Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30.08.2010, Az. III B 2/09

3. Senat | REWIS RS 2010, 3747

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Gegenstand

Auslegung des Begriffs "Verarbeitendes Gewerbe" nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige - Statistische Eingruppierung kein Grundlagenbescheid - Unbeachtlichkeit fehlerhafter statistischer Eingruppierungen


Leitsatz

1. NV: Die Auslegung des Begriffs des verarbeitenden Gewerbes im Investitionszulagenrecht richtet sich nach der vom Statistischen Bundesamt herausgebenden Klassifikation der Wirtschaftszweige in der für das jeweilige Streitjahr geltenden Fassung .

2. NV: Bei statistischen Eingruppierungen handelt es sich nicht um Grundlagenbescheide (§ 171 Abs. 10 AO) .

3. NV: Durch die Rechtsprechung ist geklärt, unter welchen Voraussetzungen fehlerhafte statistische Eingruppierungen für die Investitionszulage unbeachtet bleiben können; Steuerverwaltung und Finanzgerichte können insbesondere überprüfen, ob die statistische Eingruppierung aufgrund eines zutreffenden Sachverhaltes ergangen ist, ob der Betrieb richtig abgegrenzt und ob bei Mischbetrieben richtig zugeordnet wurde .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) beantragte für im [X.] angeschaffte Wirtschaftsgüter eine Investitionszulage nach § 2 des [X.] ([X.]) 1999. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit der Gewinnung von Kies und Sand sei nicht den begünstigten Wirtschaftszweigen des § 2 [X.] 1999 zuzuordnen. Der Ablehnungsbescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO--). Den späteren Antrag auf Änderung des Bescheides lehnte das [X.] ab, der Einspruch blieb ohne Erfolg.

2

Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage ab (Urteil vom 24. November 2008  1 K 1584/06, Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 959). Es führte aus, der Begriff des verarbeitenden Gewerbes sei nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ([X.]) aufgrund der Klassifikation der Wirtschaftszweige ([X.]) auszulegen. Die von der Klägerin gewonnenen Steine und die verkauften Steine seien zwar nicht identisch, da der Bearbeitungsprozess des mehrfachen [X.] den Ausgangsstoff nachhaltig verändere und zu einer Veredelung der gewonnenen Steine führe. Dies sei jedoch dem Bergbau zuzurechnen; das [X.] folge dem [X.], das die Tätigkeit der Klägerin in Auswertung ihrer Produktionsberichte in die Klasse 14.21 ("Gewinnung von Kies und Sand" Untergruppe des [X.] "Erzbergbau, Gewinnung von Steinen und Erden, sonstiger Bergbau") der [X.] 1993 eingestuft habe.

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Zur Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde trägt die Klägerin vor, die Sache sei grundsätzlich bedeutsam (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Zu klären sei die Erheblichkeit der statistischen Einordnung, wenn der Tatrichter eine verarbeitende Tätigkeit festgestellt habe und die Klassifikation eine Doppelzuordnung nicht zulasse. Zu klären sei weiter, ob sich der Inhalt des Begriffes des verarbeitenden Gewerbes mittels einer dynamischen Verweisung auf sich ständig ändernde statistische Einordnungen und entgegen der gesetzlichen Definition der Verarbeitung in § 950 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bestimme und ob nur offensichtlich falsche statistische Einordnungen für die Investitionszulage unbeachtet bleiben könnten. Es bedürfe einer Entscheidung des [X.] zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 [X.]O), da das [X.] der statistischen Einordnung in rechtswidriger Weise den Vorrang gegenüber der verarbeitenden Tätigkeit eingeräumt und ihr die Wirkung eines Grundlagenbescheides zugewiesen habe. Das [X.]-Urteil beruhe auf Verfahrensfehlern (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O), da dem [X.] wegen der kurzfristigen Änderung der Besetzung keine sachgerechte Befassung möglich gewesen sei und es schwerwiegende Begründungsmängel enthalte.

Entscheidungsgründe

4

II. [X.] ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 [X.]O).

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1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, denn die von der Klägerin für klärungsbedürftig angesehenen Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des Senats bereits geklärt.

6

a) Die Auslegung des Begriffs des verarbeitenden Gewerbes im Investitionszulagenrecht richtet sich nach der vom [X.] herausgegebenen [X.] (z.B. Senatsurteile vom 23. März 2005 [X.]/00, [X.], 186, [X.] 2005, 497, betr. Produktion und Vertrieb von Sand, Kies und Beton; vom 25. Januar 2007 [X.]/06, [X.], 1187, betr. Zerkleinern von Altasphalt und Altbeton, Verfassungsbeschwerde eingelegt, Az. 1 BvR 857/07). [X.] ist die [X.] in der für das jeweilige Streitjahr geltenden Fassung. Eine Änderung der [X.] wirkt sich daher auch auf das Zulagenrecht aus, wenn der Gesetzgeber die [X.] nicht zugleich entsprechend ausweitet oder einschränkt; für die Anspruchsberechtigten nachteilige Änderungen der Klassifikation werden aber aus [X.] häufig erst mit Verzögerung umgesetzt (z.B. Senatsurteil vom 23. Oktober 2002 [X.]/00, [X.], 366, [X.] 2003, 360; Schreiben des [X.] vom 30. Dezember 1994 [X.] -InvZ 1010- 13/94, [X.], 18, betr. [X.] 93/[X.] 79). § 950 BGB regelt demgegenüber den Eigentumserwerb an durch Verarbeitung oder Umbildung entstandenen neuen beweglichen Sachen und definiert nicht den Begriff des verarbeitenden Gewerbes im Sinne des Zulagenrechts.

7

b) Die Frage, ob es auch dann auf die statistische Einordnung ankommt, wenn der Tatrichter eine verarbeitende Tätigkeit festgestellt hat, ist für den Streitfall unerheblich. Denn das [X.] hat lediglich festgestellt, dass die von der Klägerin gewonnenen und die verkauften Steine infolge der Bearbeitung nicht identisch seien, nicht aber, dass die Klägerin eine Tätigkeit im Sinne des Abschnitts C "Verarbeitendes Gewerbe" der [X.] 1993 ausgeübt habe.

8

c) Durch die ständige Rechtsprechung des Senats ist auch die Zuordnung von Betrieben mit mehreren Tätigkeiten --sog. [X.] geklärt (z.B. Senatsurteile vom 19. Oktober 2006 [X.], [X.], 1185, betr. Handel und Uhrmacherhandwerk; vom 17. April 2008 III R 100/06, [X.], 1531, betr. Baumarkt, der Erzeugnisse einer unternehmenseigenen Sägerei vertreibt).

9

d) Ebenfalls geklärt ist, dass es sich bei statistischen Eingruppierungen nicht um Grundlagenbescheide (§ 171 Abs. [X.]) handelt und unter welchen Voraussetzungen fehlerhafte statistische Eingruppierungen für die Investitionszulage unbeachtet bleiben können (Senatsurteil vom 28. April 2010 III R 66/09, [X.], 562, Betriebs-Berater 2010, 1950, m.w.N.). Steuerverwaltung und Finanzgerichte können danach insbesondere überprüfen, ob die statistische Eingruppierung aufgrund eines zutreffenden Sachverhaltes ergangen ist, ob der Betrieb richtig abgegrenzt wurde (vgl. z.B. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 InvZulG 1999, § 3 Abs. 1 Satz 3 InvZulG 2010, jeweils betreffend Betriebe mit Betriebsstätten innerhalb und außerhalb des [X.]) und ob bei [X.] richtig zugeordnet wurde.

2. Eine Entscheidung des [X.] ist auch nicht zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, denn das [X.] hat --im Gegensatz zum Vortrag der [X.] der statistischen Einordnung weder die Wirkung eines Grundlagenbescheides zugewiesen noch den Vorrang gegenüber der verarbeitenden Tätigkeit eingeräumt. Es hat vielmehr ausführlich begründet, dass es die auf den Produktionsberichten der Klägerin beruhende statistische Eingruppierung für zutreffend erachte.

3. Dem [X.] ist auch kein Verfahrensmangel unterlaufen, auf dem seine Entscheidung beruhen könnte. Von einer Begründung sieht der Senat ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O).

Meta

III B 2/09

30.08.2010

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 24. November 2008, Az: 1 K 1584/06, Urteil

§ 2 InvZulG 1999, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 950 BGB, § 171 Abs 10 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30.08.2010, Az. III B 2/09 (REWIS RS 2010, 3747)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3747


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. III S 41/10

Bundesfinanzhof, III S 41/10, 19.07.2011.


Az. III B 2/09

Bundesfinanzhof, III B 2/09, 30.08.2010.


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Referenzen
Wird zitiert von

1 BvR 857/07

Zitiert

1 BvR 857/07

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