Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.02.2013, Az. 2 StR 556/12

2. Strafsenat | REWIS RS 2013, 8222

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 556/12
vom
13.
Februar 2013
in der Strafsache
gegen

wegen
Anstiftung zum versuchten Mord u.a.

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung
des Generalbun-desanwalts und des Beschwerdeführers am
13.
Februar 2013 gemäß §
349 Abs. 2 und 4 [X.] beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 12. März 2012 mit den zuge-hörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Anstiftung zum versuchten Mord in Tateinheit mit ge-fährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist, sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe und über die Entschädigung des Verletzten.
2.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechts-mittels, an eine andere [X.] des Land-gerichts zurückverwiesen.
3.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Anstiftung zum versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Nachstellung in zwei Fällen, in einem davon in Tateinheit mit versuchter Nötigung und zwei Fällen der Bedrohung, im anderen mit einem Fall der Bedrohung, zu einer [X.]
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samtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs
Monaten verurteilt und Ent-scheidungen im Adhäsionsverfahren getroffen. Seine auf die Verletzung formel-len und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit einer Verfahrensrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen erweist sie sich als
un-begründet (§ 349 Abs. 2 [X.]).
1. Schuld-
und Strafausspruch halten rechtlicher Nachprüfung stand, soweit der Angeklagte wegen zwei Fällen der Nachstellung (in Tateinheit mit weiteren Delikten) verurteilt worden ist. Dies gilt auch im Hinblick auf die
Rüge eines Verstoßes gegen § 52 [X.] (unterbliebene Belehrung einer Zeugin, de-ren Ehe mit dem Angeklagten annulliert worden war), die auch diese [X.] betrifft, aber aus den vom [X.] dargelegten Gründen nicht durchgreift.

2. Dagegen begegnet die Verurteilung wegen Anstiftung zum versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung rechtlichen Bedenken. In-soweit hat die Revision mit der Rüge der Verletzung des § 261 [X.] Erfolg. Dem liegt folgendes prozessuales Geschehen zugrunde:
a)
Die Berufsrichter der [X.] nahmen während laufender Haupt-verhandlung Augenschein vom [X.], nachdem sich auch im Zusammenhang mit einem Beweisantrag der Verteidigung in der Hauptverhandlung [X.] hatte, dass Einzelheiten zu [X.]gegebenheiten und zu den dortigen Lichtverhältnissen zur Tatzeit für die Entscheidung von Bedeutung sein konn-ten. In Ergänzung zu bereits zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemach-ten Fotodokumentationen und zu Wahrnehmungen von Polizeibeamten, die hierzu bereits angehört worden waren, wurde

wie sich dienstlichen Erklärun-gen der beteiligten
Richter entnehmen lässt

der [X.] zu einer der Tatzeit vergleichbaren Uhrzeit
von den Berufsrichtern ohne Information der Verfah-2
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rensbeteiligten begangen und in Augenschein genommen. Dabei wurden "in verschiedenen Szenarien möglicher Tatabläufe die Licht-
und Sichtverhältnisse nachvollzogen, Laufversuche unternommen und etwaige [X.] ermittelt". Über das Ergebnis wurden die Schöffen zeitnah infor-miert; die übrigen Verfahrensbeteiligten wurden ebenfalls über die Ergebnisse der [X.]besichtigung ins Bild gesetzt.
In den Urteilsgründen setzt sich die [X.] eingehend mit den [X.] Verhältnissen am [X.] auseinander. Dabei führt sie u.a. aus (UA S.
29): "Die örtlichen Verhältnisse sind durch in
Augenscheinnehmen von Lichtbildern und die Berichte der eingesetzten Polizeibeamten zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden und im Übrigen gerichtsbekannt (die Berufsrichter haben sich zur Nachtzeit vor Ort einen Eindruck verschafft und dies dem Rest der Kammer vermittelt)."

b)
Dieses Vorgehen der [X.] steht mit § 261 [X.] nicht in [X.]. Das [X.] hat sich bei seiner Überzeugungsbildung auf Vorgänge gestützt, die nicht zum Inbegriff der Verhandlung gehören.
Der Tatrichter darf seiner Entscheidung zur Schuld-
oder Straffrage nur das zugrunde legen, was er an Erkenntnissen durch die Verhandlung und in der Verhandlung im Rahmen einer förmlichen Beweiserhebung oder unter Be-rücksichtigung der Einlassung des Angeklagten gewonnen hat (vgl. BGHSt 19, 193, 195; s. auch BGHSt 45, 354, 357). Dies schließt es grundsätzlich aus, au-ßerhalb der Hauptverhandlung erlangtes Wissen des Richters ohne förmliche Beweiserhebung hierüber zum Nachteil des Angeklagten zu verwerten. Eine Ausnahme kann gelten bei gerichtskundigen Tatsachen, wenn sie zuvor, auch in ihrer Wertung als "gerichtskundig", zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden sind (vgl. Schoreit in: [X.] Kommentar zur [X.], 5
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6.
Aufl., 2008, § 261, Rn. 9). Dies kommt freilich von vornherein nicht in [X.], wenn

wie hier

aus Anlass des gegenständlichen Verfahrens erst eine dadurch veranlasste "private Beweisaufnahme"
des Gerichts außerhalb der Hauptverhandlung zur Gerichtskundigkeit führt (s. [X.] in: [X.] Kommentar zur [X.], aaO,
§ 244, Rn. 137). Aus diesem Grund kann deshalb auch der Umstand, dass die [X.] in der Hauptverhandlung Mitteilung von den Ergebnissen ihrer Augenscheinseinnahme gemacht hat, die Verfahrensverletzung nicht beseitigen.
Auf diesem Gesetzesverstoß beruht das angefochtene Urteil entgegen der Ansicht des [X.]s auch. Der [X.] kann nicht ausschlie-ßen, dass das [X.] ohne die als gerichtskundig verwerteten Tatsachen zu einer für den Angeklagten günstigeren Entscheidung gekommen wäre. Die Kammer hat

ausweislich der Urteilsgründe auch gestützt auf durch die eigene Augenscheinseinnahme gewonnene Erkenntnisse -
den vom Tatopfer geschil-derten Tatablauf als unvereinbar mit den örtlichen Verhältnissen angesehen ([X.]). Sie hat sich infolgedessen von seiner Tatschilderung, in deren Rahmen er auch den Angeklagten als unmittelbaren Angreifer erkannt haben wollte, nicht überzeugen können und ist unter Berücksichtigung der festgestell-ten [X.]gegebenheiten, insbesondere auch der "tatsächlichen [X.]", sowie der vorgefundenen Spurenlage von einem davon abweichenden Ge-schehensablauf ausgegangen ([X.]). Danach soll sich der vom Angeklag-ten angestiftete Täter zunächst an einem Ort im Nahbereich des [X.] verborgen gehalten haben, bevor er unmittelbar vor [X.] auf den sich zu diesem Zeitpunkt keines Angriffs versehenden Geschädigten zugerannt sei und sofort zugeschlagen habe, weshalb der Angeklagte wegen Anstiftung zu einem versuchten [X.] zu bestrafen sei ([X.]). Der [X.] kann jedenfalls nicht ausschließen, dass die Kammer ohne Berücksichtigung der [X.] verwerteten Erkenntnisse ihrer Entscheidung einen anderen [X.]
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hensablauf zugrunde gelegt hätte, bei dem heimtückisches Handeln zu vernei-nen gewesen wäre.
Der Gesetzesverstoß, der an sich nur die Verurteilung wegen Anstiftung zum versuchten Mord betrifft, führt auch zur Aufhebung der tateinheitlich ver-wirklichten Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung.
3. Die Aufhebung der Verurteilung wegen des Tötungsdelikts zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs sowie auch der darauf bezogenen Entscheidungen im Adhäsionsverfahren nach sich, für die mit der Aufhebung des ihnen zugrunde liegenden Schuldspruchs die Grundlage entfallen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 13.
Februar 2002

2 StR 1/02; Beschluss vom 4.
August 2010

2 [X.]).

Fischer

Appl

Schmitt

Berger

[X.]
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10

Meta

2 StR 556/12

13.02.2013

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.02.2013, Az. 2 StR 556/12 (REWIS RS 2013, 8222)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8222

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2 StR 556/12

2 StR 118/10

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