VGH München, Entscheidung vom 03.01.2019, Az. 4 ZB 17.2419

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Wiederaufgreifen einer bestandskräftigen Rückforderungentscheidung bezüglich wasserwirtschaftlicher Zuwendungen


Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 154.342,78 Euro festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klägerin begehrt das Wiederaufgreifen einer bestandskräftigen Rückforderungsentscheidung bezüglich wasserwirtschaftlicher Zuwendungen nach einer Änderung der Rechtsprechung zur rechtlichen Einordnung der Nr. 2.1 ANBest-K.

Die der Klägerin mit Schlussbescheid vom 28. April 2008 bewilligten Fördermittel in Höhe von 424.691,73 Euro wurden aufgrund einer späteren Überprüfung durch das Staatliche Rechnungsprüfungsamt mit Schlussbescheid vom 14. Dezember 2012 in Höhe von 154.342,78 Euro zurückgefordert. Dabei wurde zur Begründung ausgeführt, die zuwendungsfähigen Kosten hätten sich im Nachhinein um den genannten Betrag ermäßigt, so dass insoweit nach Nr. 2.1 ANBest-K eine den Zuwendungsbescheid auflösende Bedingung eingetreten sei.

Die dagegen erhobene Anfechtungsklage wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 13. Juni 2013 übereinstimmend für erledigt erklärt.

Mit Schreiben vom 19. August 2015 beantragte die Klägerin, das Verfahren gemäß Art. 51 BayVwVfG wiederaufzugreifen. Die Rechtslage habe sich gemäß Art. 51 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG nachträglich zu ihren Gunsten geändert, da das Bundesverwaltungsgericht entschieden habe, dass eine Kürzung von Zuwendungen bei nachträglich geänderter Rechtsauffassung keine auflösende Bedingung darstelle.

Der Beklagte lehnte den Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens mit Bescheid vom 26. Januar 2016 ab.

Die Klägerin erhob daraufhin beim Verwaltungsgericht Klage und beantragte, den Beklagten zum Wiederaufgreifen des Verfahrens, hilfsweise zur erneuten Entscheidung über den Wiederaufgreifensantrag zu verpflichten.

Mit Urteil vom 27. Oktober 2017 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.

Der Beklagte tritt dem Antrag entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

1. Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

a) An der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen keine ernsthaften Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 21.1.2009 - 1 BvR 2524/06 - NVwZ 2009, 515/516 m.w.N.).

Die Klägerin führt aus, nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung liege eine Änderung der Rechtslage im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG vor bei einer Änderung des materiellen Rechts, der eine allgemeinverbindliche Außenwirkung zukomme. Eine solche Änderung gehe mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Juni 2015 (Az. 10 C 15.14) einher, da diese eine von einem konkreten Sachverhalt zu abstrahierende Rechtsfrage betreffe. Ihr komme allgemeinverbindliche Außenwirkung zu, da die Verwaltungspraxis bei der Rückforderung von Zuwendungen maßgeblich geändert werden müsse. Das Bundesverwaltungsgericht habe nicht die Regelung der Nr. 2.1 ANBest-K aufgehoben, sondern deren Rechtsanwendung definiert und damit die Rechtslage konstitutiv verändert. Es sei auch ein Wiederaufgreifensgrund nach Art. 51 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG i. V. m. § 580 Nr. 6 ZPO gegeben, da es sich bei der fehlerhaften Beurteilung der Nr. 2.1 ANBest-K um eine Vorfrage gehandelt habe. Der Klägerin stehe jedenfalls ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im Ermessenswege zu, da wegen der rechtswidrigen Rückforderungspraxis eine Ermessensreduzierung auf Null vorliege.

Diese Ausführungen sind nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zu begründen.

aa) Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach Nr. 2.1 ANBest-K entgegen der früheren Rechtsprechung des Senats keine auflösende Bedingung darstellt, nicht zu einer nachträglichen Änderung der dem Bescheid vom 14. Dezember 2012 zugrunde liegenden Rechtslage geführt hat. Die rechtliche Beurteilung der Frage, ob und ggf. in welchem Umfang die Klägerin die im Schlussbescheid vom 28. April 2008 bewilligten Fördermittel zu erstatten hatte, richtete sich nach den bis heute (insoweit) unverändert gebliebenen Vorschriften des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes. Die im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Juni 2015 getroffene Feststellung, wonach der in Nr. 2.1 ANBest-K genannte Fall einer nachträglichen Ermäßigung der ursprünglich veranschlagten zuwendungsfähigen Ausgaben nicht von Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG erfasst werde, stellte lediglich eine - allerdings über den Einzelfall hinaus bedeutsame - Gesetzesauslegung dar und ließ die bestehende Rechtslage unberührt. Nach mittlerweile einhelliger höchstrichterlicher Rechtsprechung und ganz herrschender Auffassung im Schrifttum können bloße Änderungen der (höchst- oder instanzgerichtlichen) Rechtsprechung nicht als Rechtsänderungen im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG verstanden werden (ausführliche Nachweise bei Sachs in Stelkens u.a., VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 51 Rn. 105 ff.). Dies folgt schon aus der Tatsache, dass Gerichtsentscheidungen grundsätzlich nur zwischen den jeweiligen Verfahrensbeteiligten bindend sind (§ 121 VwGO) und daher keine normative Außenwirkung entfalten können.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus der höchstrichterlichen Klärung des Rechtsbegriffs der auflösenden Bedingung auch kein Wiederaufgreifensgrund nach Art. 51 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG i. V. m. § 580 Nr. 6 ZPO. Nach dieser zivilprozessualen Vorschrift findet die Restitutionsklage statt, wenn ein vorhergehendes Urteil, auf welches das betreffende Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist. Für die entsprechende Anwendung im Rahmen des Art. 51 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG bedeutet dies, dass eine gerichtliche oder behördliche Entscheidung, die für den unanfechtbar gewordenen Verwaltungsakt von präjudizieller Bedeutung war, nachträglich aufgehoben worden sein muss (vgl. BVerwG, U.v. 27.1.1994 - 2 C 12.92 - BVerwGE 95, 86/91; Sachs, a.a.O., Rn. 125). An dieser Voraussetzung fehlt es hier, da der bestandskräftig gewordene Bescheid vom 14. Dezember 2012 nicht auf einem vorhergehenden (und mittlerweile aufgehobenen) Gerichtsurteil oder Verwaltungsakt beruhte. Da es nach Wortlaut und Sinn der Restitutionsvorschrift eines engen Ursachenzusammenhangs zwischen der vorgreiflichen Entscheidung und dem Erlass des wiederaufzugreifenden Verwaltungsakts bedarf (vgl. Sachs, a.a.O.), genügt es nicht, wenn einer mittlerweile aufgehobenen früheren Gerichts- oder Behördenentscheidung und dem nunmehr angegriffenen bestandskräftigen Verwaltungsakt lediglich dieselbe (überholte) Rechtsauffassung zugrunde liegt (vgl. Falkenbach in BeckOK VwVfG, Stand 1.10.2018, § 51 Rn. 52 m.w.N.).

bb) Wie das Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung überzeugend dargelegt hat, kann hier von einem Anspruch auf Wiederaufgreifen nach Art. 51 Abs. 5 i.V.m. Art. 48 BayVwVfG im Wege einer Ermessensreduzierung auf Null schon deshalb keine Rede sein, weil der in verfahrensfehlerhafter Weise auf eine auflösende Bedingung gestützte Rückforderungsbescheid jedenfalls in materieller Hinsicht - wie auch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 13. Juni 2013 anerkannt hat - nicht zu beanstanden war, da ihr nach den geltenden Förderbedingungen die Zuwendungen in Höhe des Rückforderungsbetrags zu keinem Zeitpunkt zugestanden haben.

b) Der Rechtssache weist entgegen dem Vortrag der Klägerin auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Die Frage, ob durch die - zu dieser Thematik erstmals ergangene - Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Juni 2015 eine Änderung der Sach- oder Rechtslage im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG eingetreten ist, lässt sich anhand der bisherigen Rechtsprechung klar und eindeutig beantworten (und verneinen). Der Umstand, dass die in den höchst- bzw. obergerichtlichen Entscheidungen entwickelten Leitlinien der Gesetzesauslegung von der behördlichen Vollzugspraxis in der Regel übernommen und bei künftigen Entscheidungen beachtet werden, genügt danach nicht, um aus einer Neuausrichtung der Rechtsprechung einen Anspruch auf Wiederaufgreifen eines bestandskräftig abgeschlossenen Verfahrens abzuleiten.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 47, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Datenquelle d. amtl. Textes: Bayern.Recht

Meta

4 ZB 17.2419

03.01.2019

VGH München

Entscheidung

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: VGH München, Entscheidung vom 03.01.2019, Az. 4 ZB 17.2419 (REWIS RS 2019, 11856)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 11856

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

Vf. 22-VI-19 (VerfGH München)

Verfassungsbeschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung durch den VGH mangels ausreichender Begründung unzulässig (Zuwendungsrecht)


AN 1 K 16.00313 (VG Ansbach)

Änderung der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung zur Anwendung der Nr. 2.1 ANBest-K


AN 1 K 16.00312 (VG Ansbach)

Rückforderung von Zuwendungen - kein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach Rechtsprechungsänderung


AN 1 K 16.00194 (VG Ansbach)

Rücknahme eines Zuwendungsbescheids für Baumaßnahmen an öffentlicher Entwässerungseinrichtung


AN 4 K 14.00983 (VG Ansbach)

Auflösende Bedingung, vorläufiger Verwaltungsakt, Zuwendungsbescheid, Schlussbescheid, Umdeutung, Abwasseranlage, Rückforderung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.