Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.03.2007, Az. V ZR 190/06

V. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 4714

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[X.]IM NAMEN [X.]ES VOLKES U[X.]TEIL [X.]/06 Verkündet am: 16. März 2007 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem [X.]echtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.][X.]: ja [X.] §§ 985, 242 [X.], [X.] [X.]er Herausgabeanspruch des eingetragenen Eigentümers eines Grundstücks kann nur dann verwirkt sein, wenn die Herausgabe für den Besitzer schlechthin unerträg-lich ist. [X.], [X.]. v. 16. März 2007 - [X.]/06 - [X.]AG [X.]

- 2 - [X.]er V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2007 durch [X.] [X.]r. Krüger, den [X.]ich-ter [X.]r. [X.], die [X.]ichterin [X.]r. Stresemann und [X.] Czub und [X.]r. [X.] für [X.]echt erkannt: Auf die [X.]evision der Kläger wird das [X.]eil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 28. Juli 2006 aufgehoben. [X.]ie Berufung gegen das [X.]eil des Amtsgerichts [X.] vom 17. August 2005 wird [X.], soweit über die Klage entschie-den worden ist. Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhand-lung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. [X.]ie Beklagten tragen die Kosten des [X.]. Von [X.]echts wegen - 3 - Tatbestand: [X.]ie Parteien sind Nachbarn. [X.]en Beklagten gehört das Grundstück Flur 4, Flurstück 330/79, [X.]. 13, in [X.].

. Sie besitzen das mit Notarvertrag vom 13. Juli 1978 von ihnen gekaufte Grundstück seit dem 11. März 1978 und wurden am 21. August 1978 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. 1 [X.]as Grundstück grenzt an seiner nördlichen Seite an das Flurstück 330/78. [X.]as 58 qm große Flurstück 330/78 ist auf Blatt 1780 des Grundbuchs unter Nr. 2 gebucht. [X.]as seinerzeit unter [X.]handverwaltung stehende, im Grundbuch als [X.]. 6 bezeichnete Flurstück war mit einer Scheune bebaut (im Folgenden: Scheunengrundstück). Seit der Übergabe ihres [X.]s nutzen es die Beklagten als Zugang zu dem Hof auf ihrem Grundstück. 1980 bauten sie die Scheune zu einer Garage um. 2 1985 wurden das Scheunengrundstück und das als [X.] auf demselben Grundbuchblatt gebuchte, ebenfalls als [X.]. 6 bezeichnete [X.] enteignet. [X.]en Klägern wurde ein Nutzungsrecht zum Bau eines Einfami-lienhauses auf den Grundstücken verliehen. Mit [X.] kauften sie die Grundstücke von der Gemeinde [X.]. . Sie wurden am 28. Juli 1992 in das Grundbuch eingetragen. 3 Im Mai 2002 machten sie gegenüber den Beklagten ihr Eigentum an dem Scheunengrundstück geltend. Mit der am 26. März 2003 erhobenen Klage ver-langen sie dessen [X.]äumung und Herausgabe. [X.]ie Beklagten haben die [X.] der Verjährung erhoben, die Verwirkung der geltend gemachten Ansprüche eingewandt und im Wege der [X.] die Bestellung eines Wege- und Überfahrtsrechts an dem Scheunengrundstück gemäß § 116 Sachen[X.]BerG 4 - 4 - verlangt. [X.]as Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage [X.]. [X.]as [X.] hat die Klage abgewiesen. Mit der von dem Land-gericht zugelassenen [X.]evision erstreben die Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen [X.]eils. Entscheidungsgründe: [X.] [X.]as [X.] meint, der von den Klägern geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe des Grundstücks unterliege als Anspruch aus dem im Grund-buch eingetragenen Eigentum der Kläger zwar nicht der Verjährung, er sei [X.] verwirkt. Zumindest ab 1960 sei die Scheune als Bestandteil des später von den Beklagten erworbenen Grundstücks genutzt worden, ohne dass dies beanstandet worden sei. [X.]ie Beklagten hätten, ohne dass ihnen ein Vorwurf zu machen sei, gemeint, die Scheune sei Bestandteil ihres Grundstücks. So sei es ihnen verkauft worden. [X.]er Wert der Scheune sei in das zur Ermittlung des Kaufpreises für das Grundstück erstellte Gutachten einbezogen worden. Im Vertrauen auf den Erwerb der Scheune hätten die Beklagten die Geltendma-chung von Ansprüchen wegen des ausgebliebenen Erwerbs der Scheune unter-lassen, diese zu einer Garage umgebaut und sich bei der Gemeinde [X.]. nicht um einen Erwerb des Scheunengrundstücks bemüht. Auch die Kläger [X.] ihr Eigentum nicht sogleich nach dem Erwerb des Scheunengrundstücks gegenüber den Beklagten geltend gemacht, sondern bis zur Erhebung der [X.] noch bis zu der 2002 vorgenommen Vermessung der Grundstücke der [X.] zugewartet, durch die alle Beteiligten Klarheit über die Eigentumsverhält-nisse gewonnen hätten. 5 - 5 - I[X.] [X.]as hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. 6 1. [X.]er Anspruch des eingetragenen Eigentümers auf Herausgabe des Grundstücks unterliegt gemäß § 902 Abs. 1 [X.] nicht der Verjährung. Ebenso verhielt es sich gemäß § 479 Abs. 1 ZGB während der [X.]auer der Geltung des Zivilgesetzbuchs in der [X.][X.][X.] mit dem § 985 [X.] entsprechenden Anspruch aus § 33 Abs. 2 ZGB. [X.]er von den Klägern geltend gemachte Herausgabean-spruch ist daher nicht verjährt. Ebenso wenig ist er verwirkt. 7 a) [X.]ie Verwirkung eines Anspruchs ist ein Fall der unzulässigen [X.]echtsausübung. Sie schließt die illoyal verspätete Geltendmachung eines [X.]echts aus. [X.]abei kommt es nicht auf den Willen des Berechtigten an. [X.] kann auch gegen den Willen des Berechtigten eintreten, da die an [X.] ausgerichtete objektive Beurteilung, nicht aber der [X.] des Berechtigten entscheidend ist. Verwirkung kann daher selbst dann eintreten, wenn der Berechtigte keine Kenntnis von seiner Berechtigung hat ([X.] 25, 47, 53). Notwendig für die Verwirkung ist jedoch immer, dass sich der Verpflichtete mit [X.]ücksicht auf das Verhalten des Berechtigten darauf ein-gerichtet hat, dass dieser das ihm zustehende [X.]echt nicht mehr geltend ma-chen werde, dass es mit [X.] nicht zu vereinbaren ist, dass der Berechtigte später doch mit dem ihm zustehenden [X.]echt hervortritt ([X.]GZ 158, 100, 107 f.) und dass unter diesem Gesichtspunkt die Leistung für den [X.] unzumutbar ist ([X.] 25, 47, 52). 8 b) Entscheidend sind dabei die Umstände des Einzelfalls (Soergel/Teich-mann, [X.], 12. Aufl., § 242 [X.]dn. 316), wobei der Art und der Bedeutung des 9 - 6 - [X.]echts, um dessen Verwirkung es geht, besondere Bedeutung zukommt ([X.]/Hohloch, [X.], 11. Aufl. § 242 [X.]dn. 124). Soweit dem Anspruch des [X.] auf Herausgabe der Einwand der Verwirkung entgegen gehalten wird, ist bei der gebotenen Würdigung zu berücksichtigen, dass dieser An-spruch Kernbestandteil des Eigentums ist und seine Verwirkung deshalb nur in Ausnahmefällen angenommen werden kann (MünchKomm-[X.]/[X.], 4. Aufl., [X.], § 242 [X.]dn. 300). [X.]ie Verneinung des Herausgabeanspruchs bedeutet wirtschaftlich die Enteignung des Eigentümers. [X.]as [X.]echtsverhältnis zwischen dem Eigentümer und dem nichtberechtigten Besitzer ist durch §§ 987 ff. [X.] in einer Weise geregelt, die die Interessen und den Schutz von Eigentümer und Besitzer gegeneinander abwägt und grundsätzlich keiner Korrektur durch die Verneinung des Anspruchs aus § 985 [X.] bedarf. [X.]em Irrtum des Eigentü-mers über den Umfang seines Eigentums kann grundsätzlich auch keine [X.] Bedeutung zukommen als dem entsprechenden Irrtum des Besitzers. [X.]er Irrtum des Eigentümers ist ebenso wenig rechtsvernichtend, wie der Irrtum des Besitzers rechtsbegründend wirkt. Soweit es um die Verwirkung des Herausgabeanspruchs aus dem in das Grundbuch eingetragenen Eigentum geht, ist darüber hinaus zu [X.], dass die Ansprüche aus dem eingetragenen Eigentum nach der ausdrück-lichen Entscheidung des Gesetzgebers in § 902 Abs. 1 [X.] als unverjährbar ausgestaltet sind und die Verwirkung des Herausgabeanspruchs das Eigentum als "[X.]echtskrüppel" (vgl. [X.]/[X.], [X.] [2002], § 902 [X.]dn. 1) zurück-lässt, das gegen die Eintragung im Grundbuch noch nicht einmal im Wege der Ersitzung nach § 900 Abs. 1 [X.] erstarken kann. Für die Verneinung des Her-ausgabeanspruchs des im Grundbuch eingetragenen Eigentümers unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung folgt daraus, dass eine Verwirkung nur [X.] - 7 - nommen werden kann, wenn sich die Verpflichtung zur Herausgabe für den Besitzer als schlechthin unerträglich darstellt. c) So verhält es sich hier nicht. Zu dieser Festsstellung ist der Senat in der Lage, weil weiterer Vortrag der Beklagten nicht in Betracht kommt. 11 [X.]ie Herausgabe des Grundstücks beeinträchtigt die Beklagten nicht in unerträglicher Weise. Ob die Scheune, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, seit 1960 als Bestandteil des Grundstücks der Beklagten genutzt worden ist, oder ob, wie die Beklagten behaupten, eine solche Nutzung schon seit 1937 stattgefunden hat, ist im [X.]ahmen der Würdigung der Situation der Beklagten ohne Bedeutung. [X.]er Wert der Scheune ist mit 450 M/[X.][X.][X.] und damit mit ei-nem objektiv geringen Betrag in den Kaufpreis für ihr Grundstück eingeflossen. Auf die Nutzung des Gebäudes als Scheune haben die Beklagten keinen nach-haltigen Wert gelegt, sondern die Scheune schon bald nach deren vermeintli-chem Erwerb zu einer Garage umgebaut und diese mehr als zwanzig Jahre genutzt. Ob die Kosten für den Umbau nach dem [X.]echt der früheren [X.][X.][X.] von den Klägern zu erstatten sind, kann dahin gestellt bleiben. Auch wenn die [X.] den Irrtum über die Größe ihres Grundstücks früher erkannt und sich um einen Erwerb des Scheunengrundstücks bemüht hätten, hätten sie dieses nicht unentgeltlich erwerben können. Eine Veräußerung des Grundstücks an die Beklagten durch den [X.]at der Gemeinde [X.]. als [X.]händer der [X.] durfte nur durch einen Verkauf zum Verkehrswert erfolgen. Nachdem das Grundstück in Volkseigentum überführt und den Klägern ein Nutzungsrecht an ihm verliehen worden war, kam sein Verkauf an die Beklagten nicht mehr in Betracht. [X.]ie zwischen der Aufklärung des Irrtums der Parteien und der gericht-lichen Geltendmachung des Herausgabeanspruchs durch die Kläger [X.] ist so kurz, dass ihr keine Bedeutung zukommt. 12 - 8 - d) Sofern die Beklagten zur Bewirtschaftung ihres Grundstücks auf einen Zugang über das Scheunengrundstück angewiesen sind, können sie von den Klägern gemäß § 116 Abs. 1 Sachen[X.]BerG die Bewilligung einer entsprechen-den [X.]ienstbarkeit verlangen. [X.]ieser Anspruch ist Gegenstand der hilfsweise erhobenen Widerklage. 13 2. [X.]er geltend gemachte Anspruch auf [X.]äumung der Garage folgt aus § 1004 Abs. 1 [X.]. Für diesen Anspruch gilt § 902 Abs. 1 [X.] nicht (Senat, [X.] 60, 235, 238). 14 Gegenstand des [X.]äumungsanspruchs ist der Anspruch auf Entfernung der beweglichen Sachen, die von den Beklagten oder auf ihre Veranlassung in die Garage verbracht worden sind. Soweit dies nach dem Wiederinkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der früheren [X.][X.][X.] geschehen ist, ist der [X.] Kläger schon deshalb nicht verjährt, weil der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 [X.] der regelmäßigen Verjährung unterliegt ([X.] 98, 235, 241; 125, 56, 63), die bis zum Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geltende 30jährige Verjährungsfrist am 1. Januar 2002 nicht abgelaufen war und die seither geltende kürzere Frist bei Zustellung der Klage nicht verstrichen war, Art 229 Abs. 1 EG[X.]. 15 Ob § 479 Abs. 1 ZGB auf den Anspruch aus § 33 Abs. 1 ZGB Anwen-dung findet, bedarf keiner Entscheidung. [X.]ass einzelne Gegenstände, die [X.] noch in der Garage sind, schon vor dem 3. Oktober 1990 dorthin gebracht worden sind, tragen die Kläger nicht vor. 16 Für eine Verwirkung des [X.]äumungsanspruchs ist nichts ersichtlich. 17 - 9 - [X.][X.] [X.]ie Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. An einer den [X.]echtsstreit abschließenden Entscheidung ist der Senat gehindert, weil das Berufungsgericht über die Widerklage - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht ent-schieden hat. [X.]ies ist nachzuholen, (vgl. [X.], [X.]. v. 6. März 1996, V[X.]I Z[X.] 12/94, NJW 1996, 2165, 2167). 18 Krüger [X.] Stresemann Czub [X.] Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 17.08.2005 - 1 C 157/03 ([X.]) - [X.], Entscheidung vom 28.07.2006 - 1 S 153/05 -

Meta

V ZR 190/06

16.03.2007

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.03.2007, Az. V ZR 190/06 (REWIS RS 2007, 4714)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 4714

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