Bundessozialgericht, Beschluss vom 25.03.2021, Az. B 1 SF 1/20 R

1. Senat | REWIS RS 2021, 7492

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Rechtsweg - Schadensersatzanspruch des MDK gegen einen ehemaligen Geschäftsführer


Tenor

Auf die weitere Beschwerde des [X.] und der [X.] zu 1. und 2. werden die Beschlüsse des [X.] vom 5. Mai 2020 und des [X.] vom 10. Februar 2020 aufgehoben. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist zulässig.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Verfahrens der weiteren Beschwerde trägt der Beklagte.

Der Streitwert wird auf 102 631,06 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten im Zwischenstreit über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit.

2

Der Beklagte war seit 1998 Geschäftsführer des klagenden Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ([X.]) [X.]. Am 16.10.2013 sprach der Kläger die Kündigung des zwischen ihm und dem Beklagten geschlossenen [X.] aus, gegen die sich der Beklagte mit einer Klage vor den Zivilgerichten wandte.

3

Mit seiner am 29.12.2016 beim [X.] erhobenen Klage begehrt der Kläger vom Beklagten Schadensersatz iHv insgesamt 256 577,66 [X.]. Zur Klagebegründung hat er [X.] vorgetragen, der Beklagte habe als Geschäftsführer jeweils rechtswidrig in den Jahren 2006 bis 2013 Leistungsprämien (§ 6 Landesverordnung zur Durchführung der §§ 27 und 42a des Bundesbesoldungsgesetzes <[X.]>) und in den Jahren 2011 bis 2013 Leistungszulagen (§ 7 [X.]) an Mitarbeiter des [X.] gewährt. Weiterhin wirft der Kläger dem Beklagten vor, im Jahr 2013 vergaberechtswidrig einen Allradtraktor angeschafft zu haben. Schließlich soll er unter Verstoß gegen die ihm als Geschäftsführer obliegenden Pflichten 50 Exemplare eines von ihm mitverfassten Buches über das Gleitschirmfliegen "Unterwegs mit dem Gleitschirm" veranlasst haben. Der Beklagte unterliege als Geschäftsführer eines [X.] der Organhaftung nach § 42 Abs 2 [X.]B IV und sei dem Kläger hieraus zum Schadensersatz verpflichtet. Daneben hafte er auch aus dem [X.].

4

Im Wege der Drittwiderklage wendet sich der Beklagte gegen die damalige stellvertretende Geschäftsführerin ([X.] zu 1.) und den damaligen Vorsitzenden des Verwaltungsrates des klagenden [X.] ([X.]r zu 2.). Er ist der Auffassung, dass die [X.]n im Falle einer Haftung neben ihm für einen beim Kläger entstandenen Schaden mitverantwortlich sind. Insoweit begehrt er sinngemäß die Feststellung, dass die [X.]n und er in Bezug auf die Haftungsansprüche wegen der Gewährung der streitgegenständlichen Leistungsprämien und -zulagen Gesamtschuldner sind und die [X.]n zu 1. und 2. im Innenverhältnis der Gesamtschuldner allein verpflichtet sind. Das [X.] hat nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das [X.] verwiesen (Beschluss vom 10.2.2020). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, es liege keine Streitigkeit in Angelegenheiten der gesetzlichen Kranversicherung ([X.]) vor. Der Kläger nehme den Beklagten aus dem [X.] in Anspruch. Hierfür sei der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet. Die Haftungsnorm des § 42 Abs 2 [X.]B IV finde auf den [X.]-Geschäftsführer keine Anwendung. Die dagegen von allen Beteiligten eingelegte Beschwerde hat das L[X.] zurückgewiesen (Beschluss vom 5.5.2020). Zur Begründung hat es im Wesentlichen auf die Gründe des [X.]-Beschlusses verwiesen.

5

Dagegen haben der Kläger und die [X.]n zu 1. und 2. die vom L[X.] zugelassene weitere Beschwerde eingelegt. Sie sind der Auffassung, dass der Rechtsweg zu den Sozialgerichten zulässig ist.

6

II. Die zulässige (dazu 1.) weitere Beschwerde des klagenden [X.] und der [X.]n zu 1. und 2. ist begründet. Die Vorinstanzen haben zu Unrecht den Rechtsweg zu den Zivilgerichten für eröffnet angesehen. Für den vorliegenden Rechtsstreit sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig (dazu 2.). Dies gilt auch für die Drittwiderklagen (dazu 3.).

7

1. Die weitere Beschwerde des [X.] und der [X.]n zu 1. und 2. ist nach § 177 und § 202 [X.]G iVm § 17a Abs 4 Satz 4 [X.] statthaft. Hierüber konnte der Senat ohne Zuziehung [X.] entscheiden (§ 12 Abs 1 Satz 2, § 124 Abs 3, § 153 Abs 1, § 165, § 176 [X.]G; vgl zB B[X.] vom 10.12.2015 - B 12 SF 1/14 R - [X.] 4-1720 § 17a [X.] Rd[X.] 8). Das L[X.] hat den Rechtsbehelf zugelassen, und die Entscheidung ist für das B[X.] bindend (§ 202 [X.]G iVm § 17a Abs 4 Satz 6 [X.]). Die Beschwerde ist auch fristgerecht erhoben worden. Sie konnte in entsprechender Anwendung des § 173 [X.]G sowohl beim L[X.] als auch beim B[X.] eingelegt werden (vgl B[X.] vom 4.4.2012 - B 12 SF 1/10 R - [X.] 4-1720 § 17a [X.] Rd[X.] 6 unter Hinweis auf B[X.] vom [X.] - B 3 SF 1/07 R - [X.] 4-1720 § 17a [X.]; B[X.] vom 12.5.1998 - B 11 SF 1/97 R - [X.] 3-1500 § 51 [X.] 24; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 13. Aufl 2020, § 51 Rd[X.] 61). Sie ist jeweils innerhalb der Monatsfrist beim L[X.] eingegangen. Dass der [X.] zur Begründung der weiteren Beschwerde nur auf die Begründung seiner Beschwerde vor dem L[X.] verwiesen hat und die [X.]n die weitere Beschwerde nicht begründet haben, ist für die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde unerheblich. Die in §§ 164 Abs 2 Satz 1, 160a Abs 2 Satz 1 [X.]G für die Begründung einer Revision bzw einer Nichtzulassungsbeschwerde vorgesehene Monatsfrist ist im Falle der weiteren Beschwerde nach § 17a [X.] nicht anwendbar, eine Begründung nicht vorgeschrieben (vgl B[X.] vom [X.] - B 3 SF 1/05 R - [X.] 4-1500 § 51 [X.] 2 Rd[X.] 5; B[X.] vom 12.5.1998 - B 11 SF 1/97 R - [X.] 3-1500 § 51 [X.] 24 = juris Rd[X.]).

8

2. Die weitere Beschwerde ist begründet. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind für das Klageverfahren zuständig. Es liegt eine Angelegenheit der [X.] iS des § 51 Abs 1 [X.] 2, Abs 2 Satz 1 [X.]G vor. Der [X.] stützt sein Begehren auch auf die Vorschrift zur Organhaftung des Geschäftsführers einer Selbstverwaltungskörperschaft. Ob diese Anspruchsgrundlage hier einschlägig ist, ist bislang ungeklärt, aber nicht offensichtlich haltlos und daher eine Frage der Begründetheit der Klage und nicht des Rechtswegs.

9

a) Nach § 51 Abs 1 [X.] 2, Abs 2 Satz 1 [X.]G (hier idF des [X.] der Bezirksschornsteinfegermeister und zur Änderung anderer Gesetze vom 5.12.2012, [X.] 2467) entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über Angelegenheiten der [X.] (Abs 1 [X.] 2). Dies gilt auch dann, wenn die Streitigkeiten privatrechtliche Angelegenheiten der [X.] betreffen (Abs 2 Satz 1), und jeweils auch insoweit, als durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden (Abs 1 [X.] 2 Halbsatz 1 und [X.]). Für die Eröffnung des Rechtswegs zu den [X.]en ist deshalb entscheidend, ob es sich um eine Streitigkeit in einer Angelegenheit der [X.] handelt; nicht von Bedeutung ist nach der Bestimmung des § 51 [X.]G - mit Ausnahme der nach § 51 Abs 3 [X.]G ausgenommenen Streitigkeiten in Verfahren nach dem GWB -, ob die Streitigkeit öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur ist (vgl B[X.] vom 15.3.2017 - B 6 [X.]/16 R - B[X.]E 126, 1 = [X.] 4-5540 Anl 9.1 [X.] 12, Rd[X.] 19; B[X.] vom 21.7.2016 - B 3 SF 1/16 R - [X.] 4-1500 § 51 [X.] 16 Rd[X.] 8; B[X.] vom 23.3.2011 - B 6 KA 11/10 R - B[X.]E 108, 35 = [X.] 4-2500 § 115b [X.], Rd[X.] 17; [X.] vom 17.8.2011 - [X.] - juris Rd[X.] 8). Eine Streitigkeit in einer Angelegenheit der [X.] liegt vor, wenn sie ihre materiell-rechtliche Grundlage im Recht der [X.] hat (vgl nur B[X.] vom [X.] - [X.] 4-1500 § 51 [X.] Rd[X.] 16).

Maßgebender Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs ist der Streitgegenstand, wie er sich auf der Grundlage des Klagebegehrens, also des geltend gemachten prozess[X.]len Anspruchs, und des Klagegrunds, also des zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalts, ergibt (stRspr; vgl zB B[X.] vom 10.12.2015 - B 12 SF 1/14 R - [X.] 4-1720 § 17a [X.] Rd[X.] 11 mwN). Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs hängt dabei grundsätzlich nicht vom Ergebnis einer materiell-rechtlichen Prüfung der Begründetheit des Klagebegehrens ab (vgl [X.] vom [X.] 58.14 - juris Rd[X.] 19; OVG Lüneburg vom 24.3.2017 - 11 OB 78/17 - juris Rd[X.] 7; [X.] in [X.]/[X.], [X.]G, Stand 1.4.2018, § 51 [X.] 2 f). Nach § 17 Abs 2 Satz 1 [X.] entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten. Daraus folgt, dass der vom [X.] beschrittene Rechtsweg schon dann zulässig ist, wenn sich nicht offensichtlich, dh nach jeder rechtlichen Betrachtungsweise, ausschließen lässt, dass das Klagebegehren auf eine Anspruchsgrundlage gestützt werden kann, für die dieser Rechtsweg eröffnet ist (vgl [X.] vom [X.] 58.14 - juris Rd[X.] 11). Dies darf allerdings nicht dazu führen, dass der Rechtsweg vollständig zur Disposition der Beteiligten steht. Anspruchsgrundlagen, die offensichtlich nicht gegeben sind bzw erkennbar vom Rechtsuchenden nur mit dem Ziel geltend gemacht werden, einen bestimmten Rechtsweg beschreiten zu können, haben bei der Prüfung des Rechtswegs deshalb außer Betracht zu bleiben (vgl zB B[X.] vom 25.10.2017 - B 7 SF 1/16 R - juris Rd[X.] 8 f; B[X.] vom [X.] - 3 BS 2/93 - [X.] 3-1500 § 51 [X.] 15 - juris Rd[X.] 13; [X.] vom [X.] 58.14 - juris Rd[X.] 11 und 18; [X.] vom 5.7.1990 - [X.]/89 - juris Rd[X.] 18).

b) Danach ist der [X.] hier gegeben. Der [X.] darf versuchen, seinen materiell-rechtlichen Standpunkt in der Sozialgerichtsbarkeit durchzusetzen, ohne dass die Klage gegen seinen Willen in die Zivilgerichtsbarkeit verwiesen wird (vgl B[X.] vom [X.] SF 1/08 R - [X.] 4-1500 § 51 [X.] 5 - Rd[X.] 16-17).

Gegenstand des Klageverfahrens ist ein Anspruch des [X.] gegen den Beklagten auf Schadensersatz wegen Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Beklagten als [X.]-Geschäftsführer in den Jahren 2006 bis 2013. Diesen Anspruch leitet der [X.] laut Klagebegründung auch aus einer Organhaftung nach Maßgabe des § 42 Abs 2 [X.]B IV (idF des [X.] vom [X.], [X.] 1029) ab, auf den über § 279 Abs 6 [X.]B V (idF des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20.12.1988, [X.] 2477; ab 4.8.2011 idF des Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze vom 28.7.2011, [X.] 1622) auch für den [X.] verwiesen wird. Nach § 42 Abs 2 [X.]B IV der hier maßgeblichen Fassung haften die Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane für den Schaden, der dem Versicherungsträger aus einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung der ihnen obliegenden Pflichten entsteht. § 279 [X.]B V in der hier einschlägigen Fassung ist Bestandteil der Vorschriften über die rechtliche Regelung des [X.]. Nach § 279 Abs 6 [X.]B V gelten für den [X.] auch § 42 Abs 1 bis 3 [X.]B IV entsprechend.

Bei § 42 Abs 2 [X.]B IV handelt es sich nach der ganz herrschenden Auffassung um eine sozialrechtliche Haftungsnorm, für die der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist (vgl [X.] vom 14.2.1985 - [X.] - [X.]Z 94, 18 = juris Rd[X.] 22 und 25; L[X.] Niedersachsen-Bremen vom 19.3.2019 - L 16 KR 61/16 - juris Rd[X.] 83; [X.] vom 10.3.1999 - 10 (7) Ta 166/98 - juris Rd[X.] 13; vgl anstelle vieler [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 13. Aufl 2020, § 51 Rd[X.]9 mwN). Die Norm stellt nämlich nicht bloß eine gesetzliche Regelung zur Reduzierung der vertraglichen (zivilrechtlichen) Haftung dar, sondern eine eigenständige materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage (vgl L[X.] Niedersachsen-Bremen vom 19.3.2019 - L 16 KR 61/16 - juris Rd[X.] 83; L[X.] Baden-Württemberg vom 19.3.2007 - L 1 A 2763/06 - juris Rd[X.]8; Seegmüller in [X.]/Voelzke, jurisPK-[X.]B IV, 3. Aufl 2016, § 42 Rd[X.] 50; Hüttenbrink, Schadensersatzansprüche der [X.] gegen ihre [X.], 1981, 13).

Dies ergibt sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Vor Inkrafttreten des § 42 [X.]B IV war die Organhaftung in § 14 Selbstverwaltungsgesetz vom 23.8.1967 ([X.] 917) und zuvor schon in § 7 Gesetz über die Selbstverwaltung und über Änderungen von Vorschriften auf dem Gebiet der Sozialversicherung (<[X.]> vom [X.], [X.] 124) geregelt. Diese Regelungen stellten - höchstrichterlich entschieden - eigenständige (sozialrechtliche) Anspruchsgrundlagen dar (vgl B[X.] vom 13.12.1971 - 7/2 [X.] - B[X.]E 33, 209 = [X.] [X.] 54 zu § 51 [X.]G - juris Rd[X.] 12 bis 14; vgl auch [X.] vom 14.2.1985 - [X.] - [X.]Z 94, 18 = juris Rd[X.] 22 bis 25). Durch die Kodifizierung der Regelung im [X.]B IV wollte der Gesetzgeber das nicht ändern. Daher knüpft der Wortlaut der Vorschrift in der Ursprungsfassung des [X.]B IV vom 23.12.1976 ([X.] 3845; "Die Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane haften für den Schaden, der dem Versicherungsträger aus einer schuldhaften Verletzung der ihnen obliegenden Pflichten entsteht") erkennbar an die Formulierung in § 14 Abs 1 Selbstverwaltungsgesetz bzw § 7 Abs 1 [X.] an. Auch die Gesetzesmaterialien sprechen insoweit von einer Modernisierung der "bisherigen Haftungsvorschrift". Die Einfügung der Worte "vorsätzlich oder grob fahrlässig" in § 42 Abs 2 [X.]B IV, die vom Beklagten argumentativ ins Feld geführt werden, erfolgte erst mit dem Gesetz zur Verbesserung des Wahlrechts für die Sozialversicherungswahlen vom [X.] ([X.] 1029). Dass sich hierdurch der Charakter der Vorschrift als materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage ändern sollte, lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Vielmehr sollte nur die - originär bestehende - Haftung nach § 42 Abs 2 [X.]B IV begrenzt werden (vgl BT-Drucks 10/1162 S 6).

Ob die Haftungsnorm des § 42 Abs 2 [X.]B IV über § 279 Abs 6 [X.]B V auf den [X.]-Geschäftsführer Anwendung findet, ist eine noch offene Fragestellung. Streitig ist insoweit, ob der [X.]-Geschäftsführer in seiner Funktion einem Mitglied eines Selbstverwaltungsorgans entspricht. Der Vortrag des [X.] hierzu ist nicht offensichtlich haltlos. Höchstrichterliche Rechtsprechung existiert bislang nicht. In der Literatur wird aber teilweise die Anwendbarkeit des § 42 Abs 2 [X.]B IV über § 279 Abs 6 [X.]B V auf den [X.]-Geschäftsführer bejaht (vgl [X.], [X.] der Krankenversicherung, 1998, 122; [X.] in BeckOK [X.], Stand [X.], § 279 [X.]B V Rd[X.] 78; [X.] in [X.]/[X.], 6. Aufl 2018, § 279 Rd[X.]; [X.] zB Nebendahl in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl 2018, § 279 [X.]B V Rd[X.]).

Zwar hat ein [X.]-Geschäftsführer wesentlich umfassendere Aufgaben und Kompetenzen als der Geschäftsführer einer Selbstverwaltungskörperschaft (vgl § 279 Abs 4 [X.]B V einerseits und § 36 Abs 1 [X.]B IV andererseits; vgl hierzu nur Gitter/Köhler-Fleischmann, [X.]b 1999, 157, 165) und ist ebenso wenig wie der hauptamtliche Vorstand einer Krankenkasse iS des § 35a [X.]B IV - anders als Mitglieder von Selbstverwaltungsorganen (vgl § 40 Abs 1 Satz 1 [X.] IV) - ehrenamtlich tätig. Für eine Anwendung kann aber - neben dem Wortlaut der Verweisungsnorm, die nicht zwischen dem [X.]-Geschäftsführer und dem Verwaltungsrat differenziert - die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben im System der [X.] sprechen (vgl [X.], aaO). Es kann daher erst im Rahmen des Klageverfahrens unter inhaltlicher Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des [X.] geklärt werden, ob die zur Haftung des Geschäftsführers einer Selbstverwaltungskörperschaft ergangene Rechtsprechung (vgl [X.] vom 14.2.1985 - [X.] - [X.]Z 94, 18 = juris Rd[X.] 25 zur Nichtanwendbarkeit des § 42 [X.]B IV auf den Geschäftsführer eines Selbstverwaltungsträgers iS des § 35 [X.]B IV; vgl B[X.] vom [X.] - B 1 KR 9/08 R - [X.] 4-2400 § 35a [X.] 4 Rd[X.] 20 zur Nichtanwendbarkeit des § 42 [X.]B IV auf den hauptamtlichen Vorstand einer Krankenkasse iS des § 35a [X.]B IV) im Hinblick auf die Verweisung in § 279 Abs 6 [X.]B V auf den [X.]-Geschäftsführer übertragbar ist.

Der Vortrag des [X.] ist auch nicht zielgerichtet zur Begründung allein des Rechtswegs erfolgt (vgl hierzu zB B[X.] vom 25.10.2017 - B 7 SF 1/16 R - juris Rd[X.]; [X.] vom [X.] 58.14 - juris Rd[X.] 18; [X.] vom 5.7.1990 - [X.]/89 - juris Rd[X.] 18). Er setzt sich vielmehr inhaltlich mit den sozialrechtlichen Vorschriften auseinander. Dass im Ergebnis - sofern der Auffassung des L[X.] und [X.], die eine Anwendbarkeit des § 42 Abs 2 [X.]B IV auf den [X.]-Geschäftsführer verneinen, zu folgen ist - möglicherweise nur der vom [X.] ebenfalls geltend gemachte zivilrechtliche Schadensersatzanspruch aus der Verletzung des [X.] den geltend gemachten Schadensersatz zu stützen vermöchte, steht der Richtigkeit des [X.]s nicht entgegen. In solchen Fällen, in denen der [X.] bei identischem Streitgegenstand auf mehrere, verschiedenen Rechtswegen zugeordnete Anspruchsgrundlagen gestützt ist, ist das angerufene Gericht nach § 17 Abs 2 Satz 1 [X.] zur Entscheidung über sämtliche Klagegründe verpflichtet, sofern nur der Rechtsweg für einen von ihnen gegeben ist (vgl nur B[X.] vom 25.10.2017 - B 7 SF 1/16 R - juris Rd[X.] 8 f; B[X.] vom 30.9.2014 - B 8 SF 1/14 R - [X.] 4-3500 § 75 [X.] 5 Rd[X.] f).

3. Anhand der aufgezeigten Maßstäbe (s unter 2.) sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auch für die Drittwiderklagen zuständig.

Über den Rechtsweg für die [X.] war ebenfalls vorab zu entscheiden. Bei gebotener Auslegung (§ 123 [X.]G) des Begehrens hat der Beklagte seine (isolierten) Drittwiderklagen gegen die [X.]n zu 1. und 2. unbedingt erhoben. Zwar lassen seine Ausführungen auch die Deutung zu, dass die Widerklagen nur hilfsweise für den Fall erhoben worden sein könnten, dass die Klage (zumindest teilweise) Erfolg hat (sog Event[X.]lwiderklage; vgl hierzu B[X.] vom 3.4.2014 - B 5 R 25/13 R - [X.] 4-2600 § 118 [X.] 13 Rd[X.]8; B[X.] vom 25.1.2001 - B 4 RA 64/99 R - [X.] 3-1500 § 54 [X.] 45 = juris Rd[X.] 15 mwN). Eine solche Auslegung des unbedingt formulierten Antrags des Beklagten entspräche jedoch nicht seinen Interessen, denn eine isolierte Event[X.]ldrittwiderklage wäre unzulässig (vgl [X.] vom [X.] - [X.]/00 - [X.]Z 147, 220 = juris Rd[X.] 12; Schultzky in [X.], ZPO, 33. Aufl 2020, § 33 Rd[X.]4).

Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind für die Drittwiderklagen zuständig (§ 51 Abs 1 [X.] 2, Abs 2 Satz 1 [X.]G). Der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt wird für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge wesentlich von Bestimmungen der [X.] geprägt. Denn die gesamtschuldnerische Haftung stützt der Beklagte - weder zielgerichtet allein zur Begründung des Rechtswegs noch offensichtlich haltlos - auf § 279 Abs 6 [X.]B V iVm § 42 [X.]B IV und § 426 BGB analog. Ob durch § 42 [X.]B IV eine gesamtschuldnerische Haftung begründet wird, wenn der Schaden durch mehrere Organe verursacht wird, ist höchstrichterlich bisher nicht geklärt (vgl nur [X.] vom 14.2.1985 - [X.] - [X.]Z 94, 18 = juris Rd[X.] 67). Dies ist erneut eine Frage der Begründetheit.

4. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.]G iVm § 154 Abs 1 VwGO. Im Verfahren über eine Rechtswegbeschwerde ist eine Kostenentscheidung grundsätzlich erforderlich (vgl nur B[X.] vom 25.10.2017 - B 7 SF 1/16 R - juris Rd[X.] 11 mwN). Gründe davon abzusehen (vgl dazu [X.] vom 3.7.1997 - IX ZB 116/96 - juris Rd[X.] 20) liegen hier nicht vor. Die Kosten sind hier dem Beklagten aufzuerlegen. Dass die Gegenseite der weiteren Beschwerde entgegentritt, ist dazu nicht erforderlich (str, wie hier [X.] - 16 W 61/09 - juris Rd[X.] 12; [X.] vom 11.12.2008 - 1 W 68/08 - juris Rd[X.] 6; [X.] vom 21.6.2001 - 6 W 36/01; [X.] in [X.]/[X.], VwGO, Stand 1.7.2020, § 17a [X.] Rd[X.]5; [X.] OVG Sachsen-Anhalt vom 29.8.2017 - 3 O 161/17 - juris Rd[X.] 10; [X.] vom 8.12.2015 - 4 C 15.2471 - juris Rd[X.]; [X.] in [X.]/Gehrlein, ZPO, 10. Aufl 2018, § 17b [X.] Rd[X.] mwN).

5. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.]G iVm § 52 Abs 1, § 45 Abs 1 Satz 1 und 3 GKG. Es erscheint angemessen, für die Vorabentscheidung über den Rechtsweg für die Klage von einem Wert iHv 51 315,53 [X.] - einem Fünftel des Wertes des geltend gemachten Anspruchs - auszugehen (vgl B[X.] vom 25.10.2017 - B 7 SF 1/16 R - juris Rd[X.] 11 bis 12) und für die Drittwiderklagen, die einen über die Klage hinausgehenden Gegenstand betreffen, von weiteren 51 315,53 [X.]. Dies ergibt einen Gesamtwert von 102 631,06 [X.].

Meta

B 1 SF 1/20 R

25.03.2021

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SF

vorgehend SG Speyer, 10. Februar 2020, Az: S 17 KR 44/20, Beschluss

§ 51 Abs 1 Nr 2 SGG, § 51 Abs 2 S 1 SGG, § 202 S 1 SGG, § 17 Abs 2 S 1 GVG, § 42 Abs 2 SGB 4, § 279 Abs 6 SGB 5 vom 20.12.1988

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 25.03.2021, Az. B 1 SF 1/20 R (REWIS RS 2021, 7492)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 7492

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