Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.03.2004, Az. V ZR 37/03

V. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 4130

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL [X.] Verkündet am: 12. März 2004 K a n i k, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

ZPO § 310

Wird ein Urteil entgegen § 310 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht verkündet, den [X.]en aber zum Zwecke der Verlautbarung förmlich zugestellt, so liegt eine bloß fehlerhaf-te Verlautbarung vor, die die Wirksamkeit der Entscheidung nicht berührt.
GG Art. 103 Abs. 1

Ein im schriftlichen Verfahren vor dem anberaumten [X.] erlassenes [X.] kann den Anspruch des [X.] auf Gewährung rechtlichen [X.] verletzen.

[X.], Urt. v. 12. März 2004 - [X.] - [X.]

AG [X.]

- 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. März 2004 durch den Vizepräsidenten des [X.] Dr. [X.], [X.] [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.] für Recht erkannt: Auf die Rechtsmittel der Kläger werden das Urteil des [X.] vom 23. Dezember 2002 und das Urteil des Amtsge-richts [X.] vom 25. März 2002 nebst dem ihm zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das Amtsgericht [X.] zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben.

Von Rechts wegen Tatbestand:

Die Kläger erwarben 1999 von der Beklagten mit dem Sondereigentum an mehreren Wohnungen verbundene Miteigentumsanteile eines Grundstücks in [X.]. Mit der Behauptung, die Beklagte habe den Befall des [X.] - des mit echtem Hausschwamm arglistig verschwiegen, haben sie zunächst Ko-sten einer Schwammsanierung in Höhe von 9.450.- DM geltend gemacht.

Nach der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme, in der ein frü-herer Bewohner des Hauses ausgesagt hat, daß sich bei seinem Einzug 1986 meterlange Fruchtkörper des Schwamms an der Außenwand des Gebäudes befunden hätten, er deshalb mehrmals die Woche ein chemisches [X.] gespritzt und die Kosten hierfür von der Rechtsvorgängerin der Beklagten erstattet bekommen habe, hat der Prozeßbevollmächtigte der Kläger erklärt, er prüfe, inwieweit ein Rücktritt vom Kaufvertrag in Betracht komme, und eine Klageerweiterung angekündigt.
Anschließend hat das Amtsgericht mit Zustimmung der [X.]en das schriftliche Verfahren angeordnet, eine [X.] —zur [X.] bis zum 20. März 2002 gesetzt und [X.] für den 24. April 2002 bestimmt. Am 20. März 2002 haben die Kläger wegen schwebender [X.] gebeten, die Frist bis zum 10. April 2002 zu verlängern und einen gleichlautenden Antrag der Gegenseite angekündigt. Mit Schriftsatz vom 21. März 2002 hat die Beklagte die Klageforderung anerkannt und gleichzeitig mitgeteilt, daß noch Vergleichsverhandlungen liefen, um die Gesamtproblema-tik einvernehmlich zu klären. Am 25. März 2002 hat das Amtsgericht ohne vorherige Ankündigung ein [X.] erlassen. Der Beklagten ist es förmlich zugestellt, den [X.] zusammen mit der Abschrift des Anerkenntnisses zunächst formlos über-sandt worden. - 4 - Die Kläger, die nunmehr die Rückabwicklung des [X.], haben gegen das [X.] Berufung eingelegt. Das [X.] hat den [X.]en mitgeteilt, daß das Amtsgericht auch im Hinblick auf die feh-lende Verkündung des Urteils aufgefordert worden sei, die Zustellung des [X.] an die Kläger zu bewirken, was im Juli 2002 geschehen ist. Anschließend hat das [X.] die Berufung mangels Beschwer der Kläger als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich ihre - von dem Senat zugelas-sene - Revision. Entscheidungsgründe:
[X.] Das Berufungsgericht meint, das angefochtene Urteil sei trotz unterblie-bener Verkündung infolge der förmlichen Zustellung an die [X.]en wirksam geworden. Zwar sehe die Zivilprozeßordnung eine Zustellung an [X.] Statt für ein im schriftlichen Verfahren erlassenes [X.] nicht vor. Gleichwohl sei eine, wenn auch fehlerhafte, Verlautbarung des Urteils vorge-nommen worden, so daß nicht etwa ein Nichturteil, sondern ein rechtsmittelfä-higes Urteil vorliege. Dieses beschwere die Kläger nicht, da ihrem zuletzt ge-stellten Antrag voll entsprochen worden sei. Eine Beschwer liege auch nicht darin, daß es den Klägern im erstinstanzlichen Verfahren nicht möglich gewe-sen sei, einen geänderten Sachantrag zu stellen. Für das Amtsgericht habe keine Veranlassung bestanden, den Klägern nach Eingang des [X.] nochmals rechtliches Gehör zu gewähren, nachdem sie den Erlaß eines [X.]s bereits in der Klageschrift beantragt und die bis zum - 5 - 20. März 2002 gewährte [X.] nicht zu einer Antragsänderung genutzt hätten. I[X.]

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Nicht zu beanstanden ist allerdings die Annahme des Berufungsge-richts, das [X.] sei, wenn auch fehlerhaft, verlautbart worden und damit wirksam.
a) Ein Urteil wird erst durch seine förmliche Verlautbarung mit allen pro-zessualen und materiellrechtlichen Wirkungen existent. Vorher liegt nur ein - allenfalls den Rechtsschein eines Urteils erzeugender - Entscheidungsent-wurf vor ([X.] 14, 39, 44). Die Verlautbarung eines Urteils erfolgt [X.] öffentlich im Anschluß an die mündliche Verhandlung oder in einem hierfür anberaumten Termin durch das Verlesen der Urteilsformel (§§ 310 Abs. 1 Satz 1, 311 Abs. 2 Satz 1 ZPO, § 173 Abs. 1 GVG). Im schriftlichen Verfahren sind Urteile in einem nach § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu bestimmenden Termin zu verkünden. Abweichendes gilt nur für [X.] und [X.], die im schriftlichen Vorverfahren (§§ 307 Abs. 2, 331 Abs. 3 ZPO) ergehen; hier wird die Verkündung durch die Zustellung des Urteils ersetzt (§ 310 Abs. 3 ZPO). Da das vom Amtsgericht im schriftlichen Verfahren vorbereitete Aner-kenntnisurteil nicht unter die Vorschrift des § 310 Abs. 3 ZPO fiel, entsprach eine Verlautbarung durch Zustellung an die [X.]en nicht den gesetzlichen - 6 - Formerfordernissen, vielmehr hätte das Urteil in einem zu diesem Zweck anzu-beraumenden Termin verkündet werden müssen.
b) Der Verfahrensfehler führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit des Aner-kenntnisurteils. Nach der Rechtsprechung des [X.] stehen Ver-kündungsmängel dem wirksamen Erlaß eines Urteils nur entgegen, wenn ge-gen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so daß von einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen ge-wahrt, hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entste-hen eines wirksamen Urteils nicht (vgl. [X.] 14, 39, 44 ff.; [X.], Urt. v. 16. Oktober 1984, [X.], NJW 1985, 1782, 1783). Zu den Mindestan-forderungen gehören, daß die Verlautbarung von dem Gericht beabsichtigt war oder von den [X.]en derart verstanden werden durfte und die [X.]en von Erlaß und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden. Mit dem [X.] der Verlautbarung nicht unvereinbar ist dagegen eine Bekanntgabe des Urteils durch Zustellung statt durch Verkündung in öffentlicher Sitzung, da dies eine gesetzlich vorgesehene, wenn auch anderen Urteilen vorbehaltene Ver-lautbarungsform (§ 310 Abs. 3 ZPO) erfüllt. Wird ein § 310 Abs. 1 ZPO [X.] Urteil den [X.]en an [X.] Statt förmlich zugestellt, liegt deshalb kein Verstoß gegen unverzichtbare Formerfordernisse, sondern ein auf die Wahl der Verlautbarungsart beschränkter Verfahrensfehler vor (vgl. [X.], Urt. v. 16. Oktober 1984, [X.], [X.], 1192, 1993; [X.] 17, 286, 288; [X.], ZPO 21. Aufl., § 310, Rdn. 26; Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 310, Rdn. 10; [X.]/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 310, Rdn. 6). - 7 - Nach diesen Grundsätzen ist das erstinstanzliche Urteil wirksam ver-lautbart worden. [X.] hat die Übersendung des Urteils an die [X.]en selbst verfügt, so daß sein Wille, die Entscheidung zu erlassen, trotz des Verstoßes gegen § 310 Abs. 1 Satz 1 ZPO außer Frage steht. Bei der Verfügung ist ihm zwar ein (weiterer) Fehler insoweit unterlaufen, als er die Zu-stellung des Urteils nur an die Beklagten angeordnet und im übrigen eine form-lose Übersendung als ausreichend angesehen hat. Jedoch ist die Zustellung an die Kläger durch das Amtsgericht nachgeholt worden, wobei diese aufgrund des vorausgegangenen Schreibens des Berufungsgerichts nicht darüber im Unklaren sein konnten, daß eine Zustellung an [X.] Statt beabsichtigt war.
c) Ist somit von einer wirksamen Verlautbarung des Urteils auszugehen, stellt sich die unterlassene Verkündung in einem gesonderten Termin lediglich als Verfahrensfehler dar, der auf eine Rüge hin nur dann zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils geführt hätte, wenn die Entscheidung auf der [X.] beruhte, ohne den Fehler also anders hätte [X.] können (§ 545 Abs. 1 ZPO). Dafür ist hier aber, wie das Berufungsgericht zutreffend und von der Revision unbeanstandet angenommen hat, nichts ersichtlich.
2. Unzutreffend ist demgegenüber die Auffassung des Berufungsge-richts, die Berufung gegen das [X.] sei unzulässig, weil es an der nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderlichen Beschwer der Kläger fehle.
a) Die klagende [X.] ist beschwert, wenn die angefochtene Entschei-dung von ihren in der Instanz gestellten Anträgen abweicht (sog. formelle Be-- 8 - schwer, vgl. [X.] 140, 335, 338; [X.], Urt v. 29. Juni 2000, [X.], NJW-RR 2001, 620, 621). Das ist der Fall, wenn das Gericht über einen Sachantrag befunden hat, der nicht (mehr) Gegenstand des Rechtsstreits war ([X.], Urt. v. 9. Oktober 1990, [X.], NJW 1991, 703, 704; BayObLG WE 1997, 117, 118), und zwar auch dann, wenn die Entscheidung der [X.] scheinbar günstig ist. Denn auch aus der Zuerkennung eines Anspruchs [X.], insbesondere im materiellen Recht begründete, unerwünschte Folgen er-wachsen, deren Beseitigung der betroffenen [X.] möglich sein muß.
b) Das Amtsgericht durfte den ursprünglichen, auf den sogenannten kleinen Schadensersatz gerichteten Klageantrag im Zeitpunkt seiner Entschei-dung nicht mehr als gestellt ansehen.
[X.]) Grundsätzlich kann das Gericht zwar davon ausgehen, daß ein ein-mal gestellter Sachantrag aufrechterhalten bleibt und ihn deshalb auch dann zur Grundlage seiner Entscheidung machen, wenn er in einer späteren [X.] nicht erneut gestellt worden ist (vgl. Senat, [X.] 141, 184, 193; Zöl-ler/[X.], [X.]O., § 137 Rdn. 2). Hält die klagende [X.] dagegen an ihrem bisherigen Antrag erkennbar nicht fest, so darf das Gericht, dessen [X.] durch den Klageantrag beschränkt ist (§ 308 Satz 1 ZPO), über ihn nicht mehr befinden. Fehlt jeglicher Sachantrag des [X.], kann die Ge-genseite nicht verurteilt werden (vgl. [X.] 23, 146; [X.]/Musielak, § 308, Rdn. 14). Inwieweit eine [X.] ihren zu Beginn einer mündlichen Verhandlung gestellten Antrag zurücknehmen kann, um als säumig zu gelten (vgl. [X.] 63, 94; [X.]/[X.], [X.]O., § 333, Rdn. 1), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn den Klägern ging es nicht darum, durch eine Flucht - 9 - in die Säumnis den Erlaß eines kontradiktorischen Urteils zu ihren Ungunsten zu verhindern.
[X.]) Im Zeitpunkt des Erlasses des [X.]s hielten die Kläger an ihrem ursprünglichen Klageantrag nicht mehr fest.
Die Kläger hatten bereits mit ihrer Ankündigung einer Klageerweiterung und der Prüfung, inwieweit ein Rücktritt vom Kaufvertrag in Betracht komme, nach der Beweisaufnahme zu erkennen gegeben, daß ihnen eine abschließen-de Entscheidung, über welchen Sachantrag das Gericht befinden solle, nicht möglich sei. Ihre Bezugnahme auf den bisherigen Sachantrag stand damit er-sichtlich unter dem Vorbehalt einer kurzfristigen Änderung.
Nach Anordnung des schriftlichen Verfahrens war eine solche Änderung bis zum Ablauf der nach § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO gesetzten [X.] möglich. Daß das Amtsgericht die [X.] nur —zur [X.] gewährt hatte, steht dem nicht entgegen. Diese Einschränkung war unbeacht-lich, da sie der gesetzlichen Ausgestaltung des schriftlichen Verfahrens zu[X.]lief. Sie rechtfertigt auch nicht die Annahme, das Amtsgericht habe den [X.] nur ein auf eine Stellungnahme zur Beweisaufnahme be-schränktes Nachschubrecht einräumen wollen. Abgesehen davon, daß eine solche Verfahrensweise fehlerhaft gewesen wäre, da die Verhandlung über die Beweisaufnahme (§ 285 Abs. 1 ZPO) nicht entsprechend § 283 ZPO durchge-führt werden kann (vgl. [X.]/[X.], [X.]O., § 285 Rdn. 2), läßt die [X.], unter Bezugnahme auf § 128 Abs. 2 ZPO erfolgte Anordnung des schriftli-chen Verfahrens und die Zustimmung der [X.]en hierzu keinen Zweifel an der Absicht des Amtsgerichts, in diese Verfahrensart zu wechseln. - 10 -
Der rechtzeitig gestellte Antrag auf Verlängerung der [X.] bis zum 10. April 2002 ließ erkennen, daß die Kläger ihren bisherigen Sachantrag nicht mehr zur Entscheidung stellten. Die Kläger hatten sich mit Rücksicht auf die darin erwähnten schwebenden Vergleichsverhandlungen mit der Beklagten ersichtlich noch nicht auf ihr weiteres Vorgehen im Prozeß festgelegt. Der er-wogene —[X.] vom Kaufvertrag war ihnen aus materiell-rechtlichen Grün-den allerdings nur möglich, solange keine rechtskräftige Entscheidung über den bislang geltend gemachten kleinen Schadensersatzanspruch erging. Denn das Wahlrecht des Gläubigers sowohl zwischen den in § 463 [X.] aufgeführ-ten Gewährleistungsrechten wie auch zwischen den verschiedenen Arten des Schadensersatzes erlischt, wenn einer der möglichen Ansprüche bzw. ein nach einer bestimmten Berechnungsweise geltend gemachter Schadensersatzan-spruch rechtskräftig zuerkannt worden ist (vgl. für die Wahl zwischen den [X.]: Soergel/[X.], [X.], 12. Aufl., § 465 Rdn. 29; für die Wahl der Schadensberechnung: [X.] 119, 20, 23 f.). Angesichts dieser Rechtslage und der vorausgegangenen Änderungsankündigung mußte dem Amtsgericht deutlich sein, daß die Kläger eine Entscheidung über ihren bishe-rigen Antrag nicht wünschten, sie ihn also nicht mehr stellten. Für diese Ausle-gung sprach auch das Anerkenntnis der Beklagten. Der darin enthaltene Zu-satz, es liefen noch Vergleichsverhandlungen, um die Gesamtproblematik zu klären, wies darauf hin, daß das Anerkenntnis nur einen Teil dessen abdeckte, was sich zwischen den [X.]en nunmehr im Streit befand, und machte damit deutlich, daß der ursprüngliche Klageantrag infolge der Entwicklung der [X.] seit der Beweisaufnahme überholt war. - 11 - c) Der Wert des [X.] übersteigt 600 Euro. [X.] läßt sich dieser nicht wie im Regelfall ermitteln, also nach der Differenz zwischen dem in der unteren Instanz gestellten Antrag und dem rechtskraftfä-higen Inhalt des angefochtenen Urteils, wenn über einen nicht mehr aufrecht-erhaltenen Antrag befunden und dem Rechtsmittelführer zugleich die [X.] genommen wurde, einen neuen Antrag zu stellen. Andernfalls fehlte es in einem solchen Fall mangels wirksamen Antrags stets an einer Beschwer. Die Beschwer kann sich deshalb nur nach der Differenz zwischen dem Inhalt des angefochtenen Urteil und dem anhand seines Streitverhaltens zu bestimmen-den Rechtsschutzziel des Rechtsmittelführers bemessen (vgl. [X.]/[X.], 2. Aufl., [X.], Vor § 511, Rdn. 15). Da die Kläger beabsichtigten, einen Antrag auf Rückzahlung des Kaufpreises von über 100.000 Euro zu stellen, bleibt das erstinstanzliche Urteil in einem die An-forderungen des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO weit übersteigenden Umfang hinter ihrem Rechtsschutzziel zurück.
3. Die Berufung der Kläger war auch begründet, da der Verstoß des Amtsgerichts gegen § 308 Abs. 1 ZPO von Amts wegen beachtet werden muß-te (vgl. [X.], Urt. v. 7. März 1989, [X.], NJW-RR 1989, 1087) und der erstinstanzlichen Entscheidung die Grundlage entzog.
4. Auf die von der Revision angegriffene Auffassung des Berufungsge-richts, die Verfahrensweise des Amtsgerichts habe den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt, weil keine Veranlassung [X.] habe, ihnen das Anerkenntnis der Beklagten zur Kenntnis zu bringen, kommt es bei dieser Sachlage nicht an. Allerdings hat das Berufungsgericht hier Inhalt und Tragweite des Art. 103 Abs. 1 GG grundlegend verkannt. - 12 -
Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den [X.]en ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, daß sie ihr Verhalten im Prozeß eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können ([X.] NJW 2003, 3687; [X.]E 89, 28, 35). Dem Informationsanspruch der [X.]en unterliegt der gesamte Prozeßstoff, einschließlich der verfahrensbezogenen Handlungen der Gegenseite. Hierzu zählt auch das Anerkenntnis einer [X.].
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts machte es der in der Klageschrift vorsorglich gestellte Antrag auf Erlaß eines [X.]s nicht entbehrlich, die Kläger über das Anerkenntnis der Beklagten zu [X.]. Die Möglichkeiten, auf ein Anerkenntnis zu reagieren, erschöpfen sich nicht in dem - nach der Neufassung des § 307 ZPO durch das [X.] vom 27. Juli 2001 ([X.]l I S. 1887) ohnehin nicht mehr erforderlichen - Antrag auf Erlaß eines [X.]s. Vielmehr soll die Gegenseite auch die Möglichkeit zu einer Stellungnahme und zur Anpassung ihres Verhaltens an die neue prozessuale Situation erhalten. Sie kann im Ein-zelfall Anlaß haben, sich zur Wirksamkeit oder Reichweite des [X.] zu äußern oder einen weitergehenden, vom Anerkenntnis nicht umfaßten Sachantrag zu stellen. Werden einer [X.] diese Möglichkeiten durch die Ver-fahrensweise des Gerichts vorenthalten, ist der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Vorliegend kommt hinzu, daß die Kläger eine Antragsänderung ange-kündigt hatten, das Amtsgericht also auch nach den konkreten Umständen des Einzelfalls mit einer Reaktion auf das Anerkenntnis rechnen mußte. Das gilt, anders als das Berufungsgericht meint, auch nach Ablauf der bis zum 20. März - 13 - 2002 gesetzten [X.]. Zum einen hatten die Kläger um eine Verlänge-rung dieser Frist wegen schwebender Vergleichsverhandlungen gebeten, zum anderen hatte die Beklagte das Anerkenntnis mit dem Bemerken verbunden, die Vergleichsverhandlungen dauerten an, um die Gesamtproblematik einver-nehmlich zu klären. [X.] das Anerkenntnis aber keinen Abschluß der Auseinandersetzung, sondern nur eine Teileinigung zwischen den [X.]en [X.], durfte das Amtsgericht nicht davon ausgehen, daß sich eine Stellungnah-me der Kläger zu dem Anerkenntnis erübrigte. Vielmehr lag es nahe, daß die Kläger zunächst den Ausgang der Vergleichsverhandlungen abwarten, sich aber für den Fall deren Scheiterns alle prozessualen Möglichkeiten offen [X.] wollten, wobei sie im Hinblick auf den erst für den 24. April 2002 anberaum-ten [X.] vor diesen Zeitpunkt mit einer Entscheidung des [X.] auch nicht zu rechnen brauchten. Der Erlaß des [X.]s stellt sich deshalb auch als unzulässige Überraschungsentscheidung dar.
5. Da das Urteil des Amtsgerichts an einem wesentlichen Verfahrens-mangel leidet, ist die Sache unter Aufhebung des Verfahrens zur neuen [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten beider Rechtsmittel, an das Amtsgericht zurückzuverweisen (§§ 563 Abs. 1, 562 Abs. 2, 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Hiervon ausgenommen sind die Gerichtskosten der [X.], die der Senat in Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG niedergeschla-gen hat. [X.]

Klein

Gaier

Stresemann

Meta

V ZR 37/03

12.03.2004

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.03.2004, Az. V ZR 37/03 (REWIS RS 2004, 4130)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 4130

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.