Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.05.2021, Az. XII ZR 45/20

12. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 6156

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Versorgungsausgleich: Bindung des Revisionsgerichts an die vom Oberlandesgericht im Berufungsurteil bejahte Rechtswegzuständigkeit; Erstattung der Aufwendungen des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung auf Grund eines rechtswidrig durchgeführten Quasi-Splittings von privatrechtlichen Versorgungsansprüchen


Leitsatz

1. Hat das Oberlandesgericht im Berufungsurteil seine Rechtswegzuständigkeit bejaht, ohne darüber im Wege der Vorabentscheidung befunden zu haben, ist das Revisionsgericht daran gebunden (im Anschluss an BGH Urteile vom 18. November 1998 - VIII ZR 269/97, NJW 1999, 651 und 29. März 1996 - V ZR 326/94, BGHZ 132, 245 = NJW 1996, 1890).

2. Aufwendungen des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung auf Grund eines (rechtswidrig durchgeführten) Quasi-Splittings von privatrechtlichen Versorgungsansprüchen nach beamtenrechtlichen Grundsätzen sind nach § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI zu erstatten (Fortführung von Senatsbeschluss vom 17. April 1985 - IVb ZB 796/81, FamRZ 1985, 794 sowie von BSG Urteil vom 21. März 2018 - B 13 R 17/15 R, SozR 4 - 2600 § 225 Nr. 3).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird, unter Verlustigerklärung des Rechtsmittels im Übrigen, das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 21. April 2020 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung der gegen den Beklagten zu 1 gerichteten Klage zurückgewiesen worden ist.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 12. September 2019 im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, als die gegen den Beklagten zu 1 gerichtete Klage abgewiesen worden ist.

Der Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin 26.913,70 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 25. Januar 2018 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1 verpflichtet ist, der Klägerin nach Maßgabe der [X.] ([X.]) alle weiteren Zahlungen zu erstatten, die diese ab dem 1. Januar 2017 auf der Grundlage der Versorgungsausgleichsentscheidung des [X.] vom 12. März 1982 - 4 UF 11/82 - bezüglich der bei dem Beklagten zu 1 für den Beklagten zu 2 bestehenden und ausgeglichenen Anwartschaft an die [X.]        B.    leistet.

Die Gerichtskosten in allen Rechtszügen tragen die Klägerin und der Beklagte zu 1 je zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte zu 1 zur Hälfte; die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 trägt die Klägerin. Im Übrigen tragen die Parteien und der Streithelfer des Beklagten zu 1 ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darum, ob nach einem (rechtswidrig durchgeführten) Quasi-Splitting von privatrechtlichen [X.] nach beamtenrechtlichen Grundsätzen die gesetzliche Rentenversicherung ihre aufgrund des durchgeführten Versorgungsausgleichs an die ausgleichsberechtigte Person ausgezahlten Renten von dem Versorgungsträger der ausgleichspflichtigen Person ersetzt verlangen kann.

2

Der Beklagte zu 1 ist kirchlicher Schulträger in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Der verheiratet gewesene Beklagte zu 2 (im Folgenden: Ehemann) erwarb als Angestellter des Vereins während der gesetzlichen Ehezeit (1. Dezember 1968 bis 30. November 1978; § 1587 Abs. 2 BGB) ein privatrechtliches Anrecht auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen. Die Ehe wurde mit Urteil vom 15. Januar 1979 geschieden. Der Versorgungsausgleich wurde durch rechtskräftigen Beschluss des [X.] vom 12. März 1982 unter Beteiligung beider Parteien dieses Rechtsstreits dahin durchgeführt, dass im Wege des Quasi-Splittings zu Lasten der für den Ehemann bei dem Beklagten zu 1 bestehenden [X.] monatliche Rentenanwartschaften der Ehefrau in Höhe von 166,40 DM bei der Klägerin ([X.] - seinerzeit [X.]) begründet wurden; weitere 30,40 DM monatlich wurden dem schuldrechtlichen Ausgleich vorbehalten. Ein nachfolgender Abänderungsantrag der Klägerin, mit dem sie sich darauf berief, dass die Begründung von Rentenanwartschaften fehlerhaft zu Lasten eines privatrechtlichen Trägers angeordnet worden sei, blieb erfolglos (Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2014 - [X.] 323/13 - FamRZ 2015, 125). Die Ehefrau bezieht seit dem 1. April 2003 Altersrente von der Klägerin. Die auf dem Versorgungsausgleich beruhenden Rentenzahlungen an die Ehefrau beliefen sich bis einschließlich 2016 auf insgesamt 26.913,70 €.

3

Die Klägerin hat beide Beklagten auf gesamtschuldnerische Erstattung der an die geschiedene Ehefrau bis 2016 geleisteten 26.913,70 € nebst Zinsen in Anspruch genommen sowie die Feststellung der Erstattungspflicht aller weiteren Zahlungen aufgrund des Versorgungsausgleichs ab 1. Januar 2017 beantragt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin - nach Rücknahme ihres zunächst auch gegen den Ehemann eingelegten Rechtsmittels - ihre Ansprüche noch gegen den Beklagten zu 1 weiter.

Entscheidungsgründe

I.

4

Der [X.] ist zur Entscheidung über die Revision unabhängig davon zuständig, ob Ersatzansprüche nach § 225 Abs. 1 Satz 1 [X.] unter den Begriff einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit gemäß § 51 Abs. 1 SGG fallen (hierzu [X.] vom 14. März 2006 - [X.] RA 8/05 R - [X.] 4-2600 § 225 Nr. 2 Rn. 12; vgl. auch [X.] [X.]Z 108, 284 = NJW 1990, 1527). Denn das [X.] hat seine Rechtswegzuständigkeit bejaht, woran der [X.] gemäß § 17 a Abs. 5 [X.] gebunden ist. Zwar war auch das [X.] grundsätzlich nach § 17 a Abs. 3 Satz 2 [X.] gehalten, im Wege der Vorabentscheidung über seine Rechtswegzuständigkeit zu befinden. Eine Vorabentscheidung ist jedoch ausnahmsweise dann entbehrlich, wenn das Berufungsgericht den Rechtsweg bejaht und keinen Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 17 a Abs. 4 Satz 4 [X.]) sieht ([X.] Urteile vom 18. November 1998 - [X.] - NJW 1999, 651 und [X.]Z 132, 245 = NJW 1996, 1890; [X.]/[X.] 5. Aufl. § 17 a [X.] Rn. 29 mwN). Denn hätte das [X.] durch Vorabentscheidung entschieden, wäre ohne Zulassung der Rechtsbeschwerde auch dagegen kein Rechtsmittel möglich gewesen und der [X.] daran ebenso gebunden.

II.

5

Die Revision hat im Umfang ihrer Durchführung Erfolg und führt zur antragsgemäßen Verurteilung des Beklagten zu 1.

6

1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 1 aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB scheide aufgrund des Fehlens einer Leistungsbeziehung aus, da es sich bei den Zahlungen der Klägerin um eine Leistung an die Ehefrau handele. Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB scheide aus, da in der Zahlung der Klägerin nicht zugleich ein unmittelbarer Eingriff des Beklagten zu 1 in eine Rechtsposition der Klägerin liege.

7

Ein Ausgleichsanspruch ergebe sich auch nicht aus der Formulierung „zu Lasten“ im Ausspruch zum Versorgungsausgleich, da sich die Gestaltungswirkung dieser Entscheidung auf die Rechtsbeziehung der Ehegatten untereinander und des jeweiligen Ehegatten zu seinem Versorgungsträger beschränke. Das Verhältnis der Versorgungsträger untereinander werde hierdurch nicht geregelt.

8

Aus § 225 [X.] folge weder in direkter noch in analoger Anwendung ein Ausgleichsanspruch. Der hierin geregelte Erstattungsanspruch richte sich - was sich aus dem Regelungsgefüge der übrigen Vorschriften des [X.] und dem engen Zusammenhang mit § 1587 b BGB sowie der gesetzgeberischen Intention ergebe - ausschließlich gegen öffentlich-rechtliche Versorgungsträger. Der Beklagte zu 1 sei jedoch als eingetragener Verein privatrechtlich organisiert. Die Rechtskraft des Scheidungsurteils beziehe sich nur auf den durchzuführenden Versorgungsausgleich und entfalte keine weitergehende Wirkung auf die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 225 [X.].

9

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Gemäß § 225 Abs. 1 Satz 1 [X.] werden die Aufwendungen des Trägers der Rentenversicherung aufgrund von Rentenanwartschaften, die durch Entscheidung des Familiengerichts begründet worden sind, von dem zuständigen Träger der [X.] erstattet. Aufgrund dieser Vorschrift kann die Klägerin ihre auf Grundlage des Versorgungsausgleichs erbrachten Leistungen von dem Beklagten zu 1 erstattet verlangen. Die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch nach § 225 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind vorliegend erfüllt.

a) Durch die rechtskräftige Entscheidung über den Versorgungsausgleich wurden Rentenanwartschaften der Ehefrau bei der Klägerin in Höhe von monatlich 166,40 DM begründet, aus denen die Ehefrau Leistungen bezieht. Die Wirksamkeit der Begründung dieses Rentenanspruchs wird nicht dadurch infrage gestellt, dass das Anrecht des Ehemanns bei dem Beklagten zu 1, einem eingetragenen Verein, nicht durch [X.] gemäß § 1587 b Abs. 2 BGB hätte ausgeglichen werden dürfen (vgl. [X.]sbeschluss vom 17. April 1985 - [X.] 796/81 - FamRZ 1985, 794, 795 f.). Die rechtskräftig gewordene, rechtsgestaltend wirkende Entscheidung über den Versorgungsausgleich geht im konkreten Einzelfall der materiellen Rechtslage vor, bindet die Parteien ungeachtet ihrer Rechtsfehlerhaftigkeit bis zu einer Aufhebung oder Abänderung und ist daher dem Ausgleichsverfahren gemäß § 225 Abs. 1 Satz 1 [X.] zugrunde zu legen (vgl. [X.] vom 21. März 2018 - [X.] R 17/15 R - [X.] 4-2600 § 225 Nr. 3 Rn. 18 ff.).

b) Der Erstattungsanspruch aus § 225 Abs. 1 Satz 1 [X.] richtet sich gegen den Beklagten zu 1 als Träger der [X.] des ausgeglichenen Anrechts, da er die zugesagte Versorgung im Leistungsfall zu erbringen hatte (vgl. [X.]/[X.]/[X.] Sozialgesetzbuch [X.] [Stand: 4/19] § 225 Rn. 20 und [X.]Z 81, 100 = FamRZ 1981, 856, 859 f.).

Rechtlich umstritten ist allerdings, ob § 225 Abs. 1 Satz 1 [X.] seiner Natur nach nur Ansprüche gegen öffentlich-rechtliche oder ausnahmsweise auch gegen privatrechtliche Versorgungsträger - hier einen eingetragenen Verein - begründen kann.

aa) Teilweise wird angenommen, der Anwendungsbereich des § 225 Abs. 1 Satz 1 [X.] sei auf den Ausgleich von [X.] gegen öffentlich-rechtliche Versorgungsträger beschränkt ([X.] Urteil vom 22. Februar 2007 - L 1 RA 23/03 - juris Rn. 18 ff.; [X.] Urteil vom 19. März 2010 - L 13 R 12/05 - juris Rn. 21 ff.; [X.] Urteil vom 4. Juli 2019 - 15 U 95/18 - juris Rn. 18 ff.; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] Beamtenversorgungsgesetz des [X.] und der Länder [Stand: Dezember 2020] 12.2.3 Rn. 32; [X.] in Ruland/Dünn Gemeinschaftskommentar [X.] November 2014 § 225 Rn. 6; [X.]/[X.]/[X.] Kommentar zum [X.] § 225 Rn. 3).

bb) Demgegenüber erstreckt eine Gegenauffassung den Anwendungsbereich des § 225 Abs. 1 Satz 1 [X.] generell auch auf Fälle, in denen ein Anrecht gesetzeswidrig im Wege des [X.]s ausgeglichen wurde. Träger der [X.] im Sinne des § 225 Abs. 1 Satz 1 [X.] sei jeweils der Leistungspflichtige des aufgrund der Entscheidung über den Versorgungsausgleich ausgeglichenen Anrechts. Dazu gehörten nicht nur Versorgungsträger im eigentlichen Sinne, sondern auch sonstige Leistungsträger, wenn die bei ihnen bestehenden Anrechte - gesetzeswidrig - zum [X.] herangezogen worden seien, wie etwa eine Berufsgenossenschaft im Hinblick auf eine im Versorgungsausgleich ausgeglichene Verletztenrente (vgl. [X.] vom 21. März 2018 - [X.] R 17/15 R - [X.] 4-2600 § 225 Nr. 3 Rn. 27; [X.] ZNotP 2019, 441, 447). In gleicher Weise seien im Ausnahmefall auch private Versorgungsträger zur Erstattung von Leistungen nach § 225 Abs. 1 Satz 1 [X.] verpflichtet, wenn bei diesen bestehende Anrechte zum [X.] gesetzeswidrig herangezogen worden seien (vgl. [X.]/[X.]/[X.] Sozialgesetzbuch [X.] [Stand: 4/19] § 225 Rn. 18 f.; wohl auch [X.] 11/2019 [X.]. 6 und jurisPK-[X.]/Beckmann 3. Aufl. [Stand: 1. April 2021] § 225 Rn. 20).

cc) Die letztgenannte Auffassung ist zutreffend. Für sie sprechen Wortlaut und Zweck der Vorschrift.

(1) Dem Wortlaut des § 225 Abs. 1 Satz 1 [X.] lässt sich eine Einschränkung auf öffentlich-rechtliche Versorgungsträger nicht entnehmen. Der in der Gesetzesüberschrift ebenso wie im Gesetzestext verwendete Begriff „Träger der [X.]“ erfasst begrifflich alle denkbaren Versorgungsträger und weist ihnen die Schuldnerstellung zu (vgl. [X.] vom 21. März 2018 - [X.] R 17/15 R - [X.] 4-2600 § 225 Nr. 3 Rn. 28). Darunter können auch privatrechtliche juristische Personen fallen, die eine Versorgungszusage übernommen haben (vgl. [X.]/[X.]/[X.] Sozialgesetzbuch [X.] [Stand: 4/19] § 225 Rn. 19).

(2) Ebenso spricht der Regelungszweck des § 225 Abs. 1 Satz 1 [X.] für eine Anwendung auch auf privatrechtliche Versorgungsträger. Die Vorschrift soll dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, der die Leistungen an den ausgleichsberechtigten Ehegatten erbringt, einen Ausgleich für diejenigen Aufwendungen aufgrund von Rentenanwartschaften verschaffen, die durch eine Entscheidung des Familiengerichts im Rahmen des Versorgungsausgleichs begründet worden sind und somit nicht auf selbst erworbenen Versicherungszeiten beruhen. Sie wahrt damit das Prinzip der Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs für den Versorgungsträger der ausgleichsberechtigten Person als Spiegelbild der Begründung von Rentenanwartschaften. Hiermit soll gewährleistet sein, dass der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung immer dann und insoweit Erstattung begehren kann, als seine Aufwendungen gegenüber dem [X.] gerade auf Anwartschaften beruhen, die durch eine familiengerichtliche Entscheidung über den Versorgungsausgleich erst begründet worden sind (vgl. [X.] vom 21. März 2018 - [X.] R 17/15 R - [X.] 4-2600 § 225 Nr. 3 Rn. 29 ff.; [X.]/[X.]/[X.] Sozialgesetzbuch VI [Stand: 4/19] Rn. 12 mwN).

Im Hinblick auf diesen Regelungszweck ist es unerheblich, ob der in Anspruch genommene Rechtsträger als juristische Person des öffentlichen oder des privaten Rechts organisiert ist. Die nach § 225 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu erstattenden „Aufwendungen (…) aufgrund von Rentenanwartschaften, die durch Entscheidung des Familiengerichts begründet worden sind“ entstehen unabhängig von der Rechtsform des Versorgungsträgers des ausgleichspflichtigen Ehegatten. Der im Vordergrund stehende Schutzzweck der Kostenneutralität des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung wird allein dann konsequent verwirklicht, wenn der Erstattungsanspruch nur die Begründung von Anrechten durch familiengerichtliche Entscheidung zum Anknüpfungspunkt hat und nicht die Rechtsform des Trägers des auszugleichenden Anrechts.

(3) Auch aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ergibt sich keine Zielsetzung dahingehend, dass § 225 Abs. 1 Satz 1 [X.] nur auf öffentlich-rechtliche Versorgungsträger anzuwenden sei.

Zwar war das [X.] nach § 1587 b Abs. 2 BGB ausdrücklich nur bei Anrechten „gegenüber einer Körperschaft, Anstalt oder [X.], einem ihrer Verbände einschließlich der Spitzenverbände oder einer ihrer Arbeitsgemeinschaften“ eröffnet. Der Gesetzgeber hat das [X.] gemäß § 1587 b Abs. 2 BGB seinerzeit bewusst auf öffentlich-rechtliche Versorgungsträger beschränkt, weil er aufgrund deren weitgehender Insolvenzunfähigkeit und der überschaubaren Anzahl dieser Rentenversicherungsträger annahm, dass das Erstattungsverfahren mit vertretbarem Verwaltungsaufwand und ohne wirtschaftliches Risiko durchgeführt und somit der Anspruch des Rentenversicherungsträgers dauerhaft erfüllt werden könne (vgl. etwa [X.]sbeschlüsse vom 17. April 1985 - [X.] 796/81 - FamRZ 1985, 794, 795 f. mwN zu § 1587 b Abs. 2 BGB und vom 19. September 1984 - [X.] 921/80 - FamRZ 1985, 56, 58 zu § 1 Abs. 3 [X.]; [X.] vom 21. März 2018 - [X.] R 17/15 R - [X.] 4-2600 § 225 Nr. 3 Rn. 27).

Auf die so in den Blick genommenen Versorgungsträger ist aber der Erstattungsanspruch nicht beschränkt. Schon die Vorgängervorschriften der § 83 b Abs. 2 Satz 2 [X.] und § 1304 b Abs. 2 Satz 2 RVO, die im Zeitpunkt der ergangenen Entscheidung über den Versorgungsausgleich galten, knüpften offen formuliert an Aufwendungen an, die „dem Versicherungsträger auf Grund der nach § 1587 b Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs begründeten Rentenanwartschaften entstehen“. Die [X.] war unabhängig von der Rechtsform des Versorgungsträgers erfüllt, sobald Anrechte im Wege des [X.]s nach § 1587 b Abs. 2 BGB begründet wurden, sei es auch durch fehlerhafte Anwendung dieser Vorschrift. Beschränkt war also von Beginn an nicht die Erstattung der Leistung des Zielversorgungsträgers an die ausgleichsberechtigte Person durch den Versorgungsträger der ausgleichspflichtigen Person, sondern lediglich der Ausgleich im Wege des [X.]s als solcher.

Zwar wurde die früher noch im Gesetz enthaltene Bezugnahme auf § 1587 b Abs. 2 BGB nicht in den Wortlaut des § 225 Abs. 1 Satz 1 [X.] übernommen, doch war hiermit ausdrücklich keine Änderung der Rechtslage bezweckt (BT-Drucks. 11/4124 S. 195 zu § 220 [X.]-E). Anhaltspunkte dafür, dass der Kreis der [X.] durch die neu gefasste Vorschrift auf öffentlich-rechtliche Versorgungsträger beschränkt werden sollte, bestehen nicht. Denn auch in Bezug auf sonstige Versorgungsträger besteht das Bedürfnis der Wahrung der Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs für den Versorgungsträger der ausgleichsberechtigten Person. Daher kann auch der Leistungsträger eines anderen vom Familiengericht im Wege des [X.]s als ausgleichsfähig herangezogenen Anrechts in den Anwendungsbereich des § 225 Abs. 1 Satz 1 [X.] fallen (vgl. [X.] vom 21. März 2018 - [X.] R 17/15 R - [X.] 4-2600 § 225 Nr. 3 Rn. 27).

(4) Systematische Widersprüche ergeben sich auch nicht daraus, dass sich alle übrigen im Unterabschnitt „Erstattungen“ (§§ 223 ff. [X.]) geregelten Ansprüche ausschließlich gegen öffentlich-rechtliche Versorgungsträger richten (aA [X.] Urteil vom 19. März 2010 - L 13 R 12/05 - juris Rn. 24). Denn Anknüpfungspunkt der in dem Unterabschnitt geregelten Erstattungsansprüche sind jeweils die fremd veranlassten Aufwendungen des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung und ist nicht die Rechtsform des Erstattungspflichtigen.

(5) Der Anspruch wird auch nicht dadurch infrage gestellt, dass die Klägerin etwa nicht schutzwürdig sei, weil sie bereits als Beteiligte am [X.] auf eine zutreffende Entscheidung habe hinwirken können (so aber [X.] Urteil vom 4. Juli 2019 - 15 U 95/18 - juris Rn. 21; [X.] Urteil vom 19. März 2010 - L 13 R 12/05 - juris Rn. 28). Denn die gleiche Möglichkeit bestand für den am [X.] ebenfalls beteiligten Beklagten zu 1 (vgl. [X.] vom 21. März 2018 - [X.] R 17/15 R - [X.] 4-2600 § 225 Nr. 3 Rn. 32).

(6) Nach dem durch die Rechtsprechung des [X.]sozialgerichts geprägten Verständnis von § 225 Abs. 1 Satz 1 [X.] kommt es auch nicht darauf an, ob und unter welchen Voraussetzungen der Beklagte zu 1 die Möglichkeit hat, aufgrund der Entscheidung über den Versorgungsausgleich oder seiner Inanspruchnahme nach § 225 Abs. 1 Satz 1 [X.] seinerseits die Versorgung des Ehemanns zu kürzen.

Zwar stehen § 1587 b Abs. 2 BGB und § 225 Abs. 1 Satz 1 [X.] in einem Regelungszusammenhang, der neben der Begründung eines Anrechts für die ausgleichsberechtigte Person auch die entsprechende Kürzung des Anrechts der ausgleichspflichtigen Person vorsieht (vgl. § 57 [X.] sowie entsprechende landesrechtliche Vorschriften). Weder aus dem Wortlaut des § 225 Abs. 1 Satz 1 [X.] noch aus dem Zweck einer unselbständigen Hilfs- und Garantiefunktion des [X.] und dem Prinzip der Kostenneutralität für den Versorgungsträger ([X.] vom 21. März 2018 - [X.] R 17/15 R - [X.] 4-2600 § 225 Nr. 3 Rn. 31) ergibt sich jedoch, dass eine solche Kürzungsmöglichkeit für eine Inanspruchnahme aus § 225 Abs. 1 Satz 1 [X.] vorausgesetzt wird. Der Träger des ausgeglichenen Anrechts hat vielmehr auch dann die Ansprüche des Rentenversicherungsträgers der ausgleichsberechtigten Person zu erfüllen, wenn er selbst eine Kürzung der Versorgung der ausgleichspflichtigen Person nicht vornehmen kann ([X.]/[X.]/[X.] Sozialgesetzbuch VI [Stand: 4/19] § 225 Rn. 14; vgl. auch Kümmel Beamtenversorgungsgesetz [Stand: Oktober 2014] § 57 Rn. 18). Deshalb hat das [X.]sozialgericht auch die Heranziehung einer Berufsgenossenschaft zur Erstattung nach § 225 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht davon abhängig gemacht, dass im Leistungsverhältnis zu ihrem Unfallversicherten entsprechende Kürzungsmöglichkeiten bestehen (vgl. [X.] FamRZ 2018, 1820, 1821).

3. Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Der [X.] kann gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache abschließend entscheiden, da die Sache zur Endentscheidung reif ist.

Die gemäß § 225 Abs. 1 Satz 1 [X.] erstattungsfähigen Aufwendungen der Klägerin, für deren Berechnung sie an die rechtskräftige Entscheidung über den Versorgungsausgleich gebunden ist (vgl. [X.] vom 21. März 2018 - [X.] R 17/15 R - [X.] 4-2600 § 225 Nr. 3 Rn. 15 ff.), betragen nach den getroffenen Feststellungen 26.913,70 €.

Der für den Erstattungszeitraum ab 2017 gestellte und ursprünglich zulässige Feststellungsantrag bleibt unabhängig davon zulässig, ob im Verlauf des Rechtsstreits die Voraussetzungen für den Übergang zu einer Leistungsklage insoweit (teilweise) eingetreten sind (vgl. etwa [X.] Urteil vom 4. November 1998 - [X.] - NJW 1999, 639, 640 mwN).

Dose     

      

Schilling     

      

Günter

      

Nedden-Boeger     

      

Guhling     

      

Meta

XII ZR 45/20

05.05.2021

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Koblenz, 21. April 2020, Az: 3 U 1782/19

§ 225 Abs 1 S 1 SGB 6, § 1587b Abs 2 BGB, § 17a Abs 4 GVG, § 17a Abs 5 GVG, § 51 Abs 1 SGG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.05.2021, Az. XII ZR 45/20 (REWIS RS 2021, 6156)

Papier­fundstellen: MDR 2021, 813-814 NJW 2021, 2972 REWIS RS 2021, 6156

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 13 R 17/15 R (Bundessozialgericht)

Pflicht des zuständigen Unfallversicherungsträges zur Erstattung von aus der materiell-rechtswidrigen Übertragung von Ansprüchen auf Verletztenrente …


26 UF 19/98 (Oberlandesgericht Köln)


B 5 R 2/12 R (Bundessozialgericht)

Witwenrentenberechnung - Versorgungsausgleich - Malus - Folgerente - Besitzschutz - persönliche Entgeltpunkte


B 13 R 5/20 R (Bundessozialgericht)

(Berücksichtigung eines versorgungsausgleichsbedingten Abschlags bei der Ermittlung der Höhe einer Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung …


XII ZB 170/16 (Bundesgerichtshof)

Versorgungsausgleich: Aussetzung der Rentenkürzung wegen Unterhaltsanspruchs des Ausgleichsberechtigten


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

15 U 95/18

Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.