Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.04.2006, Az. I ZR 237/03

I. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 3812

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 237/03 Verkündet am: 27. April 2006 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.] : nein [X.]R : ja

ZPO § 693 Abs. 2 a.F., § 167 Die Zustellung eines Mahnbescheids ist dann nicht mehr demnächst i.S. von § 693 Abs. 2 ZPO a.F., § 167 ZPO erfolgt, wenn der Antragsteller es unterlas-sen hat, beim Mahngericht nach Ablauf einer je nach den Umständen des [X.] zu bemessenden Frist nachzufragen, ob die Zustellung bereits [X.] worden ist, und dieses Unterlassen nachweislich zu einer Verzögerung der Zustellung um mehr als einen Monat geführt hat. [X.], [X.]. v. 27. April 2006 - I ZR 237/03 - [X.] - 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 27. April 2006 durch [X.] Dr. Ullmann und [X.] [X.], [X.], Dr. Schaffert und Dr. Bergmann für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das [X.]eil des [X.], 6. Zivilsenat, vom 2. Oktober 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückver-wiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand: Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] ([X.]) (im Weiteren: Schuldnerin). Diese betrieb einen Obst- und Gemüsehandel und stand mit der [X.], einer internationalen Spedition, in einer langjährigen Geschäftsverbindung. 1 - 3 - Im Mai 1999 beauftragte die Schuldnerin die Beklagte mit dem Transport von 31 Paletten Spargel mit einem Gesamtgewicht von 20.956 kg und drei Pa-letten Kirschen mit einem Gesamtgewicht von 1.365 kg von [X.]/ [X.] nach [X.] zu festen Kosten. Die Beklagte übernahm die im [X.] zu befördernde Sendung am 19. Mai 1999. 2 Beim Eintreffen der Ware in [X.] wurden Schäden am Spargel und an den Kirschen festgestellt. Die Schuldnerin errechnete auf der Grundlage ei-nes von ihr in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens einen Güter-schaden in Höhe von 81.036,24 DM und unter Hinzunahme der Kosten einen Gesamtschaden in Höhe von umgerechnet 46.954 •. Mit Schreiben vom 20. Juli 1999 nahm sie die Beklagte wegen dieses Schadens in Anspruch. Der Versicherer der [X.] wies den Anspruch mit Schreiben vom 8. September 1999 zurück. Das Schreiben ist bei der Schuldnerin am 17. September 1999 eingegangen. 3 Die Schuldnerin hat behauptet, die Ware sei der [X.] mit einer Kerntemperatur von +2° C übergeben [X.]. Die Ladung sei aufgrund leichtfertigen Verhaltens der [X.] während des Transports wegen Unterbrechung der Kühlkette zu hohen wie auch zu nied-rigen Temperaturen ausgesetzt gewesen. Für den dadurch verursachten Scha-den habe die Beklagte unbeschränkt zu haften. 4 Die Schuldnerin hat beantragt, 5 die Beklagte zu verurteilen, an die Schuldnerin 46.954 • nebst 5 % Zinsen seit dem 20. Juli 1999 zu zahlen. - 4 - Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat die Vereinbarung einer Transporttemperatur von +2° C bestritten. Die bei der Entladung in [X.] festgestellten Schäden könnten nur darauf beruhen, dass die Ware mit viel zu hoher Eigentemperatur in [X.] verladen worden sei. Die Höhe der geltend gemachten Kosten sei zu bestreiten. Im Übrigen sei der [X.] verjährt. 6 Das [X.] hat der Klage stattgegeben. 7 Die Berufung der [X.] hat zur Abweisung der Klage geführt. 8 Mit seiner (vom Senat zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger sein Klagebegehren im vollen Umfang weiter. 9 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Beklagte für den Schaden zwar aus Art. 17 Abs. 1 CMR hafte, der sich hieraus ergebende [X.] aber verjährt sei. Hierzu hat es ausgeführt: 10 Da [X.] am 25. Mai 1999 abgeliefert worden sei, sei die einjährige Verjährungsfrist des Art. 32 Abs. 1 Satz 1 CMR grundsätzlich am 26. Mai 2000 abgelaufen. Die Verjährung sei aber gemäß Art. 32 Abs. 2 CMR in der [X.] vom 22. Juli 1999 bis zum 17. September 1999 gehemmt gewesen und daher erst am 23. Juli 2000 eingetreten. Der [X.] sei von der [X.] zwar bereits am 10. Juli 2000 beim Mahngericht eingereicht, der [X.] - 5 - scheid aber erst am 10. November 2000 und damit nicht mehr demnächst i.S. von § 693 Abs. 2 ZPO a.F. zugestellt worden. Eine Zustellung demnächst nach Einreichung des Mahnbescheids bedeute eine Zustellung innerhalb einer den Umständen nach angemessenen Frist, wenn die [X.], der die Fristwahrung obliege, unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan habe. Das sei nicht der Fall, wenn sie durch [X.] Verhalten zu einer mehr als zwei Wochen betragenden und daher nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen habe. Im Streitfall habe die Schuldnerin zur verzögerten Zustellung des Mahnbescheids lediglich vorge-tragen, das Mahngericht habe beanstandet, dass der auf dem für die maschi-nelle Bearbeitung vorgeschriebenen Vordruck erfolgte [X.] vom 10. Juli 2000 zunächst per Telefax eingereicht worden sei. Die weitere Verzögerung, aufgrund der es erst am 8. November 2000 zum Erlass des Mahnbescheids gekommen sei, werde von der Schuldnerin nicht näher [X.], obwohl es dieser oblegen hätte, für eine zeitnahe Bescheidung ihres [X.] zu sorgen. Eine Nachfrage in angemessener [X.] wäre angezeigt gewe-sen. Der Akte sei nicht zu entnehmen, dass Versäumnisse des [X.] zum verspäteten Erlass des Mahnbescheids geführt hätten. Die Voraussetzungen für eine der dreijährigen Verjährungsfrist nach Art. 32 Abs. 1 Satz 2 CMR unterliegenden unbeschränkten Haftung der [X.] nach Art. 29 CMR seien nicht gegeben. 12 I[X.] Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. 13 1. Das Berufungsgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine unbeschränkte Haftung der [X.] nach Art. 29 CMR im Streitfall nicht gegeben sind und dass die dreijährige [X.] nach Art. 32 Abs. 1 Satz 2 CMR daher nicht gilt. Es ist in diesem [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass die Schuldnerin für ein vor-satzgleiches Verschulden der [X.] oder der Personen, deren diese sich bei der Ausführung der Beförderung bedient hat, darlegungs- und [X.] ist. Das Berufungsgericht hat hierbei auch nicht - wie die Revision geltend macht - die sekundären Einlassungspflichten der [X.] zu Unrecht unbe-rücksichtigt gelassen; denn die Beklagte ist den für sie in dieser Hinsicht [X.] Obliegenheiten nachgekommen. Die von der Revision im Blick auf eine verschärfte Haftung der [X.] ferner erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet; von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen. 2. Das Berufungsgericht hat aber zu Unrecht angenommen, dass der aus Art. 17 Abs. 1 CMR begründete Schadensersatzanspruch des [X.] nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 CMR verjährt sei. 15 a) Das Berufungsgericht ist von einer Haftung der [X.] aus Art. 17 Abs. 1 CMR ausgegangen. Es hat insoweit festgestellt, die von der [X.] in einwandfreiem Zustand übernommene Ware habe bei ihrem Eintreffen am [X.] erhebliche Schäden aufgewiesen. Die Beklagte sei von ihrer Haf-tung weder nach Art. 17 Abs. 4 lit. d CMR noch nach Art. 17 Abs. 2 CMR be-freit. Diese Beurteilung lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen und wird auch von der Revisionserwiderung nicht mit [X.] angegriffen. 16 b) Das Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung der Verjährungsfrage mit Recht davon ausgegangen, dass die einjährige Verjährungsfrist des Art. 32 Abs. 1 Satz 1 CMR im Hinblick darauf, dass [X.] am 25. Mai 1999 abgelie-fert worden ist, grundsätzlich am 26. Mai 2000 abgelaufen wäre. Es hat des weiteren zutreffend angenommen, dass die Verjährung im Hinblick auf die [X.]sgeltendmachung durch die Schuldnerin mit Schreiben vom 20. Juli 1999 17 - 7 - und die Zurückweisung der Ansprüche mit Schreiben des Versicherers der [X.] vom 8. September 1999, das bei der Schuldnerin am 17. September 1999 eingegangen ist, für insgesamt 57 Tage gehemmt war, so dass die [X.] danach am 23. Juli 2000 eingetreten ist. Zutreffend ist auch die Beurtei-lung des [X.], eine Zustellung sei dann nicht mehr als i.S. von § 693 Abs. 2, § 270 Abs. 3 ZPO a.F. (und nunmehr § 167 ZPO) demnächst [X.] anzusehen, wenn ein [X.] Verhalten der [X.] zu einer nicht nur geringfügigen Verzögerung der Zustellung beigetragen habe. Entgegen der Auf-fassung des [X.] ist eine Verzögerung allerdings nicht schon dann als nicht nur geringfügig anzusehen, wenn sie mehr als zwei Wochen be-trägt, sondern im Hinblick auf die Regelung in § 691 Abs. 2 ZPO erst dann, wenn das nachlässige Verhalten zu einer Verzögerung von mehr als einem Monat führt ([X.] 150, 221, 225 f.). [X.]) Im rechtlichen Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht davon aus-gegangen, dass es der Schuldnerin oblegen hätte, beim Mahngericht nach an-gemessener [X.] nachzufragen, aus welchem Grund bislang noch keine Zustel-lung des Mahnbescheids erfolgt war. Welcher [X.]raum dabei angemessen ist, hängt von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (vgl. [X.], [X.]. v. 1.4.2004 - IX ZR 117/03, NJW-RR 2004, 1575, 1576 m.w.N.; Beschl. [X.] - [X.] 118/04, NJW 2005, 1194, 1195; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 167 Rdn. 13; [X.] in [X.], ZPO, 27. Aufl., § 167 Rdn. 13). 18 bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Darlegungs- und Be-weislast dafür, dass das insoweit gegebene Untätigbleiben der Schuldnerin zu keiner erheblichen Verzögerung der Zustellung geführt habe, liege - wie auch sonst für die Voraussetzungen des Merkmals "demnächst" (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 25. Aufl., § 167 Rdn. 14) - bei dem [X.]. Es hat dabei [X.] - 8 - doch nicht berücksichtigt, dass diesem bei der Frage, ob eine Zustellung dem-nächst erfolgt ist, Versäumnisse allein insoweit zuzurechnen sind, als sich fest-stellen lässt, dass die geforderte Handlung den Verfahrensgang verkürzt hätte ([X.], [X.]. v. 5.2.2003 - [X.], NJW-RR 2003, 599, 600 m.w.N.). Das Berufungsgericht hätte sich daher nicht mit der Feststellung begnügen dürfen, die Schuldnerin habe zu der verzögerten Zustellung des Mahnbescheids nur sehr eingeschränkt vorgetragen und es sei der Akte nicht zu entnehmen, dass Versäumnisse des [X.] zum verspäteten Erlass des Mahnbescheids geführt hätten. II[X.] Das [X.]eil des [X.] konnte danach keinen Bestand ha-ben. Es war daher aufzuheben und die Sache zur Nachholung der noch erfor-derlichen Feststellungen an die Vorinstanz zurückzuverweisen. 20 Diese wird im Rahmen der neuen Verhandlung zunächst festzustellen haben, zu welchem [X.]punkt die Schuldnerin im Hinblick auf die bis dahin noch nicht erfolgte Zustellung des Mahnbescheids gehalten gewesen wäre, insoweit beim Mahngericht Nachfrage zu halten. Sodann wird das Berufungsgericht Feststellungen zu der Frage zu treffen haben, ob und gegebenenfalls inwieweit eine solche Nachfrage zu einer früheren Zustellung des Mahnbescheids geführt hätte. Im [X.] daran wird es gegebenenfalls noch zu prüfen haben, ob der [X.]raum, um den sich die Zustellung infolge des Unterbleibens der gebotenen 21 - 9 - Nachfrage verzögert hat, als erheblich in dem zu vorstehend I[X.] 2. b) dargestell-ten Sinne anzusehen ist. Eine in dieser Hinsicht etwa verbleibende Unerweis-lichkeit führte dazu, dass der [X.] als nicht nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 CMR verjährt zu behandeln wäre. [X.] Büscher

Schaffert Bergmann Vorinstanzen: LG [X.], Entscheidung vom 20.11.2002 - 418 O 66/01 - OLG [X.], Entscheidung vom 02.10.2003 - 6 U 236/02 -

Meta

I ZR 237/03

27.04.2006

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.04.2006, Az. I ZR 237/03 (REWIS RS 2006, 3812)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 3812

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