Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.10.2016, Az. 26 W (pat) 510/16

26. Senat | REWIS RS 2016, 3508

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "BIS IN DIE PUPPEN" – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2015 012 550.4

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] am 24. Oktober 2016 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie [X.] und Schödel

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wortfolge

2

[X.] DIE [X.]

3

ist am 18. Februar 2015 unter der Nummer 30 2015 012 550.4 zur Eintragung in das beim [X.] ([X.]) geführte Register angemeldet worden für Waren und Dienstleistungen der

4

Klasse 33: Alkoholische Getränke [ausgenommen Biere]; Weine;

5

[X.]: Dienstleistungen einer Weinbar; Bewirtungsdienstleistungen.

6

Mit Beschluss vom 1. Juni 2015 hat die Markenstelle für Klasse 33 des [X.] die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Verkehr werde das Zeichen als sprachüblich gebildete beschreibende Wortfolge mit der Bedeutung „sehr, sehr lange; bis in den frühen Morgen; ohne zeitliche Beschränkung“ verstehen. Die beanspruchten Dienstleistungen der [X.] könnten sehr, sehr lange, bis in den frühen Morgen oder sogar ohne zeitliche Beschränkung in Anspruch genommen und dabei die angemeldeten Waren „alkoholische Getränke; Weine“ angeboten werden. Für den Verkehr könne es von Bedeutung sein, dass er im Rahmen sehr langer Öffnungszeiten Alkoholika ohne zeitliches Limit konsumieren könne. Der Spruch „[X.] DIE [X.]“ werde, wie eine Internetrecherche ergeben habe, im Zusammenhang mit langen Öffnungszeiten gängig benutzt. Das Anmeldezeichen werde daher nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft, sondern als Hinweis auf sehr lange Öffnungs- und [X.] verstanden.

7

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Ansicht, das Anmeldezeichen beschreibe keine Eigenschaft eines Weines oder eines anderen alkoholischen Getränks. Es lasse sich auch kein beschreibender Bezug in dem Sinn herstellen, dass ein so gekennzeichnetes Getränk geeignet sei, „bis in die Puppen“ getrunken zu werden. Für welchen Zeitraum ein alkoholisches Getränk genossen werden könne, hänge allein von der Trinkfestigkeit des Konsumenten ab. Um von dem Ausdruck „[X.] DIE [X.]“ zu einem Bedeutungszusammenhang mit den beanspruchten Waren zu gelangen, bedürfe es zahlreicher gedanklicher Zwischenschritte, die der Verkehr nicht vornehme.

8

Auf den Hinweis des Senats mit Schreiben vom 8. September 2016, dem zahlreiche Recherchebelege beigefügt waren ([X.] 1 bis 4, [X.]. 19 - 41 [X.]), dass die angemeldete Wortkombination schutzunfähig sei, hat die Beschwerdeführerin ihre Anmeldung beschränkt auf die Waren der

9

Klasse 33: Alkoholische Getränke [ausgenommen Biere]; Weine.

Sie beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des [X.]s vom 1. Juni 2015 aufzuheben.

Ferner regt sie an, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, da ein allgemeines Interesse an der weiteren Konkretisierung des Rechtsbegriffs „enger beschreibender Bezug“ durch den [X.] bestehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 [X.] zulässige Beschwerde ist unbegründet.

[X.] DIE [X.]“ als Marke steht im Hinblick auf die noch beanspruchten Waren das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen, so dass die Markenstelle die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen hat.

a) Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] GRUR 2015, 1198 Rdnr. 59 f. – [X.]]; [X.] 2016, 934 Rdnr. 9 – [X.]; GRUR 2015, 173 Rdnr. 15 – for you). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 - [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] a. a. O. – [X.]; a. a. O. – for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.]s ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] a. a. O. – [X.]; a. a. O. – for you). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 - [X.]; [X.] a. a. [X.]. 10 – [X.]; a. a. [X.]. 16 – for you).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt ([X.] 2013, 1143 Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/[X.]; [X.] 2014, 376 Rdnr. 11 – grill meister).

Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen ([X.] GRUR 2004, 674 Rdnr. 86 - Postkantoor; [X.] 2012, 270 Rdnr. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden ([X.] a. a. [X.]. 12 – [X.]; GRUR 2014, 872 Rdnr. 21 - Gute Laune Drops).

[X.] DIE [X.]“ nicht, weil sie einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zu den noch beschwerdegegenständlichen Waren der Klasse 33 aufweist.

aa) Bei den von den Produkten „alkoholische Getränke [ausgenommen Biere]; Weine“ angesprochenen Verkehrskreisen handelt es sich um den Getränkefachhandel und den Endverbraucher.

bb) Der umgangssprachliche, vor allem im Zusammenhang mit „schlafen“ und „feiern“ verwendete Ausdruck „bis in die Puppen“, der auch Eingang in den [X.] gefunden hat (http://www.duden.de/rechtschreibung/Puppe), bedeutet „sehr lange; bis tief in die Nacht“ und ist ursprünglich eine aus dem 18. Jahrhundert stammende berlinerische Redewendung, wohl nach den im [X.] [X.] aufgestellten Statuen der [X.], die im [X.] Volksmund „Puppen“ genannt wurden, zu denen der Weg früher recht weit war ([X.] 1 zum gerichtlichen Hinweis). Nach der Internetrecherche des Senats wird dieser Ausdruck häufig von Restaurants, Bars und ähnlichen Lokalen verwendet, um auf besonders lange Öffnungs- oder [X.] hinzuweisen ([X.] 2 zum gerichtlichen Hinweis).

cc) Hinsichtlich der beanspruchten Waren „alkoholische Getränke [ausgenommen Biere]; Weine“ der Klasse 33 stellt die angemeldete Wortfolge „[X.] DIE [X.]“ eine Bestimmungsangabe insoweit dar, als die betreffenden Waren in Restaurants, Bars und ähnlichen Lokalen mit besonders langen Öffnungs- oder [X.] typischerweise angeboten werden können (vgl. auch [X.] W (pat) 503/13 – wir sind die show). Nach der Recherche des Senats werden zu vielen Veranstaltungen, die „bis in die Puppen“ dauern, Wein und andere Alkoholika konsumiert ([X.] 3 zum gerichtlichen Hinweis). Daneben ist der Trinkspruch „Bis in die Puppen lasst uns fröhlich sein, bei herrlich gutem Essen und einem Gläschen Wein“ nachweisbar ([X.] 4 zum gerichtlichen Hinweis).

dd) Ferner können sich „alkoholische Getränke [ausgenommen Biere]; Weine“ auch von ihrer Beschaffenheit her möglicherweise dazu eignen, in größeren Mengen und daher auch über einen längeren Zeitraum genossen zu werden, weil sie die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit angeblich weniger beeinträchtigen als andere alkoholische Getränke. So werben Wein- und Spirituosenhersteller mit der Konsumierbarkeit ihrer Produkte in großen Mengen, wobei sie die Weine als leicht und die Schnäpse als bekömmlich bezeichnen. Auch Wodka wird damit beworben, dass er wegen des Fehlens jeglicher Fuselöle, künstlicher Aromen oder anderer fermentierter Stoffe besser verträglich ist als andere Alkoholika.

c) Der Verkehr wird deshalb bei einem mit der angemeldeten Wortfolge „[X.] DIE [X.]“ gekennzeichneten alkoholischen Getränk in dieser Bezeichnung keinen betrieblichen Herkunftshinweis, sondern lediglich eine anpreisende Bestimmungs- oder werbeübliche Beschaffenheitsangabe erkennen.

2. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] vorliegt, kann dahinstehen, ob das angemeldete Zeichen darüber hinaus gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] für die fraglichen Waren freihaltungsbedürftig ist.

3. Da der Senat bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit die vom [X.] in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Maßstäbe angelegt hat, war die Zulassung der von der Anmelderin angeregten Rechtsbeschwerde nicht geboten. Zudem war weder über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 [X.]), noch ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung als erforderlich zu erachten (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 [X.]).

Meta

26 W (pat) 510/16

24.10.2016

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.10.2016, Az. 26 W (pat) 510/16 (REWIS RS 2016, 3508)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 3508

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

26 W (pat) 522/19 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – „LIQUID LOVE“ – keine Unterscheidungskraft für einen Teil der Waren und Dienstleistungen – …


26 W (pat) 554/16 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "SOMMERABEND" – keine Unterscheidungskraft


26 W (pat) 542/14 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "CHAT * EAU" – Unterscheidungskraft - Freihaltungsbedürfnis


26 W (pat) 18/17 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "51°" – keine Unterscheidungskraft


26 W (pat) 56/20 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Brauhaus Garmisch" – fehlende Unterscheidungskraft


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.