberin existiere nicht, habe er nicht belegt. Zudem habe er als [X.] § 8 [X.] angegeben, diesen [X.] jedoch nicht begründet.

Gegen den Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, die dem [X.] am 12. April 2018 zugegangen ist.

Er macht zum einen wie im Amtsverfahren geltend, die Anmelderin existiere nicht. Dahinter stehe eine andere Person, die im Schatten bleiben wolle und in [X.] wohnhaft sei. Das ergebe sich aus mindestens zwei Schreiben, die von dem Urheber der Unterschrift an den Antragsteller vermeintlich aus [X.], tatsächlich aber aus [X.] geschrieben worden seien. Anmeldung und Eintragung seien somit widerrechtlich erfolgt.

Zudem habe die Antragsgegnerin rechtsmissbräuchlich gehandelt. Es gehe ihr um den Vertrieb einer Fälschung. Es gebe in [X.] einen Hersteller für Potenzmittel, der seine Produkte prominent bewerbe, wobei diese Werbung auch
russisch-sprachige Verkehrskreise in [X.] erreiche. Im [X.]raum von 2010 bis 2014 habe dieser [X.] Hersteller auf dem [X.] Markt ein Mittel namens „[X.]“ eingeführt, 2014 ein weiteres Produkt unter dem Namen „[X.]“. Ab 2015 sei „[X.]“ die „erste Marke“ geworden und der Vertrieb von „[X.]“ eingestellt worden.

2013/2014 habe die Firma [X.] mit dem Vertrieb der Nachahmung des Produktes der [X.] Firma in [X.] begonnen. Die Firma [X.] habe auch versucht, eine Marke „[X.]“ in [X.] anzumelden. Der Antragsteller habe den Vertrieb von „[X.]“ in [X.] gerichtlich verbieten lassen .

Bei der Geschäftsführerin der Firma [X.] und der hiesigen Anmelderin handele es sich um dieselbe Person bzw. dieselben Hintermänner. Für die Eintragung eines Geschäftsführers in das [X.] Handelsregister sei lediglich die Vorlage eines amtlichen Ausweises erforderlich. Es sei also dem [X.]n Handelsregister ein Pass auf den Namen vorgelegt worden. Dieser Pass habe gestohlen oder gekauft sein können, da die Person selbst nicht vorstellig zu werden brauche.

Hinzu komme, dass ihn die Urheber der Unterschrift unter dem Briefkopf der Firma [X.] angeschrieben und abgemahnt hätten. Der Antragsteller hat hierzu Kopien von zwei Schreiben der Firma [X.] zur Akte gereicht, von denen das Schreiben vom 9. September 2015 mit „[X.] “ und das Schreiben vom 18. September 2015 mit „[X.]Geschäftsleitung“ unterschrieben ist. Die Unterschrift „[X.] “ sei offensichtlich von einem Computer hergestellt. Die Unterschriften stimmten vollständig überein. Das sei aber bei Unterschriften von Menschen nicht der Fall. Hier gebe es immer zumindest geringfügige Abweichungen.

Nachdem die Firma [X.] vergeblich versucht habe, eine Marke „[X.]“ anzumelden und der Antragsteller den Vertrieb gerichtlich habe verbieten lassen, hätten die Urheber der Unterschrift „[X.] “ zwei neue Firmen gegründet. Eine mit Sitz in [X.] und eine mit Sitz in [X.]. Dieses Tandem habe sich zum Ziel gesetzt, eine neue Fälschung, und zwar „[X.]“ zu vertreiben. Das vertriebene Produkt sei eine exakte Kopie des in [X.] vertriebenen Produkts.

Zum Nachweis hat der Beschwerdeführer Fotos zweier Produktpackungen vorgelegt, die das [X.] Originalprodukt (links) und die Nachahmung zeigen.

Abbildung

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Er, der Beschwerdeführer, habe den Vertrieb von [X.] beiden Firmen gerichtlich verbieten lassen. Zunächst sei durch Beschluss des [X.] vom 6. Februar 2017 der Vertrieb von [X.] verboten worden. Bereits zuvor habe das O[X.] im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens befunden, dass der Vertrieb von [X.] wettbewerbswidrig und irreführend sei, weil das Produkt eine Kopie des in [X.] hergestellten und vertriebenen Produktes darstelle.

Die Anmeldung der Marke [X.] im Jahr 2014 diene dazu, den Ruf des [X.] Originalprodukts „[X.]“ auszubeuten, den Verbrauchern einen falschen Produktinhalt zu suggerieren, die Wettbewerber in [X.] vom Markt zu verdrängen, dem Hersteller des Originalprodukts den Marktzugang in [X.] zu versperren und die Früchte seiner [X.]bemühungen zu ernten.

Darüber hinaus sei mit der Eintragung der Marke [X.] eine Sperrwirkung eingetreten, die verhindere, dass die Marke durch Dritte eingetragen werden könne.

Mit Schriftsatz vom 2. August 2021 hat der Antragsteller einen Auszug aus dem [X.]n Handelsregister vorgelegt, wonach die Beschwerdegegnerin am 13. November 2020 aus dem Handelsregister gelöscht worden ist.

Der Beschwerdeführer beantragt,

den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des [X.]s vom 15. März 2018 aufzuheben, die Marke [X.] zu löschen und der Beschwerdegegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Beschwerdegegnerin, deren Verfahrensbevollmächtigten die Beschwerdeschrift am 30. Mai 2018 zugegangen ist, hat sich nicht zum Beschwerdeverfahren geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

A. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist wegen der Löschung der Beschwerdegegnerin aus dem [X.]n Handelsregister am 13. November 2020 nicht deren Parteifähigkeit entfallen (§ 82 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 50 ZPO). Die Löschung der Markeninhaberin hätte nämlich nur dann den Verlust der Rechts- und Parteifähigkeit zur Folge, wenn kein verwertbares Vermögen mehr vorhanden wäre (vgl. [X.] NJW 2015, 2424, Rn. 19). Vorliegend ist als verwertbares Vermögen jedenfalls noch die angegriffene Marke [X.] vorhanden, die nach wie vor für die Beschwerdegegnerin im Register eingetragen ist (vgl. – auch zu ausländischen Gesellschaften – Thiering in [X.]/[X.]/Thiering, [X.], 13. Aufl., § 49 Rn. 66 m.w.N.). Deshalb ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren von der Rechts- und Parteifähigkeit der Markeninhaberin und Beschwerdegegnerin auszugehen, ungeachtet ihrer Löschung aus dem [X.]n Handelsregister.

Im Hinblick auf die Vermutung der Rechtsinhaberschaft nach § 28 Abs. 1 [X.] ist auch das Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers nicht entfallen.

Soweit die Antragsgegnerin im Verfahren vor dem [X.] vorgetragen hat, der Antragsteller selbst habe eine Marke „[X.] F“ in den Klassen 3, 5 und 35 angemeldet, macht sie der Sache nach geltend, dass der Löschungsantrag rechtsmissbräuchlich gestellt worden sei. Damit kann die Antragsgegnerin nicht durchdringen, weil zu den Umständen dieser Anmeldung jeder weitergehende Vortrag fehlt. Allein aus der Anmeldung kann nicht geschlossen werden, dass der vorliegende Antrag rechtsmissbräuchlich gestellt worden ist.

B. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, weil die angegriffenen Marke 30 2014 006 988 [X.] angemeldet worden ist und daher der Löschung unterliegt.

1. Da die Streitmarke vor dem 14. Januar 2019 angemeldet worden ist, richten sich die materiell-rechtlichen Löschungsvoraussetzungen nach § 50 Abs. 1 i.V.m. §§ 7, 8 Abs. 2 [X.] in der bis zum 13. Januar 2019 geltenden Fassung (vgl. § 158 Abs. 7 [X.]), hier somit nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] a.F. (jetzt inhaltsgleich geregelt in § 8 Abs. 2 Nr. 14 [X.]).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist die zum [X.]punkt der Stellung des Löschungsantrags am 28. Dezember 2016 geltende Fassung des § 54 [X.] anzuwenden, da die jetzt geltende Fassung erst am 1. Mai 2020 in [X.] getreten ist (vgl. Art. 5 Abs. 3 MarkenrechtsmodernisierungsG).

2. Das Löschungsbegehren war inhaltlich zu überprüfen, weil der Löschungsantrag zulässig ist und die Beschwerdegegnerin wirksam widersprochen hat (§ 54 Abs. 2 Satz 3 [X.] a.F.).

a) Der Löschungsantrag ist ordnungsgemäß gestellt worden, insbesondere fehlt es nicht an der erforderlichen Angabe eines konkreten absoluten Schutzhindernisses. Der Beschwerdeführer hat seinen Löschungsantrag ausweislich des Antragsformulars auf die [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 1- 10 [X.] gestützt. Im Verfahren vor dem [X.] hat er sich zwar nur zum [X.] nach § 7 [X.] geäußert, im Beschwerdeverfahren aber auch konkret zum [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] vorgetragen. Das im Antrag angegebene Löschungsbegehren hat die Markenabteilung zutreffend um den [X.] nach § 7 [X.] erweitert, weil sich die Markeninhaberin und Beschwerdegegnerin im Löschungsverfahren vor dem [X.] auf den entsprechenden Vortrag des Beschwerdeführers eingelassen hat (vgl. § 263 ZPO).

b) Die angegriffene Marke war nicht schon mangels wirksamen Widerspruchs nach § § 54 Abs. 2 S. 2 [X.] a.F. zu löschen. Dass der Beschwerdeführer die Existenz der ursprünglichen Anmelderin und Markeninhaberin und damit eine wirksame Übertragung der angegriffenen Marke auf die Beschwerdegegnerin bestreitet, führt zu keinem anderen Ergebnis.

Der Löschungsantrag ist den im Register eingetragenen anwaltlichen Vertretern der durch die Eintragung im Register formell legitimierten Markeninhaberin am 1. Februar 2017 zugestellt worden. Die neuen Bevollmächtigten haben mit am 31. März 2017 beim [X.] eingegangenem anwaltlichen Schriftsatz und damit innerhalb der Zweimonatsfrist des § 54 Abs. 2 S. 2 [X.] a.F. widersprochen.

Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 [X.] war der Löschungsantrag – wie geschehen
– der seit dem 13. Januar 2017 im Register eingetragenen nunmehrigen Markeninhaberin bzw. deren eingetragenen Vertretern zuzustellen. Ist die Zustellung wirksam, so muss folgerichtig von einem wirksamen und fristgerechten Widerspruch gegen den Löschungsantrag ausgegangen werden.

3. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers spricht vieles dafür, dass zur [X.] der Anmeldung kein Schutzhindernis nach § 7 [X.] vorlag.

Die Anmeldung der angegriffenen Marke [X.] erfolgte durch die Verfahrensbevollmächtigten und wurde elektronisch signiert.

Diese Anmeldung war wirksam, weil sie entweder für „[X.] “ oder eine hinter dieser stehende Person erfolgte. Dass es letztere gibt, trägt auch der Beschwerdeführer vor. Er hat ausgeführt, der Urheber der Unterschrift „[X.] “ sei eine andere Person, die „im Schatten bleiben möchte“. Es sei auch „immer die gleiche Person“, die „unter falschem Namen im Verkehr auftrete“.

Demnach existiert also eine Person, die die Marke [X.] durch die Verfahrensbevollmächtigten angemeldet hat. Auch hinter der Zahlung der Anmeldegebühr muss letztlich eine Person stehen.

Zweifel daran, dass diese Person zum [X.]punkt der Anmeldung markenrechtsfähig nach § 7 [X.] war, sind nicht ersichtlich und ergeben sich auch nicht aus dem Vortrag des Beschwerdeführers.

Insofern spricht vieles dafür, dass kein Schutzhindernis nach § 50 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 7 [X.] im – neben dem Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen
– Anmeldezeitpunkt vorlag.

4. Letztlich kann die Frage, ob ein Schutzhindernis nach § 50 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 7 [X.] vorlag, allerdings dahingestellt bleiben, weil die Marke [X.] angemeldet wurde und somit ein Schutzhindernis nach § 50 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] a.F. zu bejahen ist.

Bösgläubigkeit eines Anmelders i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] a.F. liegt vor, wenn die Anmeldung rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig – insbesondere im Sinne wettbewerbsrechtlicher Unlauterkeit – erfolgt ist ([X.], 510, 511 – [X.]; [X.] 30 W (pat) 61/09 – [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, [X.], 13. Aufl., § 8 Rn. 1025). Abzustellen ist insoweit ausschließlich auf den [X.]punkt der Anmeldung und nicht daneben auch auf den [X.]punkt der Entscheidung über den Löschungsantrag (vgl. [X.] [X.], 763, Rn. 35– [X.]/[X.]; [X.], 380, Rn. 12 – [X.]). Dies schließt jedoch eine Berücksichtigung des Verhaltens des Anmelders vor und nach der Markenanmeldung nicht aus. So wird ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Markeninhabers häufig erst aus einer späteren Rechtsausübung ersichtlich, die zwar als solche den Tatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] a. F. nicht erfüllt, aber im Einzelfall doch den erforderlichen Schluss auf eine bereits zum Anmeldezeitpunkt vorliegende Absicht mit der erforderlichen Sicherheit erlaubt (vgl. [X.], a. a. [X.] Rn. 14 – Glückspilz; [X.], Beschluss vom 15.11.2017, 29 W (pat) 16/14 – [X.]; [X.] in: [X.]/[X.]/Thiering, [X.], 13. Aufl., § 8 Rn. 1043).In der [X.] Spruchpraxis sind vor allem drei Fallgruppen [X.]er Markenanmeldungen herausgearbeitet worden: die Anmeldung einer Marke in Kenntnis des schutzwürdigen [X.] eines Vorbenutzers für identische oder ähnliche Kennzeichnungen ohne zureichenden sachlichen Grund, die Anmeldung einer Marke in markenrechtlich nicht gerechtfertigter [X.] ohne generellen Benutzungswillen des Markeninhabers und die Anmeldung einer Marke für einen zweckfremden Einsatz als Mittel des [X.] ([X.], a.a.[X.], § 8 Rn. 1023).

a) Eine Löschung der Marke unter dem Gesichtspunkt der Störung eines fremden schutzwürdigen Besitzstandes kommt vorliegend nicht in Betracht, da der durch die Anmeldung möglicherweise gestörte Besitzstand im Inland bestehen muss (vgl. [X.] 29 W (pat) 46/16 vom 03.06.2020 – [X.] PLUS PROFILE). Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers wird die angemeldete Marke für die Kopie eines in [X.] von einer [X.] Firma vertriebenen Produkts eingesetzt. Ein möglicher Besitzstand bestand also jedenfalls nicht im Inland.

b) Ebensowenig erfolgte die Anmeldung der Marke in [X.]. Weder der Vortrag des Beschwerdeführers noch andere Anhaltspunkte erlauben die Feststellung, dass die Streitmarke lediglich zu dem Zweck angemeldet worden ist, Dritte unter Druck zu setzen, ohne einen eigenen ernsthaften Benutzungswillen zu haben.

c) Schließlich kann auch nicht festgestellt werden, dass die Marke nur zum zweckfremden Einsatz im Wettbewerb angemeldet worden ist.

Da die vom Beschwerdeführer im Rahmen seines Vorbringens zum Rechtsmissbrauch geltend gemachte Sperrwirkung zum Inhalt einer Marke als Ausschließlichkeitsrecht gehört, kann das für die Annahme einer Bösgläubigkeit maßgebliche Kriterium nur im zweckfremden Einsatz der Marke liegen ([X.], a.a.[X.], § 8 Rn. 1101). Die insoweit maßgebliche Grenze ist überschritten, wenn das Verhalten des [X.] bei objektiver Würdigung aller Umstände des Einzelfalls über eine als Folge des [X.] hinausgeht und in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung eines Mitbewerbers, nicht auf die Förderung des eigenen [X.] gerichtet ist ([X.] GRUR 2005, 581, 582 – [X.]; [X.], 621, Rn. 32 – [X.]; [X.], 917, Rn. 23 – [X.]; [X.], 380, Rn. 28 [X.]; [X.] GRUR 2010, 431, 434 – Flasche mit Grashalm).

Dass die vorgenannte Grenze vorliegend überschritten ist, ist dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen. Insbesondere gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Anmelderin der angegriffenen Marke zum [X.]punkt der Anmeldung wusste oder ihr bekannt sein musste, dass der [X.] Hersteller des Originalprodukts die Absicht hatte, das Zeichen „[X.]“ in absehbarer [X.] auch in [X.] zu benutzen (vgl. [X.], a.a.[X.] – [X.]).

d) Allerdings erschöpft sich der Tatbestand der Bösgläubigkeit nicht in den genannten klassischen Fallgruppen ([X.], [X.], 763, Rn. 38 – [X.]/[X.]). Im vorliegenden Fall ergibt sich die Unlauterkeit daraus, dass die Streitmarke angemeldet worden ist, um einen irreführenden [X.] i.S.v. § 5 Abs. 2 UWG rechtlich abzusichern.

Nach § 5 Abs. 2 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder Dienstleistung oder mit der Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft. Das ist nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beschwerdeführers hier der Fall.

Demnach existiert in [X.] ein Hersteller für Potenzmittel, der seine Produkte intensiv bewirbt. Im [X.]raum von 2010 bis 2014 hat dieser [X.] Hersteller auf dem [X.] Markt ein Mittel namens „[X.]“ eingeführt, 2014 ein weiteres Produkt unter dem Namen „[X.]“. Ab 2015 ist „[X.]“ die „erste Marke“ geworden und der Vertrieb von „[X.]“ eingestellt worden.

Der Beschwerdeführer hat des Weiteren dargelegt, dass sich die Werbung für „[X.]“ gezielt auch an russisch-sprachige Verkehrskreise in [X.] richtet und von diesen auch wahrgenommen wird; insbesondere werde „[X.]“ in der bundesweit vertriebenen [X.] Monatszeitschrift „[X.]“ beworben (vgl. Anlage 23 zur Beschwerdeschrift, S. 2 f. = [X.] 64/65).

Nach den unbestritten gebliebenen Ausführungen des Beschwerdeführers hat die Firma [X.] 2013/2014 mit dem Vertrieb der Nachahmung des Produktes „[X.]“ der [X.] Firma in [X.] begonnen. Die Firma [X.] habe überdies versucht, die Marke „[X.]“ in [X.] eintragen zu lassen. Tatsächlich wurde eine entsprechende Marke, deren Anmelder sich nicht aus dem Register ergibt, 2014 angemeldet und vom [X.] zurückgewiesen.

Nachdem der Antragsteller den Vertrieb von „[X.]“ gerichtlich hat verbieten lassen, haben die Urheber zwei neue Firmen gegründet. Eine davon war die Beschwerdegegnerin. Ihr Ziel war es, eine Nachahmung des [X.] Originalprodukts „[X.]“ zu vertreiben. Die Produkte – Original und Nachahmung – haben folgende Ausgestaltung:

Abbildung

Abbildung

Das nachgeahmte Produkt (rechts) ist nach seiner äußeren Aufmachung dem [X.] Original (links) offensichtlich verwechselbar ähnlich. In dem Gesamtbild spielt der (Marken-)Name [X.] bei den Vergleichsaufmachungen eine entscheidende Rolle. Er steht deutlich sichtbar in großer Schrift (im Original auf kyrillisch) in erster Zeile auf beiden Verpackungen und dient offenbar der herkunftshinweisenden Benennung der [X.]. Mit dem O[X.] ist deshalb davon auszugehen, dass das unter der angegriffenen Marke vertriebene Produkt den angesprochenen russischsprachigen Verkehrskreisen in irreführender Weise suggeriert, es handele sich um das gleiche Produkt wie das in [X.] unter dem gleichen Namen [X.] und in ganz ähnlicher Aufmachung vertriebene und prominent beworbene Mittel.

Nach alldem ist vorliegend ein unlauterer, irreführender [X.] der Beschwerdegegnerin unter Verwendung der angegriffenen Marke [X.] zu bejahen.

bb) Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beschwerdeführers und nach Wertung der Gesamtumstände lag bereits bei Anmeldung der Streitmarke und in der Person der Anmelderin Bösgläubigkeit vor.

Demnach hat die Firma [X.] 2013/2014 mit dem Vertrieb der Nachahmung des Produktes der [X.] Firma in [X.] begonnen. Geschäftsführerin der Firma [X.] war bis 2015 laut Handelsregisterauszug „A“. Nach dem Vortrag des Beschwerdeführers handelt es sich um dieselbe Person bzw. dieselben Hintermänner.

In diesem Zusammenhang hat der Beschwerdeführer Kopien von Schreiben der Firma [X.] mit der Unterschrift „A“ vorgelegt. Bei dem Schreiben vom 18. September 2015 steht unter der Unterschrift „A“ der Zusatz „Geschäftsleitung“. Dass es sich bei „A“ und der Anmelderin „A“ um die gleiche Person handelt, ergibt sich auch aus dem Vortrag der Antragsgegnerin im Amtsverfahren. Hier hat sie ausgeführt, das für die Nichtexistenz angeführte Argument des Antragstellers, bei den Unterschriften werde der Vorname einmal mit „y“ und einmal mit „i“ geschrieben, [X.] nicht. Die unterschiedliche Schreibweise sei keine Seltenheit für Namen osteuropäischen Ursprungs.

Nach alldem ist davon auszugehen, dass die Anmelderin „A“ und die Geschäftsführerin der Firma [X.] ein und dieselbe Person sind.

Als Geschäftsführerin der Firma [X.], die nach dem unbestrittenen Vortrag des Beschwerdeführers 2013/2014 mit dem Vertrieb der Nachahmung des Produktes „[X.]“ bzw. „[X.]“ der [X.] Firma in [X.] begonnen hat, musste die im Antragsformular angegebene Anmelderin zum [X.]punkt der Anmeldung am 8. Oktober 2014 deshalb gewusst haben, dass die Anmeldung der angegriffenen Marke einem unlauteren, irreführenden [X.] im Sinne von § 5 Abs. 2 UWG diente.

3. Aufgrund der [X.]en Markenanmeldung war gem. § 50 Abs. 1 [X.] auszusprechen, dass die Eintragung der angegriffenen Marke zu löschen ist. Die Löschung erfasst sämtliche registrierten Waren und Dienstleistungen, da der Tatbestand der Bösgläubigkeit insoweit nicht teilbar ist.

D. Die Beschwerdegegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Zwar trägt in markenrechtlichen Beschwerdeverfahren gemäß § 71 Abs. 1 Satz 2 [X.] grundsätzlich jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst. Das Gericht kann jedoch gem. § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] bestimmen, dass die Kosten des Verfahrens einschließlich der den Beteiligten erwachsenen Kosten, soweit sie zur zweckentsprechenden Wahrung der Ansprüche und Rechte notwendig waren, einem Beteiligten ganz oder teilweise zur Last fallen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bedarf es stets besonderer Umstände. Solche von der Norm abweichenden Umstände liegen hier vor. Da die Streitmarke – wie dargelegt – [X.] angemeldet worden ist, entspricht es der Billigkeit, der Markeninhaberin und Beschwerdegegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, [X.], 13. Aufl., § 71 Rn. 19).

Gleiches gilt für die Kosten des Amtsverfahrens.

Meta

30 W (pat) 17/18

10.06.2021

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 8 Abs 2 Nr 10 MarkenG vom 04.04.2016, § 82 Abs 1 S 1 MarkenG, § 50 Abs 1 MarkenG vom 12.03.2004, § 54 Abs 2 S 3 MarkenG vom 13.12.2001, § 5 Abs 2 UWG, § 50 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.06.2021, Az. 30 W (pat) 17/18 (REWIS RS 2021, 5112)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 5112

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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