Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.05.2014, Az. V ZR 208/12

V. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 5288

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V

Z
R

2
0
8
/
1
2
Verkündet am:
23.
Mai
2014
Langendörfer-Kunz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] § 313 Abs. 1

a)
Die im [X.]punkt des Vertragsschlusses baurechtlich zulässige Ausnutzung des [X.]s ist für das [X.] von Leistung und Gegenleistung eines Erbbaurechtsvertrages regelmäßig ein wesentlicher Umstand; als solcher kann sie Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 [X.] sein.

b)
Bestimmt sich die vertraglich zulässige bauliche Nutzung des Erbbaurechtsgrundstücks nach dem öffentlich-rechtlichen Bauplanungsrecht (sog. dynamische Verweisung), führt eine Erhöhung der zulässigen Nutzung grundsätzlich nicht zu einer Störung des [X.]ses und damit nicht zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage. Anders kann es ausnahmsweise liegen, wenn sich das Maß der baulichen Nutzung in einem von den [X.]en nicht erwarteten Umfang erhöht.

[X.],
Urteil vom 23. Mai 2014 -
V ZR 208/12 -
O[X.]

[X.]

-
2
-

Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2014
durch die
Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, [X.] [X.],
die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
und [X.] [X.]
und Dr.
Kazele

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 19. Zivilsenats des [X.] vom 10. August 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben,
als die Berufung gegen die Abweisung der Zahlungsanträge (Hilfsanträge zu 4 und 5) zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Kläger sind die Erben der im Verlauf des Rechtsstreits verstorbenen [X.]. Diese bestellte der Beklagten mit notariellem Vertrag vom 6.
Juni 1964 an einem
104 m2
großen,
im Innenstadtbereich einer Großstadt gelegenen Grundstück ein Erbbaurecht mit einer Laufzeit von 50 Jahren bis zum 31. Dezember 2014.
Zum Inhalt des Erbbaurechts wurde in § 2 des Vertrags u.a. bestimmt, dass die Beklagte berechtigt sei, das auf dem Grundstück vorhandene Haus abbrechen zu lassen und durch ein neues Gebäude zu ersetzen, für dessen Gestaltung ausschließlich die baurechtlichen Vorschriften verbindlich seien. Der 1
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Erbbauzins betrug nach dem Vertrag 33.000 DM jährlich (§ 7 Abs. 1). Solange die damaligen
Mieter den [X.] nicht aufgegeben und das Grundstück geräumt hatten, sollte ein Erbbauzins in Höhe der Miete gezahlt werden (§ 7 Abs. 2). In einer weiteren Bestimmung (§ 7 Abs. 4) wurde ein Anspruch auf eine Anpassung des [X.] nach dem Grundgehalt eines [X.]spräsidenten vereinbart. Der Erbbauberechtigte ist nach dem Vertrag berechtigt, spätestens zum 30. September des Jahres, in dem das Erbbaurecht enden würde, eine Verlängerung des Erbbaurechts um jeweils weitere 15 Jahre zu den bisherigen Bedingungen zu verlangen
(§ 8 Abs. 5). Der Vertrag wurde vollzogen.
Zur [X.] des Vertragsschlusses gab es für das Gebiet keinen Bebauungsplan. Das [X.] war mit einem Gebäude mit zwei Obergeschossen und einem Dachgeschoss bebaut. Ein 1966 von der Stadt beschlossener Bebauungsplan sah eine bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks mit einer [X.] von 3,0 vor. [X.] beschloss die Stadt einen auf das Vorhaben der Beklagten
-
einen Neubau auf mehreren Grundstücken unter Einbeziehung des [X.]s -
bezogenen Bebauungsplan,
der die [X.] nicht mehr begrenzt und lediglich eine maximale Firsthöhe von 22,5 m vorsieht. Die Beklagte errichtete einen Neubau mit zwei Tief-
und fünf Obergeschossen.
Die [X.]en verhandelten danach ohne Erfolg über eine Anpassung des [X.]. Die [X.] hat -
für das Revisionsverfahren noch von Interesse -
Klage auf Zahlung eines erhöhten [X.] in einer noch zu beziffernden Höhe, mindestens jedoch von 1[X.] von Januar 2011 bis Dezember 2014 sowie auf eine Nachzahlung von mindestens 68.992,vom 1. Februar 2010 bis zum 31.
Dezember 2010 erhoben. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der von dem Senat 3
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zugelassenen Revision verfolgen die Kläger die Zahlungsanträge weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch auf Anpassung des [X.] an die geänderte bauliche Nutzung des Grundstücks. Dem Erbbaurechtsvertrag könne ein solcher Anspruch nicht im Wege der ergänzenden
Vertragsauslegung entnommen werden, weil dieser nicht ansatzweise erkennen lasse, dass die [X.]en eine Verknüpfung des [X.] mit dem Umfang der tatsächlichen baulichen und wirtschaftlichen Ausnutzung des [X.]s gewollt hätten. Ein Anpassungsanspruch
wegen Wegfalls
der Geschäftsgrundlage bestehe ebenfalls nicht, weil die [X.]en ein Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen der wirtschaftlichen Nutzbarkeit des Grundstücks und der Höhe des [X.] nicht vorgesehen hätten, die vertragliche Bestimmung über die Höhe des [X.] die Zahlungspflicht der Beklagten abschließend regele
und ein von den [X.]en nicht bedachter Umstand nicht Geschäftsgrundlage sein könne. Es habe deshalb keiner Beweisaufnahme zu der
Behauptung der Klägerseite bedurft, beide Vertragsparteien hätten bei Vertragsschluss an die Möglichkeit einer erheblich höheren baulichen Nutzbarkeit des [X.]s nicht gedacht.
II.
Das hält einer rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Rechtsfehlerfrei verneint das Berufungsgericht allerdings einen Anspruch der Kläger auf Zahlung eines höheren [X.] unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer ergänzenden Vertragsauslegung
(§ 157 [X.]).

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a) Eine solche Vertragsergänzung setzt eine planwidrige Regelungslücke im Vertrag voraus. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass die [X.]en mit der getroffenen Regelung ein bestimmtes Ziel erreichen wollten, das aber wegen der [X.] des Vereinbarten nicht gelungen ist (Senat, Urteil vom 12.
Oktober 2012

[X.], NJW-RR 2013, 494 Rn. 9). Hat das Berufungsgericht

wie hier

eine solche Regelungslücke verneint, ist dies
revisionsrechtlich nur darauf überprüfbar,
ob Auslegungs-
oder Ergänzungsregeln, Denkgesetze
oder Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände nicht beachtet worden sind (Senat, Urteil vom 30. März 1990 -
V [X.], [X.]Z 111, 110, 115).
Solche Fehler liegen nicht vor.
b) Die Annahme, es bestehe keine Regelungslücke ist rechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Die tatrichterliche Würdigung, dem Vertrag könne nicht entnommen werden, dass die Vertragsparteien eine Bemessung des [X.] nach dem Umfang der tatsächlichen baulichen und wirtschaftlichen Ausnutzung des [X.]s gewollt hätten, verstößt nicht gegen Auslegungsregeln. An einem Rechtsfehler des Berufungsgerichts fehlt es schon deshalb, weil sich aus den Vereinbarungen der [X.]en über die Höhe des [X.] (§ 7 Abs. 1), über dessen Anpassung (§
7 Abs. 4) und über die Begrenzung der Zahlungspflicht
der Beklagten nach den Mieteinnahmen zum Beginn der Vertragszeit (§ 7 Abs. 2) kein bestimmtes Regelungskonzept für den Erbbauzins herleiten lässt. Es ist insbesondere nicht zu erkennen, dass der vereinbarte Erbbauzins (was für einen Erbbaurechtsvertrag untypisch wäre) sich nach den Mieteinkünften des Erbbauberechtigten bemessen oder von der baurechtlich
zulässigen oder von der von dem Erbbauberechtigten ausgeübten baulichen Nutzung abhängen sollte.
Der Vereinbarung, dass der jährliche Erbbauzins 33.000 DM betrage, lässt sich nicht entnehmen, nach welcher
Bezugsgröße die Vertragsparteien die 8
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Höhe
des [X.]
bestimmt haben. Die für die Anpassung des [X.] im Vertrag gewählte Bezugsgröße (das Grundgehalt eines [X.]spräsidenten) spricht gegen die von den Klägern geltend gemachte Regelungsvorstellung.
Sie orientiert sich weder an den von dem Erbbauberechtigten tatsächlich gezogenen Mieteinnahmen noch an der Entwicklung des Werts der baulichen Nutzung des [X.]s. Eine Anpassung des [X.] nach Löhnen und Gehältern führt zu der Entwicklung des Lebensstandards angepassten Einkünften des Erbbaurechtsausgebers. Eine solche Anpassungsklausel dient gerade nicht der Bewahrung der Äquivalenz zwischen dem Erbbauzins und dem Wert der bau-lichen Nutzung des Grundstücks (vgl. [X.]/[X.],
Immobilienrecht, § 9 [X.] Rn. 27).
Ebenfalls nicht zu beanstanden
ist, dass die Vorinstanzen die Bestimmung über die anfängliche Begrenzung des [X.] (§ 7 Abs. 2) als eine auf die bei Abschluss des Vertrags bestehende Sondersituation beschränkte Vereinbarung angesehen haben, die nicht den Schluss auf eine generelle Bemessung des [X.] nach den aus dem Grundstück von dem Erbbauberechtigten erzielten Nutzungen zulässt.
Dasselbe gilt schließlich für die von der Revision
in der mündlichen Ver-handlung angesprochene Regelung in § 3 Abs. 2 des [X.], nach der der Erbbauberechtigte ausnahmsweise eine Minderung des [X.] bis auf die Hälfte des vereinbarten Betrags verlangen kann, wenn das Bauwerk zerstört wird und dem Erbbauberechtigten ein Wiederaufbau auf Grund besonderer Verhältnisse (wie in der [X.] zwischen dem Kriegsende 1945 und der [X.]) nicht möglich oder unzumutbar sein sollte. Auch insofern handelt es sich um eine Ausnahmeregelung, welche die für die allgemeine Bemessung des [X.] nach den Vorstellungen der [X.]en maßgebenden Faktoren nicht erkennen lässt.
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bb) Das Berufungsgericht hat auch keinen wesentlichen Auslegungsstoff übergangen. Die Verfahrensrüge der Revision ist -
soweit es um einen Anspruch aus einer ergänzenden
Vertragsauslegung geht -
unbegründet. Das Berufungsgericht musste nicht dem unter Beweis gestellten Vorbringen der Kläger nachgehen, dass die [X.] damals die Möglichkeit einer höheren baulichen Nutzung nicht bedacht haben und dass sie -
wenn sie daran gedacht hätten -
eine Anpassung des [X.] auch für den Fall einer höheren baulichen Ausnutzung des [X.]s vereinbart hätten.
Diesem Vortrag lassen sich keine Anhaltspunkte für eine Lücke in den vertraglichen Regelungen entnehmen, da er über die für die Bemessung des [X.] wesentlichen Regelungsvorstellungen der [X.]en
nichts besagt.
2. Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht jedoch einen Anspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 [X.]).
a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist ein solcher Anspruch nicht schon deshalb
ausgeschlossen, weil dem Erbbaurechtsvertrag ein Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen der Nutzbarkeit des [X.]s und der Höhe des [X.] nicht zu entnehmen ist.
Das ist gerade Voraussetzung für einen Anspruch nach §
313 Abs.
1 [X.].
Geschäftsgrundlage eines Vertrags kann nicht sein, was die [X.]en vereinbart haben, sondern lediglich das, was sie ihrer Vereinbarung zugrunde gelegt haben (vgl. Senat,
Urteil vom 27. September 1991 -
V [X.], NJW-RR 1992, 182; [X.], Urteil vom 30. Juni 2011 -
VII ZR 13/10, [X.]Z 190, 212 Rn. 21). Die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage können nur einschlägig sein, wenn die [X.]en zur Abhängigkeit des [X.] von der baulichen Nutzung des [X.]s nichts vereinbart haben.
b) Weiter verkennt das Berufungsgericht, dass die im [X.]punkt des Vertragsschlusses baurechtlich zulässige Ausnutzung des [X.]s 14
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für das [X.] von Leistung und Gegenleistung eines Erbbaurechtsvertrages regelmäßig ein wesentlicher Umstand
ist und als solcher Geschäftsgrundlage im Sinne von
§ 313 [X.] sein
kann.
aa) Bei den gegenseitigen, entgeltlichen Verträgen gehört der Gedanke der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung zur Geschäftsgrundlage, auch wenn dies
bei den Vertragsverhandlungen nicht besonders angesprochen oder bedacht worden ist
(vgl. Senat, Urteil vom 14. Oktober 1959 -
V [X.], NJW
1959, 2203; [X.], Urteil vom 2. November 1961 -
II ZR 126/59, NJW 1962, 250, 251; Urteil vom 6. April 1995 -
IX ZR 61/94, [X.]Z 129, 236, 253; Urteil vom 8. Mai 2002 -
XII ZR 8/00, NJW 2002, 2384, 2385; Urteil vom 27.
Oktober 2004 -
XII ZR 175/02, NJW-RR 2005, 236, 237; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 313 Rn. 34; NK-[X.]/[X.], 2.
Aufl., §
313 Rn. 62; [X.]/[X.], [X.], 73. Aufl., §
313 Rn. 25). Die Vertragspartei, die eine Anpassung des Vertrags wegen einer durch unvorhergesehene Umstände eingetretenen schwerwiegenden Äquivalenzstörung verlangt, muss deshalb -
anders als die Revisionserwiderung meint -
nicht vortragen oder beweisen, dass der Gedanke der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung zu den auch für die andere [X.] erkennbaren Vorstellungen gehörte, auf denen sich ihr [X.] aufbaute.
Davon kann grundsätzlich ausgegangen werden. Anhaltspunkte dafür, dass es sich hier ausnahmsweise anders verhalten haben könnte (die Grundstückseigentümerin also der Beklagten das Erbbaurecht teilweise unentgeltlich oder aber zu einem günstigen, unter dem üblichen Entgelt liegenden Erbbauzins bestellen wollte), sind weder festgestellt noch ersichtlich.
bb) Die baurechtlich zulässige Nutzung des [X.]s ist ein für das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung wesentlicher Umstand. Der Erbbauzins ist das von dem Erbbauberechtigten zu zahlende Entgelt für die Bestellung des Erbbaurechts (vgl. Senat, Urteil vom 15. März 2013 -
V ZR 18
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201/11, NJW-RR 2013, 1319 Rn. 27; [X.], Urteil vom 20. Oktober 2005 -
IX ZR 145/04, NJW-RR 2006, 188 Rn. 10; Urteil vom 19. April 2007 -
IX ZR 59/06, NJW 2007, 2325 Rn. 10), dessen wesentlicher Inhalt die Befugnis zur Nutzung des fremden Grundstücks als Baugrund ist (Senat, Urteil vom 20. Dezember 1985 -
V [X.], [X.]Z 96, 385, 387).
[X.]) Die Äquivalenz der in einem Erbbaurechtsvertrag vereinbarten gegenseitigen Leistungen ist dann gegeben, wenn der Erbbauzins dem Wert des Erbbaurechts entspricht. Der Erbbauzins ist dem Recht zur baulichen Nutzung wirtschaftlich gleichwertig, wenn sich seine Höhe an dem Wert der dem Erbbauberechtigten gewährten Nutzungsmöglichkeit ausrichtet (vgl. [X.], Rpfleger 1956, 330; v. [X.]/[X.], Handbuch des Erbbaurechts, 5.
Aufl., 6. Kapitel Rn. 6.65). Wird der Erbbauzins Änderungen der baulichen Nutzbarkeit des Grundstücks nicht angepasst, tritt eine Verschiebung der Werte zwischen dem [X.] und dem
Erbbaurecht ein (vgl. dazu Nr.
4.3.3.2 Wertermittlungsrichtlinien 2006).
c) Die für das [X.] von Leistung und Gegenleistung maßgeblichen Umstände hätten sich hier nach Vertragsschluss im Jahr 1964 schwerwiegend verändert, wenn der -
mangels anderer Feststellungen hierzu im Revisionsverfahren zugrunde zu legende
-
Vortrag der Kläger zutrifft, dass sich auf Grund des Vorhaben
bezogenen Bebauungsplans
aus dem [X.] die bauplanungsrechtlich zulässige (und von der Beklagten mit dem Neubau auch in Anspruch genommene) bauliche Ausnutzung um den Faktor 2,5 erhöht hat.

d) Ein Anpassungsanspruch der Kläger ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Erbbaurechtsvertrag keine Anpassungsregelung für den Fall einer Störung der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung als Folge von Änderungen der gemeindlichen Bauleitplanung enthält.
Für die Berücksichtigung einer Störung der Geschäftsgrundlage wäre
allerdings kein 20
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Raum, wenn sich damit ein Risiko verwirklicht
hätte, das nach der vertraglichen Regelung in den Risikobereich einer [X.] (hier der Grundstückseigentümerin) fiele
(vgl. Senat, Urteil vom 1. Juni 1979 -
V [X.], [X.]Z 74, 370, 373; [X.], Urteil vom 25. Februar 1993 -
VII ZR 24/92, [X.]Z 121, 378, 392 mwN).
In einem solchen Fall muss sich die [X.], die dieses Risiko nach den vertraglichen Regelungen übernommen hat, an dem Vertrag festhalten lassen.
aa) Eine Risikoübernahme liegt nicht schon darin, dass der Vertrag nur eine Anpassung des [X.] nach dem Grundgehalt eines [X.]spräsidenten vorsieht. Diese Bestimmung ist nicht in dem Sinne abschließend, dass andere Anpassungen des [X.] an veränderte Umstände ausgeschlossen sind.
Die hiervon abweichende Auslegung des Berufungsgerichts
hält auch den für eine Prüfung der tatrichterlichen Auslegung individualvertraglicher Abreden
durch das Revisionsgericht geltenden Maßstäben (vgl. Senat, Urteil vom 16. September 2011 -
V [X.], NJW-RR 2012, 218 Rn. 5; Urteil vom 8. November 2013 -
V [X.], [X.], 481 Rn. 9 jeweils mwN)
nicht stand.
Die Annahme, die Vereinbarung über die Anpassung des Erbbaurechts sei abschließend, ist bereits mit dem Grundsatz
unvereinbar, dass maßgeblich für die Auslegung vertraglicher Vereinbarungen in erster Linie der gewählte Wortlaut und der diesem zu entnehmende objektiv erklärte [X.]wille ist ([X.], Urteil vom
10. Dezember 1992 -
I [X.], [X.]Z 121, 14, 16). Nach dem
Wortlaut der Regelung über die Anpassung des [X.] (§ 7 Abs. 4 des Vertrags) haben die [X.]en der Bemessung des [X.] die (damalige) Kaufkraft [X.] zugrunde gelegt und daher das Nachfolgende vereinbart. Zweck der Regelung über die Anpassung des [X.] in § 7 Abs. 4 war es nach der Präambel, Vorsorge gegen eine Störung des Gleichgewichts von Leistung und Gegenleistung durch den [X.] zu treffen. Für eine Auslegung, dass die [X.]en Anpassungen des [X.] bei anderen, 23
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unvorhergesehenen Störungen des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung ausschließen wollten, gibt diese Vereinbarung jedoch nichts her.
bb) Eine solche Risikoübernahme durch die Grundstückseigentümerin kann sich jedoch -
wie auch von dem Berufungsgericht nicht verkannt
-
daraus ergeben, dass die Beklagte nach § 2 des [X.], auf dem [X.] einen Neubau nach Maßgabe des öffentlichen
Baurechts
errichten
durfte (zur sachenrechtlichen Zulässigkeit solcher Bestimmungen: Senat, Urteile vom 12. Juni 1987 -
V [X.], [X.]Z 101, 143, 145
f. und vom 22. April 1994 -
V [X.], [X.]Z 126, 12, 13). Bestimmt sich das Maß der nach dem Erbbaurechtsvertrag zulässigen baulichen Nutzung nach dem öffentlich-rechtlichen Bauplanungsrecht (sog. dynamische Verweisung), berechtigen Erhöhungen des Maßes der baurechtlich zulässigen Nutzung des [X.]s den Grundstückseigentümer in der Regel grundsätzlich nicht dazu, eine Anpassung des [X.] nach der Vorschrift über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu verlangen. Die [X.]en können nämlich in der Regel nicht davon ausgehen, dass sich eine von dem gemeindlichen Bauplanungsrecht abhängige zulässige bauliche Nutzung des [X.]s während der gesamten Laufzeit eines [X.] (also über viele Jahrzehnte) nicht ändern wird. [X.] Umstände, die im Vertrag durch eine ihnen Rechnung tragende Anpassungsklausel hätten berücksichtigt werden können, schließen einen Anpassungsanspruch nach §
313 Abs. 1 [X.] grundsätzlich aus, weil in der Regel davon auszugehen ist, dass die [X.]en das Risiko ihres Eintritts übernommen haben (vgl. Senat, Urteil vom 18. Oktober 1968 -
V [X.], [X.], 64, 65; Urteil vom 10.
März 1972 -
V [X.], [X.], 656, 657; Urteil vom 9.
Januar 2009

V
ZR 168/07, [X.], 1348; Urteil vom 21. Februar 2012 -
V [X.], juris Rn. 21; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 313 Rn. 30; [X.]/Hohloch, [X.], 13. Aufl., § 313 Rn. 24; MünchKomm-[X.]/[X.], 6. Aufl., § 313 Rn. 74; NK-[X.]/[X.], 2. Aufl., §
313 Rn. 48).
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Anders verhält es sich jedoch, wenn die [X.]en -
wie von den Klägern vorgetragen -
bei Abschluss des [X.] nicht von Änderungen des Maßes der
zulässigen baulichen Nutzung in einem für den Wert des Rechts wesentlichem Umfang ausgegangen sind. Dieses
Vorbringen ist erheblich, weil nicht schon
die Vorhersehbarkeit eines Fortfalls der Geschäftsgrundlage, sondern dessen bewusste Inkaufnahme einen Anspruch auf Anpassung des Vertrags ausschließt (Senat, Urteil vom 23. April 1976 -
V [X.], [X.], 1034; Urteil vom 27. März 1981 -
V [X.], NJW 1981, 1668; Urteil vom 28. September 1990 -
V [X.], [X.]Z 112, 259, 261). Daran fehlte
es, wenn das Risiko einer völligen Veränderung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzbarkeit des [X.]s zwar bestand, die Verwirklichung dieses Risikos von den [X.]en aber angesichts der damals vorhandenen Bebauung des [X.]s, der benachbarten Grundstücke und der damaligen
bauplanerischen Festsetzungen für die Vertragszeit nicht erwartet wurde. War eine Erhöhung der baulichen Nutzung, wie sie auf Grund des Bebauungsplans aus dem [X.] realisiert worden ist, im [X.]punkt des Vertragsschlusses nicht zu erwarten, kann auch dem Umstand, dass der Erbbauberechtigte nach dem Vertrag einen Neubau errichten darf, eine Übernahme des Risikos
von Störungen des Gleichgewichts zwischen dem Erbbauzins und dem Wert des Erbbaurechts durch Erweiterungen der baulichen Nutzbarkeit nicht entnommen werden.
III.
Die Revision ist danach begründet. Das angefochtene Berufungsurteil ist aufzuheben und die Sache -
mangels [X.] -
an das Berufungs-gericht zurückzuverweisen
(§ 562 Abs.1, §
563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Das Berufungsgericht wird dem unter Beweisantritt
gestellten Vortrag der Kläger zu der von den Vertragsparteien 1964 erwarteten künftigen baulichen Nutzung des [X.]s nachzugehen haben. Erweist sich dieser
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Vortrag als wahr, was -
wie ausgeführt -
auch anhand der objektiven Umstände (das Maß der damaligen Bebauung
in der Umgebung; die seinerzeitigen
Bebauungspläne der Stadt; das damalige
Bauplanungsrecht, welches das Instrument eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nicht kannte) zu würdigen sein wird, käme eine Anpassung der Vereinbarung über den Erbbauzins nach der Vorschrift über die Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht.

Stresemann

[X.]

Schmidt-Räntsch

[X.]

Kazele

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 02.03.2012 -
2-13 O 332/10 -

O[X.], Entscheidung vom 10.08.2012 -
19 [X.] -

Meta

V ZR 208/12

23.05.2014

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.05.2014, Az. V ZR 208/12 (REWIS RS 2014, 5288)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5288

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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