Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 18.03.2019, Az. 2 BvR 367/19

2. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2019, 9264

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Verletzung des Rechtsschutzanspruchs (Art 19 Abs 4 S 1 GG) sowie des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG) durch Verfahrenseinstellung gem § 81 S 1 AsylG (juris: AsylVfG 1992) trotz Betreibens des Verfahrens durch die Kläger - Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde wegen Subsidiarität bei Möglichkeit eines Antrags auf Berufungszulassung gem § 78 Abs 2 bis 4 AsylVfG 1992


Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin [X.] wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die fehlerhafte Einstellung eines asylrechtlichen Klageverfahrens nach Erlass einer [X.]etreibensaufforderung gemäß § 81 Satz 1 [X.], die Verwerfung eines daraufhin erhobenen Antrags auf Fortsetzung des Verfahrens sowie die Zurückweisung einer Anhörungsrüge.

2

1. Der [X.]eschwerdeführer, ein [X.] Staatsangehöriger, reiste am 19. August 2018 in die [X.] ein und stellte am 6. September 2018 einen Asylantrag, den das [X.] ([X.]) mit [X.]escheid vom 11. Oktober 2018 ablehnte.

3

2. Am 23. Oktober 2018 erhob der [X.]eschwerdeführer unter Angabe seiner vollständigen Anschrift Klage, beschränkt auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, beantragte die [X.]ewilligung von Prozesskostenhilfe und kündigte eine Klagebegründung an. Mit [X.]escheid des städtischen Sozialamts wurde er ab dem 24. Oktober 2018 vorübergehend einer neuen Unterbringungseinrichtung zugewiesen. Er teilte dem Gericht die neue Anschrift zunächst nicht mit.

4

3. Das Verwaltungsgericht bestätigte den Klageeingang durch ein Schreiben, in dessen [X.]riefkopf allerdings nur ein Teil der vom [X.]eschwerdeführer mitgeteilten und auch im Asylbescheid erfassten vollständigen Anschrift des [X.]eschwerdeführers wiedergegeben war. Zugleich forderte es den [X.]eschwerdeführer unter Fristsetzung und ungeachtet des Umstands, dass dieser seine Klage auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begrenzt und eine Klagebegründung angekündigt hatte, dazu auf darzulegen, ob er seine Klage zurücknehmen wolle, soweit sie auf Asylanerkennung gerichtet sei, ob eine Ergänzung des Klagevorbringens beabsichtigt sei und ob er einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zustimme beziehungsweise warum er dies ablehne.

5

Ein weiteres Schreiben, mit dem das Verwaltungsgericht dem [X.]eschwerdeführer die Klageerwiderung des [X.]s übersandte, gelangte am 8. November 2018 mit dem Hinweis "Unzustellbar - Empfänger unter angegebener Anschrift nicht zu ermitteln" an das Gericht zurück. Auch dieses Schreiben enthielt nur einen Teil der vom [X.]eschwerdeführer mitgeteilten Anschrift.

6

4. Mit weiterem Schreiben vom 8. November 2018 - wiederum versehen mit der unvollständigen Anschrift des [X.]eschwerdeführers - wies das Verwaltungsgericht darauf hin, dass sich Zweifel am Rechtsschutzinteresse aufdrängten, weil ein an den [X.]eschwerdeführer gerichtetes Schreiben als unzustellbar zurückgesandt worden sei. Es forderte ihn gemäß § 81 Satz 1 [X.] auf, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Aufforderung eine ladungsfähige Adresse mitzuteilen, und belehrte ihn gemäß § 81 Satz 3 [X.] über die Rechtsfolgen. Laut [X.] vom 10. November 2018 konnte auch dieses Schreiben nicht zugestellt werden, weil der [X.]eschwerdeführer unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln sei.

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5. Am 12. Dezember 2018 - zwei Tage nach Fristablauf - bestellte sich für den [X.]eschwerdeführer eine Prozessbevollmächtigte. Sie wiederholte den Antrag auf [X.]ewilligung von Prozesskostenhilfe, fügte die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen bei, bat um Akteneinsicht, begründete die Klage und kündigte eine weitere [X.]egründung nach Akteneinsicht an. Außerdem teilte sie die aktuelle Anschrift des [X.]eschwerdeführers mit.

8

6. Mit [X.]eschluss vom 12. Dezember 2018 stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren ein und lehnte den Antrag auf [X.]ewilligung von Prozesskostenhilfe ab, weil der [X.]eschwerdeführer das Verfahren trotz gemäß § 10 Abs. 2 Satz 4 [X.] zugestellter Aufforderung länger als einen Monat nicht betrieben habe.

9

7. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 19. Dezember 2018 beantragte der [X.]eschwerdeführer, das Verfahren fortzuführen. In der Folge wies das Verwaltungsgericht darauf hin, dass ein Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens "sui generis" nach Einführung der Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO nicht (mehr) statthaft sei. Außerordentliche Rechtsbehelfe gegen rechtskräftige Entscheidungen seien nur dann zulässig, wenn sie in der geschriebenen Rechtsordnung geregelt seien. Es widerspreche der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, neben der Anhörungsrüge einen [X.] gegen einen unanfechtbaren Einstellungsbeschluss zuzulassen.

Die Prozessbevollmächtigte verwies auf obergerichtliche und höchstgerichtliche Rechtsprechung, nach der auch nach Inkrafttreten der Regelungen zur Anhörungsrüge die Rechtmäßigkeit einer Verfahrenseinstellung mit einem [X.] überprüft werden könne. Im Übrigen sei die [X.]etreibensaufforderung rechtswidrig ergangen, weil zum Zeitpunkt ihres Erlasses keine Anhaltspunkte für einen Wegfall des [X.] vorgelegen hätten.

8. Mit [X.]eschluss vom 22. Januar 2019, zugegangen am 25. Januar 2019, lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens als unstatthaft ab.

9. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 8. Februar 2019 erhob der [X.]eschwerdeführer gegen den [X.]eschluss vom 22. Januar 2019 Anhörungsrüge und eine Rüge analog § 152a VwGO wegen einer Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Gegen den Einstellungsbeschluss vom 12. Dezember 2018 erhob er ebenfalls Anhörungsrüge und beantragte zudem Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

10. Mit [X.]eschluss vom 13. Februar 2019, zugegangen am 18. Februar 2019, wies das Verwaltungsgericht alle [X.] zurück. Es habe die Rechtsansicht des [X.]eschwerdeführers zur Kenntnis genommen, die Frage der [X.] eines [X.]s jedoch anders bewertet. Das Gericht habe den Anspruch des [X.]eschwerdeführers auf rechtliches Gehör auch nicht dadurch verletzt, dass es das Verfahren gemäß § 81 Satz 1 [X.] eingestellt habe.

Der [X.]eschwerdeführer hat gegen die [X.]eschlüsse vom 12. Dezember 2018, 22. Januar 2019 und 13. Februar 2019 fristgerecht Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 19 Abs. 4 Satz 1 und Art. 103 Abs. 1 GG.

1. Die [X.]eschlüsse vom 12. Dezember 2018 und vom 13. Februar 2019 verletzten ihn in seinem Recht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes und in seinem Recht auf rechtliches Gehör. Die [X.]etreibensaufforderung vom 8. November 2018 sei rechtswidrig ergangen, weil im Zeitpunkt ihres Erlasses keine sachlich begründeten Anhaltspunkte für einen Wegfall seines [X.] vorgelegen hätten. Dies könne nicht allein aus dem [X.] eines gerichtlichen Schreibens abgeleitet werden. Für das Gericht sei zu diesem Zeitpunkt gar nicht erkennbar gewesen, ob er die Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung des [X.] aus § 10 Abs. 1 [X.] verletzt habe. Die bloße Möglichkeit einer Verletzung von Mitwirkungspflichten reiche für die Annahme, das Rechtsschutzinteresse sei entfallen, nicht aus. Zum anderen sei der Umstand, dass er die Klage erst zwei Wochen vor Erlass der [X.]etreibensaufforderung erhoben habe, ein deutliches Indiz dafür, dass sein Rechtsschutzinteresse fortbestanden habe. Jedenfalls habe sich das Gericht über die Anforderungen hinweggesetzt, die das [X.] in dem [X.]eschluss vom 17. September 2012 - 1 [X.]vR 2254/11 - aufgestellt habe. Danach dürfe die [X.]etreibensaufforderung nicht als Sanktion für einen Verstoß gegen prozessuale Mitwirkungspflichten eingesetzt werden.

2. Der [X.]eschluss vom 22. Januar 2019 verletze ihn ebenfalls in seinem Recht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Nach einhelliger obergerichtlicher und höchstgerichtlicher Rechtsprechung sei bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit einer Verfahrenseinstellung ein Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens zulässig. Über diesen Antrag habe das Gericht durch Urteil zu entscheiden, gegen das wiederum das Rechtsmittel der Zulassung der [X.]erufung gegeben sei. Durch die Rechtsauffassung des Gerichts, ein [X.] sei neben der Anhörungsrüge unstatthaft, werde ihm daher eine inhaltliche Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung durch eine weitere Instanz genommen und der Rechtsschutz auf Gehörsrügen beschränkt. Denn Verletzungen des Prozessrechts oder von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG könnten mit der Anhörungsrüge nicht zulässig geltend gemacht werden.

Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 [X.] liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche [X.]edeutung zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 [X.] genannten Rechte des [X.]eschwerdeführers angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. [X.] 90, 22 <25 f.>). Zwar sind sowohl die [X.]etreibensaufforderung als auch die anschließende Verfahrenseinstellung durch das Verwaltungsgericht unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ergangen (1.). Die Verfassungsbeschwerde ist jedoch unzulässig, weil ihr der Grundsatz der Subsidiarität entgegensteht (2.).

1. Durch die Handhabung des § 81 Satz 1 [X.] im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht die Anforderungen an das Verhalten eines [X.], mit dem er sein fortbestehendes Interesse an einer gerichtlichen Sachentscheidung zum Ausdruck bringen muss, offenkundig überspannt.

Es bestand kein hinreichender Anlass, eine [X.]etreibensaufforderung zu erlassen. Der Umstand, dass ein mit einfachem [X.]rief an den [X.]eschwerdeführer übersandtes gerichtliches Schreiben am 8. November 2018 als unzustellbar in [X.] gelangt ist, reichte jedenfalls unter den Umständen des vorliegenden Falls für sich genommen nicht aus, berechtigte Zweifel am Fortbestand des [X.] des [X.]eschwerdeführers zu begründen.

Das Verwaltungsgericht hat die [X.]etreibensaufforderung schon etwa zwei Wochen nach Klageerhebung erlassen. Zuvor hatte es dem [X.]eschwerdeführer mit der Eingangsbestätigung unter Fristsetzung mehrere Fragen zur [X.]eantwortung aufgegeben, die dieser allerdings bereits mit Klageerhebung im Wesentlichen beantwortet hatte; insbesondere hatte der [X.]eschwerdeführer Prozesskostenhilfe beantragt, die Mandatierung eines Prozessbevollmächtigten sowie eine Klagebegründung angekündigt und sich mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter einverstanden erklärt. [X.]ereits diese Umstände lassen an dem [X.]estehen und dem Fortbestand seines [X.] vernünftigerweise nicht ernsthaft zweifeln. Zudem hat das Verwaltungsgericht die vom [X.]eschwerdeführer angegebene vollständige Anschrift in allen gerichtlichen Schreiben nur unvollständig verwendet und gerade denjenigen Adresszusatz ("Gebäude 2") weggelassen, der für eine Identifikation des genauen Aufenthaltsorts des [X.]eschwerdeführers auf dem - zahlreiche Gebäude und den Sitz mehrerer [X.]ehörden und Einrichtungen umfassenden - Gelände der postalischen Anschrift bedeutsam gewesen sein dürfte.

Zwar kann die fehlende Erreichbarkeit eines Verfahrensbeteiligten im [X.] - insbesondere bei einem weiter fortgeschrittenen Gerichtsverfahren - ein gewichtiges Indiz für den Wegfall des [X.] darstellen. Im vorliegenden Fall und in der Situation unmittelbar nach Klageerhebung durfte das Verwaltungsgericht jedoch den Umstand, dass die Übersendung der Klageerwiderung durch Schreiben vom 30. Oktober 2018 den [X.]eschwerdeführer nicht erreicht hatte, nicht zum Anlass für eine [X.]etreibensaufforderung - die wiederum nur unvollständig adressiert war - nehmen, sondern hätte seine eigene Handhabung des Verfahrens überprüfen und einen fehlerfreien Zustellversuch unternehmen müssen; eine zutreffende Adressierung der [X.] hätte möglicherweise zur Mitteilung der zutreffenden Anschrift führen können (vgl. Ziffer 1.4.2 der [X.], die diese Möglichkeit vorsieht). Der Umstand, dass der [X.]eschwerdeführer selbst es pflichtwidrig (vgl. § 10 Abs. 1 [X.]) unterlassen hat, den Wechsel seiner Anschrift unverzüglich mitzuteilen, ändert daran im vorliegenden Fall nichts. Denn auch in einem solchen Fall ist eine Gesamtschau sämtlicher Umstände des Einzelfalls erforderlich (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 12. April 2001 - 8 [X.] 2.01 -, juris, Rn. 5). Im Übrigen darf die [X.]etreibensaufforderung nicht als Sanktion für einen Verstoß gegen prozessuale Mitwirkungspflichten oder für unkooperatives Verhalten eines Verfahrensbeteiligten eingesetzt werden, sondern soll lediglich berechtigte Zweifel am Fortbestand des [X.] klären (vgl. zu § 92 Abs. 2 VwGO: [X.]VerfG, [X.]eschluss der [X.] des [X.] vom 17. September 2012 - 1 [X.]vR 2254/11 -, juris, Rn. 28).

2. Die Verfassungsbeschwerde ist jedoch unzulässig, da ihr der Grundsatz der Subsidiarität entgegensteht (vgl. [X.] 107, 395 <414>; 112, 50 <60>; 134, 106 <115>; 134, 242 <285>; stRspr). Der Funktion der Verfassungsbeschwerde würde es zuwiderlaufen, sie anstelle oder wahlweise neben einem möglicherweise statthaften Rechtsmittel zuzulassen (vgl. [X.] 1, 5 <6>; 1, 97 <103>). Es ist daher geboten, vor der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde die [X.] weiterer einfachrechtlicher Rechtsbehelfe zu prüfen und von ihnen Gebrauch zu machen, wenn sie nicht offensichtlich unzulässig sind (vgl. [X.] 28, 1 <6>). Es ist grundsätzlich Aufgabe der Fachgerichte, über [X.]n nach einfachem Recht unter [X.]erücksichtigung der hierzu vertretenen [X.] zu entscheiden (vgl. [X.] 18, 85 <92 f.>; 68, 376 <381>). Wird das Rechtsmittel als unzulässig verworfen, weil die Gerichte die [X.] zuungunsten eines [X.]eschwerdeführers beurteilen, kann dieser nach Ergehen einer letztinstanzlichen Entscheidung innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 [X.] Verfassungsbeschwerde einlegen und etwaige Grundrechtsverletzungen durch eine vorangegangene Sachentscheidung rügen (vgl. [X.] 68, 376 <381>; [X.]VerfG, [X.]eschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 24. Februar 2000 - 2 [X.]vR 1295/98 -, juris, Rn. 5). Der [X.]eschwerdeführer hätte daher gegen den [X.]eschluss vom 22. Januar 2019, mit dem das Verwaltungsgericht den Antrag auf Fortführung des Verfahrens abgelehnt hat, einen Antrag auf Zulassung der [X.]erufung gemäß § 78 Abs. 2 bis 4 [X.] stellen müssen und könnte dies wegen der als fehlerhaft anzusehenden Rechtsmittelbelehrung des [X.]eschlusses vom 22. Januar 2019 auch derzeit noch tun:

Macht der Kläger eines asylrechtlichen Klageverfahrens geltend, die Fiktion der Klagerücknahme gemäß § 81 Satz 1 [X.] sei nicht eingetreten, kann er nach verbreiteter Auffassung die Fortsetzung des Verfahrens beantragen. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass das Verfahren durch fiktive Klagerücknahme beendet ist, spricht es dies durch Urteil - oder Gerichtsbescheid - aus. Die Entscheidung, mit der die [X.]eendigung des Verfahrens festgestellt wird, ist mit denselben Rechtsmitteln angreifbar, die gegen die Entscheidung in der Sache selbst gegeben wären. Entscheidet das Gericht über den [X.] fehlerhaft durch [X.]eschluss, kann dasjenige Rechtsmittel eingelegt werden, das bei einer in verfahrensrechtlich zutreffender Form ergangenen Entscheidung gegeben wäre (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 23. April 1985 - 9 C 48.84 -, juris, Rn. 14; [X.], in: [X.]/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 81 [X.] Rn. 21 ff., 25; [X.], in: [X.]/[X.], VwGO, 5. Aufl. 2018, § 92 Rn. 85 ff., 90).

Davon ausgehend wäre gegen den [X.]eschluss des [X.] vom 22. Januar 2019 der Antrag auf Zulassung der [X.]erufung gemäß § 78 Abs. 2 bis 4 [X.] gegeben. Dieser wäre aus den genannten Gründen (oben III. 1.) nicht offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg. Denn eine fehlerhafte [X.]ejahung der Wirksamkeit einer fiktiven Klagerücknahme gemäß § 81 Satz 1 [X.] verletzt - neben Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG - zugleich den Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG, weil sich das Gericht zu Unrecht nicht mit der Sache selbst befasst hat. Eine entsprechende Verfahrensrüge gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 [X.] in Verbindung mit § 138 Nr. 3, § 108 Abs. 2 VwGO wird daher regelmäßig Erfolg haben (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 5. Juli 2000 - 8 [X.] 119.00 -, juris, Rn. 2).

3. Der Antrag auf [X.]ewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die Verfassungsbeschwerde aus den genannten Gründen keine Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 114, 121 Abs. 2 ZPO).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 367/19

18.03.2019

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 1. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend VG Chemnitz, 13. Februar 2019, Az: 7 K 1969/18.A, Beschluss

Art 19 Abs 4 S 1 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 78 Abs 2 AsylVfG 1992, § 78 Abs 3 AsylVfG 1992, § 78 Abs 4 AsylVfG 1992, § 81 S 1 AsylVfG 1992, § 58 Abs 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 18.03.2019, Az. 2 BvR 367/19 (REWIS RS 2019, 9264)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 9264

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

6 K 2086/20.A

Zitiert

1 BvR 2254/11

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