Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.02.2016, Az. 2 StR 413/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2016, 16465

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Betäubungsmitteldelikt: Transport als Handeltreiben; Anwendbarkeit deutschen Strafrechts


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 24. Juni 2015 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Die dagegen auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

I.

2

Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen beschäftigte sich der in [X.] lebende Angeklagte seit 2013 mit alternativen Heilmethoden und spezialisierte sich im Laufe der [X.] auf die Herstellung und Anwendung von Cannabisöl zu Therapiezwecken in der Schmerz- und Krebsbehandlung. Durch den Verkauf des Öls verschaffte er sich eine fortlaufende Einnahmequelle, wodurch er mittlerweile überwiegend seinen Lebensunterhalt finanziert. Da sein bisheriger Lieferant aus [X.] in Lieferschwierigkeiten geriet, "denn sowohl in [X.] als auch in [X.] ist der Handel mit Cannabispflanzen illegal, wird jedoch in [X.] bei der Verwendung zu Heilzwecken geduldet", musste sich der Angeklagte einen weiteren Lieferweg erschließen.

3

Er fuhr deshalb Ende Januar/Anfang Februar 2015 in die [X.] und kaufte dort sechs Kilogramm Cannabispflanzen für 2.400 Euro. Da ihm der Transport mit dem Auto durch [X.] nach [X.] zu riskant erschien, weil er wusste, dass dies strafbar ist und die Pflanzen zu viel Stauraum in Anspruch nehmen und daher auffällig sein würden, verarbeitete er die Pflanzen noch in den [X.]n zu insgesamt rund 1,7 Kilogramm Cannabisöl mit einem Wirkstoffgehalt von rund 870 Gramm THC. Am 5. Februar 2015 begab er sich in Begleitung der nichtrevidierenden Mitangeklagten auf den Weg über [X.] nach [X.]. Die Behältnisse mit dem Cannabisöl verstaute er an verschiedenen Stellen im Fahrzeug. Auf die Gepäckstücke im Gepäckraum legte er griffbereit einen Schlagstock sowie eine Schutzweste, um sich und die mitgeführten Betäubungsmittel vor Angreifern zu schützen. Um 21.25 Uhr wurde er in der Nähe von [X.] einer polizeilichen Kontrolle unterzogen, bei der die Betäubungsmittel sowie der Schlagstock aufgefunden wurden.

II.

4

Schuldspruch und Strafausspruch halten rechtlicher Überprüfung stand. Der Erörterung bedarf jedoch Folgendes:

5

1. Der Angeklagte hat bereits mit dem Transport des [X.] im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG "Handel getrieben".

6

Unter den Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln fällt jede eigennützige Bemühung, die darauf gerichtet ist, den Umsatz mit Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern ([X.], NJW 2007, 1193; [X.], Beschluss vom 26. Oktober 2005 - [X.], [X.]St 50, 252, 256). Das weit auszulegende Tatbestandsmerkmal "Handeltreiben" wird im Hinblick auf die "weit nach vorne" gelegte Vollendungsschwelle als (unechtes) [X.] bezeichnet (vgl. [X.], [X.] aaO, 262; [X.], Beschluss vom 24. Oktober 2006 - 3 [X.], [X.], 531, 532).

7

Der vorliegend erfolgte Transport des [X.] diente dazu, den Umsatz des in den [X.]n erworbenen Öls aus eigennützigen Gründen zu fördern. Der solchermaßen auf Absatz gerichtete Transport von Betäubungsmitteln ist daher bereits als Handeltreiben im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG zu werten (vgl. [X.], Urteil vom 13. Mai 1986 - 5 [X.], [X.], 415; Beschluss vom 1. August 2006 - 3 StR 149/06, [X.], 287).

8

2. Der Angeklagte war nach [X.] Betäubungsmittelstrafrecht zu bestrafen.

9

a) Der Anwendungsbereich des nationalen Strafrechts bestimmt sich nach den §§ 3 ff. StGB, denen zunächst das Territorialitätsprinzip zu Grunde liegt, wonach das [X.] Strafrecht nur für solche Taten gilt, die im Inland sowie auf bestimmten Schiffen oder Luftfahrzeugen begangen werden (§§ 3, 4 StGB). Anknüpfungspunkt ist insoweit der Begehungsort der Tat, so dass die nationale Strafgewalt ihre Legitimation in dem Bezug des geahndeten Verhaltens zum Staatsgebiet findet. Die Feststellung des Tatorts entscheidet von daher, ob über § 3 StGB ohne weiteres [X.]s Strafrecht anwendbar ist. Wo wiederum der Begehungsort einer Tat liegt, richtet sich für den Täter nach § 9 Abs. 1 StGB. Begangen ist danach eine Handlung an jedem Ort, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen (Handlungsort) oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des [X.] eintreten sollte (Erfolgsort). § 9 Abs. 1 StGB bestimmt demgemäß, dass der Ort des Handelns (§ 9 Abs. 1 [X.]. 1 und 2 StGB) und der Ort des Erfolgseintritts (§ 9 Abs. 1 [X.]. 3 und 4 StGB) gleichermaßen Tatorte und damit Anknüpfungspunkte für die Anwendung des Territorialgrundsatzes darstellen.

Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ist ein Tätigkeitsdelikt. Für die Frage, ob die Tat gemäß § 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 StGB im Inland begangen ist, ist deshalb allein auf den Handlungsort abzustellen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 31. März 2011 - 3 [X.]; vom 17. Juli 2002 - 2 [X.], [X.], 269; vgl. auch Weber, BtMG, 4. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 83). Gemäß §§ 3, 9 Abs. 1 StGB ist der Täter dem [X.] Strafrecht unterworfen, wenn er im Inland eine zur Tatbestandsverwirklichung führende Tätigkeit vornimmt und sich dadurch in Widerspruch zur Rechtsordnung seines Aufenthaltsortes setzt. Demgemäß ist eine Tat als an jedem Ort begangen anzusehen, an dem der Täter eine auf die Tatbestandsverwirklichung gerichtete Tätigkeit entfaltet oder versucht hat (vgl. [X.]/[X.]/Eser, StGB, 29. Aufl., § 9 Rn. 3; LK-Werle/[X.], 12. Aufl., § 9 Rn. 10). Beim Handeltreiben ist daher ein Handlungsort überall dort gegeben, wo ein Teilakt verwirklicht wird (vgl. [X.], Beschluss vom 1. August 2006 - 3 StR 149/06, [X.], 287; [X.]/[X.], BtMG, 8. Aufl., Vor §§ 29 Rn. 294), mithin auch dort, wo Betäubungsmittel zum Zweck des Umsatzgeschäftes transportiert werden [X.], BtMG, 4. Aufl., Vorb. §§ 29 ff. Rn. 105).

Da der Angeklagte mit dem Transport des [X.] durch die [X.] eine auf die Tatbestandsverwirklichung des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG gerichtete Tätigkeit im Inland entfaltet hat, ist das durch diesen Teilakt verwirklichte einheitliche Handeltreiben als Inlandstat anzusehen (vgl. [X.], Urteil vom 13. Mai 1986 - 5 [X.], [X.], 415; [X.], StGB, 4. Aufl., § 9 Rn. 6). Dass der Weiterverkauf des [X.] erst im Ausland eintreten sollte, ist für die Bestimmung des Begehungsortes ebenso unerheblich wie der Umstand, dass es zu seiner Herbeiführung noch weiterer Tätigkeiten des Angeklagten bedurfte.

b) Ob einer Strafbarkeit wegen Handeltreibens nach [X.] Recht entgegenstehen könnte, wenn dies in [X.] strafrechtlich nicht verfolgt würde, kann vorliegend schon deshalb dahinstehen, weil gemäß Artikel 246 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs der Republik [X.] der Handel mit Cannabisöl auch dann strafbar ist, wenn er zu Heilzwecken erfolgt; die Möglichkeit eines [X.] bzw. Erlasses von Strafe ist für diesen Fall gesetzlich nicht vorgesehen.

Fischer                     Appl                        Ott

                 Zeng                     Bartel

Meta

2 StR 413/15

10.02.2016

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Darmstadt, 24. Juni 2015, Az: 12 KLs 900 Js 5408/15

§ 29 Abs 1 S 1 Nr 1 BtMG, § 3 StGB, § 9 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.02.2016, Az. 2 StR 413/15 (REWIS RS 2016, 16465)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16465

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 413/15 (Bundesgerichtshof)


5 StR 559/11 (Bundesgerichtshof)

(Betäubungsmitteldelikt: Übernahme und Transport von Cannabissetzlingen)


4 StR 345/19 (Bundesgerichtshof)

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Strafmilderung wegen Aufklärungshilfe


3 StR 554/15 (Bundesgerichtshof)

Betäubungsmitteldelikt: Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bei der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln; Urteilsfeststellungen hinsichtlich eines …


110 KLs 22/23 (Landgericht Kleve)


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.