Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2013, Az. 5 StR 189/13

5. Strafsenat | REWIS RS 2013, 5819

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5 StR 189/13

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

vom 15. Mai
2013
in der Strafsache
gegen

wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht

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Der 5. Strafsenat des [X.] hat am
15. Mai 2013
beschlossen:

1.
Auf die Revision des
Angeklagten wird
das Urteil des [X.] vom 21. Dezember 2012 gemäß § 349 Abs. 4
StPO

a)
aufgehoben, soweit der Angeklagte hinsichtlich der
Tat
1 (Einkaufsfahrt)
wegen Verstoßes gegen Wei-sungen während der Führungsaufsicht verurteilt worden ist; insoweit wird der Angeklagte freigespro-chen und fallen die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staats-kasse zur Last;

b)
im Ausspruch
über die Gesamtfreiheitsstrafe
dahin geändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfrei-heitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verur-teilt wird.

2.
Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer trägt die verbleibenden
Kosten des Rechtsmittels.

G r ü n d e

Das Landgericht hat
den Angeklagten wegen Verstoßes gegen Wei-sungen während der Führungsaufsicht in drei Fällen zu einer Gesamtfrei-heitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt.
Seine Revision ist im 1
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Umfang der Aufhebung erfolgreich; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Nach den Feststellungen des [X.] steht der mehrfach vor-bestrafte Angeklagte unter Führungsaufsicht nach Vollverbüßung zweier
Ge-samtfreiheitsstrafen
von einem Jahr und sechs Monaten und von zwei [X.] und fünf Monaten, die
durch Urteile des
[X.] vom 12.
Dezember 2007 und 12.
Dezember 2008 (nach Teilaufhebung des ersten Urteils) unter anderem wegen mehrerer Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern und der Vornahme exhibitionistischer
Handlungen verhängt wurden. Auch bei den [X.] handelt es sich überwiegend um exhibitionis-tische Taten, wobei der Angeklagte die geschädigten Mädchen meist auch sexuell auffordernd ansprach und ihnen
teilweise oberhalb der Bekleidung in den Schritt fasste oder sie sonst

in nicht sexueller Weise

berührte. In dem rechtskräftigen Führungsaufsichtsbeschluss vom 14.
März 2011 wurde der Angeklagte Kindern und Jugendlichen zu unterlassen, keine Orte aufzusuchen, an denen Kinder und Jugendliche sich üblicherweise aufzuhalten pflegen, namentlich sich von Schulen und Sportanlagen fern zu halten und überdies jegliche Tä-tigkeit zu unterlassen, durch welche er in Kontakt zu Kindern und Jugendli-chen

11).

Kurz nachdem der Angeklagte im April 2011 aus der Strafhaft entlas-sen worden war, traf er eine frühere Bekannte
wieder, bei der es sich um alleinerziehende Mutter von zwei vier und elf Jahre alten Töchtern
handelte ([X.]). In der Folgezeit kam es zu weiteren Kontakten mit der Frau und ihren Töchtern. Im [X.] 2011 fuhr der Angeklagte mit beiden Kindern allein
zum Einkaufen (Tat 1), im September 2011 besuchte er gemeinsam mit der Bekannten und ihren
Kindern einen Freizeitpark
und hielt sich während eines Zeitraums von 45 Minuten mit den beiden Mädchen allein
auf dem Gelände auf (Tat 2). Im Oktober 2011 sprach er in einem
Park ein 11-jähriges Mädchen an, das er 2
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unter anderem fragte, ob es
schon einmal Sex hatte und Sex mit ihm wolle
(Tat 3).

Die [X.]
ist der Auffassung, dass der Angeklagte in allen drei Fällen gegen das in dem Führungsaufsichtsbeschluss erteilte Verbot versto-ßen habe, unbeaufsichtigten Kontakt
zu Kindern aufzunehmen. Hierdurch habe er den Zweck der Maßregel gefährdet. Für die Taten 1 und 2 hat sie [X.] von fünf und vier Monaten und für die Tat 3

unter Zu-billigung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB

die
Einsatzstrafe von einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe verhängt.
[X.] Strafaussetzung zur Bewährung hat sie im Hinblick auf eine negative Kri-minalprognose abgelehnt.

2.
Die Feststellungen hinsichtlich der Tat
1 (Einkaufsfahrt) tragen nicht den Schuldspruch wegen Verstoßes gegen Weisungen während der [X.].

Die Weisung,

,
hat ihre gesetzliche Grundlage in § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB. Dort ist ausdrücklich bestimmt, dass der Verurteilte angewiesen werden kann, zu Personen einer bestimmten Gruppe, die ihm Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll damit verhindert werden, dass die verurteilte Person neue Kontakte zu potenziellen oder auch früheren Opfern herstellt, während das ebenfalls in § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB vorgese-hene Verkehrsverbot die Fortführung oder das Unterhalten eines bestehen-den Kontakts erfasst (vgl. BT-Drucks. 16/1993, S.
18). Die vorliegende, an die Terminologie des Gesetzestextes angelehnte Weisung ist demnach dahin zu verstehen, dass es dem Verurteilten untersagt ist, aus eigenem Antrieb und aktiv einen unmittelbaren Kontakt zu einem Mitglied der Personengruppe herzustellen (vgl. [X.], Urteil vom 7. Februar 2013

3 [X.]/12).
Ein er-weiterndes Verständnis dieser Weisung verbietet sich im Hinblick auf das 4
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Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG (vgl. [X.], Beschluss vom 24.
September 2011

2 BvR 1165/11, [X.], 481 zu Weisungen nach §
56c StGB; [X.]
aaO
und Urteil vom 18. Dezember 2012

1 StR 415/12, NJW 2013, 710).

Eine solchermaßen
verbotene Form der Kontaktaufnahme zu einem Kind ist bei der Tat
1 nicht festgestellt. Der Angeklagte hat zwar mit den Töchtern seiner verkehrt. Dieses Verhalten war ihm durch die betreffenden Weisungen jedoch nicht untersagt;
die ebenfalls in §
68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB vorgesehene Weisung, mit bestimmten Personen nicht zu verkehren, d.
h. mit ihnen in Fortsetzung der Kontaktaufnahme umzugehen (vgl. [X.], Urteil vom 7. Februar 2013

3 [X.]/12 mwN), ist in dem Be-schluss über die Ausgestaltung der Führungsaufsicht nicht enthalten.

Da weitergehende Feststellungen ausgeschlossen sind, spricht der Senat
den Angeklagten hinsichtlich der Tat 1
frei
und setzt die demgemäß zu mindernde Gesamtstrafe
entsprechend auf das nach §
54 Abs. 1 Satz
2, §
39 StGB
niedrigste Maß herab (§ 354 Abs. 1 StPO).

3.
Hinsichtlich der Tat 2 (Freizeitpark) liegt zwar kein Verstoß gegen das Kontaktverbot vor. Dass der Angeklagte die
Kinder
in Absprache mit der Mutter allein beaufsichtigt hat, stellt wiederum
keinen von den Weisungen untersagten Umgang mit den Kindern
dar.
In diesem Fall hat
der Angeklagte jedoch gegen die [X.] und Jugendliche sich üblicherweise aufzuhalten pflegen, namentlich

Dieses auf § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB gestützte Verbot genügt den Bestimmtheitsanforderungen. Da eine enumerative Aufzählung aller denkbaren Orte, die der verurteilten Person Gelegenheit oder Anreiz zu [X.] Straftaten bieten können, regelmäßig nicht möglich oder tunlich ist, muss es grundsätzlich ausreichen, solche Örtlichkeiten, deren Aufsuchen 7
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dem Angeklagten untersagt werden soll, ihrer Art nach zu bezeichnen (vgl.
[X.] aaO;
Fischer, StGB, 60. Aufl., § 68b Rn. 4); denn andernfalls würde §
68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB weitgehend leerlaufen. Im vorliegenden Fall sind die betreffenden Orte durch die beispielhafte Aufzählung bestimmter Plätze zusätzlich eingegrenzt. Hierdurch wird ausreichend klar, dass solche Orte gemeint sind, an denen sich nach ihrer Zweckbestimmung Kinder und Jugendliche typischerweise aufhalten.

Bei einem Freizeitpark
handelt es sich
um eine solche Örtlichkeit. Dass der Angeklagte
durch den

zumal kurzfristig unbeaufsichtigten

Auf-enthalt mit den beiden Kindern im Freizeitpark den Zweck der ihm erteilten Maßregel gefährdete, hat die [X.] rechtsfehlerfrei festgestellt.

4. Ohne dass es für die Entscheidung darauf ankommt, weist der [X.] darauf hin, dass die Weisung,

n-reichend bestimmt sein dürfte, um ein nach § 145a Satz 1 StGB strafbares Verhalten zu bezeichnen.

[X.]Sander Schneider

König Bellay

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Meta

5 StR 189/13

15.05.2013

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2013, Az. 5 StR 189/13 (REWIS RS 2013, 5819)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5819

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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5 StR 189/13

3 StR 486/12

2 BvR 1165/11

1 StR 415/12

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