Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 06.04.2022, Az. 2 BvR 2110/21

2. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2022, 326

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Obliegenheit zur nachträglichen Ergänzung der Begründung einer Verfassungsbeschwerde bei Veränderungen der Sach- bzw Rechtslage - hier: Auslieferung nach Rumänien - Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde mangels Auseinandersetzung mit weiteren Erklärungen der rumänischen Behörden zu den zu erwartenden Haftbedingungen


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 [X.] nicht erfüllt sind. Ihr kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 [X.] genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 [X.]). Die Verfassungsbeschwerde ist bereits unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen an eine substantiierte Begründung gemäß § 92, § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 [X.] genügt.

2

1. Wendet sich eine Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen, so bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden, argumentativen Auseinandersetzung mit der Entscheidung und deren konkreter Begründung (vgl. [X.] 88, 40 <45>; 101, 331 <345>; 105, 252 <264>; [X.]K 19, 388 <395>; stRspr) dahingehend, dass und weshalb bei dem substantiiert und schlüssig darzustellenden Sachverhalt unter Anknüpfung an die beziehungsweise Auseinandersetzung mit der hierzu bereits ergangenen Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.] 77, 170 <214 f.>; 79, 292 <301>; 99, 84 <87>; [X.]K 1, 227 <228>; 3, 213 <216>; 13, 128 <132>; 13, 544 <546>; stRspr) ein Verstoß der angegriffenen Entscheidung gegen das mit der Beschwerde geltend gemachte Grundrecht möglich erscheint (vgl. [X.] 28, 17 <19 f.>; 65, 227 <232 f.>; 67, 90 <94>; 89, 155 <171>; [X.]K 9, 174 <184 f.>; stRspr). Dabei sind auch die relevanten Dokumente vorzulegen oder inhaltlich wiederzugegeben, soweit ohne ihre Kenntnis eine Einschätzung, ob die Verfassungsbeschwerde Erfolg haben kann, nicht möglich ist (vgl. [X.] 112, 304 <314 f.>; [X.]K 14, 402 <417>).

3

Ein Beschwerdeführer ist gehalten, seine Verfassungsbeschwerde bei entscheidungserheblicher Veränderung der Sach- und Rechtslage aktuell zu halten und die Beschwerdebegründung gegebenenfalls nachträglich zu ergänzen (vgl. [X.] 106, 210 <214 f.>; [X.], Beschluss des [X.] vom 8. Juni 2021 - 1 BvR 2771/18 -, Rn. 57 und 64; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 9. Februar 2022 - 2 BvR 2027/19 -, Rn. 5). Ihn trifft eine aus § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 [X.] fließende [X.] für das (Fort-)Bestehen der Annahme- und Zulässigkeitsvoraussetzungen der Verfassungsbeschwerde im Zeitpunkt der Entscheidung des [X.] (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 22. Oktober 2021 - 1 BvR 1416/17 -, Rn. 7; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 9. Februar 2022 - 2 BvR 2027/19 -, Rn. 5).

4

2. Diesen Anforderungen genügt die Verfassungsbeschwerde nicht. Insbesondere hat der Beschwerdeführer nicht substantiiert dargelegt, dass das [X.] seiner Verpflichtung nach Art. 4 [X.], auf der zweiten Prüfungsstufe im Einzelfall gründlich zu prüfen und durch zusätzliche Informationen aufzuklären, ob der Beschwerdeführer nach seiner Überstellung in einer [X.] Haftanstalt einer Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt sein wird, nicht hinreichend nachgekommen ist (vgl. [X.] 156, 182 <200 ff. Rn. 42 ff.>). Der Beschwerdeführer hat die von den [X.] Behörden abgegebenen weiteren Erklärungen hinsichtlich der ihn im Falle seiner Übergabe erwartenden Haftbedingungen sowie den nach Eingang dieser zusätzlichen Informationen ergangenen Beschluss des [X.]s Frankfurt am Main vom 14. Januar 2022 - 1 Ausl A 123/21 - nicht vorgelegt. In diesem Beschluss hat das [X.] unter anderem festgestellt, dass die [X.] Behörden in den ergänzenden Erklärungen für die konkret bezeichneten Haftanstalten klargestellt hätten, dass sich die Angabe von 3 m² individueller Haftraum auf eine Gemeinschaftszelle beziehe und die Berechnung der Raumfläche die sanitären Anlagen nicht einbeziehe. Aus den ergänzenden Mitteilungen der [X.] Behörden ergäben sich auch keine Anhaltspunkte für unzureichende Haftbedingungen, die zu den beengten räumlichen Verhältnissen hinzutreten und einen Verstoß gegen Art. 4 [X.] beziehungsweise Art. 3 [X.] begründen könnten. Denn die [X.] Behörden hätten nunmehr im Einzelnen Angaben zu Bewegung, Frischluft und Tageslicht, Belüftung, Raumtemperatur und Beheizung in den Wintermonaten sowie zur Wahrung der Intimsphäre der Gefangenen und den Sanitär- und Hygienebedingungen gemacht. Hinweise auf defizitäre Haftbedingungen ergäben sich hieraus insgesamt nicht. Der Beschwerdeführer hat es versäumt, sich mit diesen weiteren Erklärungen der [X.] Behörden sowie mit der vom [X.] im Beschluss vom 14. Januar 2022 vorgenommenen Prüfung der den Beschwerdeführer im Falle seiner Überstellung erwartenden Haftbedingungen auseinanderzusetzen. Inwieweit das [X.] trotz dieser Prüfung die Aufklärungs- und Prüfungspflichten aus Art. 4 [X.] verletzt haben könnte, lässt sich seinem Vorbringen nicht entnehmen.

5

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

6

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 2110/21

06.04.2022

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 1. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend OLG Frankfurt, 1. November 2021, Az: 1 Ausl A 123/21, Beschluss

§ 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, Art 4 EUGrdRCh, Art 3 MRK

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 06.04.2022, Az. 2 BvR 2110/21 (REWIS RS 2022, 326)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 326

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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