Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2004, Az. IX ZB 206/03

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 2781

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS [X.]/03
vom 17. Juni 2004 in dem Mahnverfahren

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein

ZPO § 688 Abs. 2 Nr. 3, § 696 Abs. 1, 3

Kann der Mahnbescheid nicht zugestellt werden, weil der Aufenthalt des Antragsge-gners unbekannt ist, kommt eine Überleitung in das streitige Verfahren nicht in [X.].

[X.], Beschluß vom 17. Juni 2004 - [X.]/03 - [X.]

AG Hagen - 2 -

Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] Kreft und [X.] Ganter, [X.], [X.] und Neıkovi

am 17. Juni 2004 beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 3. Zivilkammer des [X.] vom 4. August 2003 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das [X.] 300 •.

Gründe:
[X.]

Der Antragsteller, ein Rechtsanwalt, beantragte gegen den Antragsgeg-ner wegen einer Anwaltshonorarforderung von 272,60 • zuzüglich Kosten und Zinsen einen Mahnbescheid. Als Zustellungsanschrift gab er die Meldeadresse des Antragsgegners in [X.] ([X.]) an. Der [X.] wurde antragsgemäß erlassen. Seine Zustellung scheiterte, weil der Antragsgegner nach dem Vermerk des [X.] unbekannt verzogen war. Eine vom Antragsteller eingeholte Melderegisterauskunft ergab, daß sich der Antragsgegner bislang weder ab- noch umgemeldet hatte. - 3 -

Der Antragsteller hat beantragt, den Rechtsstreit entsprechend § 696 ZPO an das Prozeßgericht abzugeben. Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts hat diesen Antrag zurückgewiesen. Der hiergegen gerichtete Rechtsbehelf ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbe-schwerde verfolgt der Antragsteller sein Abgabebegehren weiter.

I[X.]

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

1. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Beschwerdegericht mit Recht von einer zulässigen sofortigen ersten Beschwerde gegen die Entscheidung der Rechtspflegerin ausgegangen (§ 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Der nach § 567 Abs. 2 Satz 2 ZPO erforderliche Wert der Beschwer von über 50 • wird erreicht. Die Beschwer des Antragstellers gemäß §§ 2, 3 ZPO erschöpft sich im Streitfall nicht in den für das Mahnverfahren nutzlos [X.] Gesamtkosten von nur 41,25 •, sondern entspricht der Hauptforde-rung. Denn der Antragsteller sieht sich angesichts der in [X.] eingeführten obligatorischen Streitschlichtung (vgl. § 15a EGZPO) ohne die begehrte Abgabe des Mahnverfahrens an der unmittelbaren Durchsetzung [X.] geltend gemachten Honoraranspruchs gehindert.

2. In der Sache selbst verneint das Beschwerdegericht die Möglichkeit, ohne Zustellung des Mahnbescheids an den Antragsgegner und ohne einen - 4 -

von diesem rechtzeitig erhobenen Widerspruch den Rechtsstreit in das [X.] zu überführen. Die Regelung in § 696 Abs. 1 ZPO, die allein eine solche Abgabe ermögliche, sei abschließend; ihre Voraussetzungen lägen nicht vor. Das vom Antragsteller dargelegte Risiko, eine neu eingereichte [X.] könnte mangels eines Güteverfahrens als unzulässig verworfen werden, ändere daran nichts.

3. Diese Erwägungen treffen zu.

a) Da der Mahnbescheid von Amts wegen zugestellt wird (§ 693 Abs. 1, §§ 495, 166 Abs. 2 ZPO), ist der Ausschluß des Mahnverfahrens, wenn der Mahnbescheid durch öffentliche Bekanntmachung gemäß §§ 185 f ZPO zuge-stellt werden müßte (§ 688 Abs. 2 Nr. 3 ZPO), von Amts wegen zu prüfen. [X.] die Prüfung die Notwendigkeit einer öffentlichen Zustellung des beantrag-ten Mahnbescheids, fehlt es an einer notwendigen Voraussetzung des Mahn-verfahrens; kann der Mangel nicht behoben werden oder wird er trotz Bean-standung nicht behoben, ist der Antrag gemäß § 691 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO zurückzuweisen. Eine Überführung des Verfahrens in ein Klageverfahren ge-mäß §§ 253 ff ZPO ist nicht möglich. Sollte durch die Zustellung des [X.]s eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder ge-hemmt werden (vgl. § 204 BGB), so erhält § 691 Abs. 2 ZPO dem Antragsteller diese Wirkungen, wenn er innerhalb eines Monats seit der Zustellung der Zu-rückweisung des Antrags Klage einreicht und diese demnächst zugestellt wird.

b) Dieser Rechtsvorteil greift allerdings nicht ein, wenn sich erst beim Versuch der Zustellung des schon erlassenen Mahnbescheids herausstellt, daß er nicht unter der angegebenen Anschrift zugestellt werden kann, der Auf-- 5 -

enthalt des Antragsgegners unbekannt ist und der Mahnbescheid daher öffent-lich zugestellt werden müßte. Daraus haben die Gerichte vereinzelt eine Rege-lungslücke hergeleitet, die durch eine entsprechende Anwendung des § 696 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu schließen sei (vgl. [X.] RPfleger 1987, 27; [X.] RPfleger 1980, 303 f; zustimmend [X.]/[X.], ZPO 3. Aufl. § 688 Rn. 7 a.E.; [X.], ZPO 21. Aufl. § 688 Rn. 9; [X.]/ Vollkommer, ZPO 24. Aufl. § 688 Rn. 8). Die überwiegende Anzahl der [X.] lehnt indes eine Analogie mangels einer planwidrigen Regelungslücke ab (vgl. [X.] RPfleger 2001, 437 m.w.N. für beide Standpunkte; [X.] 1999, 1523, 1524; [X.] OLGR Brandenburg pp. 2000, 24 f; ebenso [X.]/Lauterbach/[X.], ZPO 62. Aufl. § 688 Rn. 9 und § 696 Rn. 5; [X.]/[X.], 2. Aufl. § 688 Rn. 15 f; [X.]/[X.]/ [X.], ZPO 25. Aufl. § 688 Rn. 5).

c) Dieser Auffassung ist zuzustimmen.

aa) [X.] kann nicht allein wegen des "praktischen Bedürfnisses" Gegenstand einer Abgabe nach § 696 Abs. 1 Satz 1 ZPO sein. Da der Mahnbescheid nicht zugestellt werden konnte, kann der Antrag auf seinen Erlaß auch nicht gemäß § 167 ZPO eine Frist wahren oder die Verjährung gemäß § 204 BGB hemmen. Denn die Rückwirkungsfiktion des § 696 Abs. 3 ZPO tritt nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nur ein, wenn der Mahnbescheid tatsächlich zugestellt worden ist. Sie müßte [X.] mit der Maßgabe angewendet werden, daß die an sich notwendige Zustel-lung des Mahnbescheids durch die öffentliche Zustellung der nachgereichten Anspruchsbegründung ersetzt wird (zutreffend [X.] aaO). Die danach notwendig werdende doppelte Analogie unterliefe mittelbar die Zulässigkeits-- 6 -

schranken für das Mahnverfahren nach § 688 Abs. 2 ZPO. Dies ist deshalb nicht gerechtfertigt, weil es nach dem [X.] ist, sich vor Beantragung des Mahnbescheides zu versichern, ob dieser ohne öffentli-che Bekanntmachung zugestellt werden kann (vgl. [X.]/[X.], aaO § 688 Rn. 16). Dazu wird er regelmäßig in der Lage sein.

[X.]) Die Besonderheiten in den Ländern, die auf der Grundlage der [X.] des § 15a EGZPO eine obligatorische Streitschlichtung ohne die Möglichkeit der öffentlichen Zustellung in diesem [X.] haben (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 1 [X.] - GüSchlG [X.] v. 9. Mai 2000, GVBl. NW [X.]. § 21 Abs. 3 Schieds-amtsgesetz - [X.] NW v. 16. Dezember 1992, GVBl. NW 1993, 316 i.d.F. des Ausführungsgesetzes zu § 15a EGZPO v. 9. Mai 2000, GVBl. [X.]), rechtfertigt die Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 696 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO ebenfalls nicht. Die landesrechtlichen Bestimmungen, die den Nachweis über das Scheitern der Streitschlichtung an eine "Erfolglosigkeitsbe-scheinigung" knüpfen (vgl. § 13 Abs. 1 und 3 GüSchlG [X.]; § 35 Abs. 2 [X.] NW), sind verfassungskonform dahin auszulegen, daß effektiver Rechtsschutz auch im sachlichen Anwendungsbereich der außergerichtlichen Streitschlichtung (vgl. § 10 Abs. 1 und 2 GüSchlG [X.]) gewährleistet ist (vgl. auch [X.] [X.]. 2001, 163).

Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß sich die dem Antragsteller durch die Einführung des obligatorischen Schlichtungsverfahrens zugemuteten [X.] bei der Verfolgung seiner wirklichen oder vermeintlichen Ansprü-che unabhängig davon, ob ihm schon bei Einleitung des Verfahrens oder erst - 7 -

später der Mangel einer zustellungsfähigen Anschrift des Antragsgegners [X.] geworden ist, in gleicher Weise stellen.

cc) Schließlich gibt auch das [X.] des Antragstellers, dem im Falle einer Verweisung die bereits für das Mahnverfahren entrichtete Gerichts-gebühr auf die mit der Klage fällige Gebühr angerechnet würde (vgl. [X.] 1210 zu § 11 Abs. 1 GKG), keinen Anlaß, eine im Gesetz nicht vorgesehene Verweisung für zulässig zu erachten.

Kreft

Ganter

[X.]

[X.]

Neıkovi

Meta

IX ZB 206/03

17.06.2004

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2004, Az. IX ZB 206/03 (REWIS RS 2004, 2781)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2781

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