Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.02.2016, Az. 2 StR 481/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2016, 16706

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:030216U2STR481.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
2 StR 481/14
vom
3.
Februar 2016
in der Strafsache
gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 3.
Februar 2016, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Dr. [X.]

als Vorsitzender,

[X.] am [X.]
Dr. [X.],
[X.]in
am [X.]
Dr. [X.],
[X.] am [X.]
Zeng,
[X.]in am [X.]
Dr. [X.],

[X.] beim [X.]

als Vertreterin
der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Rechtsanwalt

als [X.],

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
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3
-

Die Revision
des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 5. Juni 2014 wird verworfen.
Der Nebenkläger
hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten vom Vorwurf einer zum Nachteil des [X.] begangenen gefährlichen Körperverletzung aus tatsächli-chen Gründen freigesprochen. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des [X.] hat kei-nen Erfolg.

I.
Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Dem Angeklagten lag zur Last, dem Nebenkläger B.

am 29.
Juli 2011 im Verlaufe eines Streits mit einem Messer oder einem vergleichbaren spitzen Gegenstand in den Hals gestochen zu haben, wodurch der Nebenklä-1
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ger eine etwa zwei bis drei Zentimeter tiefe Stichwunde im Bereich der linken Halsseite erlitt.
2. Zwischen dem Angeklagten und dem im selben Haus wohnhaften [X.] bestanden
der langjährig betäubungsmittelab-hängige und regelmäßig neben Methadon weitere Suchtstoffe konsumierende Nebenkläger
den Angeklagten verdächtigte, seinen Fotoapparat an sich ge-nommen und veräußert zu haben. Der Nebenkläger begab sich am Tattag,
dem 29.
Juli 2011,
zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt, jedenfalls aber vor 16.00
Uhr,
in die Wohnung des Angeklagten, in der dieser gemeinsam mit dem Zeugen M.

Wodka konsumierte.
Gegen 15.50 Uhr versuchte der im 5.
Obergeschoss des Anwesens wohnhafte Nebenkläger, der eine rund zwei Zentimeter lange, eher oberflächli-che Messerstichverletzung am Hals links aufwies und desorientiert war, mit sei-nem Hausschlüssel in die in der 3.
Etage des Hauses gelegene Wohnung der Zeugin Br.

zu gelangen. Nachdem die Zeugin den Nebenkläger aufgefordert hatte, sich zu seiner eigenen Wohnung zu begeben, fand sie ihn wenig später zusammengesunken im Flur der zweiten Etage
vor.
Sie verständigte Polizei und Rettungsdienst;
der Nebenkläger wurde in ein Krankenhaus transportiert und dort behandelt.
Die Polizei verschaffte sich unter Hinzuziehung eines
Schlüs-seldienstes Zutritt zur Wohnung des Angeklagten und traf ihn dort erheblich alkoholisiert und mit einer Unterblutung an der linken Halsseite an; eine ihm um 18.00
Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 4,39
Promille.
3. Das [X.] vermochte zu dem weiteren Geschehen in der Woh-nung des Angeklagten keine Feststellungen zu treffen
und sich insbesondere nicht davon zu überzeugen,
dass es der Angeklagte war, der dem Nebenkläger 4
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mit einem Messer oder einem ähnlichen Gegenstand die Schnittverletzung am Hals beigebracht hatte.

II.
Die auf die Revision des [X.] veranlasste Überprüfung des an-gegriffenen Urteils zeigt keinen Rechtsfehler auf.
1.
Ein Verfahrenshindernis liegt nicht vor. Das [X.] hat seine sachliche Zuständigkeit zu Recht angenommen.

a) Insoweit ist folgendes Prozessgeschehen zu berücksichtigen:
Der Angeklagte war in dieser Sache erstinstanzlich mit Urteil des [X.] vom 3.
August 2012

17 Ds 690/11

wegen gefährlicher Kör-perverletzung u.a. zu Freiheitsstrafe verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegen
dieses Urteil hat er form-
und fristgerecht Berufung eingelegt. Die mit dem Rechtsmittel des Angeklagten befasste kleine [X.] des [X.]s Aachen hat
in der Berufungshauptverhandlung am 12.
April 2013
die Aussetzung der Hauptverhandlung und die Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens beschlossen, nachdem der in der Berufungshauptverhandlung informatorisch angehörte rechtsmedizini-sche
Sachverständige
ausgeführt
hatte, dass für den Fall des [X.] die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§
63 StGB) in Betracht zu ziehen sei. Nach
Eingang des vorläufigen schriftli-chen Gutachtens
eines psychiatrischen Sachverständigen, der zu demselben vorläufigen Ergebnis
gelangt war, hat die Berufungskammer das Verfahren mit Beschluss vom 21.
August 2013 in entsprechender Anwendung des §
225a [X.] der 6.
Großen [X.] des [X.]s Aachen mit der Bitte vorge-7
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legt, die Übernahme des Verfahrens zu prüfen. Mit Beschluss vom 26.
März 2014 hat die [X.] das Verfahren übernommen.
b)
Die sachliche Zuständigkeit des [X.]s ist gegeben.
[X.]) Der Senat kann offen lassen, ob ein Beschwerdeführer, der die Ab-gabe des Verfahrens durch die Berufungskammer und dessen Übernahme durch eine erstinstanzlich tätige [X.] des [X.]s als rechtsfeh-lerhaft [X.] will, verpflichtet ist, den behaupteten [X.] mit einer den Anforderungen des §
344 Abs.
2 Satz
2 [X.] genügenden Verfahrensrüge geltend zu machen (vgl. [X.],
Beschluss vom 30.
Juli 1996 -
5
StR 288/95, [X.]St 42, 205, 211 ff.; Urteil vom 22. April 1997 -
1 [X.], [X.]St 43, 53, 56) oder ob eine Überprüfung von Amts wegen zu erfolgen hat, weil die [X.] Zuständigkeit des [X.]s und damit zugleich die sachliche Zustän-digkeit des [X.] in Frage steht ([X.], Beschluss vom 12.
Dezember 1991 -
4 [X.], [X.]St 38, 172, 176; Urteil vom 27.
Februar 1992 -
4 StR 23/92, [X.]St 38, 212).
Gemäß §
6 [X.] ist die sachliche Zuständigkeit des zur Urteilsfindung berufenen Gerichts in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Nach §
269 [X.] bleibt es im Hauptverfahren aus Gründen der [X.] und der [X.] auch dann bei der Zuständigkeit des Gerichts höherer Ordnung, wenn seine Zuständigkeit tatsächlich nicht gegeben ist. Die weitergehende Zuständigkeit des Gerichts höherer Ordnung schließt diejenige eines Gerichts niederer Ordnung ein. Dieser Grundsatz erfährt eine Einschränkung nur in Fällen, in denen das Gericht höherer Ordnung seine [X.] mit sachfremden oder anderen, offensichtlich unhaltbaren Erwägun-gen begründet hat, sich seine Entscheidung mithin als (objektiv) willkürlich er-weist (vgl. [X.], Urteil vom 22.
April 1997 -
1 [X.], [X.]St 43, 53, 55 f.).
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bb) Jedenfalls zeigt die von Amts wegen veranlasste Überprüfung
der Annahme der sachlichen Zuständigkeit durch das [X.] keine Anhalts-punkte für das Vorliegen (objektiver) Willkür und damit kein Verfahrenshindernis auf.
Die sachliche Zuständigkeit des [X.]s war gegeben, weil im Falle des [X.] die Frage im Raume stand, ob die Unterbringung des [X.] in einem psychiatrischen Krankenhaus (§
63 StGB) anzuordnen ist. Eine solche Anordnung kann nur vom [X.] getroffen werden (§
74 Abs.
1 Satz
2 GVG).
Der Annahme sachlicher Zuständigkeit steht nicht entgegen, dass [X.] ein erstinstanzliches Urteil des Amtsgerichts ergangen ist und das [X.] in der Berufungsinstanz bei der kleinen [X.] als Berufungs-kammer (§
74 Abs.
3
GVG) anhängig gewesen ist. Ob die Übernahme des [X.]s durch das [X.] auf Vorlage des Vorsitzenden der Berufungs-kammer in entsprechender Anwendung des § 225a [X.] im Interesse der [X.]sbeschleunigung und der [X.] zulässig ist ([X.], Beschluss vom 19.
Dezember 2002 -
1 [X.], [X.], 320; [X.] in: [X.]/
[X.], [X.] 2011, §
225a Rn.
1; SK/[X.]-Deiters/[X.], 5.
Aufl., §
225a Rn.
3; KK-Gmel, [X.], 7.
Aufl., §
225a Rn.
4; SSW/Grube, [X.], 2.
Aufl., §
225a Rn.
4; LR-Jäger, [X.], 26.
Aufl., §
225a Rn.
6;
Hegmann NStZ 2000, 574, 575) oder ob eine entsprechende Anwendung der genannten Vorschrift in Ermangelung einer gesetzlichen Regelungslücke ausscheidet (KMR-[X.],
Stand:
Dezember 2001 §
225a Rn.
7;
KMR-Brunner, Stand:
Mai 2012 §
328 Rn.
25; [X.]/[X.], [X.], 58.
Aufl., §
225a Rn.
2;
[X.] NStZ 1981, 168, 170,
bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Das [X.] konnte sich für seine Rechtsauffassung, dass eine Übernahme des Verfahrens in entsprechender Anwendung des §
225a [X.] zulässig ist, 14
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auf die Entscheidung des 1.
Strafsenats des [X.] ([X.], [X.] vom 19. Dezember 2002 -
1 [X.], [X.], 320) und auf die herrschende Lehre stützen. Bei dieser Sachlage ist die Verfahrensbehandlung durch das [X.] nicht willkürlich.
2.
Soweit die Revision mit einer Verfahrensrüge beanstandet, dass das [X.] das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts nicht förmlich aufge-hoben habe, bleibt die Rüge ohne Erfolg. Mit dem Übernahmebeschluss des [X.]s vom 26.
März 2014 war
das erstinstanzliche Urteil prozessual überholt. Einer förmlichen Aufhebung der Entscheidung bedurfte es bei dieser Sachlage nicht
([X.], Beschluss vom 19. Dezember 2002 -
1 [X.], [X.], 320).

3.
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge zeigt keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob ihm dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung lücken-haft, in sich widersprüchlich oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder Erfah-rungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.;
vgl. Senat, Urteil vom 6.
November 1998 -
2 [X.], [X.]R [X.] §
261 Beweiswürdigung
16).
Nach diesen Maßstäben hält die Beweiswürdigung des [X.]s rechtlicher Überprüfung stand. Ausgehend von der Einlassung des Angeklag-ten, der eine Verletzung des [X.] in Abrede gestellt hat, und unter Berücksichtigung der die Einlassung des Angeklagten stützenden Bekundun-gen des Zeugen M.

hat das [X.] die den Angeklagten belas-tenden Angaben des [X.] einer sorgfältigen Glaubhaftigkeitsprüfung 17
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unterzogen. Dass es vor dem Hintergrund der wechselnden Angaben des [X.]s, des
mit seinen Angaben nicht in Einklang stehenden objektiven
Spurenbilds am Tatort und der problematischen Persönlichkeit des langjährig drogenabhängigen und zum Tatzeitpunkt unter dem Einfluss berauschender Mittel stehenden [X.]
Zweifel an der Glaubhaftigkeit
seiner Angaben nicht zu überwinden vermochte, ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

III.
Der Nebenkläger trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die dem [X.] insoweit entstandenen notwendigen Auslagen (§
473 Abs.
1 [X.]).

[X.] [X.] [X.]

Zeng

[X.]

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Meta

2 StR 481/14

03.02.2016

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.02.2016, Az. 2 StR 481/14 (REWIS RS 2016, 16706)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16706

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