Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.10.2022, Az. IX ZB 41/21

9. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 6271

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Gegenstand

Erlöschen von Aufträgen im Insolvenzeröffnungsverfahren: Erlöschen eines anwaltlichen Mandats


Tenor

Die Erinnerung der Schuldnerin gegen den Ansatz der Gerichtskosten vom 25. Februar 2022 (Kostenrechnung vom 28. Februar 2022, [X.] 780022109758) wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

1. Mit Beschluss vom 27. Januar 2022 hat der [X.] die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin auf ihre Kosten als unzulässig verworfen und den Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens auf 2.000.000 € festgesetzt. Die Rechtsbeschwerde hat sich gegen einen Beschluss des [X.] vom 21. Juni 2021 gerichtet, mit dem dieses die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts vom 19. Mai 2021, die vorläufige Eigenverwaltung aufzuheben und einen vorläufigen Insolvenzverwalter zu bestellen, als unzulässig verworfen hatte. Das Insolvenzverfahren wurde am 1. Juli 2021 eröffnet. Mit dem Ansatz der Gerichtskosten wurden der Schuldnerin zwei Gerichtsgebühren nach einem Wert von 2.000.000 €, mithin 19.682 €, in Rechnung gestellt.

2

Mit ihrer Erinnerung macht die Schuldnerin geltend, es habe kein Mandat von ihrer Seite gegeben, das Rechtsbeschwerdeverfahren zu führen. Das Mandat des zunächst beauftragten [X.] sei gemäß § 117 [X.] mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erloschen. Zudem habe der Insolvenzverwalter die diesem erteilte [X.] auch ausdrücklich widerrufen. Demgemäß habe der [X.] auch nicht Rechtsanwalt Prof. Dr. S.      wirksam für das Rechtsbeschwerdeverfahren beauftragen und bevollmächtigen können. Die Kosten seien richtigerweise dem [X.] beziehungsweise Prof. Dr. S.    aufzuerlegen.

3

2. Zur Entscheidung über eine Erinnerung gegen den [X.] ist gemäß §§ 1 Abs. 5, 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 1 GKG auch beim [X.] grundsätzlich der Einzelrichter berufen ([X.], Beschluss vom 23. April 2015 - [X.], [X.], 724; vom 8. Juni 2015 - [X.], NJW-RR 2015, 1209, Rn. 1). Ein Anlass, von diesem Grundsatz abzuweichen, besteht im vorliegenden Fall nicht.

II.

4

1. Die Erinnerung der Schuldnerin ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 66 Abs. 1 GKG).

5

2. In der Sache hat die Erinnerung keinen Erfolg. Der [X.] ist zutreffend.

6

a) Mit der Verwerfung der unzulässigen Rechtsbeschwerde durch den [X.] sind die geltend gemachten Gerichtsgebühren in der in Rechnung gestellten Höhe entstanden. Das ergibt sich aus Nr. 2383 des [X.] zum GKG (Anlage 1) in Verbindung mit § 34 Abs. 1 GKG.

7

b) Soweit die Erinnerung meint, die Kosten hätten nicht der Schuldnerin, sondern den beteiligten Rechtsanwälten auferlegt werden müssen, steht dem bereits entgegen, dass im Erinnerungsverfahren keine Änderung der rechtskräftigen Kostengrundentscheidung mehr erfolgen kann.

8

c) Die Voraussetzungen für eine Niederschlagung der Gerichtskosten gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG liegen nicht vor. Nach dieser Bestimmung werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. Die Vorschrift ist auch im Rahmen einer Kostenerinnerung anzuwenden (vgl. [X.], Beschluss vom 4. Mai 2005 - [X.], [X.], 956; BeckOK-KostenR/[X.], 2022, § 20 [X.] Rn. 21a mwN). Eine Nichterhebung kommt aber nur in Betracht, wenn ein offensichtlicher und schwerer Verfahrensfehler festgestellt wird oder in offensichtlich eindeutiger Weise materielles Recht verkannt wurde (vgl. [X.], aaO; [X.] 2014, 867 Rn. 37; BeckOK-KostenR/[X.], 2022, § 21 GKG Rn. 3 mwN).

9

Hier fehlt es bereits an einem einfachen Fehler des [X.]s. Die Kostengrundentscheidung trifft zu. Die Schuldnerin ist von den von ihr beauftragten und bevollmächtigten Rechtsanwälten wirksam vertreten worden. Das Gesetz zeigt beispielsweise mit § 34 Abs. 2 [X.] oder mit § 64 Abs. 2 Satz 1 [X.], dass der Grundsatz des Erlöschens von Aufträgen und [X.]en an einen Rechtsanwalt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß §§ 115 ff [X.] nicht ausnahmslos gelten kann. Nach den genannten Vorschriften steht dem Schuldner trotz Eröffnung die sofortige Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss oder gegen die Festsetzung der Vergütung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters zu. Daher muss der Schuldner auch die Möglichkeit haben, einen Anwalt zu beauftragen oder den - wie mutmaßlich hier - an einen solchen bereits vor Eröffnung erteilten Auftrag fortzuführen, um seine Rechte im Insolvenzverfahren durchsetzen zu können. Ein Auftrag oder Geschäftsbesorgungsvertrag, der lediglich die Vertretung des Schuldners im Insolvenzverfahren zum Gegenstand hat, fällt daher nicht unter §§ 115 ff [X.] und erlischt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht, wie der [X.] bereits entschieden hat (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Januar 2011 - [X.], [X.], 1014 Rn. 4; [X.], [X.], 2000; HK-[X.]/[X.], 10. Aufl., § 115 Rn. 11; [X.]/[X.], [X.], 15. Aufl., § 117 Rn. 8; [X.], 9. Aufl., § 117 [X.] Rn. 3). Der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter gemäß § 80 Abs. 1 [X.] lässt in diesem Zusammenhang auch die Kompetenz der Gesellschaft und ihrer Organmitglieder in Bezug auf die Rechte und Pflichten der Gesellschaft als Schuldnerin im Insolvenzverfahren unberührt (vgl. MünchKomm-[X.]/[X.], § 117 Rn. 10).

3. Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).

Harms

Meta

IX ZB 41/21

10.10.2022

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BGH, 27. Januar 2022, Az: IX ZB 41/21, Beschluss

§ 34 Abs 2 InsO, § 64 Abs 2 S 1 InsO, § 115 InsO, §§ 115ff InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.10.2022, Az. IX ZB 41/21 (REWIS RS 2022, 6271)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6271

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VII ZB 96/17

I ZB 73/14

IX ZB 52/14

IX ZB 242/08

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