Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.10.2019, Az. I ZR 44/19

1. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 2536

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

ÖFFENTLICHES RECHT BUNDESGERICHTSHOF (BGH) UNLAUTERER WETTBEWERB WETTBEWERBSRECHT LEBENSMITTEL GASTSTÄTTENRECHT

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch gegen den Verkauf von Backwaren an Sonn- und Feiertagen in einem Bäckereibetrieb mit Café: Unbelegte Brötchen und Brot als zubereitete Speisen - Sonntagsverkauf von Backwaren


Leitsatz

Sonntagsverkauf von Backwaren

Unbelegte Brötchen und Brot sind zubereitete Speisen, die ein Bäckereibetrieb mit angeschlossenem Café nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 GastG ohne Bindung an die gesetzlichen Bestimmungen über den Ladenschluss zum alsbaldigen Verzehr an jedermann über die Straße abgeben darf.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des [X.] - 6. Zivilsenat - vom 14. Februar 2019 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren [X.]. Die Beklagte stellt Brot-, Back- und Konditorwaren her und vertreibt diese in Filialen in [X.]. Zwei Filialen befinden sich in der [X.]   und in der [X.]  . Eine weitere [X.] in der [X.]  in [X.], hinsichtlich derer die Beklagte in Abrede stellt, sie zu betreiben, wird auf der Internetseite der Beklagten als Filiale von "R.      " aufgeführt. Der bei einem Testkauf in dieser Verkaufsstelle ausgegebene Kassenzettel trägt die Aufschrift "D.    B.    ". In allen drei Verkaufsstellen befinden sich Tische und Stühle zum Verzehr von Speisen und Getränken.

2

Die Beklagte veräußerte am Sonntag, dem 21. Februar 2016, in der Filiale in der [X.]   um 11.12 Uhr ein Stangenbrot und zwei [X.]. Um 15.46 Uhr desselben Tags verkaufte sie dort ein Stangenbrot und zwei Vollkornsemmeln. Am [X.], dem 5. Juni 2017, wurden im Geschäft in der [X.]  um 10.09 Uhr eine Brezel, zwei Krusti, sechs Semmeln und ein Laib Brot veräußert. Am Sonntag, dem 11. März 2018, wurden in der Filiale in der [X.]  um 11.45 Uhr ein Kastenbrot (500 g), zwei [X.], zwei Vollkorn-Kartoffelsemmeln und ein halbes Elsässer-Brot (100 g) sowie um 17.30 Uhr ein weiteres Kastenbrot (500 g) veräußert.

3

Die Klägerin mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 9. Juni 2016 wegen des Verkaufsgeschehens in der [X.]   ab. Ein danach eingeleitetes Einigungsstellenverfahren scheiterte.

4

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe die beanstandeten Verkäufe außerhalb der zulässigen Ladenöffnungszeiten in unlauterer Weise vorgenommen.

5

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Androhung näher bestimmter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, in den von ihr betriebenen Ladenlokalen, die als Verkaufsstellen für Bäckereiwaren und/oder dem Betrieb eines Cafés dienen,

1. an Sonn- oder Feiertagen für eine Dauer von mehr als drei Stunden Bäckerwaren, insbesondere unbelegte Brote und/oder Brötchen, zum Mitnehmen anzubieten und/oder zu verkaufen und/oder

2. am 2. Weihnachtstag, [X.] und/oder [X.] Bäckerwaren, insbesondere unbelegte Brote und/oder Brötchen, zum Mitnehmen anzubieten und/oder zu verkaufen.

6

Ferner hat die Klägerin Ersatz von Abmahnkosten in Höhe von 246,10 € und von Kosten des [X.] in Höhe von 88 € verlangt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen (LG [X.] II, BeckRS 2018, 38809). Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben (OLG [X.], [X.], 227). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stünden die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Zur Begründung hat es ausgeführt:

8

Hinsichtlich des Verkaufs in der [X.]  habe die Klägerin nicht dargelegt, dass die Beklagte selbst Betreiberin der Verkaufsstelle sei oder für das Verhalten des Inhabers als ihres Beauftragten hafte.

9

Die übrigen Verkäufe von unbelegten Brötchen und Broten stellten keinen Verstoß gegen die gesetzlichen Bestimmungen über den Ladenschluss dar, weil sie nach den Vorschriften des Gaststättengesetzes über den [X.]nverkauf von [X.] erlaubt gewesen seien. Die Beklagte betreibe in ihren Filialen ein Gaststättengewerbe in der Form der [X.]. Dies gelte auch in Ansehung des Umstands, dass es sich wegen des gleichzeitigen Betriebs von Ladengeschäften um Mischbetriebe handele. Insbesondere komme es nicht darauf an, welcher Bereich des gemischten Betriebs überwiege und diesem sein Gepräge gebe. Es entspreche der Lebenserfahrung, dass Verbraucher Bewirtungsangebote mit Sitzgelegenheiten in [X.] mit angeschlossenem Café auch dazu nutzten, um dort zum Verzehr der verabreichten Speisen zu verweilen. Bei den verkauften Brötchen und Broten handele es sich um zubereitete Speisen, die im Gaststättenbetrieb der [X.] selbst abgegeben würden. Eine zubereitete Speise sei ein zum alsbaldigen Verzehr essfertig gemachtes Lebensmittel, ohne dass es darauf ankomme, mit welchem Aufwand die Zubereitung geschehe. Im Falle von Brötchen oder Brot handele es sich um verzehrfertige Nahrungsmittel, deren Rohstoffe durch den Backvorgang zum Genuss verändert worden seien. Gäste eines Cafés mit angeschlossener Bäckerei könnten auch unbelegte Brötchen oder Brot bestellen, etwa im Rahmen einer Frühstücksbestellung. So biete auch die Beklagte ein Frühstück mit unbelegten Semmeln zusammen mit Portionen von Butter, Marmelade und Honig an. Dass die Beklagte Brot in ihrem Café nur in aufgeschnittenen Scheiben anbiete, stehe dem Verkauf ganzer Laibe Brot nicht entgegen, weil es sich bei letzteren nicht um unterschiedliche Speisen, sondern nur eine größere Menge handele, hinsichtlich derer im Streitfall nicht dargetan sei, dass sie nicht für den alsbaldigen Verzehr bestimmt seien. Die im Rahmen der beanstandeten Verkäufe abgegebenen Mengen sprächen nicht grundsätzlich dagegen, dass sie zum alsbaldigen Verzehr durch eine nicht näher bekannte Personenzahl abgegeben worden seien.

II. Die Revision hat keinen Erfolg. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, das beanstandete Verhalten begründe keine lauterkeitsrechtlichen Ansprüche auf Unterlassung und Kostenersatz, weil es an Verstößen der [X.] gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 12 des [X.] (nachfolgend: [X.]) und § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung über den Verkauf bestimmter Waren an Sonn- und Feiertagen (nachfolgend: [X.]) fehle, hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

1. Die Revision ist unbeschränkt zulässig. Der Entscheidungssatz des Berufungsurteils enthält keine Beschränkung der Revisionszulassung. In der Rechtsprechung des [X.] ist zwar anerkannt, dass sich eine Eingrenzung der Zulassung der Revision auch aus den Entscheidungsgründen ergeben kann. Nach dem Grundsatz der [X.] müssen die Parteien allerdings zweifelsfrei erkennen können, welches Rechtsmittel für sie in Betracht kommt und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist. Die bloße Angabe des Grundes für die Zulassung der Revision reicht nicht, um von einer nur beschränkten Zulassung des Rechtsmittels auszugehen ([X.], Urteil vom 7. März 2019 - [X.], [X.], 522 Rn. 9 = [X.], 749 - [X.], mwN).

Das Berufungsgericht hat in seinen Entscheidungsgründen ausgeführt, die Auslegung des § 7 Abs. 2 Nr. 1 [X.] sei klärungsbedürftig, weil hierüber in der Rechtsprechung der Instanzgerichte unterschiedliche Auffassungen bestünden. Damit hat es lediglich den Grund für die Revisionszulassung angegeben, ohne das Rechtsmittel zu beschränken.

2. Die Revision ist unbegründet.

a) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe hinsichtlich des Verkaufs in der [X.]  , der den Gegenstand des [X.] bildet, nicht hinreichend dargelegt, dass die Beklagte Inhaberin des Betriebs sei oder für das Verhalten des Inhabers als ihres Beauftragten hafte.

Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht nicht die Darlegungs- und Beweislast verkannt. Die Revision wendet sich nicht gegen die zutreffende Annahme des Berufungsgerichts, dass die Klägerin die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs darlegen und beweisen muss (vgl. nur [X.], Urteil vom 19. Februar 2014 - I ZR 230/12, [X.], 578 Rn. 16 = [X.], 697 - Umweltengel für Tragetasche; Beschluss vom 14. März 2019 - I ZR 167/18, [X.] 2019, 401 Rn. 10, jeweils mwN). Sie beanstandet vergeblich, das Berufungsgericht habe die Grundsätze der sekundären Darlegungslast falsch angewendet.

aa) Die Revision weist zunächst zutreffend darauf hin, dass die Annahme einer sekundären Darlegungslast nach der Rechtsprechung des [X.] in Betracht kommt, wenn dem [X.] die nähere Darlegung nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der [X.] alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Genügt der Anspruchsgegner seiner sekundären Darlegungslast, ist es Sache des Anspruchstellers, die für seine Behauptung sprechenden Umstände darzulegen und zu beweisen. Genügt der Anspruchsgegner seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung des Anspruchstellers dagegen nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 18. Januar 2018 - [X.], NJW 2018, 2412 Rn. 30, mwN).

bb) Das Berufungsgericht hat in zutreffender Anwendung dieser Grundsätze angenommen, dass die Beklagte sich hinsichtlich der Behauptung der Klägerin, bei der Verkaufsstelle [X.]  handele es sich um eine Filiale der [X.], nicht mit einem einfachen Bestreiten begnügen durfte, sondern angesichts der für die Behauptung der Klägerin sprechenden Indizien zur Inhaberschaft und der vertraglichen Beziehung zwischen Beklagter und Verkaufsstelle substantiiert vorzutragen hatte.

cc) Weiter nicht zu beanstanden ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte den ihr obliegenden Darlegungsanforderungen nachgekommen ist, indem sie ausgeführt hat, der von ihr namentlich benannte Inhaber der Verkaufsstelle sei ein selbständiger Betreiber, der im Rahmen einer bloßen Lieferbeziehung ohne Franchise-Vertrag oder ähnliche vertragliche Einbindung lediglich Waren der [X.] kaufe und neben anderen Produkten verkaufe. Durch diesen Vortrag ist die Klägerin in die Lage versetzt worden, ihrer originären Darlegungs- und Beweislast für diejenigen Tatsachen nachzukommen, die eine Verantwortlichkeit der [X.] als Inhaberin der Verkaufsstelle nach § 8 Abs. 1 UWG oder eine Beauftragtenhaftung nach § 8 Abs. 2 UWG begründen könnten.

Soweit die Revision beanstandet, das Berufungsgericht habe angesichts der für die Behauptung der Klägerin sprechenden Indizien und insbesondere des Umstands, dass diese Verkaufsstelle im Internetauftritt der [X.] unter der Rubrik "Unsere Filialen und Cafés" aufgeführt wird, den Vortrag der [X.] nicht als hinreichend substantiiert ansehen dürfen, nimmt sie in revisionsrechtlich unzulässiger Weise eine von der tatrichterlichen Würdigung abweichende eigene Bewertung vor. Die nach § 286 Abs. 1 ZPO dem Tatgericht obliegende Würdigung des Parteivortrags ist in der Revisionsinstanz lediglich daraufhin überprüfbar, ob sich das Tatgericht mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. nur [X.], Urteil vom 6. Juni 2019 - [X.]/17, [X.], 1071 Rn. 46 = [X.], 1296 - [X.]; Urteil vom 25. Juli 2019 - [X.], [X.], 1053 Rn. 28 = [X.], 1311 - [X.], jeweils mwN). Solche Fehler zeigt die Revision nicht auf.

b) Die Beurteilung des Berufungsgerichts hat auch Bestand, soweit es hinsichtlich der übrigen beanstandeten [X.], die Gegenstand des [X.] sind, angenommen hat, ein Verstoß gegen die gesetzlichen Bestimmungen über den Ladenschluss habe nicht vorgelegen, weil die Ausnahme des § 7 Abs. 2 Nr. 1 [X.] eingreife.

aa) Auf den Fall sind das [X.] und das Gaststättengesetz des [X.] anwendbar. Durch Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG in der seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung ist das Recht des Ladenschlusses und der Gaststätten aus dem Katalog der konkurrierenden Gesetzgebung herausgenommen worden. Diese Rechtsgebiete liegen nun in der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder. Nach Art. 125a Abs. 1 GG gilt Recht, das als [X.]recht erlassen worden ist, aber wegen der Änderung des Artikels 74 Abs. 1 nicht mehr als [X.]recht erlassen werden könnte, als [X.]recht fort, kann aber durch Landesrecht ersetzt werden. [X.] hat von der Möglichkeit einer landesrechtlichen Regelung keinen Gebrauch gemacht.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] müssen Verkaufsstellen an Sonntagen für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden geschlossen sein. Auf der Grundlage von § 12 [X.] ist die Sonntagsverkaufsverordnung erlassen worden. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 [X.] dürfen abweichend von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] Verkaufsstellen von Betrieben, die Bäcker- oder Konditorwaren herstellen, an Sonntagen für die Dauer von drei Stunden für die Abgabe von Bäcker- oder Konditorwaren geöffnet sein.

bb) Von der Revision unbeanstandet hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Verkäufe in den Filialen [X.]   am 21. Februar 2016 und [X.]  am 11. März 2018 an Sonntagen über einen längeren Zeitraum als drei Stunden erfolgt sind. Damit ist, wie das Berufungsgericht gleichfalls zutreffend ausgeführt hat, das nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 12 [X.] in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 2 [X.] zulässige zeitliche Höchstmaß für Sonntagsverkäufe von [X.] überschritten worden.

cc) Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 [X.] lägen vor. Nach dieser Vorschrift darf der Schank- oder Speisewirt außerhalb der Sperrzeit zum alsbaldigen Verzehr oder Verbrauch Getränke und zubereitete Speisen, die er in seinem Betrieb verabreicht, an jedermann über die [X.] abgeben. Soweit eine Abgabe nach dieser Vorschrift zulässig ist, darf sie mithin außerhalb der nach § 18 [X.] landesrechtlich verordneten Sperrzeiten ohne Bindung an die gesetzlichen Bestimmungen über den Ladenschluss erfolgen (vgl. [X.], NJW 1960, 2209, 2210; BayObLG, [X.], 214, 215 [juris Rn. 8]; [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 7 Rn. 9; [X.], Gaststättenrecht, 5. Aufl., § 7 [X.] Rn. 2).

(1) Die Revision beanstandet vergeblich die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte betreibe in ihren Filialen in der [X.]   und der [X.]  ein Gaststättengewerbe im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.]. Die von der Revision in Bezug genommenen Umstände des Streitfalls, insbesondere der Charakter der Verkaufsstellen als [X.], in denen Backwaren in Vitrinen zur Selbstentnahme angeboten werden, stehen dieser Beurteilung nicht entgegen.

Ein Gaststättengewerbe im Sinne des Gaststättengesetzes betreibt, wer im stehenden Gewerbe Getränke oder zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht, wenn der Betrieb jedermann oder bestimmten Personenkreisen zugänglich ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.]). Das Tatbestandsmerkmal des Verzehrs an Ort und Stelle erfordert einen räumlichen Zusammenhang zwischen der Abgabestelle und dem Ort, an dem das Getränk oder die Speise verzehrt werden soll, sowie einen zeitlichen Zusammenhang zwischen [X.] und Verzehrzeitpunkt (vgl. [X.], NVwZ-RR 1993, 460, 461 [juris Rn. 27]; [X.]/[X.] aaO § 1 Rn. 45; [X.], [X.], 6. Aufl., § 1 Rn. 51 f.). Bei der Beurteilung ist auf die typischen Verkehrsgewohnheiten und -anschauungen abzustellen ([X.]/[X.] aaO § 1 Rn. 45). Ein Verabreichen von Getränken oder Speisen liegt auch in der Bereitstellung zur Selbstbedienung (vgl. [X.], Urteil vom 29. Februar 2012 - W 6 K 11.384, juris Rn. 37; [X.], Beschluss vom 23. August 2019 - 4 L 216.19, juris Rn. 22; [X.]/[X.]/[X.], Gewerbe- und Gaststättenrecht, 139. Lieferung August 2019, § 1 [X.] Rn. 8; Schönleiter, [X.], § 1 Rn. 1). Das Vorhalten von Sitzgelegenheiten kann für einen Verzehr an Ort und Stelle sprechen (vgl. [X.]/[X.]/[X.] aaO § 1 [X.] Rn. 10; [X.]/[X.] aaO § 1 Rn. 45; Schönleiter aaO § 1 Rn. 4), der vom Verzehr im Weitergehen abzugrenzen ist (vgl. [X.] in [X.]/[X.], Strafrechtliche Nebengesetze, 224. Lieferung März 2019, § 1 [X.] Rn. 18; [X.], [X.] Gaststättenrecht, 164. Aktualisierung September 2019, § 1 [X.] Rn. 47). Der Anwendung des [X.] steht nicht entgegen, dass im Rahmen eines gemischten Betriebs innerhalb desselben Raums neben einer Schank- oder [X.] auch ein Einzelhandel betrieben wird. In einem solchen Fall behalten die zu einem einheitlichen Gesamtbetrieb vereinigten verschiedenen Gewerbe ihre rechtliche Eigenständigkeit mit der Folge, dass der Einzelhandel den gesetzlichen Bestimmungen des [X.], die Schank- oder [X.] hingegen ausschließlich dem Gaststättenrecht unterliegt (vgl. [X.], Beschluss vom 10. März 1983 - 4 StR 73/82, [X.]St 31, 258, 260 [juris Rn. 9]; [X.], NJW 1960, 2209, 2210; [X.], NVwZ-RR 1995, 659 [juris Rn. 4] und [X.] 2015, 269, 270 [juris Rn. 22]; BayObLG, [X.], 214, 215 [juris Rn. 9]; [X.] aaO § 1 Rn. 84 f.; [X.]/[X.] aaO § 1 Rn. 53).

Danach ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte betreibe in ihren Filialen neben dem Einzelhandel mit Bäcker- und Konditorwaren jeweils ein Gaststättengewerbe, frei von [X.]. Die Revision bezweifelt zwar mit Blick auf § 7 Abs. 2 Nr. 1 [X.], dass die im Zuge der angegriffenen [X.] abgegebenen Brötchen und Brote zubereitete Speisen darstellen, wendet sich aber nicht gegen die Annahme, dass die Beklagte hiervon abgesehen im Rahmen ihres gewerblichen Cafébetriebs in ihren Filialen der Öffentlichkeit jedenfalls auch Getränke und zubereitete Speisen anbietet. Für die gaststättenrechtliche Einordnung im Rahmen eines Mischbetriebs ist es - entgegen der Ansicht der Revision - unerheblich, in welchem Umfang nach den konkreten Gegebenheiten die Ausprägung als Einzelhandel oder Gaststätte überwiegt (vgl. [X.] NJW 1960, 2209, 2210; [X.], [X.] 2015, 269, 270 [juris Rn. 22]; [X.]/[X.] aaO § 1 Rn. 53). Soweit die Revision die Würdigung des Berufungsgerichts beanstandet, die angesprochenen Verbraucher nutzten Bewirtungsangebote mit Sitzgelegenheiten der von der [X.] angebotenen Art dazu, um dort zum Verzehr der verabreichten Speisen zu verweilen, dringt sie hiermit nicht durch. Die revisionsrechtliche Nachprüfung tatrichterlicher Feststellungen zum Verständnis oder den Gewohnheiten des Verkehrs ist, ebenso wie die Nachprüfung der Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO, darauf beschränkt, ob der Prozessstoff vollständig und widerspruchsfrei gewürdigt worden ist und keine Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze vorliegen (siehe Rn. 19). Die Würdigung des Berufungsgerichts lässt solche Rechtsfehler nicht erkennen. Insbesondere hat das Berufungsgericht die von der Revision herangezogene Gefahr der Umgehung der gesetzlichen Regelungen über den Ladenschluss gesehen und festgestellt, dass für eine solche Umgehung im Streitfall keine Anhaltspunkte bestehen.

(2) Ohne Erfolg greift die Revision die Beurteilung des Berufungsgerichts an, unbelegte Brötchen, Brezeln und Brote seien zubereitete Speisen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

Zubereitete Speisen im Sinne dieser Vorschriften sind alle essfertig gemachten Lebensmittel, ohne dass es auf den bei der Zubereitung getriebenen Aufwand ankommt (vgl. [X.], NStZ 1985, 33, 34; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 1 [X.] Rn. 18; [X.] aaO § 1 [X.] Rn. 40; [X.]/[X.] aaO § 1 Rn. 56). Sie sind abzugrenzen von solchen Lebensmitteln, die, wie etwa Obst, schon an sich verzehrfertig sind (vgl. [X.] in [X.]/[X.] aaO § 1 [X.] Rn. 18). Für die Beurteilung der Verzehrfertigkeit ist auf die Verkehrsanschauung abzustellen (vgl. [X.], NStZ 1985, 33, 34; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 1 [X.] Rn. 18; [X.] aaO § 1 [X.] Rn. 41; für die Einordnung von Brot oder Brötchen als zubereitete Speisen [X.]/[X.]/[X.] aaO § 7 [X.] Rn. 4 und [X.] in [X.] aaO § 7 [X.] Rn. 53; [X.], [X.] 2011, 369, 370 [juris Rn. 30]; [X.]/[X.] aaO § 1 Rn. 56).

Die Feststellungen des Berufungsgerichts zum Verkehrsverständnis, die nur eingeschränkter revisionsrechtlicher Prüfung unterliegen (dazu bereits Rn. 19 und Rn. 27), halten den Angriffen der Revision stand.

Entgegen der Ansicht der Revision ist die Annahme, bei unbelegten Brötchen und Brot handele es sich um durch den Backvorgang essfertig gemachte und verzehrfertige Lebensmittel, unbeschadet des von der Revision angeführten Umstands nicht denkgesetz- oder erfahrungswidrig, dass sie einem weiteren [X.] zugänglich sind. Zwar kann die Notwendigkeit einer weiteren Bearbeitung der Einordnung als zubereitete Speise im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegenstehen. Dies gilt jedoch nicht, wenn es sich um Bearbeitungen handelt, die Gäste üblicherweise auch selbst vornehmen (vgl. [X.] in [X.]/[X.] aaO § 1 [X.] Rn. 18; [X.] aaO § 1 Rn. 41). Dazu zählt etwa das Anrichten eines Salats, aber auch - wie im Streitfall - das Aufschneiden, Belegen oder Bestreichen eines Brötchens oder Brotes. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe nicht - wie erforderlich - auf den [X.], sondern den Herstellungsprozess abgestellt, als revisionsrechtlich unwirksame Ersetzung der tatrichterlichen Würdigung durch eine abweichende Bewertung.

Soweit die Revision in diesem Zusammenhang bemängelt, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass nicht der Gastwirt, sondern der Bäcker Brot oder Brötchen herstelle, verhilft ihr dies ebenfalls nicht zum Erfolg. Im Rahmen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 [X.] kommt es nicht darauf an, ob die abgegebene Speise in der [X.] oder andernorts zubereitet worden ist. Die Erlaubniswirkung knüpft an die Verabreichung der zubereiteten Speise in der Gaststätte, nicht an deren dortige Zubereitung an (vgl. [X.] in [X.]/[X.] aaO § 1 [X.] Rn. 18; [X.] aaO § 1 Rn. 41).

Keinen Erfolg haben weiter die Angriffe der Revision gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, Gäste eines Cafés bestellten dort - etwa im Rahmen einer Frühstücksbestellung - auch unbelegte Brötchen oder Brot. Rechtsfehler in der tatrichterlichen Würdigung vermag die Revision auch insoweit nicht aufzuzeigen. Die Rüge der Revision, Gäste bestellten im Café typischerweise kein ganzes Brot, sondern lediglich Brot in Scheiben, steht der Würdigung durch das Berufungsgericht nicht entgegen. Ist im Streitfall ein Brotlaib unbeschadet der Möglichkeit oder Notwendigkeit einer weiteren Portionierung im Café als zubereitete Speise einzuordnen, berührt eine solche weitere Bearbeitung nicht die Zulässigkeit seiner Abgabe nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Es stellt sich im Blick auf den [X.]nverkauf lediglich die Frage, ob sich die jeweils abgegebene Menge im von § 7 Abs. 2 Nr. 1 [X.] vorgesehenen Rahmen hält, also zum alsbaldigen Verzehr abgegeben wird. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Betreiber der Gaststätte annehmen darf, dass die abgegebenen Waren im Wesentlichen zum sofortigen Verbrauch erworben werden (vgl. [X.], NJW 1960, 2209, 2210). Insoweit ist nicht allein auf den Verzehr durch den Kunden selbst abzustellen. Vielmehr kann diese Voraussetzung nur dann ohne weiteres verneint werden, wenn die abgegebene Menge so groß ist, dass sie von dem Personenkreis, für den sie bestimmt ist, nicht annähernd verzehrt zu werden pflegt (vgl. BayObLG, [X.], 214, 215 [juris Rn. 10]; [X.] in [X.] aaO § 7 [X.] Rn. 42). Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angewendet.

III. Danach ist die Revision zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Koch     

      

Schwonke     

      

[X.]

      

Pohl     

      

Schmaltz     

      

Meta

I ZR 44/19

17.10.2019

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 14. Februar 2019, Az: 6 U 2188/18, Urteil

§ 3 Abs 1 S 1 Nr 1 LadSchlG, § 12 LadSchlG, § 1 Abs 1 Nr 2 SonntVerkV, § 7 Abs 2 Nr 1 GastG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.10.2019, Az. I ZR 44/19 (REWIS RS 2019, 2536)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 301-302 REWIS RS 2019, 2536


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZR 44/19

Bundesgerichtshof, I ZR 44/19, 17.10.2019.


Az. 6 U 2188/18

OLG München, 6 U 2188/18, 14.02.2019.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

6 U 2188/18 (OLG München)

Kein Regelverstoß bei Verkauf von Brot und Brötchen an Sonn- und Feiertagen durch Gaststättenbetreiber


12 O 4218/17 (LG München II)

Kein Regelverstoß bei Verkauf von Brot und Brötchen an Sonn- und Feiertagen durch Gaststättenbetreiber


Au 8 S 24.238 (VG Augsburg)

Mischbetrieb, Internetcafé, Ladenschluss, Ernstlichkeit des Willens zum Betrieb einer Gaststätte


AN 4 S 19.01902 (VG Ansbach)

Schließungsverfügung nachts und am Sonntag für einen Einzelhandel in einem Internet- und Callshop


XI R 12/21 (XI R 25/19), XI R 12/21, XI R 25/19 (Bundesfinanzhof)

Besteuerung von Umsätzen einer Bäckerei mit Filialen in "Vorkassenzonen" eines Supermarkts; Steuersatz


Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.