Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.04.2022, Az. 2 B 8/21

2. Senat | REWIS RS 2022, 2368

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Anerkennung von Rufbereitschaft als Arbeitszeit


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 9. Dezember 2020 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 64 449 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache sowie auf einen Verfahrensmangel gestützte [X.]eschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) ist nicht begründet.

2

1. Die Klägerin begehrt die Anerkennung und Abgeltung von [X.] als [X.]ereitschaftsdienst.

3

Von August 2016 bis Oktober 2018 war die Klägerin Oberstabsärztin im [X.] K. und wurde teilweise im sogenannten Vordergrunddienst eingesetzt. Während dieses Dienstes musste sie zwar nicht im [X.] anwesend, aber jederzeit telefonisch erreichbar sein, um telefonisch zu beraten oder bei [X.]edarf innerhalb von 30 Minuten in der Notfallambulanz des [X.]es zu erscheinen.

4

Den Antrag, die Vordergrunddienste nicht nur als Rufbereitschaft, sondern als [X.]ereitschaftsdienst anzuerkennen und abzugelten, lehnte die [X.]eklagte ab. Klage und [X.]erufung sind erfolglos geblieben. Das [X.]erufungsgericht hat in seinem Urteil insbesondere darauf abgestellt, dass der Vordergrunddienst weder [X.]ereitschaftsdienst i.S.d. § 2 Nr. 4 der Verordnung über die Arbeitszeit der Soldatinnen und Soldaten i.d.F. der [X.]ekanntmachung vom 16. November 2015 ([X.] I S. 1995) noch [X.]. Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/[X.] und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie - [X.]. [X.] S. 9 Richtlinie 2003/88/[X.]) sei. Der Dienstherr habe der Klägerin den Ort, an dem sie sich bereitzuhalten habe, nicht vorgegeben und die Pflicht, innerhalb von 30 Minuten am Dienstort einzutreffen, reiche für die Annahme von Arbeitszeit in der Form von [X.]ereitschaftsdienst nicht aus.

5

2. Die Revision ist nicht wegen der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

6

Eine Rechtssache hat grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender [X.]edeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 24. Januar 2011 - 2 [X.] 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4, vom 9. April 2014 - 2 [X.] 107.13 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9 und vom 16. April 2020 - 2 [X.] 5.19 - [X.] 232.01 § 26 [X.]eamtStG Nr. 11 Rn. 6). Die Prüfung des [X.] ist dabei auf die mit der [X.]eschwerde dargelegten Rechtsfragen beschränkt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

7

Soll die grundsätzliche [X.]edeutung aus der Klärungsbedürftigkeit von Unionsrecht und der Notwendigkeit, eine Vorabentscheidung des [X.] einzuholen, hergeleitet werden, ist darzulegen, dass in dem erstrebten Revisionsverfahren zur Auslegung einer entscheidungsrelevanten unionsrechtlichen Regelung voraussichtlich eine Vorabentscheidung des [X.] einzuholen sein wird und keine hinreichenden Gründe vorliegen, die die Einholung einer Vorabentscheidung entbehrlich erscheinen lassen (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 22. Oktober 1986 - 3 [X.] - [X.] 310 § 132 VwGO Nr. 243 S. 25 f., vom 17. September 2018 - 1 [X.] 45.18 - juris Rn. 4 und vom 11. März 2020 - 5 [X.] 4.20 - [X.] 230 § 127 [X.]RRG Nr. 69 Rn. 14).

8

a) Die von der [X.]eschwerde aufgeworfenen Fragen,

"ist die Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen, dass die [X.]ereitschaftszeit, während derer die Klägerin der Verpflichtung unterliegt, einem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatz innerhalb von 30 Minuten Folge zu leisten, als "Arbeitszeit" anzusehen ist, weil die Kürze der 30-minütigen [X.]spanne dazu führt, dass die Klägerin ihren privaten Aufenthaltsort - sei es ihr Zuhause oder einen anderen Ort - nicht frei wählen oder wechseln kann,

ist die Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen, dass die [X.]ereitschaftszeit, während derer die Klägerin der Verpflichtung unterliegt, einem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatz innerhalb von 30 Minuten Folge zu leisten, als 'Arbeitszeit' anzusehen ist, weil die Kürze der 30-minütigen [X.]spanne dazu führt, dass die Klägerin in dieser [X.] in ihrer [X.]ewegungsfreiheit, der Qualität ihrer Ruhezeit, der Fähigkeit, sich den eigenen Interessen zu widmen, beschränkt ist, wenn diese Möglichkeiten auch nicht vollkommen ausgeschlossen waren,

welche Auswirkungen auf die Einordnung als Arbeits- oder Ruhezeit haben die Umstände, dass die Klägerin während der [X.]ereitschaftszeit An- und Abfahrtszeiten zur Wohnung von mindestens 16 bis 20 Minuten mit ihrem Privatfahrzeug und/oder Wegezeiten am Arbeitsort von ein bis zwei Minuten und/oder Umkleidemaßnahmen mit dienstlich angeordneter Kleidung (Schutzkleidung, Handschuhe, Mundschutz) von mindestens ein bis zwei Minuten einplanen musste und dadurch die [X.], innerhalb derer die Klägerin dem Ruf ihres Dienstherrn Folge leisten musste, faktisch deutlich unterhalb 30 Minuten lag (hier zwischen vier und zehn Minuten),

welche Auswirkungen auf die unionsrechtliche Einordnung als Arbeits- oder Ruhezeit hat die Tatsache, dass mit einer dienstlichen Inanspruchnahme während der [X.]ereitschaftszeit in einem zeitlichen Umfang von 21 % zu rechnen war",

führen nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

9

Diese Fragen zur Richtlinie 2003/88/[X.] lassen sich - soweit sie sich in einem Revisionsverfahren überhaupt stellen würden bzw. soweit sie überhaupt einer grundsätzlichen Klärung zugänglich sind - auf der Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] insbesondere in den Urteilen vom 9. März 2021 in den Rechtssachen [X.]/19 ([X.]) und [X.]/19 (Stadt [X.]) sowie der dazu bereits ergangenen Rechtsprechung des [X.] beantworten, ohne dass es dafür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ist für die Einordnung von [X.]ereitschaftsdienst als "Arbeitszeit" i.S.d. Richtlinie 2003/88/[X.] entscheidend, dass sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten und diesem zur Verfügung stehen muss, um gegebenenfalls sofort die geeigneten Leistungen erbringen zu können ([X.], Urteile vom 9. September 2003 - [X.]/02, Jaeger - Slg. 2003, [X.] Rn. 63, vom 21. Februar 2018 - [X.]/15, [X.] - NJW 2018, 1073 Rn. 59 und vom 9. September 2021 - [X.]/19, Dopravní podnik hl. m. Prahy - NJW 2021, 3173 Rn. 31; [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 20. Oktober 2020 - 2 [X.] 36.20 - [X.] 451.90 Sonstiges Europäisches Recht Nr. 238 Rn. 17). Der vom Arbeitgeber bestimmte Ort, an dem der Arbeitnehmer nach Weisung seines Arbeitgebers eine Tätigkeit auszuüben hat, gilt dabei als Arbeitsplatz, auch wenn es sich nicht um den Ort handelt, an dem er seine berufliche Tätigkeit gewöhnlich ausübt ([X.], Urteil vom 9. März 2021 - [X.]/19 [X.] - [X.] 2021, 485 Rn. 34). Der Arbeitnehmer, der während einer solchen [X.]ereitschaftszeit verpflichtet ist, zur sofortigen Verfügung seines Arbeitgebers an seinem Arbeitsplatz zu bleiben, muss sich außerhalb seines familiären und [X.] Umfelds aufhalten und kann weniger frei über die [X.] verfügen, in der er nicht in Anspruch genommen wird. Folglich ist dieser gesamte [X.]raum, unabhängig von den Arbeitsleistungen, die der Arbeitnehmer während dessen tatsächlich erbringt, als "Arbeitszeit" i.S.d. der Richtlinie 2003/88/[X.] einzustufen ([X.], Urteile vom 9. März 2021 - [X.]/19, [X.] - [X.] 2021, 485 Rn. 35 und vom 15. Juli 2021 - [X.]/19, [X.] za [X.] - Rn. 94; [X.]VerwG, Urteil vom 29. April 2021 - 2 [X.] 18.20 - NVwZ 2021, 1861 Rn. 30).

Kann wegen des Fehlens einer Verpflichtung, am Arbeitsplatz zu bleiben, eine [X.]ereitschaftszeit nicht automatisch als "Arbeitszeit" i.S.d. Richtlinie 2003/88/[X.] eingestuft werden, haben die nationalen Gerichte noch zu prüfen, ob sich eine solche Einstufung nicht doch aus den Konsequenzen ergibt, die die gesamten dem Arbeitnehmer auferlegten Einschränkungen für seine Möglichkeit haben, während der [X.]ereitschaftszeit die [X.], in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sich seinen eigenen Interessen zu widmen ([X.], Urteile vom 9. März 2021 - [X.]/19, [X.] - [X.] 2021, 485 Rn. 45 und - [X.]/19, Stadt [X.] - [X.] 2021, 489 Rn. 44; [X.]VerwG, Urteil vom 29. April 2021 - 2 [X.] 18.20 - NVwZ 2021, 1861 Rn. 30).

Es ist unter [X.]erücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob ein Arbeitnehmer während seiner [X.]ereitschaftszeiten so großen Einschränkungen unterworfen ist, dass sie seine Möglichkeit, die [X.], in der während der [X.]ereitschaftszeiten seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sich seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, über wieviel [X.] der Arbeitnehmer während seines [X.]ereitschaftsdienstes verfügt, um seine beruflichen Tätigkeiten ab dem [X.]punkt der Aufforderung durch seinen Arbeitgeber aufzunehmen, gegebenenfalls in Verbindung mit der durchschnittlichen Häufigkeit der Einsätze, zu denen der Arbeitnehmer während dieses [X.]raums tatsächlich herangezogen wird ([X.], Urteile vom 9. März 2021 - [X.]/19, [X.] - [X.] 2021, 485 Rn. 46 und 56 und - [X.]/19, Stadt [X.] - [X.] 2021, 489 Rn. 45 und 55 und vom 11. November 2021 - [X.]-214/20, Dublin [X.]ity [X.]ouncil - [X.] 2021, 1699 Rn. 40 und 42).

Hinsichtlich der von der Klägerin in den Fragen angesprochenen zeitlichen Umstände sind hierbei die Konsequenzen zu berücksichtigen, die sich aus der Kürze der Frist, innerhalb deren der Arbeitnehmer im Einsatzfall die Arbeit aufzunehmen hat, für seine Möglichkeit ergeben, seine [X.] frei zu gestalten. Eine [X.]ereitschaftszeit, in der ein Arbeitnehmer in Anbetracht der ihm eingeräumten sachgerechten Frist für die Wiederaufnahme seiner beruflichen Tätigkeiten seine persönlichen und [X.] Aktivitäten planen kann, ist dabei a priori keine "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88. Umgekehrt ist eine [X.]ereitschaftszeit, in der die dem Arbeitnehmer auferlegte Frist für die Aufnahme seiner Arbeit nur wenige Minuten beträgt, grundsätzlich in vollem Umfang als "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie anzusehen, da der Arbeitnehmer in diesem Fall in der Praxis weitgehend davon abgehalten wird, irgendeine auch nur kurzzeitige Freizeitaktivität zu planen ([X.], Urteile vom 9. März 2021 - [X.]/19, [X.] - [X.] 2021, 485 Rn. 47 f. und - [X.]/19, Stadt [X.] - [X.] 2021, 489 Rn. 46 f. und vom 9. September 2021 - [X.] 107/19, Dopravní podnik hl. m. Prahy - NJW 2021, 3173 Rn. 35).

Die Verpflichtung, sich zu Hause aufzuhalten und einem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatz innerhalb von acht Minuten Folge zu leisten, reicht danach für die Annahme von Arbeitszeit aus ([X.], Urteil vom 21. Februar 2018 - [X.]/15, [X.] - NJW 2018, 1073 Rn. 66). Wenn ein Arbeitnehmer innerhalb von 20 Minuten in Einsatzkleidung mit einem ihm von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Einsatzfahrzeug unter Inanspruchnahme der für dieses Fahrzeug geltenden Sonderrechte die Stadtgrenze seiner Dienststelle zu erreichen hat, hängt es von den Umständen des Einzelfalls, zu denen insbesondere auch die durchschnittliche Häufigkeit der Einsätze zählt, ab, ob "Arbeitszeit" vorliegt ([X.], Urteil vom 9. März 2021 - [X.]/19, Stadt [X.] - [X.] 2021, 489 Rn. 61; vgl. auch Generalanwalt Pitruzzella, Schlussantrag vom 6. Oktober 2020 - [X.]/19 - Rn. 75, 121). Gleiches gilt für einen Arbeitnehmer, der mit Genehmigung seines Arbeitgebers eine selbstständige berufliche Tätigkeit ausübt, aber im Fall eines Notrufs innerhalb einer maximalen Frist von zehn Minuten seine Dienststelle erreichen muss ([X.], Urteil vom 11. November 2021 - [X.]-214/20, Dublin [X.]ity [X.]ouncil - [X.] 2021, 1699 Rn. 48).

Kein relevantes Kriterium für die Einstufung einer [X.] als "Arbeitszeit" i.S.d. Richtlinie 2003/88/[X.] stellt hingegen die Entfernung zwischen dem vom Arbeitnehmer frei gewählten Wohnort und dem Ort, der für ihn während seiner [X.]ereitschaftszeit innerhalb einer bestimmten Frist erreichbar sein muss, für sich genommen dar; dies gilt zumindest dann, wenn dieser Ort sein gewöhnlicher Arbeitsplatz ist. In einem solchen Fall war der Arbeitnehmer nämlich uneingeschränkt in der Lage, die Entfernung zwischen dem fraglichen Ort und seinem Wohnort einzuschätzen ([X.], Urteile vom 9. März 2021 - [X.]/19, [X.] - [X.] 2021, 485 Rn. 41 und - [X.]/19, Stadt [X.] - [X.] 2021, 489 Rn. 42 und vom 11. November 2021 - [X.]-214/20, Dublin [X.]ity [X.]ouncil - [X.] 2021, 1699 Rn. 45).

Weil sich die Fragen der Klägerin mit der bereits vorhandenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] beantworten lassen, bedürfen sie keiner [X.]eantwortung durch eine Vorabentscheidung.

Ob nach dem dargestellten Maßstab im konkreten Fall [X.]. Art. 2 Nr. 1 Richtlinie 2003/88/[X.] vorliegt, ist eine Frage der Rechtsanwendung im Einzelfall und ist deshalb einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.

b) Die von der [X.]eschwerde bezeichneten Fragen,

"welche Auswirkungen auf die Einordnung als Arbeits- oder Ruhezeit hat die Tatsache, dass die Klägerin als Soldatin bei Nichtbefolgung der Verfahrensanweisung, dem Ruf des Arbeitgebers innerhalb von 30 Minuten persönlich Folge zu leisten, zudem ohne die Möglichkeit, sich einer Vertretung zu bedienen, mit einer disziplinaren Ahndung rechnen sowie einer ihr berufliches Fortkommen gem. Art. 33 Abs. 2 GG hindernden schlechten [X.]eurteilung rechnen musste,

welche Auswirkungen auf die Einordnung als Arbeits- oder Ruhezeit haben die Umstände, dass die [X.]ereitschaftszeiten der Klägerin nach regulärem Dienstschluss, nachts, an den Wochenenden und an Feiertagen stattfanden,"

sind aus der Richtlinie 2003/88/[X.] heraus zu beantworten, ohne dass es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Die Klägerin bezieht sich in ihren Fragen auf Umstände, die für die Einordnung der [X.] als [X.]. Richtlinie 2003/88/[X.] ohne Relevanz sind.

Die Richtlinie 2003/88/[X.] setzt für die Abgrenzung von Arbeits- und Ruhezeit voraus, dass es verbindliche Vorgaben des Gesetzgebers oder des Arbeitgebers gibt, an die die oben genannten Maßstäbe für die Abgrenzung angelegt werden können (vgl. [X.], Urteile vom 9. März 2021 - [X.]/19, [X.] - [X.] 2021, 485 Rn. 39). Die von der Klägerin mit der ersten Frage aufgezeigten üblichen Konsequenzen eines Nichtbefolgens dieser Vorgaben sind insofern vorausgesetzt und für die fragliche Einordnung nicht von [X.]edeutung.

Irrelevant ist für die Einordnung als Arbeits- oder Freizeit auch, inwieweit es sich um [X.]en nach dem regulären Dienstschluss, an Wochenenden oder an Feiertagen handelt. [X.]edeutung erlangen diese von der Klägerin in ihrer zweiten Frage genannten zeitlichen Aspekte nur im Zusammenhang mit weitergehenden Definitionen wie Art. 2 Nr. 3 Richtlinie 2003/88/[X.] und weitergehenden Regelungen wie Art. 8 Richtlinie 2003/88/[X.]. So ergeben sich aus dem Umstand, dass Arbeit zu den genannten [X.]en geleistet wird, unter Umständen arbeitszeitrechtliche Folgen, doch knüpfen die diesbezüglichen Regelungen lediglich an das Vorliegen von Arbeitszeit an und modifizieren nicht die diesbezügliche Definition in Art. 2 Nr. 1 Richtlinie 2003/88/[X.].

c) Auch die in der [X.]eschwerde bezeichnete Frage,

"welche Auswirkungen auf die Einordnung als Arbeits- oder Ruhezeit haben der Grad der Verantwortung der Klägerin als verantwortlicher ärztlicher Vordergrunddienst während der [X.]ereitschaftszeit und die besonderen Merkmale des [X.]erufs einer Ärztin in Facharztausbildung",

führt nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache. Diese Frage kann auf der Grundlage der bereits vorhandenen Rechtsprechung beantwortet werden, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

Ist die [X.] der [X.]ereitschaft nicht von den Anforderungen der zu erfüllenden Aufgabe, sondern - wie im vorliegenden Fall - davon geprägt, dass ein Arbeitnehmer verpflichtet ist, im Fall eines Rufs innerhalb einer bestimmten [X.]spanne bei seiner Dienststelle zu sein, beurteilt sich das Vorliegen von Arbeitszeit nach dem dargestellten Maßstab, der sich insbesondere aus der Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] in der Rechtssache [X.]/19 ergibt. Für die Einstufung sind der Grad der Verantwortung des Arbeitnehmers und die von ihm konkret zu erledigenden Aufgaben nicht von [X.]edeutung (vgl. [X.]AG, Urteile vom 31. Mai 2001 - 6 [X.] [X.] 2002, 654 <655 f.> und vom 25. März 2021 - 6 [X.] - [X.] 2021, 1048 Rn. 15; Generalanwalt Pitruzzella, Schlussantrag vom 6. Oktober 2020 - [X.]/19 - juris Rn. 107 f.; zur Relevanz von Haftungsregeln siehe: [X.], [X.]eschluss vom 4. März 2011 - [X.]-258/10, [X.] - juris, Tenor Nr. 1).

3. Die Revision ist auch nicht wegen des von der [X.]eschwerde geltend gemachten Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Das [X.]erufungsgericht hat das Gehörsrecht der Klägerin nicht verletzt.

Das Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet jedem Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, zu dem gesamten Stoff des gerichtlichen Verfahrens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Stellung zu nehmen. Das Gericht darf bei seiner Entscheidung nur solche Teile des [X.] berücksichtigen, zu denen sich die [X.]eteiligten äußern konnten. Dies setzt deren Kenntnis vom Prozessstoff voraus (stRspr, vgl. [X.]VerfG, [X.]eschlüsse vom 8. Februar 1994 - 1 [X.]vR 765/89 u.a. - [X.]VerfGE 89, 381<392> und vom 27. Oktober 1999 - 1 [X.]vR 385/90 - [X.]VerfGE 101, 106 <129>). Darüber hinaus darf das Gericht bei seiner Entscheidung nicht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellen, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht (stRspr, [X.]VerfG, [X.]eschlüsse vom 7. Oktober 2003 - 1 [X.]vR 10/99 - [X.]VerfGE 108, 341 <345 f.>; Kammerbeschluss vom 15. Februar 2011 - 1 [X.]vR 980/10 - NVwZ-RR 2011, 460 Rn. 13).

Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör folgt jedoch auch in der Ausprägung, die er in § 86 Abs. 3 VwGO gefunden hat, keine Pflicht des Gerichts zur umfassenden Erörterung aller entscheidungserheblichen Gesichtspunkte. Das Gericht ist nicht verpflichtet, die [X.]eteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinzuweisen. Die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst aufgrund der abschließenden [X.]eratung (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 15. September 2016 - 9 [X.] 13.16 - [X.] 451.91 Europ. [X.] Rn. 10 und vom 4. Juni 2020 - 2 [X.] 26.19 - juris Rn. 35).

[X.]ei Zugrundelegung dieses Maßstabs hat das [X.]erufungsgericht in der mündlichen Verhandlung am 9. Dezember 2020 keinen Verfahrensfehler begangen. Es war nicht verpflichtet, der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung seine vorläufige Rechtsauffassung mitzuteilen, sondern durfte sie darauf verweisen, dass sich diese aus der Schlussberatung ergibt.

4. [X.] folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie § 52 Abs. 2 und 3 Satz 1 GKG für Haupt- und Hilfsanträge.

Meta

2 B 8/21

07.04.2022

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 9. Dezember 2020, Az: 10 A 10602/20.OVG, Urteil

EGRL 88/2003

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.04.2022, Az. 2 B 8/21 (REWIS RS 2022, 2368)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2368

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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