Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.02.2019, Az. V ZR 136/18

5. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 10005

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Gegenstand

Nachbarrecht: Verjährung des Anspruchs des Grundstückseigentümers auf Zurückschneiden herüberragender Äste


Leitsatz

Der Anspruch des Grundstückseigentümers auf Zurückschneiden herüberragender Äste aus § 1004 Abs. 1 BGB ist nicht nach § 26 Abs. 3 NRG BW unverjährbar. Er unterliegt vielmehr der regelmäßigen Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 BGB.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des [X.] - 1. Zivilkammer - vom 26. April 2018 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in [X.]. Ihre Grundstücke liegen nicht nebeneinander, sondern stoßen rechtwinklig aufeinander und [X.] das Grundstück eines dritten Nachbarn. Alle drei Grundstücke haben einen gemeinsamen Grenzpunkt. In der Nähe des [X.] befindet sich eine Fichte, deren Stamm nach den Feststellungen des Berufungsgerichts teilweise auf dem Grundstück der Beklagten und teilweise auf dem Grundstück des dritten Nachbarn steht. Äste der Fichte ragen auf das Grundstück der Klägerin herüber.

2

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten das Zurückschneiden der Fichte dergestalt, dass Zweige und Äste nicht auf ihr Grundstück [X.]. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

I.

3

Das Berufungsgericht hält die Klage für zulässig. Bei der Fichte handele es sich zwar um einen Grenzbaum, weil sie teilweise auf dem Grundstück der Beklagten und teilweise auf dem Grundstück des dritten Nachbarn stehe. Das führe aber nicht dazu, dass diese notwendige Streitgenossen seien, die gemeinsam hätten verklagt werden müssen. Da an dem Grenzbaum vertikal geteiltes Eigentum bestehe, könne jeder Teileigentümer für die Beseitigung der Störung, die von seinem Teil des Baums ausgehe, allein in Anspruch genommen werden. Die Klage sei unbegründet, weil die Klägerin nicht nach § 1004 Abs. 1 [X.] den Rückschnitt der Äste verlangen könne. Es liege zwar, unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung, eine Eigentumsstörung vor. Die Beklagte sei auch Störerin. Der Anspruch auf Rückschnitt sei aber nach §§ 195, 199 [X.] verjährt. Die Verjährung sei nicht nach § 26 Abs. 3 des [X.] ([X.]) ausgeschlossen. Die Vorschrift beziehe sich nur auf den im [X.] geregelten Beseitigungsanspruch nach § 23 [X.]. Dieser betreffe lediglich Obstbäume.

II.

4

Die Revision ist unbegründet.

5

1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass die Klage zulässig ist. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass die Klägerin nur die Beklagte und nicht auch den dritten Nachbarn, auf dessen Grundstück die Fichte teilweise steht, auf Rückschnitt der Äste nach § 1004 Abs. 1 [X.] in Anspruch nimmt. Entgegen der Ansicht der Beklagten besteht zwischen ihr und dem dritten Nachbarn keine notwendige Streitgenossenschaft aus materiell-rechtlichen Gründen im Sinne von § 62 Abs. 1 Alt. 2 ZPO.

6

a) Eine aus einem sonstigen Grund notwendige Streitgenossenschaft (§ 62 Abs. 1 Alt. 2 ZPO), liegt vor, wenn aus materiell-rechtlichen Gründen mehrere nur gemeinsam klagen oder gegen mehrere nur gemeinschaftlich Klage erhoben werden kann, also die Klage nur eines Berechtigten oder gegen nur einen Berechtigten als unzulässig abgewiesen werden müsste (vgl. Senat, Urteil vom 26. Oktober 1984 - [X.], [X.], 351, 353). Das Erfordernis einer gemeinschaftlichen Klage ergibt sich aus der lediglich gemeinschaftlich vorhandenen materiell-rechtlichen Verfügungsbefugnis gemäß § 747 Satz 2, § 1008 [X.] (vgl. Senat, Urteil vom 12. Januar 1996 - [X.], [X.], 376, 378; [X.], Urteil vom 14. April 2010 - [X.], [X.], 1068 Rn. 17).

7

b) Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Beklagte und der dritte Nachbar sind nicht gemeinschaftlich zum Rückschnitt der Äste aus § 1004 Abs. 1 [X.] verpflichtet. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die Fichte ein Grenzbaum im Sinne des § 923 [X.] ist, weil sie auf der Grenze des Grundstücks des Beklagten zum Grundstück des dritten Nachbarn steht.

8

Bei einem Grenzbaum gehört jedem Grundstückseigentümer der Teil des Baumes, der sich auf seinem Grundstück befindet (vertikal geteiltes Eigentum). Infolgedessen ist jeder Grundstückseigentümer für den ihm gehörenden Teil eines [X.] verkehrssicherungspflichtig, und zwar wie für einen vollständig auf seinem Grundstück stehenden Baum (Senat, Urteil vom 2. Juli 2004 - [X.], [X.]Z 160, 18, 22). Dementsprechend ist wegen des [X.] jedes Grundstückseigentümers an einem Teil des [X.] jedem (Teil-)Eigentümer auch grundsätzlich nur die Beeinträchtigung als Störer zuzurechnen, die von seinem Baumteil ausgeht. Von ihm allein kann ein (dritter) Nachbar, der dadurch in der Benutzung seines Grundstücks beeinträchtigt ist, gemäß § 1004 [X.] Beseitigung der Eigentumsstörung verlangen. Die Beklagte kann deshalb auf Rückschnitt der Äste, die von dem ihr gehörenden Teil des [X.] wachsen, allein in Anspruch genommen werden.

9

2. Die zulässige Klage ist unbegründet.

a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts setzt der Anspruch der Klägerin auf Beseitigung der herüberragenden Äste nach § 1004 Abs. 1 [X.] allerdings voraus, dass dadurch die Benutzung ihres Grundstücks beeinträchtigt ist. Fehlte es an einer solchen Beeinträchtigung, müsste die Klägerin das Herüberragen nach § 1004 Abs. 2 [X.] dulden. Das folgt aus § 910 Abs. 2 [X.], der auch für den Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 [X.] gilt (Senat, Urteil vom 14. November 2003 - [X.], [X.]Z 157, 33, 39; Urteil vom 26. November 2004 - [X.], [X.], 318). Ob der Nachbar ganz unerhebliche Beeinträchtigungen hinnehmen muss, hat der Senat bislang offengelassen (vgl. Urteil vom 14. November 2003 - [X.], aaO mwN). Diese Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung. Ebenso kann dahinstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Rückschnitt nach § 1004 Abs. 2 [X.] ausgeschlossen sein kann, wenn die Störungen im Vergleich zu den Wirkungen des Rückschnitts außer Verhältnis stehen (vgl. dazu [X.] vom 11. Januar 2007 - 8 [X.], juris Rn. 25 f.; [X.], Urteil vom 12. Juli 2011 - 4 U 18/10, juris Rn. 22; [X.], Nachbarrecht [Mai 2013], B § 21 I 2; [X.] in [X.]/[X.]/Saller, Praxishandbuch Nachbarrecht, 2. Aufl., 2. Teil Rn. 395).

b) Das Berufungsurteil erweist sich im Ergebnis nämlich als richtig, weil der - für das Revisionsverfahren zugunsten der Klägerin zu unterstellende - Anspruch verjährt ist.

aa) Der Anspruch des Grundstückseigentümers auf Zurückschneiden herüberragender Äste aus § 1004 Abs. 1 [X.] unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 [X.].

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats findet die Vorschrift des § 902 Abs. 1 Satz 1 [X.], wonach Ansprüche aus eingetragenen Rechten nicht der Verjährung unterliegen, auf den Beseitigungsanspruch des § 1004 [X.] keine Anwendung (vgl. Senat, Urteil vom 28. Januar 2011 - [X.], NJW 2011, 1068 Rn. 7; Urteil vom 28. Januar 2011 - [X.], NJW 2011, 1069 Rn. 13; Urteil vom 12. Juni 2015 - [X.], NJW-RR 2016, 24 Rn. 31; Urteil vom 11. Dezember 2015 - [X.], [X.], 360 Rn. 26). Sie erfasst nur die der Verwirklichung des eingetragenen Rechts, jedoch nicht die der Abwehr von Störungen bei dessen Ausübung dienenden Ansprüche (Senat, Urteil vom 28. Januar 2011 - [X.], aaO Rn. 14). An dieser Rechtsprechung hält der Senat trotz der im Schrifttum geäußerten Kritik (vgl. [X.]/[X.], [X.] [1.11.2018], § 1004 Rn. 240.1 ff.; [X.]/[X.], 8. Aufl., § 902 Rn. 13; [X.]/[X.], [X.] [2013], § 902 Rn. 9) fest. Maßgeblicher Gesichtspunkt für die Anwendung oder Nichtanwendung der Vorschrift des § 902 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist deren Zweck, den Bestand der im Grundbuch eingetragenen Rechte dauerhaft zu sichern. [X.] sind deshalb alle Ansprüche, die der Verwirklichung des eingetragenen Rechts selbst dienen und sicherstellen, dass die Grundbucheintragung nicht zu einer bloßen rechtlichen Hülse wird. Geht es dagegen nur um eine Störung in der Ausübung des Rechts, welche die dem Grundstückseigentümer zustehende Rechtsmacht (§ 903 [X.]) unberührt lässt, steht der Schutzzweck des § 902 Abs. 1 Satz 1 [X.] der Möglichkeit der Verjährung eines auf Beseitigung der Störung gerichteten Anspruchs nicht entgegen (Senat, Urteil vom 28. Januar 2011 - [X.], NJW 2011, 1068 Rn. 8).

Unabhängig von dem der Verjährung unterliegenden Anspruch aus § 1004 [X.] steht dem Eigentümer eines Grundstücks das Selbsthilferecht des § 910 [X.] zu, wonach er die von einem Nachbargrundstück herüberragenden Zweige abschneiden und behalten kann (vgl. Senat, Urteil vom 23. Februar 1973 - [X.], [X.]Z 60, 235, 241 f.; Urteil vom 7. März 1986 - [X.], [X.]Z 97, 231, 234; Urteil vom 28. November 2003 - [X.], [X.], 603).

(2) Eine andere Beurteilung der Verjährung folgt nicht aus der Rechtsprechung des Senats, wonach eine Verjährung von Unterlassungsansprüchen nicht in Betracht kommt, wenn eine einheitliche Dauerhandlung vorliegt, die den rechtswidrigen Zustand fortlaufend aufrechterhält und die die Verjährungsfrist deshalb gar nicht in Gang setzt, oder wenn es sich um wiederholte Störungen handelt, die jeweils neue Ansprüche begründen (vgl. Senat, Beschluss vom 16. Juni 2011 - [X.], [X.] 2011, 757 Rn. 7; Urteil vom 8. Mai 2015 - [X.], NJW-RR 2015, 781 Rn. 9; Urteil vom 12. Juni 2015 - [X.], NJW-RR 2016, 24 Rn. 31). Um einen solchen Fall handelt es sich bei der von herüberragenden Ästen ausgehenden Störung nicht; die gegenteilige Ansicht des [X.] ([X.] 2018, 989, 990; ablehnend [X.]/[X.], 8. Aufl., § 194 Rn. 10.1) trifft nicht zu. Der Anspruch auf Beseitigung der Störung entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Eigentumsbeeinträchtigung (§ 910 Abs. 2 [X.]) infolge des Wachstums der Äste einsetzt (vgl. Senat, Urteil vom 8. Juni 1979 - [X.], [X.], 1219; Urteil vom 12. Dezember 2003 - [X.], [X.], 1035, 1036; [X.], Justiz 2010, 69; [X.], [X.] 2015, 727, 728; [X.]/[X.], [X.], 78. Aufl., § 1004 Rn. 45). Nimmt der Nachbar den störenden Zustand länger als drei Jahre hin, kann er die Beseitigung im Interesse des Rechtsfriedens, der durch die Verjährung geschaffen werden soll (vgl. Senat, Urteil vom 8. Dezember 2017 - [X.], NJW-RR 2018, 394 Rn. 21), nicht mehr verlangen. Durch den kenntnisabhängigen Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist nach § 199 [X.] ist er vor einem unerwarteten [X.] geschützt (vgl. BT-Drucks. 14/6040, [X.] 106).

(3) Einschlägig ist die dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 [X.] nF (Art. 229 § 6 Abs. 4 EG[X.], § 199 Abs. 1 [X.]), die nach den [X.] Feststellungen des Berufungsgerichts bei Erhebung der Klage im März 2017 abgelaufen war.

[X.]) Der Anspruch des Grundstückseigentümers auf Zurückschneiden herüberragender Äste aus § 1004 Abs. 1 [X.] ist, wie das Berufungsgericht richtig sieht, nicht nach § 26 Abs. 3 [X.] unverjährbar. Nach dieser Vorschrift ist zwar der Anspruch auf das Zurückschneiden von Hecken, auf Beseitigung herüberragender Zweige und eingedrungener Wurzeln sowie auf Verkürzung zu hoch gewachsener Gehölze der Verjährung nicht unterworfen. Die Bestimmung erfasst aber nicht sich unmittelbar aus § 1004 Abs. 1 [X.] ergebende [X.].

(1) Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut, der Systematik und der Entstehungsgeschichte von § 26 Abs. 3 [X.]. Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit § 26 Abs. 1 [X.] zu sehen, der in seinem [X.]eitungssatz ausdrücklich bestimmt, dass eine Verjährungsregelung nur für „[X.] nach diesem Gesetz“ getroffen werden soll. Der Landesgesetzgeber wollte mit der Neufassung von § 26 Abs. 1 [X.] durch Art. 1 Nr. 17 des Gesetzes zur Änderung des [X.] vom 26. Juli 1995 (GBl. [X.]) die Verjährungsfrist für alle [X.], die sich aus dem Nachbarrechtsgesetz ergeben können, einheitlich auf zehn Jahre festlegen. Die frühere Bestimmung über die Verjährungsfrist von zehn Jahren bezog sich hingegen nur auf [X.] hinsichtlich Einfriedungen, Hecken, Bäume und dergleichen (§§ 11 bis 18 [X.]), während für andere [X.], z.B. wegen Nichteinhaltung von Abständen nach §§ 8 bis 10 [X.], die allgemeinen Verjährungsvorschriften der §§ 194 ff. [X.] aF galten, so dass sie 30 Jahre nach ihrem Entstehen verjährten. Diese Differenzierung wurde als nicht gerechtfertigt angesehen ([X.]. 11/1481 [X.] 15). Erfasst § 26 Abs. 1 [X.] nur Ansprüche aus dem Landesrecht, kann für § 26 Abs. 3 [X.] nichts anderes gelten. In diesem Sinne wird die Vorschrift nach allgemeiner und zutreffender Ansicht auch verstanden (vgl. [X.], Justiz 2010, 69; [X.], [X.] 2015, 727, 728; [X.], Nachbarrecht für [X.], 6. Aufl., § 26 [X.]eitung; [X.], Nachbarrechtsgesetz [X.], 4. Aufl., [X.]. Rn. 41 u. § 26 Rn. 33; [X.], Das Nachbarrecht in [X.], 21. Aufl., [X.] 135).

(2) Nur ein solches Verständnis der Vorschrift des § 26 Abs. 3 [X.] entspricht zudem dem Gebot verfassungskonformer Auslegung (vgl. dazu Senat, Urteil vom 21. Oktober 2011 - [X.], NJW-RR 2012, 346 Rn. 28; [X.] 121, 317, 34), weil sie die Nichtigkeit der landesrechtlichen Regelung wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz des Landes vermeidet.

(a) Eine landesgesetzliche Regelung kann zwar, wie Art. 124 EG[X.] zeigt, das Grundstückseigentum zugunsten des Nachbarn weitergehenden Beschränkungen unterwerfen (vgl. Senat, Urteil vom 12. Dezember 2003 - [X.], [X.], 1035, 1037; Beschluss vom 4. März 2010 - [X.]/09, NJW-RR 2010, 807 Rn. 24). Dem Nachbarn stehen grundsätzlich Abwehr- und [X.] nach § 1004 [X.] auch hinsichtlich solcher weitergehenden Beschränkungen zu. Voraussetzungen, Inhalt und Umfang des Anspruchs aus § 1004 [X.] im Einzelnen ergeben sich dann aus den Vorschriften des Landesrechts (vgl. Senat, Urteil vom 12. Juni 2015 - [X.], NJW-RR 2016, 24 Rn. 7 zum [X.] Nachbargesetz; Urteil vom 21. September 2018 - [X.], juris Rn. 12 zum [X.] Nachbargesetz). Der Landesgesetzgeber kann deshalb die Verjährung eines solchen Anspruchs abweichend vom Bürgerlichen Gesetzbuch regeln; er kann die Verjährung auch ausschließen (vgl. [X.], Nachbarrecht [Mai 2013], B § 22 II 3f [X.]; [X.], Justiz 83, 254).

(b) Art. 124 EG[X.] ermächtigt den Landesgesetzgeber aber nicht, Inhalt und Umfang des Anspruchs wegen einer unmittelbar von § 1004 Abs. 1 Satz 1 [X.] erfassten Eigentumsbeeinträchtigung abweichend vom Bürgerlichen Gesetzbuch zu regeln.

(aa) Der Landesgesetzgeber kann zum einen nicht dem Nachbarn Rechte nehmen, die sich aus § 1004 Abs. 1 [X.] ergeben. Bestimmungen über die Verjährung eines für den Nachbarn vorteilhafteren landesrechtlichen Anspruchs bleiben deshalb auf ihren Anwendungsfall beschränkt und lassen konkurrierende Ansprüche nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch unberührt. Insbesondere führt die erfolgreiche Erhebung der auf eine landesrechtliche Bestimmung gestützten Verjährungseinrede nicht dazu, dass deshalb eine von der bundesrechtlichen Vorschrift des § 1004 Abs. 1 Satz 1 [X.] unmittelbar erfasste Eigentumsbeeinträchtigung hingenommen werden müsste (vgl. Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - [X.]/09, NJW-RR 2010, 807 Rn. 24 zu Art. 52 Abs. 1 BayAG[X.]; zur Ausschlussfrist des § 43 Abs. 1 H[X.] vgl. Urteil vom 12. Dezember 2003 - [X.], [X.], 1035; zur Ausschlussfrist des § 55 [X.] SL vgl. Senat, Urteil vom 10. Juni 2005 - [X.], [X.], 395 Rn. 11).

([X.]) Der Landesgesetzgeber kann zum anderen nicht Art und Umfang der Ansprüche wegen einer von § 1004 Abs. 1 Satz 1 [X.] erfassten Eigentumsbeeinträchtigung zugunsten des Nachbarn erweitern und Ausnahmen von den Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs gewähren (so auch [X.], Nachbarrecht [Mai 2013], B § 22 II 3f; unklar MüKo[X.]/[X.], 7. Aufl., § 1004 Rn. 261; [X.]/[X.], [X.] [2012], § 1004 Rn. 201). Dafür fehlt ihm - vorbehaltlich weiterer Regelungen im EG[X.] (Art. 1 Abs. 2 EG[X.]) - die Gesetzgebungskompetenz. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG sieht eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des [X.] des Bürgerlichen Rechts vor; hiervon hat dieser für § 1004 [X.] mit den §§ 194 ff. [X.] umfassend Gebrauch gemacht.

(3) Um einen Beseitigungsanspruch aus dem [X.] [X.], der neben den Anspruch aus § 1004 [X.] treten könnte, geht es hier nicht.

Das Landesrecht gewährt zwar Ansprüche auf Rückschnitt für Hecken in § 12 Abs. 2 und 3 [X.] sowie für sonstige Gehölze (Bäume, Sträucher und andere Gehölze) in § 16 Abs. 3 [X.], wenn bei einer bestimmten Höhe der Grenzabstand nicht eingehalten ist, unabhängig davon, ob die Missachtung dieser Vorgaben zu einer Eigentumsbeeinträchtigung des Nachbargrundstückes im Sinne des § 1004 [X.] führt (vgl. Regierungsbegründung vom 12. Dezember 1958, Beilage 2220 zur 2. Legislaturperiode, [X.] 3558; [X.], Urteil vom 14. November 2006 - 12 U 97/06, juris Rn. 28; [X.], Nachbarrechtsgesetz [X.], 4. Aufl., § 26 Rn. 33). Auf eine Grenzabstandsregelung stützt die Klägerin das Verlangen auf Beseitigung der Äste aber nicht.

Besondere Ansprüche auf Zurückschneiden herüberragender Äste regelt das [X.] für bestimmte Bäume, und zwar Obstbäume (§ 23 Abs. 1 und 2 [X.]; ausgenommen ist gemäß § 35 [X.] der Geltungsbereich des [X.] Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch, für Bäume an öffentlichen Wegen (§ 25 [X.]) und - im Geltungsbereich des [X.] Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch - für Bäume von Waldgrundstücken (§ 34 [X.]). Die Vorschriften sind hier nicht einschlägig, weil es sich nicht um einen solchen Baum handelt. Es kann deshalb dahinstehen, ob und inwieweit sich aus den Vorbehalten der Art. 122, Art. 111 bzw. Art. 183 EG[X.] eine Befugnis der Landesgesetzgeber für die genannten Regelungen ergibt (für Obstbäume allgemein bejaht nach Art. 122 EG[X.]: vgl. Regierungsbegründung vom 12. Dezember 1958, Beilage 2220 zur 2. Legislaturperiode, [X.] 355; [X.], [X.] 2015, 727, 728; [X.], Nachbarrechtsgesetz [X.], 4. Aufl., § 23 Rn. 2, § 26 Rn. 33; [X.], Nachbarrecht [September 2013], B § 21 III 1; MüKo[X.]/[X.], 7. Aufl., Art. 122 EG[X.] Rn. 2; [X.]/[X.], [X.] [2013], Art. 122 EG[X.] Rn. 9; [X.]/[X.], [X.] [2016], § 910 Rn. 24; ebenso für Bäume von Waldgrundstücken gemäß Art. 183 EG[X.]: MüKo[X.]/[X.], 5. Aufl., Art. 183 EG[X.] Rn. 2; [X.]/[X.], aaO, Art. 183 EG[X.] Rn. 5; umstritten für Bäume an öffentlichen Wegen: ablehnend [X.] aaO; Soergel/[X.], [X.], 13. Aufl., § 910 Rn. 10; [X.]/[X.], aaO; bejahend [X.], aaO, § 25 Rn. 3: Art. 111 EG[X.]).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

      

Schmidt-Räntsch     

      

Kazele

      

Haberkamp     

      

[X.]     

      

Meta

V ZR 136/18

22.02.2019

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Ravensburg, 26. April 2018, Az: 1 S 178/17

Art 124 BGBEG, § 195 BGB, § 199 BGB, § 1004 Abs 1 BGB, § 26 Abs 3 NachbG BW

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.02.2019, Az. V ZR 136/18 (REWIS RS 2019, 10005)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 608-609 REWIS RS 2019, 10005

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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