Bundespatentgericht, Beschluss vom 18.02.2010, Az. 30 W (pat) 48/08

30. Senat | REWIS RS 2010, 9243

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Farbzusammenstellung blau/grau" – kein spezifisches Marktsegment - keine Unterscheidungskraft – fehlende Darlegung einer markenmäßigen Verwendung der Farbkombination – keine Verkehrsdurchsetzung


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 307 03 963.3

hat der 30. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 18. Februar 2010 durch die Richterin Winter als Vorsitzende, die Richterin [X.] und den Richter Schell

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Zur Eintragung für die Waren

2

„Klasse 5: Diätetische Erzeugnisse für besondere medizinische Zwecke zur diätetischen Behandlung von [X.], stressbedingten Erkrankungen, kardiovaskulären Erkrankungen, Osteoporose, Augenerkrankungen, Diabetes, Prostataerkrankungen, menopausalen Beschwerden, rheumatischen Erkrankungen, Arthrose, Demenzerkrankungen, Lebererkrankungen, Darmerkrankungen, Krebserkrankungen, Fettstoffwechselstörungen, Allergien, Aufmerksamkeitssyndrom ([X.], [X.]), Parodontopathien, [X.] beim [X.]“

3

Abbildung

4

[X.] ist mit folgenden Farben beansprucht: blau ([X.]), grau ([X.]) mit folgender Beschreibung:

5

„Die Farbmarke besteht aus einer Kombination der Farben blau und grau, wie in der Abbildung dargestellt, wobei die grauen Linien immer waagerecht auf blauem Fond verlaufen“.

6

Die Markenstelle hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass Farbmarken von Haus nur unter ganz besonderen Bedingungen geeignet seien, eine betriebliche Herkunftsfunktion zu erfüllen, da Farben und Farbkombinationen als Werbemittel, nicht aber als Herkunftshinweis eingesetzt werden. Bei pharmazeutischen Produkten könnten Farben dazu dienen, mehrere gleichzeitig einzunehmende Präparate auseinanderzuhalten.

7

Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt. Sie hält die Farbkombination für die beanspruchten Waren mit näheren Ausführungen für schutzfähig; im Bereich der diätetischen Erzeugnisse für besondere medizinische Zwecke sei es ungewöhnlich, Verpackungsmaterialien in einheitlicher Farbkombination zu verwenden; üblich seien vielmehr unterschiedliche Verpackungsgestaltungen. Sie weist ferner auf Eintragungen von Farbmarken für pharmazeutische Produkte hin. Jedenfalls sei die Marke wegen Verkehrsdurchsetzung einzutragen.

8

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

9

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des [X.] vom 5. Juni 2008 aufzuheben,

hilfsweise, die Sache zur Prüfung der Verkehrsdurchsetzung an das [X.] zurückzuverweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist in der Sache ohne Erfolg. Dem zur Eintragung angemeldeten Zeichen fehlt für die beanspruchten Waren jegliche Unterscheidungskraft im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Dass sich die angemeldete Marke infolge ihrer Benutzung für die angemeldeten Waren in den beteiligten Verkehrskreisen durchgesetzt haben könnte i. S. v. § 8 Abs. 3 [X.], hat die Anmelderin nicht schlüssig dargelegt.

Unterscheidungskraft im Sinne der genannten Vorschrift ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Sie entspricht der Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. [X.] [X.], 229, Nr. 27 f. - BioID; [X.], 674, Nr. 34 - [X.]; [X.], 417, 418 - [X.]; [X.], 850, Rdn. 18 - [X.]).

Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer abstrakten Farbmarke ist zu berücksichtigen, dass das angesprochene Publikum nicht daran gewöhnt ist, allein aus der Farbe von Waren oder ihrer Verpackung auf die Herkunft der Waren zu schließen, da eine abstrakte Farbe im Handel grundsätzlich nicht als Mittel der Identifizierung verwendet wird. Nur im Ausnahmefall unter außergewöhnlichen Umständen besteht die Möglichkeit der Bejahung der Unterscheidungskraft einer Farbmarke, nämlich auf spezifischen, eng begrenzten Bereichen von Waren oder Dienstleistungen; nur auf einem spezifischen Markt kann eine Gewöhnung des Verkehrs an Farben als Kennzeichnungsmittel erfolgen (vgl. [X.] GRUR 2003, 604, 607 f. Nr. 65, 66 - [X.]; [X.], 858, 860 Nr. 39 - 42 - [X.]; [X.]. 2005, 227, 231, Nr. 79 - Farbe Orange; [X.], 427, 428 - Lila-Schokolade). Für Farbzusammenstellungen gelten diese Bewertungsmaßstäbe entsprechend ([X.] a. a. O. - [X.]).

Gemäß der Rechtsprechung des [X.] geht der [X.] davon aus, dass nur in einem überschaubaren, von den Kennzeichnungsgewohnheiten anderer Branchen unabhängigen und somit spezifischen Marktsegment eine „Umgewöhnung“ des Verkehrs in der Wahrnehmung abstrakter Farben/Farbkombinationen stattfinden kann (vgl. [X.], 538 - grün eingefärbte Prozessorengehäuse; [X.], 1056, 1058 - Dunkelblau/Hellblau; [X.] (pat) 143/02 - gelber Zitzengummi, Zusammenfassung veröffentlicht bei [X.] PROMA; vgl. zu Beispielen aus der Rechtsprechung des [X.]/Hacker, [X.] 9. Aufl. § 8 Rdn. 205).

        

Vorliegend ist schon nicht dargelegt und auch nicht ersichtlich, dass von einem „spezifischen Markt“ mit besonderen Kennzeichnungsgewohnheiten ausgegangen werden könnte.

        

Die beanspruchten diätetischen Erzeugnissen für besondere medizinische Zwecke stellen im Oberbegriff zwar eine einzige und damit im Sinne der Rechtsprechung des [X.] eine sehr beschränkte Zahl von Waren dar. Wie sich aber schon aus der vollständigen Fassung des [X.] ergibt, handelt es sich um einen sehr weiten Oberbegriff, der zahlreiche unterschiedliche Waren beinhaltet; die Anmelderin nennt darin Produkte für neunzehn verschiedene Anwendungsgebiete wie stressbedingte Erkrankungen, Demenzerkrankungen oder auch Krebserkrankungen. Daraus folgt, dass diätetische Erzeugnisse für besondere medizinische Zwecke, ebenso wie Arzneimittel, unterschiedlichste Produkte mit unterschiedlichen Wirkstoffen und Wirkstoffzusammensetzungen wie auch einem sich daraus ergebenden breiten Spektrum von Abnehmern betreffen. Wie die von der Anmelderin eingereichten Verpackungsmuster ([X.] [X.]) sowie die Broschüren ([X.] A 3) zeigen, geht es in der Zusammensetzung der Produkte vielfach um mehr als zwanzig Inhaltsstoffe aus den Bereichen Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. Unter diesen Umständen kann nach Auffassung des [X.]s nicht von einer beschränkten Zahl von Waren und einem in sich abgeschlossenen spezifischen Marktsegment im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgegangen werden; die Bestimmung für „besondere medizinische Zwecke“ ändert am verwendeten [X.] nichts.

Da es bereits an der Grundvoraussetzung eines spezifischen, eng begrenzten Bereichs von Waren, und damit an einem spezifischen Marktsegment fehlt, erübrigt sich die Prüfung der Fragen, ob auf Grund der besonderen Umstände eines spezifischen Marktes, abweichend vom Regelfall, unter Berücksichtigung von Besonderheiten bei der Präsentation im Geschäftsverkehr, Farbkombinationen vom angesprochenen Verkehr als betrieblichen Herkunftshinweis bewertet werden und ob der Anmeldung konkret Unterscheidungskraft zukommt.

Es bleibt daher bei dem Grundsatz, dass der Einsatz von Farben und Farbkombinationen als Aufmachung aus der Sicht des [X.] branchenüblich ist und er aus diesem Grunde in der Verwendung einer Farbkombination, wie auf anderen [X.] auch, regelmäßig keine betriebliche Herkunftskennzeichnung sehen wird.

Die Anmelderin kann aus der Eintragung anderer Farbmarken keinen Anspruch auf Eintragung der vorliegenden Anmeldung herleiten. Der [X.] hat diese Ausführungen berücksichtigt, sieht sich aber nicht veranlasst, in gleichem Sinn zu entscheiden und die Eintragungshindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] unberücksichtigt zu lassen. Voreintragungen führen weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung zu befinden haben. Denn die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke stellt keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage dar ([X.] [X.], 674 Nr. 43, 44 - Postkantoor; [X.], 428 Nr. 63 - [X.]; [X.], 527, 529 - [X.]; [X.], 1093, 1095 Nr. 18 - [X.]; [X.], 333, 335 ff. - Papaya; [X.] 2007, 178, 180 ff. - [X.] ; [X.] 2007, 527, 531 - [X.]; [X.] 2008, 29 f. - Topline; bestätigt durch [X.] GRUR 2009, 667 Nr. 19 - Schwabenpost u. a.).

markenmäßige Benutzung des fraglichen Zeichens belegt wird, also die Herausstellung der beanspruchten Farbe im Marktauftritt und in der Werbung als Unternehmenshinweis (st. Rspr. vgl. [X.] GRUR 2002, 804, Nr. 64 - [X.]; [X.]. 2006, 842 - Form eines Bonbons II; BGH [X.], 710 Rdn. 23 - [X.]). [X.] auf der Grundlage konkreter Aufmachungen, wie sie von der Anmelderin vorgelegt wurden, sind für den Nachweis einer Verkehrsdurchsetzung in aller Regel ungeeignet. Dies insbesondere dann, wenn sie - wie die zu den Akten gereichten Beispiele zeigen - neben der Einfärbung des Hintergrundes der Verpackung in der angemeldeten Farbkombination andere Gestaltungselemente aufweisen, die vorrangig auf die jeweiligen Hersteller hinweisen, wie deren Firmenname - hier „ orthomol “ in Verbindung mit der jeweiligen Produktbezeichnung (immun pro, vital f, [X.]usw. in grafischer farblicher Gestaltung - oder Wort-/Bildmarken - hier verschiedene Bildelemente wie gelbgrüner Kreis mit blauem Ausschnitt oder weißer Kreis mit grafisch gestalteten Pfeilen. Ein markenmäßiger Gebrauch würde im vorliegenden Fall voraussetzen, dass die angemeldete Farbkombination an sich entsprechend der Hauptfunktion von Marken als unternehmensbezogenes Unterscheidungsmittel eingesetzt wurde; keineswegs ist es ausreichend, dass die Produktfarbe im geschäftlichen Verkehr „irgendwie“ in Erscheinung tritt. Ebenso wenig genügt eine mögliche Bekanntheit der betreffenden Produkte (vgl. [X.], in Büscher/[X.]/[X.], Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, § 8 [X.], Rdn. 53 m. w. N.). Stattdessen ist es unabdingbar, dass die konkrete Farbkombination unzweideutig als betriebliches Herkunftszeichen eingesetzt wurde, um für das angesprochene Publikum als solches erkennbar zu sein (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 8 Rdn. 382 f. m. w. N.). Dies kann zwar grundsätzlich auch dann der Fall sein, wenn das angemeldete Zeichen als Teil oder in Kombination mit einer anderen Marke benutzt wurde. Dies macht es aber nicht entbehrlich, dass die beteiligten Verkehrskreise die Benutzung des angemeldeten Zeichens an sich als markenmäßigen, eigenständig kennzeichnenden Hinweis ansehen müssen. Im Rahmen des Verkehrsdurchsetzungsverfahrens muss also die Glaubhaftmachung gelingen, dass ein erheblicher Teil der beteiligten Verkehrskreise die angemeldeten [X.] als selbständigen, auf ein bestimmtes Unternehmen bezogenen Herkunftshinweis ansieht. Davon kann vorliegend aber keine Rede sein.

für die Marke erbrachten Werbeaufwand. Dies gilt ebenso für Angaben zum Erfolg dieser Maßnahmen, d. h. zum erzielten Feedback bei den beteiligten Verkehrskreisen. Die Ausführungen und die eingereichten Fotos zur Präsentation in Apotheken ([X.] A 4) belegen die oben dargestellte markenmäßige Benutzung der Farbkombination nicht und sind nicht ausreichend, die dargestellten Mängel auszugleichen (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 8 Rdn. 383). Bei der gebotenen Gesamtschau aller vorgelegten Unterlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Anmeldemarke als markenmäßiger Hinweis auf die betriebliche Herkunft der beanspruchten Waren im Verkehr durchgesetzt hätte. Da es somit bereits an der Darlegung einer markenmäßigen Verwendung der beanspruchten Farbkombination fehlt, kommen weitere Ermittlungen des [X.]s oder eine Zurückverweisung der Sache an die Markenstelle nicht in Betracht.

Der [X.] kommt damit zum selben Ergebnis wie die Erste Beschwerdekammer des [X.] für den Binnenmarkt, die durch Beschluss vom 20. Mai 2008 ([X.]/2008-1) mit der Zurückweisung der Beschwerde die Zurückweisung der identischen Anmeldung durch den Prüfer bestätigt hat.

Meta

30 W (pat) 48/08

18.02.2010

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 18.02.2010, Az. 30 W (pat) 48/08 (REWIS RS 2010, 9243)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9243

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