Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.09.2005, Az. VI ZB 84/04

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 1882

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[X.]/04
vom 13. September 2005 in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja

ZPO §§ 492 Abs. 1, 485 Abs. 2, 397, 402

Die mündliche Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen und dessen Anhörung sind auch im selbständigen Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO zu-lässig.

[X.], Beschluss vom 13. September 2005 - [X.]/04 - OLG Frankfurt am Main

LG Frankfurt am Main

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 13. September 2005 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.] und [X.] [X.], [X.], [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbehelfe der Antragsgegner werden der Beschluss des 4. Zivilsenats des [X.] vom 20. Oktober 2004 und die Beschlüsse der 14. Zivilkammer des [X.] vom 10. Februar 2004, 17. Februar 2004 und 30. März 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an die 14. Zivilkammer des [X.] zurückver-wiesen. Gegenstandswert: 7.500 •

Gründe: [X.] Die Antragstellerin hat im selbständigen Beweisverfahren die Begutach-tung zahnärztlicher Leistungen der Antragsgegner im Oberkiefer und Unterkie-fer durch einen Sachverständigen begehrt. Auf Beweisbeschluss des Landge-richts hat der Sachverständige [X.] das schriftliche Gutachten vom 22. August 2003 erstattet. Nach Einwendungen und Fragen der Antragsgegner hat der - 3 - Sachverständige ein schriftliches Ergänzungsgutachten erstellt. Die Antrags-gegner haben daraufhin beantragt, den Sachverständigen zur Erläuterung von Gutachten und Ergänzungsgutachten zu laden und vorsorglich die Einholung eines [X.] beantragt. Das [X.] hat mit Beschluss der Einzelrichterin vom 10. Februar 2004 diese Anträge zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der [X.] hat die 14. Zivilkammer des [X.]s den Beschluss der [X.] erneut als Kammerbeschluss erlassen und mit weiterem Beschluss der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Das [X.] hat die sofortige Beschwerde hinsichtlich des [X.] zurückgewiesen und hin-sichtlich des [X.] auf Einholung eines [X.] als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein Anhörungsrecht stehe den [X.] im selbständigen Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO nicht zu. Diese Bestimmung sehe ausschließlich das schriftliche Gutachten als Beweismittel vor. Die Verweisung des § 492 Abs. 1 ZPO sei [X.] dahin einzuschränken, dass die Vorschriften über die mündliche Befragung des Sachverständigen nach §§ 402, 397 ZPO nicht anzuwenden seien. Die mündliche Anhörung könne im selbständigen Beweisverfahren nur zu dem Zweck einer gütlichen Einigung nach freiem Ermessen des Gerichts angeordnet werden. Dem Gericht des selbständigen Beweisverfahrens obliege keine end-gültige Bewertung des schriftlichen Gutachtens. Das [X.] habe eine mündliche Erörterung ohne Ermessensfehler abgelehnt, weil eine Einigung der [X.]en nicht zu erwarten sei. Eine Aufklärung des behaupteten Widerspruchs zwischen dem Gutachten und dem Ergänzungsgutachten sei auch auf [X.] Wege möglich. Hinsichtlich des [X.] sei ohnedies die nicht mit Gründen versehene sofortige Beschwerde nicht statthaft. Die Einholung eines - 4 - weiteren Gutachtens nach § 412 ZPO stehe im freien Ermessen des Gerichts. Die Entscheidung betreffe daher die Art der Beweisaufnahme, die nach § 355 Abs. 2 ZPO einer Anfechtung entzogen sei. Mit ihren vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerden verfolgen die Antragsgegner ihre Anträge auf Anhörung des Sachverständigen, hilfsweise Einholung eines [X.] weiter. I[X.] 1. Die Rechtsbeschwerden sind nach Zulassung durch das Beschwerde-gericht statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Die Zulassung der "Revision" ist als Zulassung der Rechtsbeschwerde zu verstehen, ohne dass es einer Berichti-gung (§ 319 Abs. 1 ZPO) bedarf. Die Rechtsbeschwerden sind auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1, 575 ZPO). a) Die sofortige Beschwerde war statthaft (§ 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO; vgl. [X.], [X.], 385, 386 m.w.[X.] zum früheren Recht). Anders als bei der Beweisaufnahme im Erkenntnisverfahren (vgl. § 355 Abs. 2 ZPO) handelt es sich bei der Zurückweisung des Gesuchs um Anhörung eines Sach-verständigen im selbständigen Beweisverfahren um eine Entscheidung, die das Verfahren weitgehend abschließt und die deshalb nicht erst in einem mögli-cherweise folgenden Rechtsstreit zur Hauptsache geklärt werden kann (vgl. [X.] aaO). b) Die sofortige Beschwerde war zulässig, insbesondere form- und frist-gerecht eingelegt und begründet worden (§§ 78 Abs. 1, 569 Abs. 1 und 2 ZPO). - 5 - 2. Die Rechtsbeschwerden haben auch in der Sache Erfolg. Die Frage, ob die mündliche Erläuterung eines Gutachtens durch den Sachverständigen im Rahmen eines zulässigen (vgl. Senatsbeschluss [X.] 153, 302 ff.) selbständigen Beweisverfahrens nur nach §§ 492 Abs. 3, 411 Abs. 3 ZPO zum Zweck einer gütlichen Einigung nach freiem Ermessen des Gerichts angeordnet werden kann oder ob sie auf Antrag einer [X.] auch im selbständigen Beweisverfahren des § 485 Abs. 2 ZPO stets zu erfolgen hat, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. a) Die Vertreter der Ansicht, der sich das Beschwerdegericht ange-schlossen hat, wollen der Bestimmung des § 485 Abs. 2 ZPO entnehmen, dass ausschließlich die schriftliche Begutachtung als Beweismittel vorgesehen und daher auch die mündliche Erläuterung nur ausnahmsweise möglich ist (vgl. [X.], [X.], 110; [X.]/[X.], ZPO, 25. Aufl., § 485 Rdn. 8; [X.]/ [X.]/[X.], ZPO, 26. Aufl., § 485 Rdn. 5; [X.], ZPO, 6. Aufl., § 487 Rdn. 13). Demgegenüber lässt die Gegenmeinung unter Hinweis auf §§ 492 Abs. 1, 411 Abs. 3 ZPO auch im Verfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO die mündli-che Anhörung des Sachverständigen zu (vgl. [X.], [X.], 663, 664; [X.] [22. Zivilsenat], [X.] 1992, 425, 426; NZBau aaO; [23. Zivilsenat] [X.] 1993, 637, 638; [9. Zivilsenat] MDR 1994, 939, 940; O[X.], [X.], 69, 70; [X.], NJW-RR 1994, 787, 788; [X.], [X.], 263, 264; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], ZPO, 63. Aufl., § 492 Rdn. 5; [X.], ZPO, 21. Aufl., § 492 Rdn. 3; Musielak/[X.], ZPO, 4. Aufl., § 492 Rdn. 1). Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an. - 6 - b) Die mündliche Erläuterung des Gutachtens durch den [X.] und dessen mündliche Anhörung sind im selbständigen Beweisverfahren zulässig und bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch geboten. Dafür spricht zunächst der Wortlaut der gesetzlichen Regelung. § 492 Abs. 1 ZPO erklärt die für die Aufnahme des betreffenden Beweismittels gel-tenden Vorschriften uneingeschränkt für anwendbar. Hiernach sind auch § 411 Abs. 3 ZPO und §§ 402, 397 Abs. 1 ZPO anzuwenden, die der [X.] als Aus-fluss des Art. 103 Abs. 1 GG das Recht geben, den Sachverständigen in den Grenzen von Verspätung und Rechtsmissbrauch zumindest einmal persönlich zu hören (vgl. Senatsurteile vom 22. Mai 2001 - [X.] ZR 268/00 - [X.], 120, 121 f.; vom 29. Oktober 2002 - [X.] ZR 353/01 - [X.], 926, 927; vom 27. Januar 2004 - [X.] ZR 150/02 - VersR 2004, 1579; Senatsbeschluss vom 10. Mai 2005 - [X.] ZR 245/04 - z.[X.].). Ein engeres Verständnis dahin, dass die Anhörung nur zu dem Zweck einer gütlichen Einigung nach freiem Ermessen des Gerichts angeordnet wer-den könnte, ist nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht ange-zeigt. Das selbständige Beweisverfahren soll zwar die gütliche Streitbeilegung fördern. Eine vergleichsweise Regelung wird durch die Behebung von Zweifeln und Unklarheiten des schriftlichen Gutachtens auch leichter erreicht werden können. Die zu erwartende Einigung ist jedoch nicht Voraussetzung für die Durchführung einer mündlichen Erläuterung. Die selbständige Beweiserhebung steht einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleich (vgl. § 493 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Die Beweisaufnahme im selbständigen Beweisverfahren hat [X.] zur Folge, dass ein neues Gutachten in einem sich anschließenden Rechts-streit nur unter den engen Voraussetzungen des § 412 ZPO (vgl. dazu Senats-urteile vom 4. März 1980 - [X.] ZR 6/79 - [X.], 533 und vom 16. März 1999 - [X.] ZR 34/98 - [X.], 716, 717) eingeholt werden kann (vgl. [X.], - 7 - [X.] 1991, 278, 281). Diese präkludierende Wirkung eines im selbständigen Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO erhobenen Sachverständigenbewei-ses wäre ohne die Wahrung des rechtlichen Gehörs und damit des Fragerechts der [X.]en gemäß §§ 402 Abs. 1, 397 Abs. 1 ZPO nicht zu rechtfertigen. [X.] kann nur auf diese Weise sichergestellt werden, dass der erhobene [X.] durch Sachverständigengutachten möglichst von Bestand ist (vgl. BT-Drucks. 11/3621 [X.] zu § 492 ZPO). 3. Hinsichtlich des lediglich vorsorglich gestellten [X.] bedarf es keiner Entscheidung des Senats, denn die Rechtsbeschwerde hat bereits im Hauptantrag Erfolg. Lediglich ergänzend sei angemerkt, dass § 412 Abs. 1 ZPO zwar ebenfalls im selbständigen Beweisverfahren anzuwenden ist (§ 492 ZPO). Die Voraussetzungen, unter denen ein weiteres Gutachten einzuholen ist, sind indes streng (vgl. Senatsurteile vom 4. März 1980 - [X.] ZR 6/79 - aaO und vom 16. März 1999 - [X.] ZR 34/98 - aaO) und hier nicht ersichtlich gegeben. 4. Nach allem ist der Beschluss des [X.] ebenso aufzu-heben wie derjenige des [X.]s. Der Senat hält es für angezeigt, die [X.] an die Zivilkammer der ersten Instanz auszusprechen. Diese wird unter Beachtung der Rechtsauffassung des entscheidenden Senats erneut - 8 - über den Antrag der Beklagten auf Anhörung des Sachverständigen zu [X.] haben. [X.] [X.] [X.]

[X.] [X.]

Meta

VI ZB 84/04

13.09.2005

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.09.2005, Az. VI ZB 84/04 (REWIS RS 2005, 1882)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 1882

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