Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 09.08.2016, Az. 4 C 5/15

4. Senat | REWIS RS 2016, 6979

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Gegenstand

Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens für Ausnahme von Veränderungssperre; maßgeblicher Zeitpunkt


Leitsatz

Klagt eine Gemeinde gegen die Verlängerung eines Bauvorbescheids, die unter Zulassung einer Ausnahme von einer Veränderungssperre und unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens erteilt worden ist, beurteilt sich die Rechtmäßigkeit des Bescheids nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erlasses.

Tatbestand

1

Die klagende [X.] wendet sich gegen die Verlängerung eines den Beigeladenen erteilten Bauvorbescheids, über die unter Zulassung einer Ausnahme von der von der Klägerin beschlossenen Veränderungssperre und Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens entschieden wurde.

2

Die Beigeladenen sind Eigentümer eines Grundstücks auf der [X.] [X.], das mit einem Wohnhaus bebaut ist. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich der Landschaftsschutzgebietsverordnung "[X.] [X.]" vom 18. März 1954. Ein Bebauungsplan bestand ursprünglich nicht. Das zuständige Landratsamt erteilte den Beigeladenen im Einvernehmen mit der Klägerin bereits 1992 einen bauplanungsrechtlichen Vorbescheid zur Errichtung eines (weiteren) Wohngebäudes auf ihrem Grundstück und stellte gleichzeitig eine naturschutzrechtliche Befreiung in Aussicht. In der Folgezeit verlängerte das Landratsamt den Vorbescheid mehrfach mit Zustimmung der Klägerin, zuletzt bis zum 16. Oktober 2009.

3

Im Oktober 2009 beantragten die Beigeladenen abermals die Verlängerung des [X.]. Hiergegen wandte sich die Klägerin im Hinblick auf die Lage des Baugrundstücks im Landschaftsschutzgebiet. Am 30. November 2009 beschloss sie die Aufstellung eines Bebauungsplans und den Erlass einer Veränderungssperre. Aufstellungsbeschluss und Veränderungssperre wurden ortsüblich bekannt gemacht; das Landratsamt wurde hiervon in Kenntnis gesetzt. Einer Ausnahme von der Veränderungssperre stimmte die Klägerin nicht zu.

4

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid verlängerte das Landratsamt den Vorbescheid unter Gewährung einer Ausnahme von der Veränderungssperre bis zum 16. Oktober 2012. Gleichzeitig ersetzte es das von der Klägerin verweigerte Einvernehmen. Widerspruch und erstinstanzliche Klage der [X.] blieben erfolglos. Während des Klageverfahrens trat die Veränderungssperre am 3. Dezember 2011 außer [X.]. Am 8. Dezember 2011 machte die Klägerin erneut eine Veränderungssperre ortsüblich bekannt. Im Dezember 2012 stellten die Beigeladenen einen Bauantrag.

5

Auf die Berufung der Klägerin änderte der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts und hob den [X.] sowie den Widerspruchsbescheid auf. Die Verlängerung sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens habe eine wirksame Veränderungssperre bestanden. Die rechtswidrige Verlängerung des [X.] sei nicht dadurch rechtmäßig geworden, dass während des verwaltungsgerichtlichen Klageverfahrens für einen kurzen Zeitraum keine wirksame Veränderungssperre bestanden habe. Aus § 14 Abs. 3 BauGB folge nichts anderes. Der Norm könne nicht entnommen werden, dass mit dem Wegfall einer Veränderungssperre ein rechtswidrig erteilter, noch nicht bestandskräftiger Vorbescheid rechtmäßig werde und nicht weiter mit Erfolg angefochten werden könne. Es verbleibe vielmehr bei seiner Rechtswidrigkeit. Daran ändere auch der im Nachbarrechtsstreit anerkannte Grundsatz nichts, dass eine im Laufe eines Rechtsmittelverfahrens eingetretene, dem Bauherrn günstige Rechtsänderung zu berücksichtigen sei. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme von der Veränderungssperre nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB hätten nicht vorgelegen, die Klägerin habe ihr nach § 14 Abs. 2 Satz 2 BauGB erforderliches Einvernehmen in rechtmäßiger Weise versagt. Durch die Ersetzung des Einvernehmens werde die Klägerin in ihren Rechten verletzt.

6

Die Beigeladenen haben die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Sie äußern Zweifel daran, ob die Veränderungssperre auch ihnen gegenüber wirksam geworden sei, und sind der Meinung, dass eine Ausnahme nach § 14 Abs. 2 BauGB zu Recht erteilt worden sei. Unabhängig davon sei der verlängerte Bauvorbescheid nicht durchgängig rechtswidrig gewesen. Mit Ablauf der Gültigkeit der ersten Veränderungssperre sei eine Rechtsänderung eingetreten, die zu ihren Gunsten zu berücksichtigen sei; das spätere Inkrafttreten der (weiteren) Veränderungssperre sei dagegen unbeachtlich, weil Rechtsänderungen zulasten des Bauherrn außer Betracht zu bleiben hätten. Jedenfalls durch das Außerkrafttreten der Veränderungssperre sei eine möglicherweise rechtswidrige Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens rechtmäßig geworden. Das folge (auch) aus § 14 Abs. 3 BauGB.

7

Der Beklagte unterstützt die Rechtsposition der Beigeladenen, die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der [X.] hat keinen Erfolg.

9

1. Die Revision ist zulässig, insbesondere besteht das hierfür erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Zwar ist die begrenzte Geltungsdauer des Verlängerungsbescheids bereits verstrichen. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass sie aufgrund der Klage der [X.] unterbrochen (vgl. [X.], Urteil vom 29. Oktober 2013 - 3 S 2643/11 - juris Rn. 24 unter Hinweis auf [X.], Urteil vom 25. März 1999 - 8 S 218/99 - [X.] 1999, 269) oder zumindest gehemmt worden ist und der [X.]escheid deshalb noch Rechtswirkungen, insbesondere im Hinblick auf den im Dezember 2012 von den [X.] gestellten [X.]auantrag, entfalten kann.

2. Die Revision ist jedoch unbegründet. Das [X.]erufungsurteil steht mit [X.]undesrecht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 [X.]).

Zutreffend hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, dass sich die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verlängerungsbescheids im Hinblick auf das ersetzte Einvernehmen nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines [X.] beurteilt (a). [X.] nicht zu beanstanden sind ferner die Annahmen, dass die Veränderungssperre im maßgeblichen Zeitpunkt wirksam gewesen sei (b) und die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme von der Veränderungssperre nicht vorgelegen hätten (c), weshalb die Klägerin ihr Einvernehmen in rechtmäßiger Weise verweigert habe.

a) Maßgeblich für die [X.]eurteilung, ob die Verlängerung des Vorbescheids unter Ersetzung des nach § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.]auG[X.] erforderlichen und von der Klägerin verweigerten Einvernehmens zu Recht erfolgt ist, ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Verlängerungsentscheidung.

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] beurteilt sich die Frage, ob ein belastender Verwaltungsakt den Kläger [X.]. § 113 Abs. 1 Satz 1 [X.] rechtswidrig in seinen Rechten verletzt, nach dem materiellen Recht, dem nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ermächtigungsgrundlage, sondern auch die Antwort auf die Frage zu entnehmen ist, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen (vgl. [X.], Urteile vom 30. Oktober 1969 - 8 [X.] 112.67, 8 [X.] 115.67 - [X.]E 34, 155 <157 f.>, vom 21. Mai 1976 - 4 [X.] 80.74 - [X.]E 51, 15 <24>, vom 3. November 1987 - 9 [X.] 254.86 - [X.]E 78, 243 <244>, vom 17. Oktober 1989 - 9 [X.] 58.88 - NVwZ 1990, 654 und vom 31. März 2004 - 8 [X.] 5.03 - [X.]E 120, 246 <250>). Vorliegend ist die Verlängerung eines Vorbescheids unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens zu einer Ausnahme von einer Veränderungssperre streitgegenständlich. Der materiell-rechtliche [X.]ezugspunkt zur [X.]estimmung des maßgeblichen Zeitpunkts ist das aus der gemeindlichen Planungshoheit folgende Recht der [X.]auleitplanung (vgl. [X.], Urteil vom 13. Dezember 2007 - 4 [X.] 9.07 - [X.]E 130, 113 Rn. 10) und deren Sicherung durch eine Veränderungssperre, die in § 14 [X.]auG[X.] bundesrechtlich geregelt ist. Hiervon ist der Verwaltungsgerichtshof zutreffend ausgegangen ([X.] 8).

[X.]ei der Klage einer [X.] gegen eine Genehmigung, die unter Ersetzung des nach § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.]auG[X.] erforderlichen Einvernehmens erteilt wurde, ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses [X.]escheids abzustellen; nach diesem Zeitpunkt eintretende Änderungen müssen unberücksichtigt bleiben. Das hat das [X.]erufungsgericht zutreffend ausgeführt ([X.] 9 f.). Insoweit kann auf die zu § 36 Abs. 2 Satz 3 [X.]auG[X.] ergangene Rechtsprechung des Senats zurückgegriffen werden. Nach dieser Vorschrift kann die nach Landesrecht zuständige [X.]ehörde das nach § 36 Abs. 1 Satz 1 [X.]auG[X.] erforderliche Einvernehmen ersetzen, wenn es von der [X.] rechtswidrig verweigert worden ist. Da die [X.] ihr Einvernehmen nur aus den in § 36 Abs. 2 Satz 1 [X.]auG[X.] genannten Gründen versagen darf, sind die Voraussetzungen der §§ 31, 33 bis 35 [X.]auG[X.] auf das Rechtsmittel der [X.] hin in vollem Umfang nachzuprüfen ([X.], Urteil vom 1. Juli 2010 - 4 [X.] 4.08 - [X.]E 137, 247 Rn. 32). Für diese Prüfung ist maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des mit der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens verbundenen [X.]escheids abzustellen ([X.], Urteil vom 1. Juli 2010 a.a.[X.] Rn. 17). Erweist sich danach die Ersetzung als rechtswidrig, hat die Anfechtungsklage der [X.] Erfolg. Ob der [X.]auherr im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf die [X.]augenehmigung hat, ist dagegen irrelevant. Denn der Gesetzgeber hat in dem Konflikt zwischen Planungshoheit und [X.]aufreiheit eine eindeutige Regelung getroffen, der zufolge gegen den Willen der [X.] in den Fällen des § 36 Abs. 1 Satz 1 [X.]auG[X.] bis zu einer gerichtlichen Klärung der Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens auf die Verpflichtungsklage des [X.]auherrn hin keine [X.]augenehmigung erteilt werden darf ([X.], Urteile vom 10. August 1988 - 4 [X.] 20.84 - = juris Rn. 22 und vom 26. März 2015 - 4 [X.] 1.14 - [X.] 406.11 § 36 [X.]auG[X.] Nr. 60 Rn. 17 m.w.N.). Der [X.]undesgesetzgeber wollte mit der Einvernehmensregelung erreichen, dass die [X.] sich mit ihren Vorstellungen auch gegenüber einem etwaigen Rechtsanspruch des [X.]auherrn durchsetzt ([X.], [X.]eschluss vom 5. März 1999 - 4 [X.] - [X.] 406.11 § 36 [X.]auG[X.] Nr. 54 = juris Rn. 13). Diese Rechtsprechung ist auf das [X.] nach § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.]auG[X.] übertragbar, denn § 14 [X.]auG[X.] dient - wie die Überschrift des [X.], Zweiter Teil des [X.]augesetzbuchs belegt - der Sicherung der [X.]auleitplanung (vgl. Stock, in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]auG[X.], Stand Februar 2016, § 14 Rn. 1 und 106) und damit ebenfalls der Wahrung der gemeindlichen Planungshoheit (vgl. zu § 36 [X.]auG[X.] z.[X.]. [X.], Urteil vom 1. Juli 2010 - 4 [X.] 4.08 - [X.]E 137, 247 Rn. 32).

Die [X.] können sich nicht darauf berufen, dass der angefochtene [X.]escheid nicht durchgängig rechtswidrig gewesen sei. Die Vorstellung, für einen Aufhebungsanspruch nach § 113 Abs. 1 Satz 1 [X.] sei es erforderlich, dass der angefochtene Verwaltungsakt während seiner gesamten Wirksamkeit rechtswidrig ist, ist rechtsirrig; sie setzt voraus, dass ein rechtswidriger Verwaltungsakt durch eine nachträgliche Sach- und/oder Rechtslagenänderung rechtmäßig werden kann. Davon ist für Verwaltungsakte, die - wie hier - keine sogenannten Dauerverwaltungsakte darstellen, grundsätzlich nicht auszugehen (vgl. etwa [X.], in: [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl. 2014, § 113 Rn. 97). Ändert sich die Rechtslage und führt dies dazu, dass der Verwaltungsakt nunmehr ergehen darf, bleibt der Verwaltung nur die Möglichkeit, ihn unter Aufhebung des angefochtenen [X.]escheids und gegebenenfalls unter Wiederholung der [X.]eteiligung der [X.] neu zu erlassen (vgl. Schenke, NVwZ 1986, 522 <530>). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn der Rechtsänderung ausdrücklich Rückwirkung beigemessen wird ([X.], in [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl. 2014, § 113 Rn. 108) und der Verwaltungsakt auf der Grundlage des geänderten Rechts nunmehr rechtmäßig ist ([X.], Urteile vom 25. November 1981 - 8 [X.] 14.81 - [X.]E 64, 218 <223> und vom 27. April 1990 - 8 [X.] 87.88 - NVwZ 1991, 360 <360, 361>). Dies ist beim Außerkrafttreten einer Veränderungssperre wegen Ablaufs ihrer Geltungsdauer nicht der Fall. Aus § 14 Abs. 3 [X.]auG[X.], auf den sich die [X.] berufen, folgt nichts anderes. Da vorliegend die Veränderungssperre zeitlich der Verlängerung des Vorbescheids vorausging, greift § 14 Abs. 3 [X.]auG[X.] schon tatbestandlich nicht ein.

Keiner Klärung bedarf, ob Rechtsänderungen, die nach Ergehen der Ersetzungsentscheidung, aber vor Erlass des Widerspruchsbescheids eintreten, von der Widerspruchsbehörde nach Maßgabe des Landesrechts (vgl. [X.], Urteil vom 7. Februar 1986 - 4 [X.] 43.83 - [X.] 406.11 § 36 [X.][X.]auG Nr. 35 = juris Rn. 23 f.) berücksichtigt werden können. Denn ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Die [X.] können sich schließlich auch nicht auf die Rechtsprechung des [X.] zu sog. Nachbarrechtsbehelfen berufen, wonach Änderungen zu Lasten des [X.]auherrn, die nach der [X.] eintreten, außer [X.]etracht bleiben, nachträgliche Änderungen zu seinen Gunsten dagegen [X.]erücksichtigung finden (z.[X.]. [X.], [X.]eschluss vom 23. April 1998 - 4 [X.] 40.98 - NVwZ 1998, 1179). Der dahinter stehende Gedanke ("dolo agit, [X.], quod statim redditurus est") führt nicht zur nachträglichen Rechtmäßigkeit eines im maßgeblichen Zeitpunkt rechtswidrigen [X.]escheids. Es handelt sich vielmehr um eine Fallgruppe des auch im öffentlichen Recht anwendbaren Grundsatzes von Treu und Glauben (vgl. z.[X.]. [X.], Urteil vom 20. März 2014 - 4 [X.] 11.13 - [X.]E 149, 211 Rn. 29). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass es mit der nach Maßgabe des einschlägigen Rechts gewährleisteten [X.]aufreiheit nicht zu vereinbaren wäre, eine im Zeitpunkt des Erlasses rechtswidrige [X.]augenehmigung aufzuheben, die sogleich nach der Aufhebung wieder erteilt werden müsste ([X.], [X.]eschluss vom 23. April 1998 - 4 [X.] 40.98 - NVwZ 1998, 1179). Darum geht es hier aber nicht. Denn bei der Klage einer [X.] gegen eine unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens erteilte Genehmigung kommt es nicht darauf an, ob der [X.]auherr einen Anspruch auf deren Erteilung besitzt. Der Gesetzgeber wollte mit den [X.] den [X.]n eine Rechtsposition einräumen, die sich auch gegenüber einem etwaigen Rechtsanspruch des [X.]auherrn durchsetzen kann. Anders als im Verhältnis zweier benachbarter Grundstückseigentümer, welche bei der Verwirklichung eines [X.]auvorhabens wechselseitig Rücksicht zu nehmen und die allgemeinen Grundsätze von Treu und Glauben zu beachten haben, wird die Rechtsstellung der [X.] von anderen, nämlich von öffentlichen Interessen geprägt. Insoweit nimmt die [X.] mit § 36 Abs. 1 [X.]auG[X.] oder § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.]auG[X.] eine ihr kompetenzmäßig zugewiesene [X.]efugnis wahr, die es ihr gestattet, jene planerischen Ziele wirksam zu verfolgen, deren Erfüllung sie aus städtebaulichen Gründen für geboten erachtet ([X.], Urteil vom 12. Dezember 1991 - 4 [X.] 31.89 - [X.] 406.11 § 36 [X.]auG[X.] Nr. 46 S. 12 f.). Dabei folgt aus der gemeindlichen Planungshoheit das - bereits im [X.] zu beachtende - Recht der [X.], bis zu dem Zeitpunkt, in dem eine [X.]augenehmigung erteilt - oder wie hier ein Vorbescheid verlängert - wird, die planungsrechtlichen Voraussetzungen zu Lasten des [X.]auherrn im Wege der [X.]auleitplanung zu ändern. Erst die erteilte Genehmigung setzt der gemeindlichen Planungshoheit eine Grenze ([X.], Urteil vom 13. Dezember 2007 - 4 [X.] 9.07 - [X.]E 130, 113 Rn. 10). Damit markiert der Erlass der [X.]augenehmigung bzw. hier der Erlass des Verlängerungsbescheids zugleich den Zeitpunkt für die Frage, ob die [X.] ihr Einvernehmen zu Recht versagt hat. Für die [X.]erücksichtigung von danach eintretenden Rechtsänderungen, auch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, ist kein Raum. Die [X.] hat vielmehr ein Recht zu erfahren, ob die planungsrechtlichen Schritte, die sie bis zum Erlass der [X.]augenehmigung unternommen hat, ausreichend waren, um auf das streitige Vorhaben Einfluss zu nehmen.

b) Ohne [X.] ist der Verwaltungsgerichtshof von der Wirksamkeit der Veränderungssperre im maßgeblichen Zeitpunkt ausgegangen.

Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 [X.]auG[X.] kann die [X.], wenn ein [X.]eschluss über die Aufstellung eines [X.]ebauungsplans gefasst ist, zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre mit dem Inhalt erlassen, dass Vorhaben im Sinne des § 29 [X.]auG[X.] nicht durchgeführt werden dürfen. Eine Veränderungssperre darf erst erlassen werden, wenn die Planung, die sie sichern soll, ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden [X.]ebauungsplans sein soll (stRspr; [X.], [X.]eschlüsse vom 1. Oktober 2009 - 4 [X.] 34.09 - [X.] 406.11 § 14 [X.]auG[X.] Nr. 29 und vom 21. Oktober 2010 - 4 [X.] 26.10 - [X.]; Urteil vom 19. Februar 2004 - 4 [X.]N 16.03 - [X.]E 120, 138 <146 f.>). Wesentlich ist dabei, dass die [X.] im Zeitpunkt des Erlasses einer Veränderungssperre bereits positive Vorstellungen über den Inhalt des [X.]ebauungsplans entwickelt hat ([X.], [X.]eschluss vom 5. Februar 1990 - 4 [X.] 191.89 - [X.] 406.11 § 15 [X.][X.]auG/[X.]auG[X.] Nr. 6). Eine Negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, reicht nicht aus. Denn wenn Vorstellungen über die angestrebte Art der baulichen Nutzung der betroffenen Grundflächen fehlen, ist der Inhalt des zu erwartenden [X.]ebauungsplans noch offen. Die nachteiligen Wirkungen der Veränderungssperre wären - auch vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG - nicht erträglich, wenn sie zur Sicherung einer Planung dienen sollte, die sich in ihrem Inhalt noch in keiner Weise absehen lässt ([X.], Urteil vom 19. Februar 2004 - 4 [X.]N 13.03 - [X.] 406.11 § 14 [X.]auG[X.] Nr. 26 S. 10). Die Veränderungssperre schützt die künftige Planung, nicht aber lediglich die abstrakte Planungshoheit ([X.], Urteil vom 30. August 2012 - 4 [X.] 1.11 - [X.]E 144, 82 Rn. 10; [X.]eschluss vom 19. Mai 2004 - 4 [X.] 22.04 - [X.]). Insofern ist es grundsätzlich erforderlich, aber auch ausreichend, dass die [X.] im Zeitpunkt des Erlasses einer Veränderungssperre zumindest Vorstellungen über die Art der baulichen Nutzung besitzt, sei es, dass sie einen bestimmten [X.]augebietstyp, sei es, dass sie nach den Vorschriften des § 9 Abs. 1 bis 2a [X.]auG[X.] festsetzbare Nutzungen ins Auge gefasst hat (vgl. [X.], Urteil vom 30. August 2012 - 4 [X.] 1.11 - [X.]E 144, 82 Rn. 12; [X.]eschlüsse vom 21. Oktober 2010 - 4 [X.] 26.10 - [X.] und vom 5. Februar 1990 - 4 [X.] 191.89 - [X.] 406.11 § 15 [X.][X.]auG/[X.]auG[X.] Nr. 6).

Von diesen rechtlichen Maßstäben hat sich der Verwaltungsgerichtshof leiten lassen. Nach seinen mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen (§ 137 Abs. 2 [X.]) diente die mit dem [X.]eschluss zur Aufstellung des [X.]ebauungsplans "[X.]" begonnene Planung der Steuerung der Nachverdichtung im Plangebiet, in dem auch das Grundstück der [X.] liegt. Denn nach der [X.]egründung zum Aufstellungsbeschluss habe der [X.]ebauungsplan der Umsetzung des Entwicklungskonzepts gedient, dem der [X.]rat im [X.] zugestimmt habe. Im Entwicklungskonzept sei das Grundstück der [X.] aber nicht als künftiger Siedlungsbereich vorgesehen gewesen ([X.] 11). Das für den Erlass der Veränderungssperre erforderliche Sicherungsinteresse liegt damit vor, insbesondere lässt sich hieraus ableiten, dass das Grundstück der [X.] zukünftig nach den Vorstellungen der Klägerin keiner weiteren [X.]ebauung zugeführt werden sollte; dass die [X.] die Konkretisierung der gemeindlichen [X.] anders sehen, führt auf keinen [X.].

c) In Übereinstimmung mit [X.]undesrecht hat das [X.]erufungsgericht schließlich angenommen, dass im maßgeblichen Zeitpunkt auch die Voraussetzungen für eine Ausnahme gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 [X.]auG[X.] nicht vorlagen.

Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 [X.]auG[X.] kann von einer Veränderungssperre eine Ausnahme zugelassen werden, wenn überwiegende öffentliche [X.]elange nicht entgegenstehen. Die Norm bietet ein Mittel, um im Wege der Einzelfallprüfung auf der Grundlage der sich konkretisierenden Planungen zugunsten des [X.]auherrn Ausnahmen zulassen zu können ([X.], [X.]eschluss vom 9. August 1991 - 4 [X.] 135.91 - [X.] 406.11 § 14 [X.]auG[X.] Nr. 17 = juris Rn. 4). Der praktisch wichtigste öffentliche [X.]elang ist die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung. Maßgeblich ist damit der konkrete Sicherungszweck der Veränderungssperre. Ein Vorhaben, das mit diesem nicht vereinbar ist, insbesondere der beabsichtigten Planung widerspricht oder sie wesentlich erschweren würde, darf im Wege der Ausnahme nicht zugelassen werden. Andernfalls würde die Veränderungssperre ihre Aufgabe nicht erfüllen können ([X.], [X.]eschluss vom 9. Februar 1989 - 4 [X.] 236.88 - NVwZ 1989, 661 = juris Rn. 7).

Der Verwaltungsgerichtshof hat - für den Senat bindend - festgestellt, dass das Grundstück der [X.] im Entwicklungskonzept der Klägerin, dessen Umsetzung der [X.]ebauungsplan dient, nicht als künftiger Siedlungsbereich vorgesehen sei ([X.] 11). Die Zulassung einer Ausnahme war folglich mit dem Sicherungszweck der Veränderungssperre nicht vereinbar. Damit schied eine Ausnahme nach § 14 Abs. 2 Satz 1 [X.]auG[X.] bereits tatbestandlich aus. Die Klägerin hat ihr Einvernehmen nach § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.]auG[X.] zu Recht verweigert.

3. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 [X.].

Meta

4 C 5/15

09.08.2016

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 24. März 2015, Az: 5 S 642/13, Urteil

§ 14 Abs 3 BauGB, § 14 Abs 2 S 1 BauGB, § 14 Abs 2 S 2 BauGB, § 36 Abs 2 S 3 BauGB, § 113 Abs 1 S 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 09.08.2016, Az. 4 C 5/15 (REWIS RS 2016, 6979)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 6979

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

AN 3 S 24.169

M 11 K 18.5289

22 ZB 17.169

8 B 15.884

AN 3 S 22.00235

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