Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.12.2004, Az. IV ZR 223/03

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 316

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL [X.]

Verkündet am:

8. Dezember 2004

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja _____________________

[X.] § 2317; [X.] § 90 Abs. 1

Der Pflichtteilsanspruch kann, wenn er auf den Sozialhilfeträger übergeleitet worden ist, von diesem auch geltend gemacht werden, ohne daß es insoweit auf eine Ent-scheidung des Pflichtteilsberechtigten selbst ankäme.

[X.] § 2084

Zur Auslegung einer an die Ausübung des Pflichtteilsrechts anknüpfenden Verwir-kungsklausel in einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament, wenn ein Sozialhilfe-träger den Pflichtteilsanspruch des behinderten Kindes nach dem erstversterbenden Ehegatten auf sich überleitet und geltend macht.

[X.], Urteil vom 8. Dezember 2004 - [X.] - OLG [X.]

[X.] - 2 -

[X.] hat durch den [X.] und [X.], [X.], [X.] und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 24. November 2004
für Recht erkannt:
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] in [X.] des [X.] vom 24. September 2003 wird zurückgewiesen.
2. Soweit das Urteil des [X.] in [X.] des Oberlandesgerichts [X.] vom 24. September 2003 zum Nachteil des [X.] ergangen ist, werden auf dessen Rechtsmittel dieses Berufungsurteil aufge-hoben und das Urteil des [X.] vom 26. Februar 2003 geändert:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, dem Kläger zusätzlich Auskunft zu erteilen über den
Bestand des Nachlasses des [X.]zum Zeitpunkt seines [X.] durch Vorlage eines durch einen Notar errichteten [X.].

Außerdem werden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, den Wert der zum Nachlaß gehörenden [X.] der dem Nachlaß aufgrund einer Ausgleichungs- oder Ergänzungspflicht hinzuzurechnenden Gegen-stände durch Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zu ermitteln. - 3 -

3. Zur Entscheidung über die nach Auskunft und Wert-ermittlung im Rahmen der Stufenklage angekündigten weiteren Anträge bleibt der Rechtsstreit an das [X.] zurückverwiesen, das auch über die
Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird. Von Rechts wegen - 4 -

Tatbestand:

Der klagende Sozialhilfeträger nimmt die Beklagten als Erben ih-res am 22. Dezember 1999 verstorbenen [X.] auf den Pflichtteil (ein-schließlich eventueller Ausgleichung und Ergänzung) ihrer behinderten Schwester am Nachlaß des [X.] in Anspruch. Die Mutter der [X.] und der Behinderten starb am 4. März 2000. Der Kläger hat die Pflichtteilsansprüche nach beiden Eltern durch Bescheid vom 29. Juni 2001 gemäß § 90 [X.] auf sich übergeleitet.

Die Eltern hatten ein gemeinschaftliches Ehegattentestament er-richtet, in dem sie sich gegenseitig als alleinige Erben einsetzten. Als Erben des [X.] wurden die acht Kinder bestimmt; [X.] der Kinder sollten deren Abkömmlinge, beim Fehlen von [X.] die übrigen Geschwister oder ersatzweise deren Kinder sein. Für den Fall, daß eines der Kinder beim Tod des erstversterben-den Elternteils den Pflichtteil verlangen sollte, wurde dieses Kind (ein-schließlich seiner Abkömmlinge) beim Tod des [X.] ebenfalls auf den Pflichtteil gesetzt. Bezüglich des Erbteils der behinderten Tochter wurde auf deren Lebenszeit [X.]vollstrek-kung angeordnet. Der [X.]vollstrecker sollte nach seinem Er-messen Sachleistungen und Vergünstigungen erbringen, die geeignet sind, dem behinderten Kind Erleichterung und Hilfen zu verschaffen. Diese Verpflichtung sollte aber entfallen, wenn die Leistungen auf die Sozialhilfe angerechnet würden.

Das Vormundschaftsgericht bestellte der Behinderten eine Ergän-zungsbetreuerin für den Aufgabenkreis Durchsetzung bestehender Erb-- 5 -

ansprüche, insbesondere Pflichtteilsansprüche, aus den Nachlässen der Eltern. Die Betreuerin lehnte eine Geltendmachung von [X.] mit Schreiben vom 13. November 2001 ab, weil sie in vollem Umfang vom Kläger vereinnahmt werden würden, die Behinderte davon also selbst keinen Nutzen hätte.

Das [X.] hat die Stufenklage insgesamt abgewiesen. Mit der Berufung hat der Kläger seine erstinstanzlichen Ansprüche auf [X.] und Wertermittlung gemäß § 2314 [X.] weiter verfolgt. Das [X.] hat der Klage nur zum Teil stattgegeben ([X.] 2004, 26 f.). Mit den beiderseitigen Revisionen begehren die Beklagten die Wieder-herstellung des landgerichtlichen Urteils und der Kläger die volle Durch-setzung der bisher geltend gemachten Ansprüche.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg; die Revision des [X.] führt zum vollen Erfolg seiner Anträge.

[X.] Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, durch die [X.] gemäß § 90 [X.] seien die Pflichtteilsansprüche der behinderten Tochter, die durch das elterliche Testament nach dem Tod des [X.] enterbt worden sei, auf den Kläger übergegangen und könnten von [X.] auch geltend gemacht werden. Daß ein Pflichtteilsanspruch nach § 852 Abs. 1 ZPO der Pfändung nur unterworfen ist, wenn er durch [X.] anerkannt oder rechtshängig geworden ist, und daß ohne diese Vor-- 6 -

aussetzungen nach §§ 400, 412 [X.] auch kein gesetzlicher Forde-rungsübergang möglich ist, stehe wegen der gesetzlichen Regelung in § 90 Abs. 1 Satz 4 [X.] einem Übergang des [X.] auf den Kläger hier nicht entgegen. Vielmehr gehe der Pflichtteilsanspruch auf den Sozialhilfeträger ohne jede Einschränkung über; insbesondere bleibe dem Pflichtteilsberechtigten nicht persönlich vorbehalten, ob er den Pflichtteilsanspruch geltend machen wolle oder nicht. Die [X.] vom 13. November 2001, den [X.] nicht geltend zu machen, habe das durch den Bescheid vom 29. Juni 2001 auf den Kläger übergeleitete Pflichtteilsrecht nicht mehr beeinträchtigen können.

Die [X.] im Testament könne entgegen der [X.] des [X.]s nicht dazu führen, § 2306 Abs. 1 Satz 2 [X.] ent-sprechend anzuwenden. Wenn das Ausschlagungsrecht des Erben, der im Fall des § 2306 Abs. 1 Satz 2 [X.] trotz Ausschlagung den Anspruch auf den Pflichtteil behält, nicht nach § 90 [X.] auf den Sozialhilfeträger übergeleitet werden könne, lasse sich daraus nichts gegen eine [X.] des wie hier auf Enterbung beruhenden [X.] herlei-ten, auch wenn die Geltendmachung dieses [X.] auf-grund einer testamentarischen [X.] die Enterbung des Pflichtteilsberechtigten in einem anderen Erbfall zur Folge habe. Die Übereinstimmung in den Rechtsfolgen ändere nichts an den [X.] in den Voraussetzungen beider Regelungen. Im vorliegenden Fall komme es auf diese Rechtsfragen aber schon deshalb nicht an, weil eine Auslegung des [X.] ergebe, daß die Eltern bei seiner Errichtung der behinderten Tochter nicht das Erbrecht nach dem [X.] Elternteil hätten versagen wollen, wenn nicht die Tochter selbst, sondern - 7 -

der Sozialhilfeträger beim ersten Erbfall Pflichtteilsansprüche geltend mache. Zwar hätten die Eltern den überlebenden Teil sichern und ihre acht Kinder gleich behandeln wollen. Durch die Geltendmachung des Pflichtteils nach dem [X.] Elternteil würden die anderen [X.] hier aber nicht wesentlich benachteiligt. Vor allem hätten die [X.] mit ihren testamentarischen Regelungen erreichen wollen, daß der behinderten Tochter über die Sozialhilfe hinaus Vorteile zufließen; sie hätten ihr das durch [X.]vollstreckung gegenüber dem [X.] abgeschirmte Erbrecht nach dem [X.] Elternteil auch dann nicht vorenthalten wollen, wenn der Sozialhilfeträger den Pflichtteil nach dem erstversterbenden Elternteil in Anspruch nehmen würde.

Damit sei die behinderte Tochter [X.] nach ihrer zuletzt ver-storbenen Mutter und also auch [X.] nach ihrem Vater geworden. Deshalb stehe ihr und folglich auch dem Kläger aus übergeleitetem Recht kein Anspruch aus § 2314 [X.] zu. Dieser Anspruch setze nämlich die [X.]stellung des Pflichtteilsberechtigten voraus. Einen [X.] auf eigene Kosten auf der Grundlage von § 242 [X.] wolle der Kläger, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht klargestellt habe, nicht geltend machen. Auskunft über den Bestand des Nachlasses sei bereits durch den [X.] der Beklagten im vorliegenden Verfahren erteilt worden. [X.] stehe dem Kläger lediglich noch Auskunft über ausgleichspflichtige Zuwendungen und Schenkungen sowie über den Güterstand der Eltern der Behinderten zu. Nur insoweit sei der Klage auf die Berufung statt-zugeben. Im Hinblick auf die Stufenklage werde der Rechtsstreit im übri-- 8 -

gen in entsprechender Anwendung von § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO an das [X.] zurückverwiesen.

I[X.] 1. Demgegenüber machen die Beklagten mit ihrer Revision gel-tend, die Überleitung des [X.] der Behinderten berechti-ge den Kläger für sich genommen noch nicht dazu, diesen Anspruch auch geltend zu machen. Nach der Rechtsprechung des [X.] sei zwischen dem Bestand des [X.] einerseits und dem Recht zur Geltendmachung dieser Ansprüche andererseits zu unterscheiden. Nur unter besonderen Um-ständen komme etwa im Unterhaltsrecht eine Obliegenheit des [X.] in Betracht, den Pflichtteilsanspruch geltend zu ma-chen. Eine derartige Obliegenheit sei hier nicht festgestellt worden. Der Kläger sei an die Entscheidung der [X.], Pflichtteilsan-sprüche nicht geltend zu machen, gebunden.

2. Dem folgt der [X.] nicht.

a) Nach der Rechtsprechung des [X.]. Zivilsenats des [X.] ist Sinn und Zweck des § 852 Abs. 1 ZPO, mit Rücksicht auf die familiäre Verbundenheit von Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem allein diesem die Entscheidung zu überlassen, ob der [X.] durchgesetzt werden soll; Gläubiger des [X.] sollen diese Entscheidung nicht an sich ziehen können ([X.]Z 123, 183, 186; Urteil vom 6. Mai 1997 - [X.] ZR 147/96 - NJW 1997, 2384 unter 2). Daran anknüpfend hat der früher für das Familien-recht zuständige [X.] des [X.] entschieden, auch wenn - 9 -

sich ein Pflichtteilsberechtigter im allgemeinen Rechtsverkehr frei für oder gegen die Realisierung eines [X.] entscheiden könne, bedeute dies nicht, daß für den Bereich des Unterhaltsrechts notwendig dieselben Grundsätze zu gelten hätten; hier könne eine Oblie-genheit bestehen, den Pflichtteilsanspruch zur Befriedigung von Unter-haltsbedürfnissen geltend zu machen ([X.], Urteil vom 7. Juli 1982 - [X.] - NJW 1982, 2771 unter 2 b). In Abgrenzung zu diesem Urteil hat der XI[X.] Zivilsenat des [X.] dann jedoch ausgespro-chen, von den Vermögensbestandteilen, deren Verwertung dem Unter-haltsberechtigten zuzumuten sei, könne ein Pflichtteilsanspruch nicht von vornherein ausgenommen werden; der Verpflichtung zu dessen Verwer-tung könne sich eine Unterhaltsberechtigte grundsätzlich weder mit dem Argument, zur Befriedigung des [X.] müsse die Erbin unwirtschaftliche Veräußerungen vornehmen, entziehen noch mit der [X.], eine Geltendmachung des [X.] gefährde die Aussicht der Pflichtteilsberechtigten, von der [X.] als deren Erbin eingesetzt zu werden. Allerdings blieben Zumutbar-keitsgesichtspunkte von Bedeutung (Urteil vom 21. April 1993 - [X.] ZR 248/91 - NJW 1993, 1920 unter [X.] und 2 b).

b) Ähnlich wie die Revision der Beklagten vertritt auch [X.] ([X.] und Vonselbsterwerb, 2002, [X.]) die [X.], die bloße Überleitung des Anspruchs des Pflichtteilsberechtigten auf den Sozialhilfeträger nehme dem Pflichtteilsberechtigten nicht die [X.] ihm vom Gesetzgeber zugedachte Freiheit, über die Geltendma-chung dieses Anspruchs autonom und ohne wirtschaftlichen Druck zu entscheiden. Nur wenn der Pflichtteilsberechtigte den Anspruch (im [X.] von § 852 Abs. 1 ZPO) geltend mache, führe die vorhergehende oder - 10 -

nachträgliche Überleitung nach § 90 Abs. 1 Satz 1 [X.] dazu, daß der Sozialhilfeträger (endgültig) auf den [X.] zugreifen [X.]. Auch das [X.] hat entschieden, der Sozialhilfeträger könne Pflichtteilsansprüche erst dann für sich verwer-ten, wenn die Pflichtteilsberechtigte, vertreten durch ihre Ergänzungsbe-treuerin, sich zur Geltendmachung dieser Ansprüche entschlossen habe und die in § 852 Abs. 1 ZPO genannten Voraussetzungen vorlägen; die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen sei nämlich allein vom Wil-len des Berechtigten abhängig, wie auch die Formulierung "kann" in §§ 2303 Abs. 1 Satz 1, 2325 Abs. 1 und 2329 Abs. 1 Satz 1 [X.] zeige ([X.] 2003, 268, 270).

c) Nach herrschender Meinung kann der auf Enterbung beruhende Pflichtteilsanspruch dagegen, wenn er auf den Sozialhilfeträger überge-leitet worden ist, von diesem geltend gemacht werden, ohne daß es in-soweit auf eine Entscheidung des Pflichtteilsberechtigten selbst ankäme (vgl. etwa [X.]/[X.], [X.]. § 2306 [X.]. 29; [X.]/[X.], 4. Aufl. § 2317 [X.]. 10; [X.]/ [X.], 4. Aufl. § 412 [X.]. 24; [X.]/Busche, [X.] [1999] § 412 [X.]. 16; [X.]/[X.]/[X.], [X.] § 2317 [X.]. 7; [X.]/Kuchin-ke, Erbrecht 5. Aufl. § 35 IV 6 a Fn. 90 S. 832; [X.], NJW 1994, 1264, 1265 m.w.N.; [X.], [X.] (1991) 526, 529).

d) Mit dem Berufungsgericht sieht der [X.] einen Anhaltspunkt dafür, daß bei Pflichtteilsansprüchen zwischen der Inhaberschaft an ei-nem solchen Anspruch einerseits und der Befugnis zur Geltendmachung andererseits zu unterscheiden sei, lediglich in § 852 Abs. 1 ZPO. Welche Bedeutung dieser Vorschrift über ihren unmittelbaren [X.] 11 -

reich hinaus zukommt, bedarf hier keiner allgemeinen Entscheidung: Denn § 90 Abs. 1 Satz 4 [X.] bestimmt ausdrücklich, der Übergang ei-nes Anspruchs auf den Sozialhilfeträger werde nicht dadurch ausge-schlossen, daß der Anspruch nicht übertragen, verpfändet oder gepfän-det werden kann. Damit läßt sich aus § 852 Abs. 1 ZPO keinerlei Ein-schränkung zum Nachteil des Sozialhilfeträgers herleiten. Die Vorschrift des § 90 Abs. 1 Satz 4 [X.] würde ihres Sinnes beraubt, wenn man sie einschränkend dahin verstehen wollte, daß der Pflichtteilsanspruch nur vorbehaltlich einer persönlichen Entscheidung des Pflichtteilsberechtig-ten zur Geltendmachung übergeleitet werden könne (so aber [X.], aaO; wie hier dagegen [X.], NJW 1990, 2852, 2856; OLG Frank-furt [X.] 2004, 24). Der Sozialhilfeträger wird als Helfer des [X.] gerade anders behandelt als andere Gläubiger des [X.]. [X.] als ein Unterhaltsberechtigter muß der [X.] auch Pflichtteilsansprüche infolge von § 90 Abs. 1 Satz 4 [X.] vorrangig einsetzen.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Sozialhilfeträger den Pflichtteilsanspruch - wie hier - schon vor einer Entscheidung des [X.] oder seines Betreuers übergeleitet hat. Ebenso wenig wie der Pflichtteilsberechtigte selbst an seine Entscheidung, den [X.] nicht geltend zu machen, gebunden ist, steht es auch dem [X.] frei, nach einer Überleitung über die Geltendmachung des [X.] unabhängig von einer etwa schon vorliegenden Äu-ßerung des Pflichtteilsberechtigten oder dessen Betreuers zu [X.].
- 12 -

Dem steht nicht entgegen, daß der Sozialhilfeträger in den Fällen des § 2306 Abs. 1 Satz 2 [X.] - folgt man der herrschenden Meinung - das Recht zur Ausschlagung einer etwa durch Nacherbfolge und Testa-mentsvollstreckung beschränkten Erbschaft des Sozialhilfeempfängers nicht auf sich überleiten und ausüben kann (vgl. [X.]/ [X.], § 1942 [X.]. 14; [X.]/[X.]/[X.], § 1942 [X.]. 12; AnwKomm/Ivo, § 1942 [X.]. 20; [X.], aaO S. 231; OLG Stuttgart [X.] 2002, 367, 369 m. Anm. [X.]; OLG Frankfurt [X.] 2004, 24, 25 m. Anm. [X.]; offengelassen in [X.]Z 123, 368, 379). Denn für das Pflichtteilsrecht hat der Gesetzgeber - anders als etwa für das Erbrecht (§§ 1942 ff. [X.]) - kein besonderes Ausschlagungsrecht geschaffen.

II[X.] Der Kläger wendet sich mit seiner Revision unter Bezug auf §§ 133, 157, 2084 [X.] gegen die Auslegung der [X.] durch das Berufungsgericht. Er rügt, durch eine derartige Klausel solle nicht nur auf einen bewußten Ungehorsam eines Erben reagiert, sondern vor allem die im Testament vorgesehene Vermögensverteilung gesichert werden. Die Auslegung des Berufungsgerichts führe aber zu einer von den Eltern nicht gewollten wirtschaftlichen Bevorzugung des behinderten Kindes.

Das Berufungsgericht entnimmt dem gemeinschaftlichen Testament jedoch mit Recht den Willen der Eltern, über eine Sicherung des überle-benden Ehegatten und eine Gleichbehandlung aller Kinder im Schlußerb-fall hinaus das Erbe der behinderten Tochter möglichst vor dem Zugriff des Sozialhilfeträgers zu bewahren. Das ist insbesondere aus der An-ordnung einer [X.]vollstreckung für den Erbteil der behinderten - 13 -

Tochter sowie aus den für die [X.]vollstreckung getroffenen nä-heren Regelungen des [X.] zu schließen. Mit diesen Zielen ist die vom Kläger vertretene Auslegung der [X.] unvereinbar: Anders als die pflichtteilsberechtigten Geschwister konnte der [X.] von der Geltendmachung des dem behinderten Kind zustehen-den [X.] nach dem erstversterbenden Elternteil hier von vornherein nicht durch die Aussicht abgehalten werden, den im [X.] zugedachten Erbteil zu verlieren. Denn auf den Erbteil der behinderten Tochter nach dem [X.] Elternteil hätte der Sozialhilfeträger ohnehin nicht zugreifen können (§ 2214 [X.]). Die [X.] würde bei [X.] zu dem ge-radezu widersinnigen Ergebnis führen, daß der Zugriff auf den Nachlaß des [X.] Elternteils dem Sozialhilfeträger den sonst ver-sperrten Zugriff auf den Nachlaß des [X.] Elternteils über-haupt erst eröffnen würde.

Die [X.] muß danach unter Berücksichtigung ihres Sinns im Gesamtzusammenhang des [X.] einschränkend ausge-legt werden. Wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, [X.] die Eltern, wenn sie bei [X.]errichtung die ihren Vorstellun-gen widersprechenden Folgen der [X.] im Hinblick auf die sich daraus für den Sozialhilfeträger ergebenden Möglichkeiten erkannt hätten, den Fall der Geltendmachung des [X.] nach dem [X.] Elternteil durch den Sozialhilfeträger vom Anwen-dungsbereich der [X.] ausgenommen. Damit wird das be-hinderte Kind zwar gegenüber seinen Geschwistern bevorzugt, weil es trotz Inanspruchnahme des Pflichtteils nach dem [X.] [X.]teil den ihm im [X.] zugedachten Erbteil nicht verliert. Diese - 14 -

Konsequenz hätten die Eltern aber nach Auffassung des Berufungsge-richts in Kauf genommen. Diese tatrichterliche Auslegung ist [X.] nicht zu beanstanden; sie ist auch überzeugend.

[X.] Auf der Grundlage dieser Auslegung gelangt das Berufungsge-richt zutreffend zu dem Ergebnis, daß die behinderte Tochter Mit(vor)[X.] nach der zuletzt verstorbenen Mutter geworden ist. Da die Mutter Allein[X.] des vor ihr verstorbenen [X.] war, ist die behinderte Tochter auch dessen (Mit-)[X.] geworden. Daraus hat das [X.] geschlossen, daß der behinderten Tochter und damit auch dem Kläger die Ansprüche aus § 2314 [X.] nicht zustünden, weil sie ei-nen Pflichtteilsberechtigten voraussetzen, der nicht Erbe geworden ist (vgl. [X.], Urteil vom 2. Juni 1993 - [X.] - NJW 1993, 2737 un-ter I).

Ob dies auch dann gilt, wenn der Pflichtteilsberechtigte wie hier zunächst nicht Erbe war und erst durch einen weiteren Erbfall Erbeserbe geworden ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Der Kläger kann [X.] im vorliegenden Fall die dem behinderten Kind als Erben der zuletzt verstorbenen Mutter etwa nach §§ 2027, 2028, 2038, 2057 [X.] zuste-henden Rechte, sich über Bestand und Wert ihres Nachlasses und des darin enthaltenen Nachlasses des vorverstorbenen [X.] zu [X.], nicht auf sich überleiten. Dem steht die für den Erbteil des behinder-ten Kindes nach der Mutter angeordnete [X.]vollstreckung entge-gen (§ 2214 [X.]). Der Kläger hat also, auch wenn er den [X.] erst übergeleitet hat, als das behinderte Kind bereits [X.] des [X.] geworden war, lediglich die Rechte eines pflichtteilsberechtig-- 15 -

ten [X.] erlangt, wie sie dem behinderten Kind vor dem Tod der Mutter zustanden. Deshalb kann der Kläger auch den der Verwirklichung des [X.] nach dem Vater dienenden Auskunftsanspruch aus § 2314 [X.] geltend machen.

Danach war das Berufungsurteil aufzuheben, soweit es die Abwei-sung von Ansprüchen des [X.] aus § 2314 [X.] bestätigt hat, und den insoweit gestellten Anträgen des [X.] zu entsprechen.

Terno [X.] [X.]

[X.]

[X.]

Meta

IV ZR 223/03

08.12.2004

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.12.2004, Az. IV ZR 223/03 (REWIS RS 2004, 316)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 316

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