Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.09.2020, Az. 30 W (pat) 4/19

30. Senat | REWIS RS 2020, 185

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "LOWSOFT (Wort-Bild-Marke)" – Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2018 203 171.8

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 24. September 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker sowie [X.] Meiser und Merzbach

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des [X.] vom 30. August 2018 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das in den Farben Rot und Blau gestaltete Zeichen

Abbildung

2

ist am 30. Januar 2018 für die Waren- und Dienstleistungen der

3

„Klasse 9: [X.] [gespeichert]; [X.] mit darauf gespeicherter Software; Datenverarbeitungs-Software; Herunterladbare E-Mail-Software; Herunterladbare Software; Herunterladbare Software-Anwendungen für Computer; Software

4

Klasse 42: IT-Dienstleistungen“

5

zur Eintragung als Marke in das vom [X.] geführte Register angemeldet worden.

6

Mit Bescheid vom 8. Juni 2018 hat die Markenstelle für Klasse 9 des [X.]s die Anmeldung wegen mangelnder Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] beanstandet.

7

Zur Begründung ist ausgeführt, der Wortbestandteil „[X.]“ stehe für „wenig“ oder „niedrig“. „[X.]“ sei eine gängige Abkürzung des Wortes Software, welches in dieser Form Einzug in die [X.] gehalten habe. Das Attribut „low“ werde auch vielfach in Zusammenhang mit Software verwendet, wobei es auf das Niedrigpreissegment, aber auch auf eine [X.] und damit einen „niedrigen Verbrauch hinsichtlich verfügbarer Rechenleistung, Energie und Arbeitsspeicherauslastung“ hinweise. Die angesprochenen Verkehrskreise würden daher annehmen, dass einer „[X.]-Software“ bestimmte positive Eigenschaften (niedrige Preise, Sparsamkeit etc.) zukämen. Ferner könne „[X.]“ auch im Sinne von „low code“ darauf hinweisen, dass die beanspruchten Waren (Software) und IT-Dienstleistungen dem unter Verwendung graphischer Modellierungsmethoden entwickelten [X.] zuzuordnen seien. Damit erschöpfe sich das Anmeldezeichen in einer Aneinanderreihung beschreibender Bestandteile. Auch die graphische Gestaltung, die sich auf einfache Gestaltungselemente beschränke, sei nicht geeignet, dem Anmeldezeichen Unterscheidungskraft zu verleihen.

8

Die Anmelderin hat auf den Beanstandungsbescheid nicht reagiert.

9

Mit Beschluss vom 30. August 2018 hat die mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 9 des [X.]s die Markenanmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]) zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie auf die Ausführungen des [X.] vom 8. Juni 2018, denen die Anmelderin nicht widersprochen habe, Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die sinngemäß beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des [X.]s vom 30. August 2018 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat auch in der Sache Erfolg. Es kann nicht festgestellt werden, dass das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] besteht, so dass die Markenstelle die Anmeldung zu Unrecht zurückgewiesen hat.

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. [X.] [X.], 1198 ([X.]) – [X.]; [X.], 610 ([X.]) – [X.]; [X.] 2008, 608 ([X.]) – [X.]; [X.], 1167 (Nr. 13) – [X.]; [X.], 581 (Nr. 16) – [X.]; [X.], 173 (Nr. 15) – for you; [X.] 2014, 565 (Nr. 12) – smartbook; [X.] 2013, 731 (Nr. 11) – [X.]; [X.], 1143 (Nr. 7) –[X.], jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa [X.] [X.], 1198 ([X.]) – [X.]; [X.] 2014, 373 (Nr. 20) – [X.]; 2010, 1008, 1009 ([X.]) – [X.]; [X.] 2008, 608, 611 ([X.]) – [X.]; [X.] 2006, 233, 235, Nr. 45 – Standbeutel; [X.], 1167 (Nr. 13) – [X.]; [X.] 2016, 934 ([X.]) – [X.]; [X.], 581 (Nr. 16) – [X.]; BGH [X.], 173, 174 (Nr. 15) – for you; [X.] 2009, 949 (Nr. 10) – [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH [X.] 2017, 186 (Nr. 29) – [X.]; [X.] 2016, 1167 (Nr. 13) – [X.]; [X.], 581 ([X.]) – [X.]; [X.], 173, 174 (Nr. 15) – for you; [X.] 2014, 565, 567 (Nr. 12) – smartbook; [X.], 1143 (Nr. 7) – [X.]; [X.], 270 (Nr. 8) – Link economy). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. [X.] [X.] 2006, 411, 412 (Nr. 24) – Matratzen Concord/Hukla).

Hiervon ausgehend besitzen Marken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH [X.] 2013, 1143, Nr. 15 – [X.] werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] [X.] 2013, 519 (Nr. 46) – [X.]; [X.] 2004, 674 ([X.]) – Postkantoor; BGH [X.] 2017, 186 (Nr. 30, 32) – [X.]; 2014, 1204 (Nr. 12) – [X.]; [X.], 270 (Nr. 11) – Link economy; [X.] 2009, 952 (Nr. 10) – [X.]). Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH [X.] 2017, 186 (Nr. 32) – [X.]; [X.] 2014, 1204 (Nr. 12) – [X.]; [X.], 1143 ([X.]) – [X.]; [X.] 2010, 1100 (Nr. 23) – [X.]!; [X.] 2006, 850 (Nr. 28 f.) – FUSSBALL WM 2006).

2. Nach diesen Grundsätzen verfügt das Anmeldezeichen [X.][X.] über die erforderliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

a) Die Markenstelle ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass sich die angemeldete Marke aus den Elementen „[X.]“ und „[X.]“ zusammensetzt.

Ihrer Argumentation kann auch insoweit beigetreten werden, als es sich bei „[X.]“ im vorliegenden Waren- und Dienstleistungszusammenhang um eine seit langem gebräuchliche Kurzbezeichnung für Software handelt (vgl. aus der Rspr etwa: [X.] PROMA 29 W (pat) 122/92 – FUTURE[X.]; 30 W (pat) 263/93 – WIN[X.]; 24 W (pat) 210/96 – Autosoft).

„[X.]“ ist ein einfaches Wort des [X.] mit der Bedeutung „tief, niedrig, gering, schwach“ (vgl. [X.]/leo/org/englisch-deutsch/low). Im [X.] gebräuchlich sind Wortverbindungen mit „Low“, wobei dem Adjektiv häufig ein Bezugswort, das mit den Attributen „niedrig/gering/tief“ beschrieben werden kann, nachgestellt ist, so zB „Low Carb“, „[X.]“, „Low Cost“ u.a. (vgl. [X.], „Low“).

b) Dass der angesprochene Verkehr den Bestandteilen „[X.]“ und „[X.]“ im vorliegenden Waren- und Dienstleistungszusammenhang jeweils eine Bedeutung zumessen kann, reicht aber allein nicht aus, um der angemeldeten Gesamtbezeichnung [X.][X.] die Schutzfähigkeit abzusprechen. Das Vorliegen des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] bemisst sich nämlich grundsätzlich nicht nur danach, ob etwaige Wortbestandteile für sich betrachtet unterscheidungskräftig sind; entscheidend ist vielmehr, ob dem durch die Verbindung der Bestandteile entstandenen Gesamtzeichen die Eignung zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung fehlt (vgl. [X.] [X.] 2004, 674 ([X.]9) – Postkantoor; [X.] 2004, 680 (Nr. 40) – [X.]; [X.] 2010, 534 ([X.]) – [X.]; BGH [X.], 270 (Nr. 16) – Link economy; [X.] 2014, 1204 (Nr. 16) – DüsseldorfCongress; [X.] 2017, 186 (Nr. 30) – [X.]; siehe auch m. w. N. Ströbele/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 8 Rn. 201, 217-218).

c) Vorliegend ist [X.][X.] als Gesamtzeichen weder im IT-Bereich als Fachbegriff etabliert, noch wird es sonst gängig beschreibend verwendet. Die Fundstellen der Markenstelle belegen dies nicht, und auch eine ergänzende Recherche des Senats hat hierfür keine Anhaltspunkte ergeben.

d) Entgegen der Argumentation der Markenstelle kann auch nach dem unmittelbaren Wortsinn nicht festgestellt werden, dass die Wortkombination [X.][X.] eine für die angesprochenen Verkehrskreise erkennbare beschreibende Bedeutung aufweist. Selbst wenn der Verkehr das Anmeldezeichen mit „niedrige/tiefe/geringe Software“ bzw. „[X.]“ übersetzt, erschließt sich kein Gesamtsinn; jedenfalls wären hierfür weitere Gedankenschritte im Wege einer analysierenden Betrachtung erforderlich.

Die Rechercheergebnisse der Markenstelle belegen auch nicht, dass „[X.]“ in Alleinstellung (ohne konkretisierendes Bezugswort) in Verbindung mit Software verwendet wird. Die Fundstellen beziehen sich vielmehr auf zusammengesetzte Begriffe wie „Low-Code“, „Low-Code-Plattform“, „Software – [X.]“, „[X.]Comfort“, „[X.]“ „Low Cost Software“.

Auch in Zusammenhang mit Softwareprodukten und IT-Dienstleistungen wird „[X.]“ somit üblicherweise in Zusammensetzung mit einem Bezugswort genannt, das seinerseits mit den Attributen „niedrig, gering, tief“ beschrieben werden kann. Der [X.] „Low-Code“ beutet beispielsweise, dass möglichst „wenig Code“ eingesetzt wird (stattdessen setzen Low-Code-Entwickler auf Entwicklungsplattformen, die das Erstellen vieler oder sogar aller Aufgaben, Algorithmen, Logiken, Einstellungen und Designs mit einer grafischen Benutzerfläche ermöglichen, [X.]/). „[X.]“ bezeichnet ein „kohlenstoffarmes“ Produkt, „Low Cost“ weist auf ein „niedriges“ Preissegment hin.

Software als solche lässt sich dagegen mit dem Attribut [X.] (im Sinne von niedrig, tief, gering) nicht unmittelbar beschreiben. Der Begriff [X.][X.] („[X.]“) ergibt für sich keinen unmittelbar erkennbaren Sinn. Vielmehr bedarf er der Ausfüllung bzw. Ergänzung um ein weiteres Bezugswort, das tatsächlich mit den Attributen niedrig bzw. gering beschrieben werden könnte (so zB [X.]-COST-Software, [X.]-ENERGY-[X.]WARE). Auch die Markenstelle hat in ihrem Beanstandungsbescheid letztlich im Rahmen einer analysierenden Betrachtung eine solche Ausfüllung vorgenommen, indem sie das Attribut „[X.]“ / „gering“ gedanklich um Begriffe wie „Preis“, „Energie“ oder „Code“ ergänzt hat, um zu einem Sachhinweis (auf das „Niedrigpreissegment“, die „[X.]“ bzw. die „[X.]“) zu gelangen.

Dies verdeutlich aber gerade, dass der Begriff [X.][X.] als solcher vage und unbestimmt ist. Soweit ihm erst im Wege einer analysierenden Betrachtung und gedanklicher Ergänzungen ein Sinngehalt zugemessen werden kann, begründet bereits dies die Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

3. [X.] ist daher stattzugeben.

Meta

30 W (pat) 4/19

24.09.2020

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.09.2020, Az. 30 W (pat) 4/19 (REWIS RS 2020, 185)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 185

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

30 W (pat) 25/18 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Soft" – fehlende Unterscheidungskraft


30 W (pat) 546/17 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "infoskop" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


30 W (pat) 566/17 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "CINEMOOD (IR-Marke)" – fehlende Unterscheidungskraft


30 W (pat) 537/17 (Bundespatentgericht)


30 W (pat) 6/17 (Bundespatentgericht)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.