Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.09.2004, Az. VII ZR 456/01

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 1404

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VII ZR 456/01 Verkündet am: 30. September 2004 Heinzelmann, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja

HOAI §§ 4 Abs. 1, 4 a Satz 3; BGB §§ 133 B, 157 Ga, Ge a) § 4 a Satz 3 HOAI ist nur anwendbar, wenn die Parteien eine Honorarvereinba-rung nach § 4 a Satz 1 HOAI getroffen haben. b) Vereinbaren die Parteien eines Architektenvertrages, daß dem Auftragnehmer bei Überschreitung einer bestimmten Bauzeit ein Anspruch auf Verhandlung über eine angemessene Entgelterhöhung zustehen soll, kann dies als vertragliche Regelung der Folgen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu verstehen sein. c) Eine solche Regelung verstößt nicht gegen das Preisrecht der HOAI, sofern sich die zugrundegelegte Bauzeit unter Berücksichtigung eines den Parteien zuzubilli-genden Beurteilungsspielraums nicht als unrealistisch darstellt. BGH, Urteil vom 30. September 2004 - VII ZR 456/01 - KG LG Berlin

- 2 - Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Mai 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Hausmann, Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka und Bauner für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Kammergerichts vom 14. November 2001 unter Zurückwei-sung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und in-soweit aufgehoben, als in Höhe von 77.999,94 DM (= 39.880,74 •) und Zinsen zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsver-fahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Die Parteien streiten über restliches Architektenhonorar des Klägers. Ende März 1996 schloß der Kläger mit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen Vertrag über Architektenleistungen für den Umbau eines Wohn-hauses in B. Die Beklagte trat später anstelle der Gesellschaft bürgerlichen Rechts in den Vertrag ein. - 3 - Gemäß § 2 des Vertrages sollte der Kläger Grundleistungen der Lei-stungsphasen 8 und 9 des § 15 Abs. 2 HOAI erbringen. Als Honorar vereinbar-ten die Parteien die Mindestsätze der Honorarzone III sowie einen Umbauzu-schlag in Höhe von 10 %. § 4 des Vertrages lautet: "Dauert die Bauausführung länger als 15 Monate, so sind die Par-teien verpflichtet, über eine angemessene Erhöhung des Honorars für die Bauüberwachung (§ 15 Abs. 2 HOAI, Leistungsphase 8) zu verhandeln. Der nachgewiesene Mehraufwand ist dem Architekten in jedem Fall zu erstatten, es sei denn, daß der Architekt die Bauzeitüber-schreitung zu vertreten hat". Der Kläger übernahm neben den im Vertrag vorgesehenen Leistungen zusätzlich die Bauleitung Haustechnik. Mit dem Umbau wurde im Mai 1996 be-gonnen. Das Bauvorhaben verzögerte sich zunächst aufgrund des Konkurses des Generalübernehmers H. und eines vom Bauaufsichtsamt verfügten Bau-stopps. Nach einer Besprechung, bei der es unter anderem um noch ausste-hende Honoraransprüche des Klägers gegangen war, übersandte der Kläger der Beklagten Ende September 1998 einen Vorschlag für eine Vereinbarung über den Ausgleich seines derzeit offenen Honorars sowie über eine Zusatz-vergütung im Hinblick auf die Überschreitung der vereinbarten Bauzeit bis De-zember 1998. Nach Verhandlungen zeichneten die Parteien am 16. November 1998 die akzeptierten Positionen ab. Das Bauvorhaben wurde aufgrund weite-rer Verzögerungen erst im Herbst 1999 fertiggestellt. Der Kläger hat zunächst Zahlung des in der Vereinbarung vom 16. November 1998 festgelegten Honorars abzüglich geleisteter Zahlungen und zuzüglich noch offener Abschlagsforderungen, mithin 54.131,11 DM, gefordert. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 31.186,79 DM stattgegeben. Es hat ausgeführt, dem Kläger stünden aus der Vereinbarung vom 16. November 1998 - 4 - nur der auf die Bauzeitüberschreitung entfallende Teil in Höhe von 46.666,67 DM abzüglich darauf gezahlter 30.000 DM sowie die geltend ge-machten Abschlagsforderungen zu. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Demgegenüber hat die unselbständige Anschlußberufung, mit der der Kläger sein Klagebegehren erweitert hat, weitgehend Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat dem Kläger insgesamt 121.743,92 DM zugesprochen. Die Revision der Beklagten hat der Senat angenommen, soweit sich die Beklagte gegen die Verurteilung zur Zahlung von 94.666,61 DM und Zinsen (zusätzliche Vergütung wegen Konkurs H. , Baustopp durch Bauaufsicht und fehlende Bau-leitung Haustechnik, insgesamt 18.000 DM, sowie zusätzliche Vergütung we-gen weiterer Bauzeitverlängerung in Höhe von 76.666,61 DM) wendet. In die-sem Umfang verfolgt sie ihr Rechtsmittel weiter.

Entscheidungsgründe: Die Revision hat überwiegend Erfolg. Sie führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Beru-fungsgericht. Die Beurteilung des Schuldverhältnisses richtet sich nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Recht (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB). I. 1. Das Berufungsgericht erkennt dem Kläger für die Bauleitung bei der Haustechnik ein Honorar von 7.000 DM zu. Dieser habe vorgetragen, daß er - 5 - isolierte Besondere Leistungen erbracht habe; dem sei die Beklagte nicht aus-reichend entgegengetreten. Damit sei eine Vereinbarung zur Höhe der Vergü-tung auch formlos zulässig gewesen. Die Beklagte sei deshalb an die Abrede vom 16. November 1998 gebunden, in der sich die Parteien auf ein Entgelt von 7.000 DM geeinigt hätten. 2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. a) Das Berufungsgericht geht allerdings zu Recht davon aus, daß die HOAI für isolierte Besondere Leistungen keine Entgeltregeln enthält (BGH, Ur-teil vom 5. Juni 1997 - VII ZR 124/96, BGHZ 136, 33, 38). Ob derartige Leistun-gen vorliegen, ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts eine Rechts-frage, die nicht mangels substantiierten Bestreitens als zugestanden behandelt werden kann, sondern die das Gericht aufgrund des von ihm festgestellten Sachverhalts zu beantworten hat. Nach seinem eigenen Vortrag hat der Kläger die Koordinierung und terminliche Abwicklung der Haustechnik übernommen; er hat damit Grundleistungen der Leistungsphase 8 des § 73 HOAI erbracht. b) In der Revision ist davon auszugehen, daß die Leistung auf vertragli-cher Grundlage erfolgte. Das Honorar richtet sich nach den gemäß §§ 68 ff HOAI zu ermittelnden Mindestsätzen, sofern nicht bei Auftragserteilung etwas anderes schriftlich vereinbart worden ist. Dazu fehlen Feststellungen. In der Honorarabrede vom 16. November 1998 haben sich die Parteien auf eine Ver-gütung von 7.000 DM geeinigt. Die Abrede ist jedoch in diesem Punkt unwirk-sam, da sie nach dem Vortrag des Klägers nicht bei Auftragserteilung 1997 und vor Abschluß seiner Tätigkeit getroffen worden ist, so daß die Beklagte gemäß § 4 Abs. 1, 4 HOAI lediglich den Mindestsatz schuldet. - 6 - c) Die gebotene Zurückverweisung der Sache gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, gegebenenfalls nach ergänzendem Vortrag der Parteien, hierzu die erforderlichen Feststellungen zu treffen. II. 1. Das Berufungsgericht führt aus, dem Kläger stehe aus den zur Haus-technik ausgeführten Gründen Honorar in Höhe von 4.000 DM für weitere iso-lierte Besondere Leistungen zu, die durch den Konkurs des Generalüberneh-mers H. angefallen seien. Dasselbe gelte für die durch den Baustopp veranlaß-ten zusätzlichen Leistungen im Wert von weiteren 7.000 DM. 2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. a) Isolierte Besondere Leistungen liegen nur vor, wenn die Leistungen nicht im Zusammenhang mit Grundleistungen nach den Leistungsbildern der HOAI vergeben werden oder an deren Stelle treten. Dem Kläger sind die Pha-sen 8 und 9 des § 15 Abs. 2 HOAI übertragen worden. Mit diesen stehen die gesondert abgerechneten Leistungen im Zusammenhang, so daß sie keine iso-lierten Besonderen Leistungen sein können, für die ohne Rücksicht auf das Preisrecht der HOAI eine Vergütung hätte frei vereinbart werden können. b) Der Senat kann nicht selbst entscheiden, ob dem Kläger eine Vergü-tung für die abgerechneten Leistungen zusteht. aa) Der Kläger hat die durch den Konkurs der H. angefallenen Lei-stungen als Prüfen und Abzeichnen von Bestellungen und Rechnungen der Rohbaufirmen sowie Wahrnehmen von Gutachterterminen mit dem Sachver-ständigen K. beschrieben. Die Leistungen infolge des Baustopps hat er als An-- 7 - weisung von Sicherungsarbeiten und die Vorbereitung des Beginns der Arbei-ten nach Ende des Baustopps sowie Anschreiben der Firmen und Terminsab-sprachen bezeichnet. Damit sind Grundleistungen der Leistungsphase 8 des § 15 Abs. 2 HOAI aufgeführt. bb) Der Kläger kann für diese Leistungen keine zusätzliche Vergütung verlangen, wenn sie bereits Gegenstand des ursprünglichen Auftrags waren. Dazu trifft das Berufungsgericht keine Feststellungen; es wird dies nach der Zurückverweisung durch Auslegung des Vertrages nachzuholen haben. Dabei wird zu berücksichtigen sein, daß allein ein unvorhergesehener Bauablauf nicht die Annahme rechtfertigt, die im Zusammenhang damit erbrachten Leistungen seien nicht geschuldet gewesen. cc) Sollten die Leistungen bereits nach dem ursprünglichen Vertrag ge-schuldet gewesen sein, kann der Kläger aufgrund der Vereinbarung vom 16. November 1998 keine zusätzliche Vergütung verlangen. Die Vereinbarung ist insoweit unwirksam, weil sie nach Auftragserteilung und vor Beendigung der insgesamt geschuldeten Leistungen getroffen worden ist. Die zusätzliche Ver-gütung überschreitet den vereinbarten Mindestsatz, so daß sie nicht geschuldet ist, § 4 Abs. 4 HOAI. dd) Soweit die Leistungen ursprünglich vertraglich nicht geschuldet wa-ren, kann der Kläger den Mindestsatz für die zusätzlich beauftragten Grundlei-stungen verlangen, der nach Maßgabe des § 5 Abs. 2 HOAI zu ermitteln ist. III. 1. Das Berufungsgericht spricht dem Kläger aufgrund der Vereinbarung vom 16. November 1998 für die Bauzeitüberschreitung bis Dezember 1998 ein - 8 - zusätzliches Honorar von noch 16.666,67 DM zu, nämlich 46.666,67 DM ab-züglich gezahlter 30.000 DM. Die Parteien hätten in Nr. 4 des Vertrages verein-bart, daß bei einer Überschreitung der vorgesehenen Bauzeit von 15 Monaten über eine angemessene Erhöhung des Honorars für die Bauüberwachung ver-handelt werden solle. Dem entspreche die Vereinbarung vom 16. November 1998, mit der ein zusätzliches Entgelt in Höhe von 6.666,66 DM je Monat bis Dezember 1998 festgelegt worden sei. Die Vereinbarung verstoße nicht gegen § 4 Abs. 1 HOAI. Zudem sei mit § 4 a Satz 3 HOAI eine Rechtsgrundlage für Vereinbarungen über die Vergütung bei verlängerter Bauzeit geschaffen wor-den. 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nur im Ergebnis stand. Das Berufungsgericht geht ersichtlich davon aus, daß die Parteien durch die Verhandlungsklausel im Ursprungsvertrag und die Vereinbarung vom 16. November 1998 eine Vergütungsregelung getroffen haben, die nur am preis-rechtlichen Maßstab der HOAI zu messen und danach nicht zu beanstanden sei. Das trifft nicht zu (a). Nach Sinn und Zweck der Vereinbarung handelt es sich vielmehr um eine Regelung, auf deren Grundlage wirksam ein Vertragsan-passungsanspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage vereinbart worden ist (b). a) Der Senat hat bisher nicht entschieden, ob eine bei Vertragsschluß getroffene Vereinbarung, bei einer Überschreitung einer Regelbauzeit sei über eine angemessene Erhöhung des Honorars für die Leistungsphase 8 des § 15 Abs. 2 HOAI zu verhandeln, preisrechtlich wirksam ist. Die Klausel wird über-wiegend für wirksam gehalten (so OLG Brandenburg, BauR 2001, 1772; Hart-mann, HOAI, § 4 Rdn. 52; Locher/Koeble/Frik, HOAI, 8. Aufl., § 4 Rdn. 96; zweifelnd: Löffelmann, BauR 1994, 597; Löffelmann/Fleischmann, Architekten-- 9 - recht, 4. Aufl., Rdn. 908; a.A.: Pott/Dahlhoff/Kniffka, HOAI, 7. Aufl., § 4 Rdn. 24; Knipp in: Thode/Wirth/Kuffer, Prax.Hdb.Architektenrecht, § 7 Rdn. 77). (aa) Die Verpflichtung, nach Ablauf einer bestimmten Zeit nach Vertrags-schluß über die Höhe des Honorars für die Bauzeitüberschreitung zu verhan-deln, wäre unter preisrechtlichen Gesichtspunkten keine zulässige Honorarver-einbarung im Sinne von § 4 Abs. 1 HOAI. Zwar müssen die Parteien bei Ver-tragsschluß kein bestimmtes Honorar für eine Bauzeitüberschreitung vereinba-ren. Die Erhöhung des geschuldeten Honorars für eine Bauzeitüberschreitung müßte aber nach Sinn und Zweck der HOAI zumindest bestimmbar sein. Die HOAI zielt darauf ab, daß die Parteien ihre Honorarvereinbarungen gerade deshalb bei Auftragserteilung zu treffen haben, damit spätere Unklarheiten und Schwierigkeiten vermieden werden (so Amtliche Begründung Œ BR-Drucks. 270/76 S. 8). Daher müßte eine preisrechtlich zulässige Vereinbarung die Ab-rechnungsfaktoren enthalten, die die Höhe des Zuschlags zumindest berechen-bar machen. Eine solche Vereinbarung müßte sich auch innerhalb des preis-rechtlich zulässigen Gestaltungsspielraums der HOAI halten. bb) Die preisrechtliche Zulässigkeit einer derartigen Vereinbarung ergäbe sich im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht aus § 4 a Satz 3 HOAI. Der Senat hat über den Anwendungsbereich des Satzes 3 dieser Vorschrift noch nicht entschieden. Nach ganz überwiegender Auffassung ist § 4 a Satz 3 HOAI nur in Fällen des § 4 a Satz 1 HOAI anwendbar. Das setzt eine Vereinbarung voraus, daß das Honorar auf der Grundlage einer nachprüf-baren Ermittlung der voraussichtlichen Herstellungskosten nach Kostenberech-nung oder Kostenanschlag berechnet wird (so z.B. Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 6. Aufl., § 4 a Rdn. 28; Pott/Dahlhoff/Kniffka, HOAI, 7. Aufl., § 4 a Rdn. 11). - 10 - Diese Auffassung trifft zu. Für sie sprechen entscheidend Wortlaut und systematische Gründe. Bereits die Überschrift des § 4 a HOAI ("Abweichende Honorarermittlung") legt nahe, daß eine Vereinbarung nach § 4 a Satz 1 HOAI Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Satzes 3 ist. Die Sätze 1 bis 3 dieser Vorschrift stehen zudem in einem engen räumlichen, ohne Absatz getrennten Zusammenhang, so daß Satz 3 unmittelbar nur an Satz 1 anknüpft. Die Parteien haben keine Vereinbarung getroffen, daß das Honorar auf der Grundlage einer nachprüfbaren Ermittlung der voraussichtlichen Herstel-lungskosten nach Kostenberechnung oder nach Kostenanschlag berechnet werden soll. Nach Nr. 2.4 des Vertrages richten sich vielmehr die anrechenba-ren Kosten nach § 10 HOAI. Danach gilt für die Leistungsphasen 8 und 9 des § 15 Abs. 2 HOAI die Kostenfeststellung. b) Die Ausführungen des Berufungsgerichts werden dem Sinn und Zweck der Verhandlungsklausel nicht gerecht. Die Parteien haben ihrer Lei-stungs- und Honorarvereinbarung in dem ursprünglichen Vertrag eine Bauzeit von 15 Monaten zugrundegelegt. Sie haben die Pflicht des Klägers zur Bau-überwachung nicht auf diese Frist beschränkt; dieser hat eine zeitlich unbe-schränkte Verpflichtung übernommen. Geschäftsgrundlage dieser Verpflichtung ist eine Bauzeit von 15 Monaten. Die Parteien haben mit der Anpassungsklau-sel die Rechtsfolgen für den Fall eines Wegfalls dieser Geschäftsgrundlage ge-regelt. Danach ist über eine angemessene Höhe eines zusätzlichen Honorars für eine zusätzliche Zeit der Bauüberwachung zu verhandeln; dem Kläger soll jedenfalls ein Ausgleich für den nachgewiesenen Mehraufwand zustehen, wenn er eine Bauzeitüberschreitung nicht zu vertreten hat. Diese Anpassungsklausel, auf der die spätere Einigung auf eine zusätzliche Vergütung für die bis Dezem-ber 1998 verlängerte Bauzeit beruht, ist wirksam. - 11 - aa) Die HOAI hält die Parteien an, das Honorar schon bei Auftragsertei-lung schriftlich zu vereinbaren. Dabei können sie auch die Länge der Bauzeit berücksichtigen. Längere Bauzeiten können sie durch eine Anhebung des Ho-norars bis hin zum Höchstsatz abgelten; bei ungewöhnlich lange dauernden Leistungen können sie nach § 4 Abs. 3 HOAI die Höchstsätze durch schriftliche Vereinbarung überschreiten. Das muß bereits bei Auftragserteilung geschehen. Dementsprechend sind die Parteien gemäß § 4 Nr. 4 HOAI preisrechtlich ge-hindert, das bei Auftragserteilung zu vereinbarende Honorar offen zu lassen. bb) Diese Grundsätze gelten indes nur, soweit die Parteien die für die Honorarvereinbarung maßgebenden Voraussetzungen bei der ursprünglichen Vergütungsvereinbarung erkennen und bedenken konnten. Unvorhersehbare Ereignisse mit ungewisser Dauer können grundsätzlich bei der Honorarverein-barung für die Bauzeit nicht berücksichtigt werden; die HOAI sieht dafür keinen Regelungstatbestand vor. Diese können deshalb zu einem Wegfall der Ge-schäftsgrundlage führen und einen Preisanpassungsanspruch auslösen (vgl. Korbion/Mantscheff/ Vygen, aaO § 4, Rn. 51). Für die Bauzeit als Faktor bei der Entgeltbestimmung bedeutet das, daß bei Vertragsabschluß die Bauzeit in die Preiskalkulation einzubeziehen ist, so-weit sie von den Parteien realistisch eingeschätzt werden kann. Bereits bei Ver-tragsschluß absehbare Überschreitungen durchschnittlicher Bauzeiten können die Parteien durch eine angemessene Anhebung des Honorars, erforderlichen-falls auch über die Höchstsätze hinaus, berücksichtigen. Anders liegt es bei Verlängerungen der Bauzeit, die die Vertragsschließenden bei Auftragserteilung auch bei Berücksichtigung üblicher Verzögerungen nicht vorhersehen konnten. Den Parteien kann nicht zugemutet werden, insoweit eine spekulative Vergü-tung zu vereinbaren. Vielmehr stellt es eine interessengerechte Lösung dar, - 12 - eine bestimmte Bauzeit als Geschäftsgrundlage festzulegen und bei deren Wegfall einen vertraglichen Preisanpassungsanspruch zu begründen. Die Parteien sind nicht gehindert, einzelne Kriterien für einen sich aus § 242 BGB ohnehin ergebenden gesetzlichen Preisanpassungsanspruch im Vertrag zu umschreiben und damit einen vertraglichen Anspruch zu begründen. Die HOAI regelt lediglich das Preisrecht, nicht aber die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Dies kann in der Weise geschehen, daß ein Mindestanspruch auf Ersatz von Mehraufwendungen festgesetzt und der An-spruch im übrigen von dem Ergebnis der vertraglich vereinbarten Verhandlung abhängig gemacht wird. Eine Abrede über die Dauer der Bauzeit als Geschäftsgrundlage eines Architektenvertrages und die Folgen ihres Wegfalls darf allerdings nicht zu einer Umgehung des Preisrechts der HOAI führen. Wird eine bestimmte Bauzeit zu-grundegelegt, muß diese für das konkrete Vorhaben realistisch bemessen sein und übliche Störungen berücksichtigen. Bei der Beurteilung der Frage, welche Bauzeit bei Vertragsschluß zu erwarten ist, steht den Parteien allerdings, ähn-lich wie bei der Festlegung einer bestimmten Honorarzone, ein gewisser Beur-teilungsspielraum zu (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 13. November 2003 - VII ZR 362/02, BauR 2004, 354 = ZfBR 2004, 251 = NZBau 2004, 159). Anhaltspunkte dafür, daß die Parteien bei der Vereinbarung einer Bau-zeit von 15 Monaten ihren Beurteilungsspielraum überschritten hätten, sind nicht ersichtlich. Nach der am 16. November 1998 getroffenen Vereinbarung stehen dem Kläger noch 16.666,67 DM zu, so daß die Revision der Beklagten insoweit nicht begründet ist. - 13 - IV. 1. Das Berufungsgericht hält den Kläger für berechtigt, für die Bauzeit-verlängerung von Januar bis September 1999 weitere 59.999,94 DM (9 Monate zu je 6.666,66 DM) zu verlangen. Eine entsprechende Verpflichtung ergebe sich aus der Vereinbarung vom 16. November 1998. 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. a) Das Berufungsgericht legt die Vereinbarung in diesem Punkt nicht aus, sondern stellt lediglich ein Auslegungsergebnis fest, ohne die Grundlagen hierfür darzulegen. Der Wortlaut der Erklärung, von dem bei der Auslegung auszugehen ist, bietet keinen Anhalt dafür, daß die Zuerkennung eines weiteren Honorars auch für Leistungen nach Dezember 1998 gelten sollte. Eine Verein-barung, mit der ein zusätzliches monatliches Honorar ohne Rücksicht auf die in der verbleibenden Bauzeit noch anfallenden Architektenleistungen über eine ungewisse Zeit für die Zukunft fortgeschrieben wird, wäre nicht interessenge-recht. b) Der Kläger hat aus dem Architektenvertrag einen Anspruch darauf, daß die Beklagte mit ihm auch über eine angemessene Vergütung für die über Dezember 1998 hinausgehende Bauzeitverlängerung verhandelt. Dieser An-spruch begründet nach der beiderseitigen Interessenlage nicht nur eine Pflicht der Beklagten, Verhandlungen mit dem Kläger aufzunehmen, sondern auch, in eine angemessene Vergütung der Leistungen einzuwilligen. Dafür spricht be-reits die Regelung im Architektenvertrag, wonach bei einer Bauzeitüberschrei-tung mindestens der nachgewiesene Mehraufwand zu erstatten ist. Als ange-messen ist dabei diejenige Vergütung anzusehen, die die Vertragsparteien im Rahmen der sich aus der HOAI ergebenden Beschränkungen vereinbart hätten, wenn sie bei Abschluß des ursprünglichen Vertrages die tatsächliche Verlänge-- 14 - rung der Bauzeit vorausgesehen hätten. Im Rechtsstreit ist an die Stelle des Anspruchs auf Verhandlung und Einwilligung der Anspruch auf Zahlung der an-gemessenen Vergütung getreten. Hierzu wird das Berufungsgericht nach ent-sprechendem Vortrag des Klägers Feststellungen zu treffen haben.
Dressler Hausmann Kuffer
Kniffka Bauner

Meta

VII ZR 456/01

30.09.2004

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.09.2004, Az. VII ZR 456/01 (REWIS RS 2004, 1404)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1404

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