Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.04.2011, Az. IX ZR 153/10

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 7454

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IX ZR 153/10
Verkündet am:

14. April 2011

Kluckow

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] VV Nr. 4141
Die Zusatzgebühr
nach Nr.
4141 Abs.
1 Nr.
1 [X.] VV fällt nicht an, wenn ein Straf-verfahren in der Hauptverhandlung nach §
153a [X.] vorläufig eingestellt wird und nach Erbringung der Auflage die endgültige Einstellung erfolgt.

[X.], Urteil vom 14. April 2011 -
IX ZR 153/10 -
LG [X.]

AG Tempelhof-Kreuzberg

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
14. April
2011
durch [X.] [X.], die Rich-ter Prof. Dr. Gehrlein, [X.], Grupp
und die Richterin
Möhring

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil der Zivilkammer 7 des [X.] vom 27. Juli 2010 wird auf Kosten des Klägers zurückge-wiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger beauftragte eine Rechtsanwältin, ihn in einem wegen einer Verkehrsstraftat gegen ihn geführten Strafverfahren zu vertreten. Im [X.]stermin stellte das Gericht das Strafverfahren gemäß §
153a [X.] unter der Auflage,
1.200

r-läufig ein. Nach
vollständiger Zahlung des Geldbetrages wurde das Verfahren endgültig eingestellt.

Gegenüber dem beklagten Rechtsschutzversicherer des [X.] die Rechtsanwältin neben der Terminsgebühr
auch eine zusätzliche Gebühr für die Erledigung des Verfahrens ohne Hauptverhandlung ab. Die Beklagte vertrat die Ansicht, diese Gebühr sei nicht angefallen.

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3
-

Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger Freistellung von der Zusatzgebühr nebst Umsatzsteuer (insgesamt 186,60

der Klage stattgegeben; das [X.] hat sie
abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will der Kläger
die Wiederherstellung des Urteils des Amtsgerichts erreichen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des
Klägers hat
keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht
hat ausgeführt,
der
Kläger habe keinen Anspruch auf Freistellung von der nach Nr.
4141 Abs.
1 Nr.
1 VV [X.] angesetzten [X.], weil diese nicht angefallen
sei. Eine zusätzliche Gebühr aufgrund der vorgenannten Bestimmung könne nicht entstehen, wenn
eine Hauptverhand-lung durchgeführt worden sei. Bereits der Wortlaut der angeführten Vergü-tungsregelung lege diese Auslegung nahe, weil die Einleitung zum Gebühren-tatbestand davon spreche, dass durch die anwaltliche Mitwirkung die [X.] entbehrlich werde. Auch aus dem
Sinn und dem Zweck der Vorschrift folge dieses Ergebnis. Intensive und zeitaufwändige Tätigkeiten des Strafver-teidigers, die zu einer Vermeidung der Hauptverhandlung und damit beim [X.] zum Verlust der Terminsgebühr führten, sollten [X.] werden. Ziel der Regelung sei damit eine Verringerung der Arbeitsbelas-tung der Gerichte. Sei
bereits eine Hauptverhandlung durchgeführt
worden,
könne
dieses Ziel nicht mehr erreicht werden.
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-
II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung
im Ergebnis stand. Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die vom Kläger [X.] gemachte zusätzliche Gebühr nach Nr.
4141 Abs.
1 Nr.
1 VV [X.] nicht angefallen ist.

1. Die Gebühr nach Nr.
4141 Abs.
1 Nr.
1 des [X.] zu §
2 Abs.
2 Satz 1 [X.] (fortan: VV [X.]), die allgemein als Befriedungsge-bühr bezeichnet wird ([X.] in [X.]/Schons/Enders, [X.],
Nr.
4141 Rn.
1; [X.], [X.] Straf-
und Bußgeldsachen,
2.
Aufl.,
4141
VV
[X.] Rn.
1),
entsteht, wenn "das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird" (Abs.
1 Nr.
1 der Erläuterungen). Der angeführten Norm hat der Gesetzgeber folgenden [X.] im Gebührentatbestand vorangestellt: "Durch die anwaltliche Mitwir-kung wird die Hauptverhandlung entbehrlich."

a) Wie der Begriff "die Hauptverhandlung"
im hier vorliegenden Fall der endgültigen Einstellung eines Verfahrens nach §
153a [X.] zu verstehen ist, ob die Gebühr also auch dann verdient ist, wenn das Strafverfahren im Rah-men einer Hauptverhandlung vorläufig eingestellt wird und die endgültige [X.] nach vollständiger Erfüllung der Auflagen geschieht, ist im Gesetz nicht näher geregelt.

b) In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur werden hierzu drei unterschiedliche Auffassungen vertreten.

aa)
Die Befriedungsgebühr falle stets an, weil der im Termin zur [X.] beschlossenen vorläufigen Einstellung eine neue Hauptverhand-6
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-
lung nachfolgen müsste, wenn der Angeklagte die Auflage nicht vollständig er-fülle. Diese neue Hauptverhandlung werde durch die endgültige Einstellung vermieden
([X.],
[X.], 288).

bb) Die Befriedungsgebühr falle niemals an, weil eine Hauptverhandlung, in die schon eingetreten sei, nicht mehr -
wie es Nr.
4141 VV [X.] vorausset-ze
-
entbehrlich gemacht werden könne
([X.], [X.] 2009, 588, 589 [zu [X.] VV Nr.
5115]; [X.], [X.] 2011, 26; [X.], Kostengesetze 41.
Aufl., 4141 VV [X.] Rn.
3).

cc) Die dritte Ansicht differenziert danach, ob eine unterbrochene [X.] vorliegt oder nach Aussetzung eine neue Hauptverhandlung anzu-beraumen ist. Bestünde
eine einheitliche Hauptverhandlung, deren weiterer Fortgang durch eine Einstellung abgekürzt werde, genüge dies nicht, um die Befriedungsgebühr entstehen zu lassen. Anders liege es nur, wenn die [X.] nach Aussetzung der Hauptverhandlung erfolge, weil hier die neue [X.] entbehrlich werde
([X.], [X.] 2006, 339, 340; [X.], [X.] 2007, 138, 139; [X.], [X.] 2008, 228;
[X.] in Ge-rold/[X.]/[X.], [X.],
19.
Aufl.,
VV 4141 Rn.
21; [X.], [X.] Straf-
und Bußgeldsachen, aaO Rn.
21; [X.] in [X.]/Schons/Enders, aaO Rn.
16
ff;
Uher in [X.] u.a., [X.],
3.
Aufl.,
VV 4141 Rn.
115a; [X.] in AnwKomm[X.], 5.
Aufl.,
VV 4141 Rn.
44
ff).

2.
Die
zuletzt genannte Auffassung ist zutreffend.

a) Die jetzt geltende Regelung der Nr.
4141 VV [X.] hat den Grundge-danken des §
84 Abs.
2 [X.] übernommen, nämlich intensive und zeitauf-wändige Tätigkeiten des Verteidigers, die zu einer Vermeidung der Hauptver-11
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handlung und damit beim Verteidiger zum Verlust der [X.] führten, gebührenrechtlich zu honorieren (BT-Drucks. 15/1971, S.
227; [X.], Urteil vom 5.
November 2009 -
IX
ZR 237/08, [X.], 1209 Rn.
10). Die Befriedungsgebühr der Nr.
4141 VV [X.] soll den Anreiz, Verfahren ohne Hauptverhandlung zu erledigen,
erhöhen,
und somit zu weniger [X.] führen (BT-Drucks. 15/1971, S.
227 f). Ziel der Regelung ist damit eine Verringerung der Arbeitsbelastung der Gerichte. Dieses Ziel soll durch eine
adäquate Vergütung des Verteidigers bereits im Vorfeld der Hauptverhandlung erreicht werden ([X.], Urteil vom 5.
November 2009 -
IX
ZR 237/08, aaO).

b)
Dieser Normzweck spricht
entscheidend dafür, dass eine Einstellung, die innerhalb der Hauptverhandlung erfolgt, eine Befriedigungsgebühr nicht mehr auszulösen vermag. Dabei ist es gleichgültig, ob die Einstellung am [X.] oder an einem späteren [X.] geschieht, insbesondere, ob hierdurch Fortsetzungstermine vermieden werden. Im [X.] auf den Grundsatz der Einheitlichkeit der Hauptverhandlung kann die [X.] der Entbehrlichkeit der Hauptverhandlung nur einheitlich beantwortet wer-den. Wird
dagegen eine anberaumte Hauptverhandlung durch Aussetzung des Verfahrens nicht zu Ende geführt, kann wegen einer später in Betracht [X.] neuen Hauptverhandlung der Normzweck der
Nr.
4141 Abs.
1 Nr.
1 VV [X.] wiederum zur Entfaltung gelangen
(vgl. [X.], [X.] 2007, 138, 139). Wird unter diesen Umständen eine neue Hauptverhandlung entbehr-lich, weil das Verfahren unter Mitwirkung des Rechtsanwalts nicht nur vorläufig eingestellt wird, so entsteht die Gebühr der Nr.
4141 Abs.
1 Nr.
1 VV [X.] (Har-tung in [X.]/Schons/Enders, aaO Rn.
18).

c) Dass im Falle der Nichterfüllung der Auflage eine neue Hauptverhand-lung anberaumt werden müsste, die durch die endgültige Einstellung vermieden 15
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werde, ist kein Gesichtspunkt, der das Entstehen der Gebühr der Nr.
4141 Abs.
1 Nr.
1 VV [X.] zu begründen vermag. Hierbei handelt es sich um eine reine spekulative Erwägung. Kommt der Angeklagte den ihm erteilten Auflagen vollständig nach, so entsteht das zuvor bedingte Verfahrenshindernis (§
153a Abs.
2 in Verbindung mit Abs.
1 Satz 3
[X.])
endgültig ganz von selbst; dem endgültigen Einstellungsbeschluss kommt nur eine deklaratorische Bedeutung zu ([X.], [X.], 6.
Aufl.,
§
153a Rn.
41, 43; [X.], [X.], 53.
Aufl.,
§
153a Rn.
52, 53). Die endgültige Einstellung ist zwingend, sie hängt ausschließlich von dem Leistungswillen und der Leistungsfähigkeit des Ange-klagten ab.

Kayser
Gehrlein
Fischer

Grupp
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 01.10.2009 -
18 [X.]/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 27.07.2010 -
7 S 48/09 -

Meta

IX ZR 153/10

14.04.2011

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.04.2011, Az. IX ZR 153/10 (REWIS RS 2011, 7454)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7454

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZR 153/10

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