Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.12.2015, Az. 4 StR 430/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 1304

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Strafverfahren wegen Betäubungsmitteldelikten: Konkurrenzverhältnis beim Zusammentreffen von täterschaftlichem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge


Tenor

1. Dem Angeklagten wird gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 9. Juni 2015 von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen schuldig ist.

Die Einzelstrafe für die Tat II.1. der Urteilsgründe entfällt.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

4. Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen und wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Des Weiteren hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und auf Verfall von [X.] in Höhe von 1.660 € erkannt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.

2

Hinsichtlich der Versäumung der [X.] ist dem Angeklagten gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 StPO von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil den Angeklagten an der unvollständigen Übermittlung des die Revisionsbegründung enthaltenen Telefaxschreibens seines Verteidigers an das [X.] am letzten Tag der Begründungsfrist kein Verschulden trifft.

3

Das Rechtsmittel führt zu einer Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

4

Nach den Feststellungen bezog der Angeklagte im Januar 2015 in zwei Fällen 30 und 33 Gramm [X.] mit einem Wirkstoffgehalt von jeweils mindestens 40 % [X.]. Während jeweils 10 Gramm der beschafften Mengen dem Eigenkonsum dienten, streckte der Angeklagte das übrige [X.] auf das Doppelte und verkaufte es gewinnbringend an verschiedene Abnehmer weiter (Taten II.2. und 3. der Urteilsgründe). Bei einer weiteren Beschaffungsfahrt am 23. Januar 2015 erwarb der Angeklagte von seinem Lieferanten 68,35 Gramm [X.] mit einem Wirkstoffgehalt von 48 % [X.], von welchem wiederum 10 Gramm für den Eigenkonsum und 58,35 Gramm zur gewinnbringenden Weiterveräußerung bestimmt waren (Tat II.4. der Urteilsgründe). Nach der Festnahme des Angeklagten wurden bei einer Durchsuchung am Arbeitsplatz des Angeklagten zum Eigenkonsum bestimmte 14,87 Gramm Heroinzubereitung mit einer Wirkstoffkonzentration von 44,8 % [X.] sichergestellt. Dieses [X.] hatte der Angeklagte an einem nicht näher bestimmbaren [X.] erworben und in seinem Spind bereit gehalten, um etwaig auftretenden Entzugserscheinungen während der Arbeit entgegenwirken zu können und sich auf diese Weise arbeitsfähig zu halten (Tat II.1. der Urteilsgründe).

II.

5

Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils kann nicht bestehen bleiben, weil sich die rechtliche Würdigung des [X.]s hinsichtlich des [X.] als unzutreffend erweist.

6

Nach der Rechtsprechung des [X.] verwirklicht der gleichzeitige Besitz unterschiedlicher Betäubungsmittelmengen den Tatbestand des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln nur einmal (vgl. [X.], Beschlüsse vom 25. Februar 2015 – 4 StR 516/14, [X.], 174 f.; vom 16. Juli 2013 – 4 StR 144/13, [X.], 163; vom 17. März 2010 – 2 [X.] Rn. 2; vom 12. Oktober 2004 – 4 StR 358/04, [X.], 228 f.; Urteil vom 1. August 1978 – 1 StR 173/78). Dient der Besitz an den Betäubungsmitteln dem Zweck der gewinnbringenden Weiterveräußerung, tritt die Strafbarkeit wegen Besitzes hinter das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zurück (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 25. Februar 2015 – 4 StR 516/14 aaO; vom 2. Oktober 2008 – 3 StR 352/08, [X.], 58; vom 17. Mai 1996 – 3 StR 631/95, [X.]St 42, 162, 165 f.). Der Besitz hat deshalb mangels Wertgleichheit nicht [X.], selbständige, die Voraussetzungen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erfüllende Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge untereinander zur Tateinheit zu verbinden (vgl. [X.], Beschlüsse vom 16. Juli 2013 – 4 StR 144/13 aaO; vom 17. Mai 1996 – 3 StR 631/95 aaO; [X.], BtMG, 4. Aufl., § 29 Rn. 1380). Besitzt der Täter Betäubungsmittel teils zum Eigenkonsum und teils zu Handelszwecken, geht lediglich der Besitz an der zum Handel bestimmten Betäubungsmittelmenge im Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf, während es für die Eigenbedarfsmenge bei der Strafbarkeit wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln verbleibt. Zwischen dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und dem gleichzeitigen Besitz der davon nicht betroffenen Betäubungsmittelmenge besteht Tateinheit (vgl. [X.], Beschlüsse vom 25. Februar 2015 – 4 StR 516/14 aaO; vom 30. Juni 1998 – 1 StR 293/98, [X.], 593; vom 30. November 1995 – 1 StR 578/95; vom 12. Oktober 1990 – 1 StR 539/90; vom 29. August 1984 – 2 StR 173/84, bei [X.], NStZ 1985, 58; [X.] in Körner/[X.]/[X.], BtMG, 7. Aufl., § 29 Rn. 108; [X.] in [X.], 2. Aufl., § 29 BtMG Rn. 1209).

7

Danach hat das [X.] im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass der Besitz an den bei den drei [X.] jeweils zum Eigenkonsum erworbenen nicht geringen Heroinmengen in dem bereits durch die Aufbewahrung des [X.] beschafften [X.] verwirklichten unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge aufgeht und daher nur eine einheitliche Tat des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gegeben ist. Die [X.] hat aber übersehen, dass der Besitz an dem zum Eigenkonsum dienenden Heroin zu den Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in [X.] steht. Da eine Verklammerung der Handelstaten ausscheidet, hat sich der Angeklagte somit des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen schuldig gemacht.

8

Der [X.] ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der in vollem Umfang geständige Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die Schuldspruchänderung führt zum Entfallen der für die Tat II.1. der Urteilsgründe verhängten [X.] von einem Jahr und drei Monaten. Die [X.]n für die Taten II.2. bis 4. der Urteilsgründe können bestehen bleiben. Die Gesamtstrafe wird durch die Änderung des Schuldspruchs ebenfalls nicht berührt. Der [X.] kann angesichts der verbleibenden [X.]n von zwei Jahren und neun Monaten und zweimal einem Jahr und sechs Monaten ausschließen, dass der Tatrichter bei zutreffender Bestimmung des [X.] auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

9

Der geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch das Rechtsmittel veranlassten Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).

Sost-Scheible                             Roggenbuck                          Cierniak

                          Mutzbauer                               [X.]

Meta

4 StR 430/15

03.12.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hagen (Westfalen), 9. Juni 2015, Az: 44 KLs 200 Js 4179/14 - 5/15

§ 29 Abs 1 S 1 Nr 1 BtMG, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 52 StGB, § 53 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.12.2015, Az. 4 StR 430/15 (REWIS RS 2015, 1304)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1304

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 430/15 (Bundesgerichtshof)


4 StR 516/14 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren wegen Betäubungsmitteldelikten: Konkurrenzverhältnis beim Zusammentreffen von täterschaftlichem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge …


3 StR 468/03 (Bundesgerichtshof)


4 StR 461/18 (Bundesgerichtshof)

Gesamtheit mehrerer Betäubungsmittel maßgeblich zur Bestimmung Grenzwertes der nicht geringen Menge


4 StR 298/17 (Bundesgerichtshof)

Betäubungsmitteldelikt: Konkurrenzverhältnis zwischen Handeltreiben und Besitz einer anderen Betäubungsmittelmenge zum Eigenkonsum


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.